Bürgerinformationssystem
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Beratungsinhalt:
Erster Stadtrat KOCH erläutert, der Straßenname sei bereits bei früheren Überprüfungen zur Notwendigkeit von Straßenumbenennungen aufgefallen, nun sei jedoch auch durch eine wissenschaftliche Publikation die aktive Mitwirkung Landrat Albrechts im nationalsozialistischen System untermauert worden, sodass die Straßenbenennung als nicht mehr tragbar erachtet werde. Zunächst habe es eine Anfrage im Kultur- und Partnerschaftsausschuss nach den Kosten für erläuternde Zusatzschilder gegeben, die Meinungsbildung in der damaligen Sitzung sei aber dahin gegangen, die Anwohner der Straße nach ihrer Meinung zu einer eventuellen Umbenennung zu befragen. Dies sei zunächst schriftlich erfolgt. Allen Anwohnern über 16 Jahre sei die Gelegenheit gegeben worden, sich schriftlich dazu zu äußern und möglicherweise eigene Benennungsvorschläge zu machen, für den Fall, dass es zu einer Umbenennung kommen sollte. Im Ergebnis habe sich damals die Mehrheit der Anwohner (30 von 58 Personen) in einem Sammelbrief für eine Umbenennung ausgesprochen und dabei deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Neubenennung der Straße nach einer Person nicht wünschen, sondern eine zu den umliegenden Straßennamen oder der Historie der Gegend passenden Namen bevorzugen würden. In der nachfolgenden Anwohnerversammlung am 27.09.2012 hätten sich die dort Anwesenden fast einvernehmlich deutlich gegen eine Umbenennung ausgesprochen. Auch hier sei im Falle einer Umbenennung ebenfalls ein neutraler Name favorisiert worden, keinesfalls eine Benennung nach einer Person. Nach eingehender Diskussion habe sich die Mehrzahl der anwesenden Anwohner für die Bezeichnung „Schwalbengasse“ ausgesprochen.
Ratsfrau SCHELLMANN fragt nach der Altersstruktur der Anwohner. Ältere Anwohner hätten zum Teil Probleme, sich an einen neuen Straßennamen zu gewöhnen.
Erster Stadtrat KOCH antwortet, es gebe in der Straße einige ältere Anwohner und auch das sei in der Anwohnerversammlung als Argument gegen eine Umbenennung vorgebracht worden.
Ratsherr VON MANSBERG bedauert sehr, dass er an der Anwohnerversammlung nicht habe teilnehmen können. Der aus den politischen Reihen in der öffentlichen Diskussion dieses Themas geäußerte Wunsch, die Straße nach einem Opfer des Nationalsozialismus umzubenennen, sei insofern nachvollziehbar, dass diese Personengruppe mit Straßenbenennungen gewürdigt werden sollte. Dies sollte jedoch bei einer Straßenneubenennung in Betracht gezogen werden. In diesem Fall halte er es für wichtiger, auf die Wünsche der Anwohner einzugehen, denen die Umbenennung zugemutet werde. Das gewählte Verfahren der Anwohnerbefragung halte er ebenso für richtig, wie er die Umbenennung aus übergeordneten Gründen für notwendig erachte, auch wenn die Anwohner sich dagegen ausgesprochen hätten, weil es für sie eine Umstellung und viel Aufwand bedeute. Man könne nun jedoch nicht ihren expliziten Wunsch für den neuen Straßennamen im Falle einer Umbenennung vom Tisch wischen, dann wäre die Anwohnerbeteiligung eine Farce gewesen.
PROF. ALPERS gibt zu bedenken, dass die Bezeichnung „Gasse“ nicht nach Lüneburg passe, da es sich um einen „oberdeutschen“ Begriff handele.
Ratsfrau RUDOLPH spricht sich im Namen ihrer Fraktion gegen die Umbenennung der Straße aus. Durch die Umbenennung werde Geschichte nicht geändert. Es wäre ausreichend, ein erläuterndes Zusatzschild anzubringen.
Herr LILJE, ein Anwohner der Landrat-Albrecht-Straße, berichtet, auf der Anwohnerversammlung habe sich nur einer der rd. 35 anwesenden Anwohner für die Umbenennung der Straße ausgesprochen, der Rest dagegen. Wieso hier von einer Mehrheit der Anwohner gesprochen werde, die dafür gewesen sei, könne er ebenso wenig nachvollziehen wie das Ansinnen, die Straße nach vierzig Jahren jetzt umzubenennen.
Erster Stadtrat KOCH erklärt, 58 Personen über 16 Jahre seien zum Zeitpunkt der schriftlichen Befragung in der Straße gemeldet gewesen. Mitte September 2012 sei bei der Hansestadt Lüneburg eine Unterschriftenliste mit 30 Unterschriften und einem Begleitbrief eingegangen mit dem Inhalt „Wir, die unterzeichnenden Anwohnerinnen und Anwohner der Landrat-Albrecht-Straße, unterstützen aufgrund der beschriebenen Mitwirkung des Landrates Wilhelm Albrecht an der nationalsozialistischen Unterdrückungs- und Vernichtungspolitik in der Region Lüneburg die geplante Straßenumbenennung. (…)“. An der Anwohnerversammlung hätten 21 Anwohnerinnen und Anwohner teilgenommen, davon auch etliche, die in der Unterschriftenliste für die Umbenennung unterzeichnet hatten, in der Versammlung dann jedoch gegen die Umbenennung gestimmt hätten. Daher gehe die Verwaltung nunmehr lediglich noch von 18 Befürwortern aus.
Oberbürgermeister MÄDGE weist darauf hin, dass es hier nicht um Formalien gehe, wie viele Personen dafür oder dagegen gestimmt hätten, sondern, ob in der Hansestadt Lüneburg weiterhin ein Straßenname Bestand haben solle, der belastet sei. Nach dem neuesten Forschungsstand sei der Name des Landrates eindeutig mit den Heimen für Kinder von Zwangsarbeitern und anderen Begebenheiten zur Zeit des Nationalsozialismus in Verbindung gebracht worden. Das seien gute Gründe, heute zu einer anderen Auffassung im Zusammenhang mit dem Straßennamen zu kommen, als noch vor 10 oder 20 Jahren. Jeder wisse, dass zur Zeit des Nationalsozialismus keine Regimekritiker in hohen Ämtern geduldet wurden. Es sei bedauerlich, dass die Argumente für die Umbenennung der Straße bei einem großen Teil der Anwohner offenbar nicht nachvollzogen werden konnten, aber es sei an der Zeit, im Sinne des Ansehens der Stadt zu handeln. Die heutige, dritte Generation nach Kriegsende stehe dem Umgang mit diesem Kapitel deutscher Geschichte viel kritischer gegenüber und reagiere sensibler auf solche Zeichen, als die vorhergehenden Generationen. Ein Stück weit sei man es auch diesen kritischen jungen Leuten und der Identität und dem Ansehen der Stadt schuldig, solch belastete Namen aus dem Straßenbild zu tilgen und das sei bei anderen Straßennamen auch bereits geschehen. Wer Menschen und die Stadt geschädigt habe, an den solle nicht mit einem Straßennamen erinnert werden. An so einem Namen festhalten zu wollen, könne er nicht verstehen. Ein erläuterndes Zusatzschild, auf dem die Taten Albrechts dargestellt würden, würde eher zu Irritationen als zu Verständnis beitragen und den Anschein erwecken, als würde man diese Taten im Nachhinein gutheißen. Er bitte eindringlich darum, in der Diskussion diese inhaltlichen Argumente zu berücksichtigen, und nicht die Frage, wie viele Leute gegen oder für die Umbenennung gestimmt hätten, das sei in diesem Falle zweitrangig. In der Anwohnerversammlung habe die Stadt die Betroffenen über die Inhalte und Gründe für die geplante Umbenennung informieren und um Verständnis dafür werben wollen.
Ratsherr KUNATH spricht sich ebenfalls für die Umbenennung der Straße aus. Seine Fraktion begrüße es, dass Namen aus der NS-Zeit aus dem Stadtbild verschwinden. Sie würden dem Ansehen der Stadt schaden.
Ratsherr BÖGERSHAUSEN erachtet die Umbenennung auch für notwendig. Wenn neue Gesichtspunkte zu den Personen bekannt werden, nach denen Straßen benannt sind, sei es gerechtfertigt, daraus entsprechende Schlüsse zu ziehen, das sei man den Opfern, die unter diesen Personen zu leiden hatten, schuldig. Eine Anwohnerversammlung zu dem Thema diene seiner Meinung nach nicht dem Zweck, die Leute zu fragen, ob sie das wollen, sondern dazu, ihnen zu erklären, warum man es vorhabe.
Oberbürgermeister MÄDGE ergänzt, es habe auch einen gewissen schlechten Beigeschmack, dass die Benennung einer Straße nach Landrat Albrecht durch die Nationalsozialisten, die von den Engländern verboten und aufgehoben worden war (die heutige Gartenstraße), nach deren Abzug wieder aufgegriffen und an dieser Stelle erneuert wurde.
Ratsherr NEUBAUER macht deutlich, die Entscheidung zur Umbenennung sei keine gegen die Bewohner, sondern eine gegen den Namensgeber der Straße. Es sei verständlich, dass die Anwohner ein anderes Interesse hätten, als die Politiker, die darüber diskutieren. Man habe sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht, meine aber, dass sie zum Wohle der Stadt richtig und wichtig sei.
Beschluss:
Der Kultur- und Partnerschaftsausschuss empfiehlt dem Verwaltungsausschuss mehrheitlich mit den Stimmen der Gruppe SPD/GRÜNE und der Fraktion DIE LINKE gegen eine Stimme der CDU-Fraktion bei Stimmenthaltung eines Mitglieds der CDU-Fraktion, dem Rat der Hansestadt Lüneburg folgende Beschlussempfehlung zu geben:
1. Die Landrat-Albrecht-Straße wird umbenannt, weil eine Straßenbenennung nach einem aktiven Mittäter und Unterstützer des nationalsozialistischen Systems aus heutiger Sicht nicht mehr tragbar ist.
2. Die neue Bezeichnung der Straße lautet „Schwalbengasse“.
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