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Auszug - Anhörung und Beratung zu einer möglichen Veränderung des Ausländerbeirates zu einem Integrationsausschuss  

 
 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Sozial- und Gesundheitsausschusses gemeinsam mit Ausländerbeirat
TOP: Ö 4
Gremium: Sozial- und Gesundheitsausschuss Beschlussart: zur Kenntnis genommen
Datum: Mi, 23.03.2005    
Zeit: 15:30 - 18:25 Anlass: Sitzung
VO/1435/05 Anhörung und Beratung zu einer möglichen Veränderung des Ausländerbeirates zu einem Integrationsausschuss
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Mitteilungsvorlage
Verfasser:Herr Hoferichter
Federführend:Alter Fachbereich 5 - Jugend und Soziales Beteiligt:01 - Büro der Oberbürgermeisterin
 
Wortprotokoll
Beschluss
Abstimmungsergebnis

Beratungsinhalt:

 

Beratungsinhalt:

 

Herr Koch stellt zunächst auf Nachfrage klar, dass die Wahlordnung und die Geschäftsordnung für den Ausländerbeirat in der jetzt gültigen Fassung aus dem Jahre 1996 vorliege, dass aber der Ausländerbeirat schon deutlich länger bestehe.

Die heutige Behandlung des TOP im Sozial- und Gesundheitsausschuss sei darauf zurückzuführen, dass der OB, Herr Mädge, schon zu Beginn der jetzigen Kommunalwahlperiode vorgeschlagen habe, die Ausschussarbeit zu straffen. Ein Vorschlag war dabei, den Ausländerbeirat als Teil des Sozial- und Gesundheitsausschusses zu organisieren. Hierzu fanden Beratungen in den Fraktionen statt. Die Verwaltung habe jetzt nicht mehr den Wunsch der Auslösung des Ausländerbeirats. Gleichwohl stellt sich die Frage, wie dessen Arbeit zukünftig besser organisiert werden und die Wahl zum Ausländerbeirat mit weniger Aufwand betrieben werden kann.

In der Vorlage wurde noch kein konkreter Beschlussvorschlag gemacht, da zunächst eine Anhörung stattfinden solle und noch keine abschließende Meinungsbildung erfolge. Hierzu sind zwei Gäste anwesend. Zwei weitere eingeladene Personen haben leider abgesagt.

Die Integration liege allen Fraktionen am Herzen, was durch verschiedene Aktionen, nicht zuletzt auch das Kulturfrühstück deutlich werde.

Herr Koch bedankt sich für die Bereitschaft der Gäste, hier die konkrete Arbeit und die verschiedenen Organisationsmodelle für Integrationsarbeit vorzustellen.

Herr Sabelhaus stellt sich als jahrelanger Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen Ausländervertretungen in Niedersachsen vor und befindet sich im Auftrag der Vorsitzenden hier, da sie aus beruflichen Gründen an der Sitzung nicht teilnehmen könne. Die Migranten in Deutschland hätten ihren Meinungsbildungsprozess zur Vertretung ihrer Interessen dahingehend abgeschlossen, dass sie sich nicht als zu Ratsgremien eingeladene Gäste verstünden. Vielmehr wollten sie ihre Interessen selbst vertreten und mit demokratischer Legitimation eigenverantwortlich handeln. Insofern habe Lüneburg eine sehr moderne Form der Ausländervertretung, wobei er die alte Bezeichnung Ausländerbeirat als überholt ansehe.

Frau Lange berichtet aus Hannover, dass von den 510.000 Einwohnern 15,4 % Ausländer seien. Diese 78.000 Menschen wären ca. zu einem Drittel Türken und kämen insgesamt aus 170 Nationen. 22 % der Migranten seien Kinder und Jugendliche und 40 % aller Neugeborenen hätten einen Migrationshintergrund. Der Migrationsausschuss in Hannover habe 11 Mitglieder und es gebe auch dort nur eine geringe Beteiligung bei den Wahlen zum Ausschuss. Es bestünde Unklarheit darüber, welche Kernaufgaben die Arbeit des Ausschusses bestimmen und welche Hauptziele mit der Arbeit verfolgt werden sollten. Der Ausschuss wird von einer Geschäftsstelle betreut, die eine Ganztagsstelle verteilt auf 3 Personen mit Stundenanteilen umfasst. Aus den o. g. Gründen komme es immer wieder vor, dass bei haushaltsrelevanten Beschlüssen der Migrationsausschuss nicht beteiligt werde (z. B. wenn über den Bereich Kitas im JHA beschlossen werde). Es sei unbefriedigend für die Ausschussarbeit, dass der Migrationsausschuss noch nicht genügend in der Verwaltung berücksichtigt werde und zu wenig verankert sei.

Herr Wolter fragt nach, wie hoch die Wahlbeteiligung und die Kosten für die Wahl der Ausschussmitglieder sei.

Da Frau Lange diese Zahlen nicht parat hat, sollten sie dem Protokoll hinzugefügt werden, genau wie Text der Wahlordnung aus Hannover und einige weitere Papiere.

 

(Folgende Informationen wurden nachgereicht und dem Protokoll hinzugefügt:

Die Wahlbeteiligung in Hannover beträgt 8,4 % und die Kosten für die Wahl betragen 23.000,-- Euro.)

 

Herr Sabelhaus geht auf den Punkt Wahlbeteiligung näher ein und meint, dass es nicht Sinn einer Wahl sein könne, 100 % Wahlbeteiligung zu erreichen. Im Vergleich mit den aktuell anstehenden Sozialwahlen, die bisher nur eine Beteiligung von 1 % haben, wären 10 % ein Super-Ergebnis. Außerdem müsse man den Hintergrund der Personengruppe sehen, die oft unser parlamentarisches System kaum kennen würden. Teils kämen die Menschen aus sehr bildungsfernen Ländern und hätten einen völlig anderen kulturellen Hintergrund.

Frau Baumgarten erläutert das Wahlprozedere zum Ausländerbeirat in der Stadt Lüneburg. Neben der in der Wahlordnung beschriebenen Personengruppe gebe es aus jeder Fraktion als beratende Mitglieder eine Person, die die Themen in die anderen Ausschüsse und die Fraktionen einbringen würden. Aus ihrer Sicht könne die Organisation so weiterhin bleiben. Lediglich über die Urwahl müsse man nachdenken, da diese hohe Kosten verursache und es eventuell andere sinnvollere Wege gebe. Frau Lange bestätigt, dass auch in Hannover zu diesem Punkt eine große Diskussion stattgefunden habe. Man könne sich vorstellen, dass Vereine und Verbände interessierte Leute benennen, die dann auf eine Vorschlagsliste kämen.

Herr Soldan fragt nach, für welche Bereiche der Ausländerbeirat zuständig sei. In Lüneburg könnten seines Wissens die Mitglieder des Ausländerbeirates an jedem Ausschuss als beratende Mitglieder teilnehmen. Er sehe allerdings auch, dass es nur eine geringe Lobby-Vertretung gebe.

Herr Biblikei meint, dass die geringe Wahlbeteiligung ein Argument dafür sei, die Ausländer- und Migrationsarbeit zu intensivieren. Er bemängelt, dass der Ausländerbeirat im letzten Jahr nur einmal getagt habe und dass Veränderungen erforderlich seien, um die Arbeit zu verbessern.

Herr Koch erläutert, dass es derzeit für den Ausländerbeirat eine Anbindung in der Verwaltung an Herrn Eiselt gebe. Die Vorsitzende werde auch durch Überlassung eines großen Büros im Glockenhaus, gelegentlich Praktikanten und allgemein durch Verwaltungshilfe unterstützt. Die Wahl über Delegierte funktioniere gut, wie das Beispiel Seniorenbeirat zeige. Die Schwächen und Stärken der verschiedenen Wahlsysteme und die jeweilige Höhe der Wahlbeteiligung und damit zusammenhängend die Legitimation der gewählten Personen wird erörtert.

Herr Zimmermann argumentiert, dass das Kennenlernen unseres demokratischen Systems für eine Urwahl spreche und ein gutes Lernfeld sei. Auch bei den Wahlen in Deutschland sinke die Beteiligung und es gebe bei den Kommunalwahlen die Unterscheidung, dass EU-Ausländer wählen dürften, andere Ausländer aber nicht.

Herr Dammann berichtet, dass viele ausländische Einwohner an einer Integration nicht interessiert seien, dass viele Institutionen, u. a. auch Sportvereine, entsprechende Angebote machen, aber viele Menschen in ihrem Kulturkreis bleiben wollten. Er schlage deshalb vor, wie auch von vielen Verbänden gewollt, den Ausländerbeirat in einen Integrationsbeirat umzubenennen, um das Ziel der Arbeit zu verdeutlichen.

Frau Wolf fragt nach, warum so viele Probleme im Zusammenhang mit dem bestehenden Ausländerbeirat gesehen würden. 1986 wurde im Rat der Stadt Lüneburg beschlossen, in diesem Bereich tätig zu werden. Es wurden viele Ideen eingebracht, leider nur geringe finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. Nur einmal im Jahr könne der Ausländerbeirat wegen dieser engen finanziellen Grenzen tagen. Sie sei als Delegierte öfter in Hannover und rund um die Uhr ehrenamtlich für den Ausländerbeirat tätig. Ihrer Ansicht nach könne der Ausländerbeirat ohne Probleme in Integrationsbeirat umbenannt werden. Sie entschuldigt die nicht anwesenden Mitglieder des Ausländerbeirates, da diese arbeiten müssten. Würden sie nicht arbeiten und Sozialhilfe beziehen, drohe ihnen die Ausweisung. Hinsichtlich der Wahlbeteiligung führt sie aus, dass viele der ihr bekannten Personen nicht schreiben und lesen könnten und sie deshalb oft Übersetzungen mache. Die Kultur und damit die Mentalität dieser Menschen sei ganz anders und sie wüssten oft nicht, was eine Wahl ist und bedeute. Die drei Wahllokale bei der letzten Wahl in der Stadt Lüneburg waren oft zu weit von ihrem Wohnsitz entfernt und trotz der mehrsprachigen Informationsblätter war vielen Wahlberechtigten nicht klar, wo die Wahllokale sind. Oft würden sie sich auch nicht trauen und hätten Angst vor Kontakten mit offiziellen Stellen.

Herr Sabelhaus würdigt das konstruktive Klima in Lüneburg und das Ziel, die Migrationsarbeit zu verändern und zu verbessern und sie nicht abschaffen zu wollen. Er weist darauf hin, dass das seit 1918 bestehende allgemeine und gleiche Wahlrecht die demokratischen Kompetenzen der Bürgerinnen und Bürgers stärkt und ein sinnvolles Lernfeld darstelle.

Herrn Meihsies fehlt die Zielsetzung für die zukünftige Arbeit des Ausländerbeirates. Es müsse grundsätzlich entschieden werden, ob der Ausländerbeirat weiterhin bestehen solle und wenn ja, in welcher Form. Der Rat müsse sich die Mühe machen, die gewollten Veränderungen zu beschreiben, insbesondere, was zukünftig anders gemacht werden solle. Es müsse eine Synopse erstellt werden, die die klassische Integrationsarbeit beschreibt und die Deutschen und Ausländern die Möglichkeit zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben biete. Die jeweiligen Fraktionen müssten sich zusammensetzen, um ihre Vorstellungen zu konkretisieren und auf dieser Grundlage könne eine Vorlage der Verwaltung erstellt werden. Für eine sinnvolle Integrationsarbeit reiche es nicht aus, 1.000,-- Euro jährlich zur Verfügung zu stellen oder bloß den Titel des Ausschusses zu verändern.

Herr Koch weist auf die heutige Beratung hin, die nicht abschließend sein solle. Integration finde auch außerhalb des kulturellen Bereiches in Betrieben, Kitas oder Schulen vielfältig statt. Die Selbstorganisation des Rates ist unstrittig, genauso wie die eigenständige Meinungsbildung in den Fraktionen. Die heutige Beratung solle dabei helfen und die Straffung der politischen Arbeit sollte hier thematisiert werden. Das hier Besprochene solle in die Fraktionen weitergeleitet und dort inhaltlich weiterbearbeitet werden. Herr Bast stimmt der Diskussion in den Fraktionen und einer danach folgenden Meinungsbildung zu. Bei dem Wahlsystem durch Delegierte glaubt er nicht an eine Zufallswahl. Frau Lange hält das Delegiertenprinzip zwar einerseits für kostengünstiger, aber eine Urwahl stärkte den demokratischen Ansatz und gebe den Delegierten ein verlässlicheres politisches Mandat.

Herr Schweers thematisiert noch einmal die geringe Wahlbeteiligung und weist darauf hin, dass Kirchenvorstände mit einer noch geringeren Wahlbeteiligung gewählt werden. Auch dort gibt es das Delegiertensystem und die Mandatsträger fühlen sich trotzdem politisch legitimiert. Er hält Integration für das vorrangige Ziel und möchte wegkommen von dem tradierten Bild der Ausländer. Im übrigen könne man keinen dazu überreden, an einer Wahl teilzunehmen. Frau Schellmann fast die bisherige Diskussion als offen und positiv zusammen und meint, dass eine Umbenennung des Ausländerbeirates das nachvollzieht, was inhaltlich schon lange läuft. Auch sie war damals für die Gründung des Ausländerbeirates und hat sehr dafür geworben. Für ein Delegiertensystem spreche, dass die gewählten Personen engagiert sind, sich kümmern würden und Durchstehvermögen haben. Sie findet es sinnvoll, dass das Thema Integration als Querschnittsaufgabe durch die Beteiligung des Ausländerbeirates in anderen Ausschüssen verwirklicht wird.

Herr Soldan wünscht sich zu der zukünftigen Aufgabe und Organisation des Ausländerbeirates dessen Stellungnahme. Diese fehlt in der Vorlage und deshalb falle es ihm schwer, darüber zu diskutieren.

Frau Wolf gibt zu überlegen, ob man zukünftig das Wahllokal für den Ausländerbeirat in der Ausländerbehörde verorten solle. Viele Angeschriebene wüssten nicht, was der Brief zur Ausländerbeiratswahl bedeute, würden aber zur Ausländerbehörde kommen, wenn sie von dort angeschrieben würden.

Herr Biblikei befürchtet bei einer solchen Organisation, dass Ausländer dann ihren Anwalt mitbringen, weil sie aufenthaltsrechtliche Schritte befürchteten.

Herr Koch schlägt als eine weitere Alternative vor, die Wahlen zum Ausländerbeirat mit einer "lockeren" Veranstaltung an einem zentralen Ort und mit einem informativen und kulturellen Begleitprogramm zu verbinden und dafür keine dezentralen Wahllokale mehr einzurichten.

 

Da es sich zunächst um eine Anhörung handeln sollte wird auch kein Beschluss gefasst.

 

 

Es folgt eine Unterbrechung der Sitzung, da die anwesenden Mitglieder des Ausländerbeirates die Sitzung des Sozial- und Gesundheitsausschusses verlassen.

 


 


 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Unterlagen aus Hannover über die Arbeit im dortigen Migrationssausschuss (298 KB)