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Auszug - MRSA vermeiden - Vollständiges Screening von Patienten und Personal? (Anfrage der Fraktion Die Linke vom 31.05.2015)  

 
 
Sitzung des Rates der Hansestadt Lüneburg
TOP: Ö 7.2
Gremium: Rat der Hansestadt Lüneburg Beschlussart: zur Kenntnis genommen
Datum: Do, 25.06.2015    
Zeit: 17:00 - 19:55 Anlass: Sitzung
Raum: Huldigungssaal
Ort: Rathaus
VO/6206/15 MRSA vermeiden - Vollständiges Screening von Patienten und Personal? (Anfrage der Fraktion Die Linke vom 31.05.2015)
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Anfrage
Federführend:01 - Büro der Oberbürgermeisterin Beteiligt:DEZERNAT II
Bearbeiter/-in: Kunz, Andrea   
 
Wortprotokoll
Beschluss

 

Beratungsinhalt:

 

Herr DR. MOORMANN, Geschäftsführer des Städtischen Klinikums, beantwortet die Anfrage wie folgt:

Das Thema werde alljährlich in der lokalen wie übergeordneten Presse aufgegriffen. Es komme häufig zu Vereinfachungen und Pauschalierungen, die dem Thema nicht guttun.

Das Thema multiresistenter Keime müsse heute viel umfangreicher gefasst werden, als es mit dem Wort „MRSA“ überhaupt geschehen könne.

MRSA sei die Abkürzung für „Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus“, ein Bakterium welches 30% der Menschen auf der Haut, den Schleimhäuten tragen, allerdings nicht in resistenter Form. Nur 2% tragen den resistenten Keim auf sich.

Das Problem MRSA sei seit zirka 10 bis 15 Jahren bekannt und die Mediziner und Gesundheitsbehörden glauben, dieses weitgehend im Griff zu haben. Anhand der bundesdeutschen Statistik sei ersichtlich, dass MRSA auf dem Rückzug sei. Es sei viel zur Entdeckung und Bekämpfung des Keims getan worden. So gebe es umfangreiche Strategien zur Bekämpfung z.B. in Krankenhäusern.

Ein viel größeres Problem seien derzeit die 3-MRGN und 4-MRGN (multiresistenter gramnegative), die gegen 3 bzw. 4 Hauptantibiotikaklassen resistent seien. Diese Bakterien seien wesentlich schwieriger zu entdecken. Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) stellen ein großes Problem auf den Intensivstationen dar. Von ESBL-Bildnern wisse man bis heute nicht, wie man sie in Schnelltesten bilden kann.

MRSA sei das kleine Problem, aber es gebe nach wie vor Fälle. Die Frage sei, ob die Durchführung eines Totalscreenings nützlich sei. Im Städtischen Klinikum werden zirka 30% der Patienten im Vorfeld eines Krankenhausaufenthaltes in Bezug auf MRSA gescreent. Von zirka 28.500 stationären Fällen im Jahr werden ungefähr 250 MRSA-Infektionen durch die Risikostrategie entdeckt.

Novos Cuptiale Infektionen seien solche, bei denen davon ausgegangen werde, dass der Patient den Keim im Krankenhaus bekommen habe. Von den entdeckten MRSA-Fällen bestehe bei 6 % der Verdacht, dass der Keim im Krankenhaus erworben wurde.

Ein Screening aller Patienten auf MRSA werde nicht dazu führen, dass es ein keimfreies Krankenhaus gebe, da von MRSA besiedelte Patienten trotzdem ein Recht auf Versorgung haben. Pro Tag nehme das Städtische Klinikum zirka 80 Patienten auf. Gehe man davon aus, dass alle Keimträger sein könnten und veranlasse von allen ein Komplettscreening, müssten diese Patienten alle für zirka 4 Stunden isoliert werden. Dies bedeute, dass 80 Einzelzimmer zur Verfügung stehen müssten.

Die Risikostratifizierung, die das Städtische Klinikum betreibe, sei eine Empfehlung vieler Experten der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, der Deutschen Gesellschaft für innere Medizin und des Robert-Koch-Instituts für Infektionsmedizin.

In der Anfrage sei das Beispiel des Universitätsklinikums Münster genannt, welches ein Komplettscreening durchführe. Dies konnte die Infektionshygienikerin des Städtischen Klinikums nicht beantworten.

Ein Komplettscreening stelle keine Frage der finanziellen Mittel sondern eine Frage der Organisation dar. Im derzeitigen Zustand des Krankenhausausbaus könnte mit 80 Patienten täglich das Komplettscreening organisatorisch nicht umgesetzt werden. Die Niederlande haben in den 1980er Jahren mit großen Schleusen und Einbettzimmern in der Aufnahme reagiert. Diese habe das Städtische Klinikum nicht und könne mit den derzeitigen Mitteln auch nicht umgesetzt werden.

Es stelle sich die Frage, ob es sinnvoll sei, die zur Verfügung stehenden Ressourcen in ein flächendeckendes MRSA-Screening oder in Maßnahmen zur Erhöhung der allgemeinen Patientensicherheit zu investieren. So könnten VRE-Screenings durchgeführt werden und Keimträger von 3-MRGN oder 4-MRGN früher identifiziert werden. Des weiteren werde durch den Neubau der Intensivstation in die Patientensicherheit investiert, da ein keimfreies Arbeiten auf der jetzigen Intensivstation kaum möglich sei.

 

Beigeordneter PAULY beantragt Aussprache.

 

Beschluss:

 

Der Rat der Hansestadt Lüneburg stimmt mehrheitlich für die Aussprache.

 

 

Beratungsinhalt:

 

Beigeordneter PAULY bedankt sich für die Ausführungen.

Er möchte wissen, ob auch das Krankenhauspersonal regelmäßig gescreent werde oder ob es wie in Baden-Württemberg nicht stattfinde, weil dadurch Personalausfall befürchtet werde. Es bestehe nicht nur eine Ansteckungsgefahr von Patient zu Patient, sondern auch vom Krankenhauspersonal zu Patient, die nicht unterschätzt werden sollte.

Eine Isolierung der Patienten z.B. durch Einzelzimmer sei schwerlich umsetzbar, auch wenn andere Länder dies durchführen. Aber durch ein Komplettscreening könne nach einem Befund eine Isolierung veranlasst und dadurch weitere Ansteckungen vermieden werden.

Auch bei geplanten Aufenthalten in Krankenhäusern z.B. für Operationen wäre ein Screening im Vorfeld möglich.

Paradox am deutschen Gesundheitssystem sei jedoch, dass die Krankenkassen die Kosten nicht für das Screening aber für die Behandlung infizierten Personen tragen.

Aus seiner Sicht müsse das Städtische Klinikum weiter durch Qualität überzeugen, d.h. im Vergleich zu anderen Krankenhäusern müsse es eine niedrigere MRE-Quote und damit ein niedrigeres Ansteckungsrisiko aufweisen. Diese Qualität, die zuerst finanzielle Mittel verbrauche, werde sich langfristig rentieren.

 

Herr DR. MOORMANN fragt zurück, wie häufig das Krankenhauspersonal gescreent werden solle. Um eine 100%ige Sicherheit zu gewährleisten, müsste das Personal nach jedem Kontakt zu einem Patienten neu gescreent werden. Ein Screening des Personals nach bestimmten Zeiträumen würde Zufallsbefunde ergeben. Daher gebe es eine andere Strategie, die auch vom Robert-Koch-Institut empfohlen werde. Sollte es eine Ausbruchssituation von MRSA geben, werde erfasst, welcher Patient zu welchem Zeitpunkt wo mit welchem Instrument behandelt wurde. Dadurch werde der Keimtger ermittelt.

Natürlich könne auch das Personal Keimtger sein, jedoch sei eine Übertragung nur durch Hautkontakt möglich. Personalscreening sei nur sinnvoll bei einer Ausbruchssituation, die in einem bestimmten Zeitraum nicht eingedämmt werden könne; da dann die Gefahr bestehe, dass auch das Personal durch den Keim befallen sein könnte.

Zudem sei ein Screening ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, zumal sich nach Expertenmeinungen die Notwendigkeit nicht erschließe.

Es gebe ein Fall pro Jahr, bei dem der Patient den Keim im Krankenhaus erwerbe von insgesamt 2.000 Fällen, was unterdurchschnittlich im Vergleich in Deutschland sei. Auch garantiere ein Komplettscreening nicht, dass diese Zahl verringert werden könne. Daher lohne sich der Ressourcenaufwand nicht, so dass die Ressourcen lieber für weitere Schulungen des Personals zum Thema Hygiene verwandt werden sollten.

 

Ratsherr SRUGIS spricht Herrn Dr. Moormann seinen Dank für die Klarstellungen aus.

Als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender könne er sagen, dass die Arbeit vom Krankenhauspersonal hervorragend bewältigt werde. Dies liege auch an den hohen Qualitätsstandards, die es nicht nur bei der Bekämpfung von MRSA sondern auch in der Pvention gebe.

Das im Antrag genannte Klinikum Münster, welches ein Komplettscreening durchführe, habe bereits bei Aufnahme 85% Risikopatienten bzgl. dieser Keime. Im Städtischen Klinikum sei das Risiko bei maximal 30% der Patienten gegeben. Daher sei das Screening für Universitätskliniken sinnvoll, aber eben nicht für alle Kliniken. Zudem könne vermutet werden, dass aus Wettbewerbsgründen zu den in der Nähe liegenden holländischen Kliniken die im Antrag genannten Kliniken ein Komplettscreening durchführen.

Natürlich müsse alles Erdenkliche zur Minimierung und Bekämpfung von MRSA getan werden. Jedoch bringen bereits 93% der Patienten den Keim in die Krankenhäuser mit. Hinzukommen die Besucher der Patienten, bei denen eine ebensolche Ansteckungsgefahr bestehe. Diese müssten dann auch alle gescreent werden.

Der Aufsichtsrat des Städtischen Klinikums lasse sich regelmäßig über das Qualitätsmanagement berichten. Im Jahr 2014 habe es lediglich 5 MRSA-Patienten auf 10.000 Patienten gegeben, was einen starker Qualitätsbeweis darstelle. Es sei auch im Interesse des Klinikums die Qualitätsstandards zu halten und zu verbessern.

 

rgermeister MEIHSIES erinnert, dass bereits vor einigen Jahren über die Unterschiede in den deutschen Kliniken auch im Vergleich zu den holländischen Kliniken diskutiert worden sei.

Am Sachstand habe sich seitdem aus seiner Sicht nicht verändert. Im Aufsichtsrat gebe es zudem eine regelmäßige Berichterstattung.

Im Städtischen Klinikum werde problembewusst und verantwortungsvoll agiert. So werden unter anderem Neuerungen umgesetzt.

 

Ratsfrau SCHELLMANNchte wissen, wie mit Patienten umgegangen werde, die bereits eine Operation hatten und weitere nachfolgen werden.

 

Herr DR. MOORMANN antwortet, dass es von der zeitlichen Dauen zwischen den Operationen abhänge. Bei einer erneuten Operation innerhalb einer Woche erfolge zunächst kein Screening.

Gebe es aber eine Wiederaufnahme eines Risikopatienten für den MRSA-Kein, z.B. eine Person aus einem Pflegeheim, erfolge ein erneutes Screening.


Beschluss:

 

Der Rat der Hansestadt Lüneburg nimmt Kenntnis.

 

(II)