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Auszug - Abschaffung der Gewerbesteuer / Auswirkungen des FDP-Steuerkonzeptes auf den städt. Haushalt (Anfrage der Fraktion Bündnis90/Die Grünen vom 14.04.2010, eingegangen am 15.04.2010)  

 
 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Rates der Hansestadt Lüneburg
TOP: Ö 5.5
Gremium: Rat der Hansestadt Lüneburg Beschlussart: zur Kenntnis genommen
Datum: Do, 30.09.2010    
Zeit: 17:05 - 19:55 Anlass: Sitzung
Raum: Huldigungssaal
Ort: Rathaus
VO/3656/10 Abschaffung der Gewerbesteuer / Auswirkungen des FDP-Steuerkonzeptes auf den städt. Haushalt (Anfrage der Fraktion Bündnis90/Die Grünen vom 14.04.2010, eingegangen am 15.04.2010)
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Anfrage d. Fraktion Bünd. 90/Die Grünen
Federführend:01 - Büro der Oberbürgermeisterin Beteiligt:DEZERNAT II
    Bereich 21 - Kämmerei, Steuern und Erbbaurechte
 
Wortprotokoll
Beschluss

Beratungsinhalt:

 

Beratungsinhalt:

 

Stadtkämmerin LUKOSCHEK berichtet über den Rückgang der Gewerbesteuererträge, der zum einen Gründe in der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise hatte. Daneben wirkten sich jedoch auch verschiedenste Steuergesetzgebungen auf die Gewerbesteuereinnahmen aus. Zu nennen wäre hier z.B. das Bürgerentlastungsgesetz, die Konjunkturpakete I und II sowie das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, welches bekanntermaßen einen Steuersatz für Hoteliers auf 7 % festgelegt hat. Weitere Einzelregelungen in Koalitionsverträgen und deren Umsetzung seien weiterhin zu beobachten.

Als Ergebnis im Jahr 2008 habe man fast 40 Millionen Euro als Gewerbesteuereinnahme verbuchen können und sei in die Planung 2009 mit einer Erwartung von 37,6 Millionen Euro gegangen. Das tatsächliche Ergebnis der Gewerbesteuereinnahme sei auf 22,5 Millionen Euro für das Jahr 2009 zu beziffern. In diesem Jahr 2009 erreichte die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise auch Lüneburg, so dass die Gewerbesteuereinnahmen in der Folge fast um die Hälfte eingebrochen seien.

Derzeit würden mehrere Modelle über die Änderung der Gewerbesteuer diskutiert, die Stadtkämmerin LUKOSCHEK ausführlich anhand einer Folienpräsentation vorstellt, die dieser Niederschrift als Anlage 1 beigefügt ist.

 

Ratsherr Meihsies bedankt sich für die Ausführungen der Verwaltung. Der von ihm beantragten Aussprache wird stattgegeben. Er kritisiert, dass von der derzeitigen Regierungskoalition einseitig bestimmte Interessenverbände unterstützt und gefördert würden. Dies sehe man bei der Verabschiedung des Atomkompromisses sowie der einseitigen Steuerentlastung für das Hotelgewerbe und ähnliches.

Derzeit werde das sog. „FDP-Steuermodell“ in der Gemeindefinanzkommission geprüft und er hoffe, dass dieses Modell verworfen werde. Sollte das Modell in der vorliegenden Form umgesetzt werden, wäre das ein Desaster für die Kommunen.

Die Hansestadt Lüneburg weise schon jetzt ein massives Defizit im Haushalt auf und die Gewerbesteuer sei eine zentrale Säule der Einnahmen. Bürger und Kommunen würden durch diese Maßnahme stärker belastet und es sei zu befürchten, dass beispielsweise der Sozialauftrag nicht weiter umsetzbar sei.

Für die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen verkündet er, dass diese Politik abzulehnen ist, ansonsten wichtige Dinge für das Gemeinwesen nicht mehr finanzierbar seien.

 

Ratsherr Riechey sieht sich durch eine von der Fraktion Bündnis90 / Die Grünen als Tischvorlage verteilte gutachterliche Stellungnahme in seinen stetigen Forderungen zu den Haushaltsberatungen bestätigt, den Hebesatz auf 380 Punkte anzuheben. Bis zu dieser Punktezahl sei die Belastung einkommensneutral, da von der Lohnsteuer absetzbar.

Sollte das Gewerbesteuerkonzept der FDP umgesetzt werden, wäre dies katastrophal für die hiesigen Kommunen.

Die Einführung der sog. Gemeindewirtschaftssteuer halte er für richtig und sinnvoll. Dieser Antrag sei bereits Anfang des Jahres im Bundestag durch die Fraktion Die Linke eingebracht, jedoch zu dieser Zeit noch abgelehnt worden.

Er bedankt sich für die Ausführungen der Verwaltung und für den Hinweis, dass der Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen nicht nur krisenbedingt sei, sondern auch durch die vorherrschende Steuergesetzgebung ausgelöst wurde. So habe sich eine Gesamtbelastung aller Kommunen in Höhe von 19 Milliarden Euro durch Steuergesetzgebung der ehemaligen großen Koalition ergeben.

Der bloße Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen sei kein Grund, diese Steuer komplett abzuschaffen. Man müsse diese lediglich anpassen und auf eine solide Basis stellen, um vor Ort die öffentliche Daseinsvorsorge vernünftig gestalten zu können.

 

Beigeordneter Srugis summiert, dass nach dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz, dem Steuervorteil für Hotels, der Laufzeitverlängerung für Atomkraft und der ständigen Missachtung des Konnexitätsprinzips nun ein Steuerkonzept von der FDP favorisiert werde, welches ursprünglich vom BDI ins Leben gerufen wurde.

Die Finanzlage der Kommunen habe sich drastisch zugespitzt, da die Kommunen strukturell unterfinanziert seien, was Leistungseinschränkungen zur Folge haben werde.

Die Argumentationen für dieses „FDP-Steuerkonzept“ seien abenteuerlich, da dort behauptet werde, dass die vorhandene Gewerbesteuer Deutschland im internationalen Wettbewerb schwächen würde, die Gewerbesteuer eine deutsche Besonderheit und konjunkturabhängig wäre.

Die neue Steuer mit Hebesatzrecht, das den Gemeinden zugebilligt werden soll, führe nach vorsichtigen Berechnungen in Deutschland zu einem Defizit von 14,5 Milliarden Euro. Durch den geplanten Ausgleich durch Zuwendungen eines Umsatzsteueranteils sei ein permanenter Disput zwischen Land, Bund und den Kommunen vorprogrammiert. Die Belastungen würden sich nach diesem Modell von den Unternehmen auf die Arbeitsnehmer verschieben. Daher fordere er, dass eine dauerhaft wirksame Entlastung der Kommunen auf der Ausgabenseite umgesetzt wird.

Abzulehnen seien Steuersenkungen zu Lasten der Kommunen, die nicht gegenfinanziert seien. Die Gewerbesteuer müsste als örtliche Steuer mit Hebesatzrecht modernisiert und gestärkt werden. Darüber hinaus fordere er, eine Verbreitung der Bemessungsgrundlage und die Abschaffung der Gewerbesteuerumlage.

 

Ratsherr Manzke kritisiert, dass in diesem Gremium Themen diskutiert würden, die nicht direkt die Belange des Rates der Hansestadt Lüneburg beträfen und durch den Gesetzgeber noch nicht abschließend verhandelt worden seien.

Mittels einer Anfrage werde der Rat der Hansestadt Lüneburg als Bühne benutzt, mit der Berliner Politik und der Bundesgesetzgebung abzurechnen. Er bitte die Ratsvorsitzende Thielbörger zu prüfen, ob dies Aufgabe des Rates sei und werde inhaltlich dazu keine Stellung nehmen.

 

Ratsherr Soldan bedankt sich für die Ausführung bei Herrn Manzke und will den Blick zurück auf die Gegebenheiten vor Ort lenken.

Er erinnert daran, dass die Hansestadt Lüneburg seit Jahren mittels eines Haushaltskonsolidierungskonzeptes um einen ausgeglichenen Haushalt kämpfe. Mit beachtlichem Elan und Kraft habe die Verwaltung bis 2008 erreicht, den Haushalt wieder auszugleichen.

Durch das Einsetzen der weltweiten Finanzkrise seien die Einnahmen aus der Gewerbesteuer bei der Hansestadt Lüneburg um 45 % eingebrochen.

Aus diesen Erfahrungen heraus müsse man eine konjunkturschwankungsunabhängige Einnahmequelle für die Kommunen finden.

Dazu würden derzeit verschiedenste Modelle diskutiert, auch ein Modell, die Gewerbesteuer weiter, z.B. auf Freiberufler, auszuweiten. Er weist darauf hin, dass jedoch auch diese Freiberufler in gewisser Weise konjunkturabhängig arbeiten.

Für ihn sei beachtlich, dass bereits drei Vorredner die Beratungen der Fachleute der Regierungskommission inhaltlich vorweg beurteilen könnten. Er schlägt vor, zunächst das endgültige Fazit der Regierungskommission abzuwarten und dann in den entsprechenden zuständigen Gremien zu diskutieren.

 

Oberbürgermeister Mädge betont, dass es richtig sei, diese Thematik zu diskutieren, weil die Hansestadt Lüneburg davon direkt betroffen sei. Durch Koalitionspapiere, die Einrichtung der Gemeindefinanzkommission und klare Aussagen seien politische Fakten geschaffen und eine Richtung eingeschlagen worden, die unmittelbar Auswirkung auf die Hansestadt Lüneburg hätten. Durch den angedachten Ausgleich aus Anteilen der Mehrwertsteuer sei zu befürchten, dass es irgendwann zu einer Erhöhung der Mehrwertsteuer kommen werde, mit der Begründung, die Kommunen damit finanzieren zu müssen.

Derzeit würden sehr abenteuerliche Pläne diskutiert, viele Ungereimtheiten seien noch zu klären und es gelte zu verhindern, dass Belastungen von der Arbeitgeberseite auf die Arbeitnehmerseite verschoben würden.

Solange es kein besseres Modell als die Gewerbesteuer gäbe, müsse man daran festhalten und vermeiden, gerade in der größten finanziellen Krise des Landes die komplette Steuergesetzgebung und den Finanzausgleich umzustellen.

Diese Maßnahmen könne man in Ruhe besprechen wenn die Haushalte wieder auf solide finanzielle Beine gestellt seien.

 

Beigeordneter Blanck erläutert, dass eine Erhöhung der Gewerbesteuer auf 380 Punkte Einzelunternehmer und kleinere Unternehmen nicht treffen würde, da diese Belastungen über die Einkommenssteuer absetzbar seien, jedoch würde effektiv mit dieser Maßnahme die Hansestadt Lüneburg belastet, da danach die Einnahmen aus der Einkommenssteuer fehlen würden. Kapitalgesellschaften selbst fehle diese Möglichkeit der Absetzbarkeit, so dass eine Erhöhung der Gewerbesteuer auf 380 Punkte an dieser Stelle zu einer Mehreinnahme führen könnte.

Jedoch müsste man für diese Maßnahmenumsetzung den günstigen und richtigen Zeitpunkt ermitteln und es wäre ungemein kontraproduktiv, Steuern in einer konjunkturschwachen Zeit zu erhöhen.

Verantwortungsvolle Politik wäre, wenn man diese Erhöhung erst vornehme wenn sich die Konjunktur erholt oder einen Höchststand erreicht habe.

 

Ratsherr Riechey betont, dass die Absetzbarkeit von der Einkommenssteuer, wie erläutert, richtig sei, aber die Hansestadt Lüneburg bekäme einen statistischen Anteil vom Bundesanteil, dieser werde weniger abgesenkt als das, was man an Mehreinnahmen durch die Gewerbesteuererhöhung bekommen würde.

Damit würden Personengesellschaften in der Summe nicht stärker belastet werden. Sie würden weiter den gleichen Betrag zahlen, jedoch einen höheren Anteil an die Kommune und einen geringeren Anteil an den Bund. Richtig sei, dass Kapitalgesellschaften etwas mehr belastet würden, da hier die Absetzbarkeit von der Einkommenssteuer nicht bestünde.

 

Bürgermeister Dr. Scharf betont, dass diese Thematik für die Kommunen durchaus wichtig sei, dieses Gremium aber für politische Statements missbraucht werde. Es gäbe entsprechende Vertreter im Niedersächsischen Städtetag, im Deutschen Städtetag, im Landtag und im Bundestag, die diese Themen ausgiebig fachlich beleuchten. Der Rat der Hansestadt Lüneburg habe sich jedoch auf seine kommunalen Aufgaben zu konzentrieren. Eine Meinungsbildung werde jedoch nicht ausgeschlossen.

 

Beigeordneter Dörbaum erinnert, dass diese Problematik in den kommenden Wochen während der Haushaltsberatungen thematisiert werden wird, berichtet von Versammlungen des Deutschen Städtetages, der immer gefordert habe, die finanzielle Ausstattung der Kommunen auf eine solide Basis zu stellen.

Derzeit gäbe es keine Alternative zur Gewerbesteuer für die Kommunen, da sie diese Steuer selbst bestimmen und die Höhe festlegen könnten, allerdings keinen Einfluss auf entsprechende Umlagen hätten.

Kernthema dieser Diskussion sei wieder einmal die mangelnde Finanzausstattung der Hansestadt Lüneburg und der fehlende Wille, die Finanzausstattung für die Kommunen ausreichend zu gestalten und damit die Daseinsvorsorge vor Ort zu gewährleisten.

 

Beigeordnete Schellmann gibt zu bedenken, dass in den letzten Jahren immer zu beobachten war, dass in Krisensituationen die Steuereinnahmen zurückgegangen seien. Diese Situation könne man durch ausschweifende Diskussionen im Rat der Hansestadt Lüneburg nicht ändern, doch sei die Forderung richtig, eine weniger krisenanfällige Einnahmequelle für die Kommune zu gestalten. Solange es keine Alternative zur Gewerbesteuer gebe, dürfe diese nicht angetastet werden.

Beschluss:

Beschluss:

 

Der Rat der Hansestadt Lüneburg nimmt Kenntnis.

 

(21, II)