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Vorlage - VO/11862/25  

 
 
Betreff: Antrag "Lüneburgs Wärmenetze kommunalisieren" (Antrag der SPD-Fraktion und Ratsfrau Esders vom 24.04.2025, eingegangen am 24.04.2025)
Status:öffentlichVorlage-Art:Antrag
Verfasser:DEZERNAT III
Federführend:DEZERNAT II Beteiligt:Fachbereich 2 - Finanzen
Bearbeiter/-in: Kamionka, Andrea  Bereich 20 - Kämmerei, Stadtkasse und Stiftungen
   Bereich 22 - Betriebswirtschaft und Beteiligungsverwaltung, Controlling
   DEZERNAT III
   Fachbereich 3b - Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Umwelt und Mobilität
Beratungsfolge:
Verwaltungsausschuss Vorberatung
17.06.2025 
Nichtöffentliche Sitzung des Verwaltungsausschusses      
Rat der Hansestadt Lüneburg Entscheidung
19.06.2025 
Sitzung des Rates der Hansestadt Lüneburg    

Sachverhalt
Finanzielle Auswirkungen
Anlage/n

Sachverhalt:

 

Die Verwaltung nimmt zu dem Antrag vom 24.04.2025 von Ratsfrau Esders und der SPD-Fraktion, Lüneburgs Wärmenetze zu kommunalisieren, nachfolgend Stellung.

 

Der Antrag benennt die Bestandsnetze in Kaltenmoor, Stadtmitte, Bockelsberg, Hanseviertel und Wittenberger Bahn. Unklar ist, ob sich die Forderung nach Kommunalisierung auschließlich auf auf die fünf von der Avacon Natur GmbH betriebenen Wärmenetze beschränkt oder sich auch auf die sechs weiteren Bestandsnetze erstreckt, die von der GETEC net GmbH, der LüWOBau GmbH und der Fernwärme Nord GmbH betrieben werden (zur Übersicht vgl. Entwurf der Strategischen Kommunalen Wärmeplanung, Nr. 3.6.4, S. 25, Anlage zu VO/11828/25). In Bezug auf die Bestandsnetze konzentriert sich die Stellungnahme auf die seitens der Avacon Natur GmbH betriebenen Bestandsnetze.

 

Um eine hinreichende Beratungsgrundlage zu bieten, hat sich die Verwaltung um eine umfassende Darstellung der Hintergründe, des Sachstandes und des Gesamtzusammenhangs bemüht: 

 

A. Fernwärmeversorgung in Lüneburg

Im Jahr 1988 schlossen die Stadt Lüneburg und die damalige Hannover-Braunschweigsche Stromversorgungs-Aktiengesellschaft (HASTRA) einen Vertrag über die Fernwärmeversorgung in der Stadt Lüneburg. Darin räumte die Stadt der HASTRA im Stadtgebiet unentgeltlich das Recht ein, die öffentlichen Verkehrsräume zur Verlegung und zum Betrieb von Fernwärmeleitungen zu benutzen.

Die Avacon Natur GmbH hat als Rechtsnachfolgerin der HASTRA sämtliche sich aus dem Vertrag ergebenden Rechte und Pflichten übernommen. So ist sie beispielsweise verpflichtet, die benötigte Wärmemenge an die angeschlossenen Abnehmer tatsächlich zu liefern, wobei sie hinsichtlich der Geschäftsbedingungen wie z.B. Veröffentlichungspflichten, Baukostenzuschüssen, Abrechnung und Preisänderungsklauseln an die Regelungen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) gebunden ist.

Neben Regelungen für die Durchführung von Baumaßnahmen und die Nutzung von Verkehrsräumen ist in dem Vertrag außerdem die Berücksichtigung lokaler Unternehmen durch die Avacon Natur GmbH bei Ihren Bau- und Installationsarbeiten im Zusammenhang mit der Fernwärmeversorgung geregelt. Dadurch soll die lokale Wertschöpfung gesteigert werden.

Der Vertrag hat eine Laufzeit von 50 Jahren (Vertragsende 2038) und enthält für den Fall der Nichtverlängerung die Regelung, dass die Stadt die Versorgungsanlagen zum Taxwert zu übernehmen hat. Im Jahr 2010 unterzeichneten die Vertragsparteien eine Ergänzungsvereinbarung, in der neben Entgeltzahlungen von der Avacon Natur GmbH an die Hansestadt auch ein Sonderkündigungsrecht zugunsten der Vertragspartner zum 31.12.2023 geregelt wurde. Dieses wurde nach entsprechender einstimmiger Beschlusslage des Verwaltungsausschusses durch eine weitere Ergänzungsvereinbarung im Jahr 2023 auf den 31.12.2028 mit einer Kündigungsfrist zum 31.12.2027 geändert (vgl. VO/10879/23).

In den vergangenen Jahrzehnten wurde das Fernwärmenetz durch die Avacon Natur weiter ausgebaut, sodass das gesamte Fern- und Nahwärmenetz der Avacon Natur in Lüneburg eine Länge von ca. 53 Kilometern in 5 Netzen aufweist. Es sind ca. 1.100 Haushalte angeschlossen und die Wärmemenge von 122 GWh wird zu einem Anteil von 24 % aus erneuerbaren Energien erzeugt was durch den Zugriff auf bilanzielles Biomethan erreicht wird. Die BHKW haben eine (elektrische) Leistung von ca. 8,9 MW. Die Kessel haben eine (thermische) Leistung von 70 MW.

 

 

B. Kommunale Wärmeplanung

Gemäß § 20 Niedersächsisches Klimagesetz (NKlimaG) ist die Hansestadt Lüneburg als Oberzentrum verpflichtet, bis spätestens zum 31. Dezember 2026 einen kommunalen Wärmeplan zu erstellen und zu veröffentlichen. Das Ziel der kommunalen Wärmeplanung ist, ein Konzept für eine treibhausgasneutrale, kosteneffiziente und nachhaltige Wärmeversorgung bis 2040 zu entwickeln, das den Transformationsprozess der nächsten zwei Jahrzehnte begleitet und allen beteiligten Akteuren eine Orientierung bietet.

Der durch das Beratungsbüro Our Common Future Consulting (OCF) erstellte Wärmeplan der Hansestadt wurde den Mitgliedern des Ausschusses für Umwelt, Klima, Grünflächen und Forsten am 23. April 2025 vorgestellt. Die für Bürger:innen wesentlichen Ergebnisse der kommunalen Wärmeplanung wurden im Rahmen einer Öffentlichkeitsveranstaltung am 14. Mai präsentiert. Die Beschlussvorlage zur kommunalen Wärmeplanung liegt dem Rat zur abschließenden Beschlussfassung in seiner Sitzung am 19.06.2025 vor (VO/11828/25).

Als planungsverantwortliche Stelle übernimmt die Hansestadt Lüneburg innerhalb der Wärmeplanung die Verantwortung, die Wärmewende strategisch, effizient und koordinierend zu betreiben. Die kommunale Wärmeplanung hat dabei jedoch keine unmittelbare rechtliche Bindungs- und Außenwirkung und begründet keine einklagbaren Rechte oder Pflichten (§ 23 Abs. 4 WPG).

Im Rahmen der Wärmeplanung werden stattdessen unter anderem voraussichtliche Wärmeversorgungsgebiete ausgewiesen. Hierbei wird aus gemeinwohlorientierter Sicht also mit Sicht auf die Wirtschaftlichkeit für die Endverbraucher:innen betrachtet, welche Gebiete sich tendenziell für eine individuelle- oder für eine netzgebundene Wärmeversorgung eignen. Mit Blick auf die netzgebundene Wärmeversorgung sind die folgenden Gebietsausweisungen relevant:

 

Das Bestandswärmenetz Mitte ist als rmenetzverdichtungsgebiet ausgewiesen. Es handelt sich um ein Teilgebiet, in dem sich Verbraucher:innen befinden, die bislang noch nicht an das bereits in unmittelbarer Nähe bestehende Wärmenetz angeschlossen sind. Hier bestehen noch Potenziale zur Verdichtung, die zu einer erhöhten Wirtschaftlichkeit und geringeren Bezugskosten für Endverbraucher:innen führen können. Im Innenstadtgebiet bestehen aufgrund des Denkmalschutzes, einer dichten Bebauung und Lärmemissionen bei Wärmepumpen zudem Herausforderungen bei der Installation von individuellen Versorgungsoptionen.

Die Gebiete Feldstraße, Weststadt, Auf der Altstadt und Schützenplatz sind als Prüfgebiete für den Wärmenetzaus- oder Neubau ausgewiesen. Dabei handelt es sich um Teilgebiete, die noch nicht in ein voraussichtliches Wärmeversorgungsgebiet eingeteilt werden können, weil die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen noch nicht ausreichend bekannt sind. Sie sind jedoch aufgrund der dichten Bebauungsstruktur, hohen Wärmeliniendichten sowie begrenzten Optionen für eine individuelle treibhausgasneutrale Wärmeversorgung potenziell für eine Wärmenetzanbindung geeignet und sollten daher Gegenstand weiterer Prüfungen sein.

Der Wärmeplan sieht vor, dass in den sich vor allem für die Endverbraucher:innen als wirtschaftlich erweisenden Gebieten klimafreundliche Wärmenetze bzw. Erweiterungen des Wärmenetzbestandes zügig geplant und bis spätestens 2040 anschlussfähig erbaut werden sollen.

Außerdem schlägt der Wärmeplan Maßnahmen vor, die zur Dekarbonisierung der Wärmenetze beitragen sollen. Dazu gehört die Nutzung der Abwärme des Klärwerks sowie die Mehrfachnutzung von städtischen Flächen für die Klimafreundliche Wärmeerzeugung. Darüber hinaus soll, wie im Maßnahmensteckbrief 7.1.4 des kommunalen Wärmeplans dargelegt, ein regelmäßiger Fachaustausch zur kritischen Überprüfung des Fortschritts bei der Dekarbonisierung stattfinden.

 

 

C. Dekarbonisierung der Wärmenetze nach dem Wärmeplanungsgesetz

Als Betreiberin der Wärmenetze hat die Avacon Natur GmbH die im Wärmeplanungsgesetz (WPG) verankerten Verpflichtungen zu erfüllen. So muss gemäß § 29 Abs. 1 WPGr jedes (Bestands-)Wärmenetz der Anteil erneuerbarer Energien, unvermeidbarer Abwärme oder einer Kombination daraus an der jährlichen Nettowärmeerzeugung ab 2030 mindestens 30 % und ab 2040 mindestens 80 % betragen; abweichend hiervon muss jedes neue Wärmenetz ab dem 01.03.2025 zu einem Anteil von mindestens 65 % aus den genannten Wärmequellen gespeist werden.

 

Als Wärmenetztbetreiberin ist die Avacon Natur GmbH gemäß §32 Abs. 1 WPG darüber hinaus verpflichtet, bis zum 31.12.2026 r entsprechende rmenetzausbau- und Dekarbonisierungsfahrpläner Ihre Netze vorzulegen, sofern diese nicht vollständig mit Wärme aus erneuerbarer Energien, unvermeidbarer Abwärme oder einer Kombination daraus gespeist werden.

Der rmenetzausbau- und Dekarbonisierungsfahrplan soll aufzeigen, dass die Entwicklung der Netze im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben hin zu einer treibhausgasneutralen Wärmeversorgung steht, wobei auch der kommunale Wärmeplan zu berücksichtigen ist. Die konkreten Anforderungen an einen Wärmenetzausbau- und -dekarbonisierungsfahrplan ergeben sich aus der Anlage 3 zu § 32 WPG. Nach § 32 Abs. 2 WPG besteht alternativ zur Erstellung eines Wärmenetzausbau- und Dekarbonisierungsfahrplans die Möglichkeit, dass der Betreiber eines Wärmenetzes einen Transformationsplan (Bestandsnetze) oder eine Machbarkeitsstudie (Neuerrichtung von Wärmenetzen) im Sinne der Richtlinie für die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze BEW“ erstellt hat und hierfür bis zum 31.12.2025 einen Förderantrag nach BEW gestellt hat oder bis zum 31.12.2025 ein Antrag auf sog. systemische Förderung nach BEW (Investitions- und Betriebskostenförderung) bewilligt wurde. Für rmenetzausbau- und Dekarbonisierungsfahrplan, Transformationsplan und Machbarkeitsstudie gilt die Verpflichtung zur Veröffentlichung nach § 32 Abs. 1 Satz 3 WPG.

 

Die Avacon Natur GmbH verfolgt r ihre Bestandsnetze nach eigenen Angaben die alternative Möglichkeit der Erstellung von Transformationsplänen im Sinne des § 32 Abs. 2 WPG. Die konkreten Anforderungen hierfür ergeben sich aus der Richtlinie für die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze „BEW“ sowie aus dem Anhang 3 der Richtlinie.

Hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen sind die beiden Varianten rmenetzausbau- und Dekarbonisierungsfahrpläne sowie „Transformationsplan/Machbarkeitsstudie zum großen Teil äerst ähnlich, die Anforderungen nach der BEW-Richtlinie sind jedoch in gewissen Punkten umfangreicher und bestimmter.

So sollen die Wärmenetzbetreiber anhand der Transformationspläne nach BEW, ebenfalls unter Berücksichtigung des kommunalen Wärmeplans, anhand konkreter Maßnahmen- und Investitionsplanungen einen Weg zur dekarbonisierten Wärmeversorgung bis 2045 in zeitlicher, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht aufzeigen.

Zu den Anforderungen, die über die der Wärmenetzausbau- und Dekarbonisierungsfahrpläne hinausgehen, gehören insbesondere:

 

  • Kommunikationskonzept für die Planung und Durchführung kundenseitiger Maßnahmen
  • Darstellung der Potenziale zur Errichtung von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien
  • Prüfung der Integration von (Groß-)rmespeichern zur Entkopplung von Wärmebedarf und -erzeugung zur Nutzung von Sektorkopplungstechnologien
  • Untersuchung der Phase-out-Optionen für etwaige fossile gekoppelte und ungekoppelte Wärmeerzeugung im Untersuchungsgebiet bis spätestens 2045
  • Analyse der notwendigen Wärmenetzparameter (Temperatur, Druck, Volumenströme etc.) und Ermittlung der erforderlichen Maßnahmen zur Netzoptimierung
  • Beschreibung eines auf der Grundlage der vorstehenden Analysen entwickelten Transformationsziels für das Wärmenetzsystem
  • Beschreibung konkreter Investitionen und Maßnahmenpakete, die jeweils in einem Zeitraum von maximal vier Jahren durchgeführt werden können, die notwendig sind, um das Transformationsziel zu erreichen.
  • Entwicklung des vollständigen Transformationsplans basierend auf einer Abfolge der beschriebenen Maßnahmenpakete
  • Erarbeitung von Konzepten für Tarifierungsmodelle und für die Vorbereitung der Automatisierung
  • Kopplung von Maßnahmen mit Straßenbau, Leitungsarbeiten (Strom, Wasser, Abwasser, Telefon, Breitband), Quartiersentwicklungen usw. (Windows of Opportunity).

 

Vereinfachungen gelten nach Anhang 3 der BEW-Richtlinie r Netze bis 50 km, also für alle Lüneburger Netze.

 

Die Pläne sind außerdem Grundlage und Voraussetzung für eine gliche spätere Maßnahmenförderung nach der Richtlinie für die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze, welche die Finanzierung der Maßnahmen für eine treibhausgasneutralermeversorgung entscheidend unterstützt.

 

Antragsberechtigt nach der BEW-Richtlinie sind zwar auch Kommunen, soweit sie sich wirtschaftlich betätigen, doch zumindest für Bestandsnetze kann eine Förderung für Transformationspläne nur die Institution beantragen, die auch über die spätere Umsetzung des Konzeptes zu entscheiden hat. Da die Hansestadt nicht selbst Netzbetreiber ist, ist sie für die Erstellung eines Transformationsplans nicht antragsberechtigt. Die BEW-Förderung ist insofern im Zusammenhang mit den (zeitlichen) Verpflichtungen nach dem WPG zu sehen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass bei einer Erweiterung eines bestehenden Wärmenetzes die Erweiterung nur dann als Neubau (Machbarkeitsstudie) gilt, wenn die gesamte Wärmespeisemenge des zu erweiternden Teils des Wärmenetzes zu maximal 20 % aus dem vorgelagerten Bestandsnetz bereitgestellt wird. Durch die bereits eingeleiteten Aktivitäten der Avacon Natur GmbH rften damit weite Teile der „Potentialgebiete“, die aus dem Entwurf des kommunalen Wärmeplans hervorgehen, bereits Gegenstand der Transformationsuntersuchungen sein. Die Hansestadt Lüneburg ist hingegen nicht Netzbetreiberin der in Rede stehenden Bestandsnetze und der Vertrag über die Fernwärmelieferung mit der Avacon Natur GmbH uft jedenfalls noch bis zum 31.12.2028. Es stellt sich daher die Frage, wie realistisch, sinnhaft und zielführend es ist, sich jetzt in die Betreiberrolle zu bringen, damit man in die schon laufenden Verpflichtungen aus dem WPG einsteigen kann.

 

Die für die Dekarbonisierung notwendigen Investitionen in die von ihr betriebenen Netze hat  die Avacon Natur GmbH im Jahr 2023 auf mindestens 80 Mio. € bis zum Jahr 2030 geschätzt. Exemplarisch nnen genannt werden bereits in Umsetzung befindliche Projekte wie z.B. das kalte Nahwärmenetz zur Versorgung des Neubaugebietes Wienebütteler Weg oder in Planung befindliche Projekte wie die Nutzbarmachung der Abwärme aus der Kläranlage, die Stadt, AGL und Avacon Natur GmbH gemeinsam verfolgen. Ob dieses Investitionsvolumen ausreichend ist, um die Transformationsvorgaben nach dem WPG zu erfüllen, kann nicht abgeschätzt werden.

 

 

D. Jüngste Entwicklungen

Der Vereinbarung des o.g. Sonderkündigungsrechtes zum 31.12.2028 war ein längerer Bewertungs- und Entscheidungsfindungsprozess vorausgegangen. Vor dem Hintergrund der erheblichen Herausforderungen aber auch Chancen der Energie- und Wärmewende sowie der nach dem Niedersächsischen Klimagesetz für die Hansestadt verpflichtenden kommunalen rmeplanung bis zum 31.12.2026 hat die Hansestadt Lüneburg die maßgeblichen Verträge unter Einbeziehung der Konzessionsverträge Strom und Gas rechtlich prüfen lassen. Die städtischen Handlungsoptionen und Einflussmöglichkeiten sind mit Hilfe externer Expertise untersucht und abgewogen worden. Unter anderem wurden im Auftrag der Verwaltung auch zwei umfassende Workshops gliche Handlungsoptionen zur Wegenutzung für Strom, Gas und Wärme in der Hansestadt Lüneburg“ am 12.05.2023 und am 12.06.2023 durch Herrn Rechtsanwalt Doms von der auf Energie- und Infrastrukturrecht spezialisierten Kanzlei Becker Büttner Held mit Fraktionsvertretern des Rates der Hansestadt Lüneburg durchgeführt. Die Workshops beinhalteten im Wesentlichen eine Darstellung, Erörterung und Diskussion der vertraglichen Ausgangslage, des aktuellen (Rechts-)Rahmens der Energie- und Wärmewende sowie von Konzessionsverfahren, etwaige Möglichkeiten der Rekommunalisierung sowie die Erarbeitung konkreter Handlungsoptionen und Einflussnahmemöglichkeiten der Hansestadt Lüneburg. Auf Grundlage der Workshop-Ergebnisse führte die Verwaltung Verhandlungen mit der Avacon Natur GmbH, die in den Vorschlag zum Abschluss einer Ergänzungsvereinbarung mündeten. Zusätzlich zu der Ergänzungsvereinbarung hat die Avacon Natur eine Absichtserklärung abgegeben, mit der die oben genannten Investitionen und das damit mindestens verbundene Investitionsvolumen bis 2030 unter dem Eindruck des notwendigen Transformationsprozesses in der Wärmeversorgung formuliert wurden. Auf die nichtöffentliche Vorlage VO/10879/23 wird insoweit verwiesen.

 

Die Neuvereinbarung des Sonderkündigungsrechtes in 2023 ist insofern als wohl abgewogene Entscheidung im Lichte der gesetzlichen Vorgaben zur Energiewende mit Pflichten der Netzbetreiber nach dem WPG, der kommunalen Verpflichtungen nach dem NKlimaG sowie der bereits durchgeführten und in Planung befindlichen Maßnahmen zur Umsetzung der Wärmewende durch den Netzbetreiber zu sehen. Maßgeblicher Beweggrund war dabei auch, dem Netzbetreiber mit Blick auf die bereits angestoßenden und mittelfristig geplanten Vorhaben eine gewisse Investitionssicherheit zu geben.

 

Des Weiteren befindet sich die Hansestadt seit geraumer Zeit im regelmäßigen Dialog mit dem Arbeitskreis Fernwärme Kaltenmoor und bemüht sich, die von diesem eingebrachten Interessen der Verbraucher:innen vor Ort bestmöglich zu unterstützen und auch gegenüber der Avacon Natur GmbH zu vertreten. Zuletzt hat die Verwaltung, ausgehend von den Untersuchungen der Firma UTEC zu den Heizkostenabrechnungen der Fernwärmekunden in Kaltenmoor in Absprache mit dem Arbeitskreis Fernwärme Kaltenmoor einen Fortführungsauftrag an die Firma UTEC vergeben, um die Transparenz hinsichtlich der Wärmeerzeugung und Abrechnung zu erhöhen. Dieser beinhaltet eine technische Bewertung der Anlagen zur Wärmerzeugung und des Netzes, eine Prüfung der für die Wärmeabrechnung erheblichen Daten des Heizwerks Kaltenmoor, eine Bewertung der Zielsituation nach dem Umbau und der Netzkopplung zwischen Hanseviertel und Kaltenmoor inkl. der technischen Bewertung der Effizienzgewinne und Effekte aus dem ckenschluss.

 

Zu erwähnen ist außerdem, dass derzeit vor dem Oberlandesgericht Celle eine Unterlassungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (VZBV) gegen die Avacon Natur GmbH anhängig ist, die sich gegen die Anwendung der Preisgleitklauseln für die Wärmekostenabrechnung der Fernwärmekunden richtet.

 

Abzuwarten bleiben die rechtlichen Veränderungen im Wärmebereich, die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung angekündigt sind. Zum einen soll hiernach die BEW-Förderung gesetzlich geregelt und aufgestockt werden. Zur Sicherung der Investitionsbedingungen soll darüber hinaus die AVB-Fernwärme-Verordnung und die Wärmelieferverordnung zügig überarbeitet und modernisiert werden und dabei die Interessen des Verbraucherschutzes und der Versorgungsunternehmen ausgewogen berücksichtigen. Zudem beabsichtigt die Bundesregierung zur Sicherung fairer und transparenter Preise eine Stärkung der Preisaufsicht sowie die Stärkung der Transparenz unter anderem durch eine unbürokratische Schlichtungsstelle (vgl. Koalitionsvertrag CDU, CSU und SPD, S. 35).

 

 

E. Finanzielle und gesellschaftsrechtliche Betrachtung

Im Zuge der strategischen Überlegungen zur zukünftigen rmeversorgung in der Hansestadt Lüneburg wird der Erwerb des bestehenden Fernwärmenetzes seitens der Verwaltung trotz der damit verbundenen finanziellen Herausforderungen nicht vorn vorherein ausgeschlossen.

 

Der Erwerb würde mit erheblichen finanziellen Investitionen verbunden sein. Der Kaufpreis ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht bezifferbar, da dieser durch den derzeitigen Eigentümer und Betreiber (Avacon Natur GmbH) festgelegt wird und marktabhängigen Faktoren (Nachfrage nach erneuerbaren Energien, Dekarbonisierung) unterliegen kann. Die Hansestadt tte im Falle eines Ankaufs die vollständige wirtschaftliche Verantwortung für den Betrieb, die Instandhaltung sowie die zukünftige Weiterentwicklung des Netzes bzw. der Netze und dabei die gesetzlichen Anforderungen, insbesondere des WPG, zu erfüllen. Es ist daher zwingend erforderlich, dass sich sowohl der Erwerb selbst als auch der anschließende Betrieb und Ausbau des Netzes wirtschaftlich darstellen lassen. Ein defizitärer oder subventionierter Betrieb der Fernwärmenetze muss vor dem Hintergrund der damit verbundenen finanziellen Belastungen ausgeschlossen sein. Dabei ist es irrelevant, ob der Netzbetreib im Rahmen einer Eigengesellschaft, einer gemeinsamen Gesellschaft mit der Avacon Natur GmbH oder direkt durch die Hansestadt erfolgt.

 

Zum jetzigen Zeitpunkt, d.h. im Rahmen des laufenden Vertrages kommt ein Erwerb nur dann in Betracht, wenn der Eigentümer überhaupt bereit ist, das Fernwärmenetz zu veräern.

 

Sofern die Hansestadt von ihrem Sonderkündigungsrecht keinen Gebrauch macht, ist ein Ankauf nur realisierbar, wenn seitens des Eigentümers eine Verkaufsbereitschaft besteht. Sollte dies nicht der Fall sein oder eine vollständige Übernahme wirtschaftlich oder objektiv politisch nachvollziehbar nicht sinnvoll erscheinen, wäre alternativ eine Beteiligung der Stadt am Unternehmen bzw. der Erwerb von Gesellschaftsanteilen zu prüfen.

 

Auch diese Option setzt jedoch zwingend die Zustimmung des Eigentümers voraus. Ohne dessen ausdrückliche Bereitschaft zur Abgabe von Anteilen kann eine Beteiligung nicht erfolgen. Eine solche Beteiligung könnte es der Stadt ermöglichen, aktiv Einfluss auf die zukünftige Ausgestaltung und Entwicklung des Fernwärmenetzes zu nehmen. Allerdings gilt auch hier: Die strategische und wirtschaftliche Weiterentwicklung des Netzes muss in partnerschaftlicher Abstimmung mit dem Mitgesellschafter und jetzigen Eigentümer erfolgen und für beide Seiten wirtschaftlich traghig sein bzw. ohne Subventionen der Hansestadt auskommen.

Sofern sich die Hansestadt an einem Unternehmen beteiligt, sollte man einen beherrschenden Einfluss haben. Über einen beherrschenden Einfluss auf ein Unternehmen verfügt man insbesondere mit mindestens 51 % der Geschäftsanteile. Erfahrungsgemäß wird dies Voraussetzung der Kommunalaufsicht sein.

Eine Sperrminorität von 25,1 % der Geschäftsanteile ist grundsätzlich auch gesellschaftsrechtlich möglich. Prioritäre Entscheidungen würden zwar nur mit Zustimmung der Hansestadt möglich sein, auf die allgemeine Entwicklung des Unternehmens und des Fernwärmenetz könnte jedoch kein Einfluss genommen werden. Hier reicht voraussichtlich die einfache Mehrheit in den Kontrollgremien. Vielmehr ist festzuhalten, dass das wirtschaftliche Risiko höher als der einhergehende Einfluss zu bewerten ist.

Um einen Einblick über den Wert des Unternehmens zu erhalten, wurde die zuletzt veröffentlichte Bilanz mit Stichtag zum 31.12.2023 als Grundlage für eine Unternehmensbewertung herangezogen. Unternehmensbewertungen können grundsätzlich auf unterschiedlichen Methoden basieren, je nach Zielsetzung und Bewertungsanlass. Die Stadtverwaltung hat sich in diesem Fall für die Ertragswertmethode entschieden. Die Ertragswertmethode analysiert die in der Vergangenheit erzielten Unternehmensgewinne und projiziert deren Entwicklung in die Zukunft, um so eine fundierte Einschätzung des Unternehmenswertes zu ermöglichen. Das Unternehmen könnte entsprechend nach der Ertragswertmethode einen Unternehmenswert von 218 Mio.€ aufweisen. Sofern man einen Ankauf von Gesellschaftsanteilen annimmt, ergibt sich ein Kaufpreis von mindestens rd. 111 Mio.€ für eine Beteiligung von 51 %, oder von mindestens rd. 55 Mio.€ für eine Sperrminorität.

 

Die finanzielle Handlungsfähigkeit sowie Leistungsfähigkeit der Hansestadt Lüneburg ist zum aktuellen Zeitpunkt stark eingeschränkt. Es ist davon auszugehen, dass sämtliche Investitionen zum Erwerb des (anteiligen) Unternehmens die aktuelle Situation weiter verschlechern werden, sofern kein wirtschaftlicher bzw. gewinnorientierter Betrieb sichergestellt werden kann, was eine Zustimmung der Kommunalaufsicht fraglich erscheinen lässt.

 

Insgesamt ist festzuhalten, dass sowohl der vollständige Ankauf als auch eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung sorgfältig und unter Berücksichtigung aller stadtgesellschaftlich relevanter Aspekte geprüft werden müssten. Entscheidende Faktoren sind hierbei insbesondere die Höhe der alleine auf der Basis der bundesgesetzlichen Grundlagen notwendigen Investitionskosten, die wirtschaftlichen Risiken für die Hansestadt, die zukünftige Einflussnahme auf die Netzentwicklung sowie die grundsätzliche Bereitschaft des Eigentümers, sich auf einen Verkauf oder eine Beteiligung einzulassen. Abschließend ist ebenso der Zeitpunkt eines möglichen Erwerbs zu bedenken, da die Avacon Natur GmbH derzeit im Rahmen der Dekarbonisierung umfangreiche Investitionen vornimmt. Frühzeitig angedachter Erwerb könnte der Avacon Natur GmbH die finanzielle Grundlage nehmen und die anstehenden Investitionen ins Fernwärmenetz verzögern.

 

 

F. Fazit

Im Sinne des notwendigen Transformationsprozesses in der Wärmeversorgung sind die gesetzlichen Verpflichtungen des WPG zu begrüßen. Wie oben dargestellt, obliegt eine derartige Planung grundsätzlich jedoch den Netzbetreibern, hier also der Avacon Natur GmbH. Diese befindet sich nach eigenen Angaben auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Weg im Sinne ds § 32 WPG.

 

Die Verwaltung sieht unter den aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf die Erstellung von Transformationsplänen (Bestandsnetze) also keinen eigenen Handlungsbedarf und auch keine Fördermöglichkeiten.  Die Verwaltung hat gegenüber der Geschäftsführung der Avacon Natur GmbH aber bereits ihre Erwartungshaltung geäert, dass die Avacon transparent den Bearbeitungsstand der Transformationsplanung kommuniziert und die gesetzlichen Vorgaben einhält, um somit frühzeitig Handlungssicherheit für die Verbraucherinnen und Verbraucher mit Blick auf eigene Investitionen zu bieten. 

 

Mit Blick auf das Sonderkündigungsrecht zu Ende 2028 und die Kündigungsfrist zu Ende 2027 wird sich die Verwaltung gegenüber der Avacon für eine stärkere Verbraucher- und Gemeinwohlorientierung sowie für einen ambitionierten Dekarbonisierungsprozess einsetzen.

 

Trotz möglicher strategischer Vorteile im Falle der Kommunalisierung des Fernwärmenetzes, sieht die Verwaltung damit jedoch auch enorme finanzielle Herausforderungen, die zum aktuellen Zeitpunkt und in Anbetracht der Leistungsfähigkeit mittelfristig nicht zu leisten sind. Vor dem Hintergrund der hohen Einstiegsinvestitionen samt Zinskosten sowie der in den kommenden Jahren für den Transformationsprozess erforderlichen Investitionen und den damit einhergehenden technologischen sowie wirtschaftlichen Risiken, kann die mittel- bis langfristige Wirtschaftlichkeit mit den aktuell vorliegenden Informationen nicht abgeschätzt werden.

 

Die Investitionen wären nach einer Kommunalisierung allein durch die öffentliche Hand zu tragen und eine Genehmigung durch die Kommunalaufsichtsbehörde ist daher insbesondere vor dem Hintergrund der Haushaltslage der Hansestadt stark anzuzweifeln. Zum einen ist davon auszugehen, dass eine Kommunalisierung nicht zwingend zu erheblich niedrigeren Preisen und somit zu einer spürbaren Entlastung der Verbraucher:innen führen würde. Einerseits ist aufgrund der bereits vorhandenen Vorschriften und Regulierungen der Handlungsspielraum bei der Preisgestaltung bereits eingeschränkt, zum anderen würden durch eine kreditfinanzierte Übernahme zusätzliche Zinskosten entstehen, die letztendlich durch die Verbraucher zu tragen wären.

 

 

 

 


Folgenabschätzung:

 

A) Auswirkungen auf die Ziele der nachhaltigen Entwicklung Lüneburgs

 

 

 

Ziel

Auswirkung positiv (+)

und/oder

negativ ()

 

Erläuterung der Auswirkungen

1

Umwelt- und Klimaschutz (SDG 6, 13, 14 und 15)

 

 

2

Nachhaltige Städte und Gemeinden (SDG 11)

 

 

3

Bezahlbare und saubere Energie (SDG 7)

 

 

4

Nachhaltige/r Konsum und Produktion (SDG 12)

 

 

5

Gesundheit und Wohlergehen (SDG 3)

 

 

6

Hochwertige Bildung

(SDG 4)

 

 

7

Weniger Ungleichheiten

(SDG 5 und 10)

 

 

8

Wirtschaftswachstum

(SDG 8)

 

 

9

Industrie, Innovation und Infrastruktur (SDG 9)

 

 

Die Ziele der nachhaltigen Entwicklungneburgs leiten sich eng aus den 17 Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals, SDG) der Vereinten Nationen ab. Um eine Irreführung zu vermeiden, wird durch die Nennung der UN-Nummerierung in Klammern auf die jeweiligen Original-SDG hingewiesen.

 

 

B) Klimaauswirkungen

 

a) CO2-Emissionen (Mehrfachnennungen sind möglich)

 

 Neutral (0): durch die zu beschließende Maßnahme entstehen keine CO2-Emissionen
 

 Positiv (+): CO2-Einsparung (sofern zu ermitteln): ________ t/Jahr

 

und/oder
 

 Negativ (-): CO2-Emissionen (sofern zu ermitteln): ________ t/Jahr

 

 

b)  Vorausgegangene Beschlussvorlagen

 

 Die Klimaauswirkungen des zugrundeliegenden Vorhabens wurden bereits in der Beschlussvorlage VO/__________ geprüft.

 

 

c)  Richtlinie der Hansestadt Lüneburg zur nachhaltigen Beschaffung (Beschaffungsrichtlinie)

 

 Die Vorgaben wurden eingehalten.

 Die Vorgaben wurden berücksichtigt, sind aber nur bedingt anwendbar.

oder

 Die Beschaffungsrichtlinie ist für das Vorhaben irrelevant.

 

 


Finanzielle Auswirkungen:

 

Kosten (in €)

a) r die Erarbeitung der Vorlage:         350,--

aa)  Vorbereitende Kosten, z.B. Ausschreibungen, Ortstermine, etc.

b) r die Umsetzung der Maßnahmen:

c)  an Folgekosten: 

d) Haushaltsrechtlich gesichert:

 Ja

 Nein 

 Teilhaushalt / Kostenstelle: 

 Produkt / Kostenträger:

 Haushaltsjahr: 

 

e)  mögliche Einnahmen:

 

 

 

Anlagen:

Antrag vom 24.04.2025 von Ratsfrau Esders und der SPD-Fraktion neburgs Wärmenetze kommunalisieren

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Lüneburgs Wärmeversorgung kommunalisieren (156 KB)