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Auszug - Antrag "Erhalt der Förderschule" (Antrag der Ratsfrau Jamme vom 19.11.2018, eingegangen am 21.11.2018 um 22:23 Uhr)  

 
 
Sitzung des Rates der Hansestadt Lüneburg
TOP: Ö 5.1
Gremium: Rat der Hansestadt Lüneburg Beschlussart: ungeändert beschlossen
Datum: Do, 20.12.2018    
Zeit: 17:10 - 22:00 Anlass: Sitzung
Raum: Huldigungssaal
Ort: Rathaus
VO/8164/18 Antrag "Erhalt der Förderschule" (Antrag der Ratsfrau Jamme vom 19.11.2018, eingegangen am 21.11.2018 um 22:23 Uhr)
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Antrag
Verfasser:Frau Doll
Federführend:01 - Büro der Oberbürgermeisterin Bearbeiter/-in: Klimmek, Annika
 
Wortprotokoll
Beschluss
Abstimmungsergebnis

 

Beratungsinhalt:

 

Ratsfrau JAMME zeigt zunächst ihre Verwunderung über die ihrer Ansicht nach falsche Aussage des Oberbürgermeisters aus der letzten Sitzung, die Kontaktaufnahme mit dem Kultusministerium sei allein der Verwaltung vorbehalten. Sie habe den Kontakt gesucht und sich nicht gefühlt als habe sie einen Verfassungsbruch begangen.

Im Anschluss begründet sie ihren Antrag wie folgt:

Todschlagargument sei die UN-Konvention, welche das Recht auf ein Bildungsangebot, das Chancengleichheit ermögliche und Diskriminierung abbaue, sicherstelle. Dies sei ein sehr großer Schritt zur Teilhabe und müsse befolgt werden.

Zudem würden alle Studien verdeutlichen, dass Inklusion aktuell noch nicht ausgereift sei. Der Wiederaufbau von "Förderschulen L" in anderen Bundesländern sowie auch der Beschluss des Landes, die Förderschulen auf Antrag zu verlängern, bestätige dies.

Durch Gespräche mit Lehrern sei deutlich geworden, dass diese überfordert seien, Lehrinhalte dadurch nur unzureichend umgesetzt werden können und weniger Schüler den Abschluss schaffenrden. Diese gelten in der Gesellschaft als Verlierer und als gescheitert. Förderschulen hingegen würden diese Kinder erfolgreich zum Abschluss bringen und ihnen Selbstbewusstsein geben. Diese Möglichkeit zu erhalten, sei die Aufgabe der Politik.

Der Elternwille dürfe zudem nicht ignoriert werden. In vielen Gesprächen mit betroffenen Eltern hätten diese sich für die Wahlfreiheit ausgesprochen und sich ebenfalls über die Elternbefragung beschwert. Diese sei lediglich eine unverbindliche Frage mit nur spärlichem Rücklauf gewesen, die nicht einmal alle Betroffenen erreicht habe, und rfe daher nicht als Grundlage für eine Entscheidung herangezogen werden.

Sie verstehe zwar die Raumnot der Verwaltung. Dies dürfe allerdings nicht auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden.

Als Letztes fordert sie bei einem Beschluss für den Erhalt der Förderschule, dass die tatsächlichen Zahlen verwendet werden sollten und nicht die einer unzureichenden Befragung.

 

Ratsherr NOWAK äert sich zunächst zu den von Frau Jamme beschriebenen Meinungen der Eltern, welche er als Einzeleindrücke bezeichne, da es sich hierbei nur um ca. 20 % der Eltern betroffener Schüler handele, und fasst dann die bisherigen Fakten zu dem Thema zusammen.

Ein Salto rückwärts in der Schulpolitik schwäche s.E. die bestehenden Inklusionsschulen, da die Sonderpädagogen an ein Auslaufmodell der Förderschule L gebunden seien. 80 % der Förderschüler rden aktuell bereits inklusive Schulen besuchen. Diesessten daher gestärkt und nicht geschwächt werden. Der daraus erkennbare Elternwille müsse anerkannt werden, weshalb er sich klar gegen eine Wiedereinführung einer Förderschule L als separate Schule ausspricht.

Vielmehr sehe er den Erfolg der inklusiven Schulen im von allen Beteiligten gemeinsam erstellten Inklusionskonzept. Um dieses zu verbessern, sei bereits ein Arbeitskreis aus Lehrern und Pädagogen ins Leben gerufen worden.

Durch den Antrag werde der Eindruck erweckt, an inklusiven Schulen sei Inklusion nichtglich. Dem widerspricht er aus folgenden Gründen:

-          An Inklusionsschulen werde dasselbe Kernkurrikulum verwandt, welches für die Förderschule L gelte. Der Abschluss könne daher dort genauso gut erreicht werden wie an einer Förderschule L. Die Aussage von Frau Jamme dazu sei daher nicht richtig.

-          Auch an Inklusionsschulen seien Sonderpädagogen sowie pädagogische Schulbegleitungen tätig.

-          Durch das gemeinsame soziale Lernen könnten nicht so gute Schüler von den guten profitieren und durch die Erfolgserlebnisse an einer normalen Schule ihr Selbstbewusstsein stärken. Auch Kitas würden nach diesem Konzept arbeiten.

-          Die Vorteile einer Ganztagsschule könnten von einer Förderschule L aufgrund deren kleinen Größe nicht geboten werden.

Abschließend zeigt er auf, welche Verbesserungsvorschläge er hat (u.a. schrittweise Erhöhung der Stunden für Sonderpädagogen, leichtere Gewährung päd. Schulbegleitungen durch Zuständigkeit des Landes).

Die SPD-Fraktion werde daher gegen den Antrag stimmen.

 

Ratsherr GORALCZYK bedauert, dass die Inklusion bisher nicht die erhofften Wirkungen gezeigt habe. Er unterstütze daher den Antrag von Frau Jamme. Zu der Durchführung der fraglichen Umfrage wolle er sich nicht äern. Er sei allerdings irritiert, dass zu Beginn des Jahres von der Verwaltung gesagt worden sei, ein Antrag auf Verlängerung der Förderschule L könne jederzeit (und nicht nur bis zum 30.04.18 wie von der Politik gedacht) gestellt werden, der Beschlussvorschlag der Verwaltung nunmehr aber gegen eine Antragstellung sei.

Seinem Antrag auf geheime Abstimmung wird mehrheitlich bei 16 Gegenstimmen der Fraktionen SPD und AfD sowie einer Enthaltung des Oberbürgermeisters zugestimmt.

 

Ratsherr PODSTAWA lehnt den Antrag ebenfalls ab. Er verstehe den Frust der Eltern, da der Erfolg der Inklusion nur auf dem Papier existiere. Grundproblem seien die fehlenden bildungspolitischen Mittel, die das Land für die Inklusion zur Verfügung stelle. In einem bundesweiten Vergleich liege Niedersachsen unter dem Durschnitt und weit unter dem, was Länder wie Hamburg oder Berlin aufwenden.

Er plädiert daher stattdessen für eine Resolution an die Landesregierung, in der diese aufgefordert werden soll, mehr Geld in die Bildung zu investieren.

 

Ratsherr SOLDAN erklärt, dass man sich mit dem Antrag nicht gegen eine Teilhabe entscheide. Es gehe vielmehr darum, eine Übergangslösung zu schaffen, bis die Inklusion an den Schulen ausgereift sei und erfolgreich umgesetzt werden könne. Dies sei auch die Intention der Landesregierung gewesen, als sie die Möglichkeit der Antragsstellung ermöglicht habe.

r ihn seien Inklusionsschulen und Förderschulen keine parallelen Systeme, sondern unterschiedliche Förderangebote. Die von Herrn Podstawa angesprochene Kostenproblematik sehe er ebenfalls.

Die von Herrn Nowak geäerten berechtigten Forderungen benötigen Zeit, daher die Übergangsregelung des Landes. Indirekt gebe Herr Nowak damit zu, dass die Inklusion aktuell noch nicht gut funktioniere. Kinder hätten allerdings keine Zeit, sondern benötigen jetzt Förderung. Er bittet daher, den Elternwillen, welcher u.a. durch den Stadtelternrat deutlich werde, zu beachten und ihnen weiterhin die Wahlmöglichkeit für ihre Kinder zu lassen.

Hinsichtlich der Befragung durch die Verwaltung gibt er die Kritik des Stadtelternrates weiter, wonach viele betroffene Eltern gar nicht gefragt worden seien. Der Elternwunsch am Erhalt der Förderschule L sei durchaus vorhanden.

 

Ratsfrau NEUHAUS ist für die Inklusion, gibt allerdings zu, dass die Umsetzung bisher mangelhaft gewesen sei. Die Zeit, die die Landesregierung in Form des Verlängerungsantrages gegeben habe, werde benötigt und sollte auch angenommen werden. Man müsse kontinuierlich an der Inklusion arbeiten, bis diese ein attraktives Schulmodell darstelle. Die bisherige Kritik daran, welche laut Befragung der Verwaltung immerhin fast 50 % der Eltern äere, sei bis jetzt nicht ernst genommen worden. Dies müsse man ändern und versuchen, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Dies bedarf allerdings Zeit, in der es den Eltern weiterhin möglich sein sollte, auf ein differenziertes Beschulungssystem, in dem auch die Förderschule L involviert sei, zurückzugreifen.

Sie unterstütze daher den Antrag von Frau Jamme.

 

Ratsherr NEUMANN sieht weder rechtliche noch sachliche Gründe für eine Abschaffung der Förderschule. Die Leiterin derrderschule habe im Schulausschuss vom Erfolg der Förderschule berichtet und wie sie sieht er die Kinder nicht als unsozial an, nur weil sie nicht auf eine Regelschule gehen würden.

Durch den schon von seinen Vorrednern geschilderten Mangel von Sonderpädagogen an inklusiven Schulen, bestehe eine große Gefahr für Förderschüler dort unterzugehen bzw. überfordert zu werden. Auch die Schulbegleiter sehe er nur als Hilfskrücke. Die Förderschule schaffe es, dass diese Schüler einen Abschluss machen und leiste damit einen wichtigen Beitrag zur Teilhabe.

Am Beispiel der Oberschule am Wasserturm zeige sich, dass das Prinzip der Förderschule, welches dort durch Zusammenführung der Förderschüler in fast separate Klassen umgesetzt werde, gut sei. Zudem sieht er bei der Förderschule einen effizienteren Einsatz von Mitteln und Personal als an inklusiven Schulen.

Er unterstütze daher den Antrag von Frau Jamme.

 

Ratsherr DR. SCHARF sei zwar für die von der UN beschlossene Einführung der Inklusionsschule, dennoch gebe es Eltern, die für ihre Kinder eine Wahlfreiheit wollen. Bei der Entscheidung sei daher nicht der organisatorische oder finanzielle Rahmen von Bedeutung, sondern entscheidend sei das Kindeswohl. Oftmals sei Inklusion der richtige Weg, aber eben  nicht immer.

 

Ratsherr VON MANSBERG erklärt, dass Inklusion nicht, wie angeklungen, Schikane sei, sondern eine Chance für jeden Schüler biete. Die beantragte Wiedereinführung der Förderschule L sei daher ein Schritt zurück und würde nicht das Wohl aller, sondern nur das Wohl einiger Schüler in den Mittelpunkt stellen. Nicht zuletztnne auch die Oberschule am Wasserturm die frei werdenden Räumlichkeiten der Johannes-Rabeler-Schule nutzen, um mehr Räume für inklusiven Unterricht zu erhalten.

Zwar sei das Inklusionssystem noch nicht perfekt (es bedarf mehr Lehrer und Räume), es sei jedoch ein zukunftsträchtiges System, welches in die richtige Richtung führe und bereits im vollen Gange sei. Er sehe den Erhalt der Förderschule L daher als fatale Verschwendung von Ressourcen und Lehrerstunden, die man benötige, um die Inklusion an Schulen umzusetzen. Man schädige ein System, was gerade beginnt zu funktionieren.

 

Beigeordnete LOTZE ergänzt, dass das Ziel und der Wunsch der SPD-Fraktion sei, dass alle Menschen von klein auf gemeinsam in der Gesellschaft leben und nicht durch Förderschulen in Sondersystemen oder Parallelwelten verschwinden. Ihre Fraktion werde den Antrag daher ablehnen.

 

Ratsfrau JAMME zeigt sich überrascht. Die Haltung der SPD-Fraktion sei ihr fremd. Die Große Koalition des Landes habe erkannt, dass die Inklusion nicht funktioniere und deshalb eine Gesetzesgrundlage auf Weiterführung der Förderschulen erlassen, um die Zeit zu geben, die Inklusion zunächst weiterzuentwickeln.

 

Beigeordneter BLANCK kritisiert die Aussage von Herrn von Mansberg bezüglich der Raumnutzung der Johannes-Rabeler-Schule sowie die damit verbundene Behauptung, eine Entscheidung für die Förderschule sei eine gegen die Schüler der Oberschulen. Stattdessen korrigiert er ihn, dass neben einer weiteren Nutzung der Förderschule L im Nebengebäude die übrigen Räume durch die Oberschule genutzt werden könnten.

 

Stadträtin STEINRÜCKE betont, dass es in der Diskussion um Kinder mit dem Förderbedarf L gehe. Diese machen laut Berichten die wenigsten Probleme und seien zu fast 80 % schon im Regelsystem untergebracht.

Die Kritik an der Elternbefragung teile sie. Die Befragung sei nicht von der Verwaltung gewollt gewesen, sondern wurde auf Grundlage eines Beschlusses aus dem Schulausschuss am 14.09.2018 durchgeführt. Eine rechnerische Darstellung hätte aus rechtlicher Sicht ausgereicht. Eine solche wurde der Politik vorgelegt. Beide Ergebnisserden zeigen, dass ein Antrag auf Weiterführung beim Land nicht durchgehen werde, da die Zahlen nicht ausreichen.

Die Raumnot der Verwaltung sei kein Argument für die Abschaffung der Förderschule, sondern sei ein anderes Problem.

 

Ratsfrau JAMME entgegnet, dass es in der damaligen Situation (Auslaufen der Förderschule L) keine Alternative für die Kinder mit dem Förderbedarf L gegeben habe und sich damit auch die 80 % Unterbringung in inklusiven Schulen erkläre. Dies sei allerdings kein Argument für den Erfolg der Inklusion.

 


Beschluss:

 

Es wurde von Ratsherrn Goralczyk eine geheime Wahl beantragt, welcher mehrheitlich bei 16 Gegenstimmen der Fraktionen SPD und AfD sowie einer Enthaltung des Oberbürgermeisters zugstimmt wurde.

 

Anwesend waren 39 Ratsmitglieder. Es wurden 39 gültige Stimmzettel abgegeben.

 

Im 1. Wahlgang fasst der Rat der Hansestadt Lüneburg bei 20 Ja-Stimmen, 18 Nein-Stimmen und einer Enthaltung folgenden Beschluss:

 

Dem Antrag wird zugestimmt.


Abstimmungsergebnis:

 

   Ja-Stimmen: 20

Nein-Stimmen: 18

  Enthaltungen: 1