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Auszug - Einführung einer SozialCard in Lüneburg (Anfrage der Fraktion Bündnis90/Die Grünen vom 16.02.2010)  

 
 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Rates der Hansestadt Lüneburg
TOP: Ö 5.3
Gremium: Rat der Hansestadt Lüneburg Beschlussart: zur Kenntnis genommen
Datum: Mi, 28.04.2010    
Zeit: 17:00 - 20:35 Anlass: Sitzung
Raum: Huldigungssaal
Ort: Rathaus
VO/3582/10 Einführung einer SozialCard in Lüneburg (Anfrage der Fraktion Bündnis90/Die Grünen vom 16.02.2010)
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Anfrage d. Fraktion Bünd. 90/Die Grünen
Federführend:01 - Büro der Oberbürgermeisterin Beteiligt:Bereich 50 - Service und Finanzen
    DEZERNAT V
 
Wortprotokoll
Beschluss

Beratungsinhalt:

 

Beratungsinhalt:

 

Erster Stadtrat KOCH erläutert, dass in der Anfrage ausgeführt werde, dass im Urteil des Bundesverfassungsgerichts festgestellt worden sei, dass die bisherige Rechnungsmethode gegen das Grundgesetz verstoße und bis Ende 2010 vor allem für Kinder neue ALG-II-Regelsätze berechnet werden müssten. Dieses sei richtig. Falsch sei jedoch, dass viele Städte in Niedersachsen schon auf diesen Umstand reagiert hätten, da es nicht Aufgabe der Kommunen sei, Versäumnisse des Bundesgesetzgebers auszugleichen. Stattdessen gewähren Kommunen in Niedersachsen freiwillige soziale Leistungen für Hilfebedürftige. Diese Hilfen seien jedoch nur als Übergangslösungen anzusehen, bis der Bundesgesetzgeber diese Lücken schließe oder die Kommunen mit entsprechenden finanziellen Mitteln ausstatte.

 

Frage 1:

Wäre das Hannoversche Sozialkartenmodell auf Lüneburg übertragbar?

 

Erster Stadtrat KOCH erläutert, dass dieses klar verneint werden müsse. Der ÖPNV werde in Lüneburg durch den HVV gewährleistet, der in Hamburg bereits einen Sozialtarif anbiete, der sich von dem Hannoverschen insofern unterscheidet, als hier nur Monatskarten jeweils um 18 EUR ermäßig angeboten würden.

Eine weitere an das Hannoversche Modell angelehnte Variante erfordere jedoch eine kommunale Mitfinanzierung, die derzeit nicht leistbar erscheint.

Die weiteren Vergünstigungen stellen im Wesentlichen Einnahmeverzichte durch Ermäßigungen vor allem in öffentlichen Einrichtungen dar, die es in ähnlicher Form in Lüneburg bereits gebe und die den in Frage kommenden Personenkreisen bekannt sei, bei Bedarf im Beratungswege erläutert und auch durchweg gut in Anspruch genommen würden. Die Übernahme von Sportvereinsbeiträgen ist in Lüneburg nicht notwendig, da viele Sportvereine bereits nach Einzelfallprüfung Beitragsnachlässe bzw. -freiheit gewähren.

 

Frage 2:

Welche Kosten wären damit verbunden?

 

Für die Produktion und Versand der Karten wäre ein Finanzvolumen in Höhe von ca. 5.000 EUR zu erwarten. Fraglich ist in diesem Zusammenhang jedoch auch, wie die Beschränkung der Geltungsdauer geregelt werden könnte, da 70 % der Betroffenen nur vorübergehend im Leistungsbezug stünden und somit eine regelmäßige Überprüfung und Neuausgabe notwendig sei, was einen erheblichen Verwaltungsaufwand bedeute.

Rechne man mit ca. 9.000 möglichen Berechtigten, wäre alleine für den Bereich ÖPNV von einem Finanzierungsbedarf von bis zu 1,9 Mio. EUR jährlich auszugehen (HVV-Modell). Kosten für die Übernahme von Sportvereinsbeiträgen könnten sich bei mindestens 1.000 möglichen Berechtigten in Höhe von jährlich 120.000 EUR beziffern, würde man einen durchschnittlichen Vereinsbeitrag ansetzen.

 

Frage 3:

Könnten Teile des Modells wie z.B. ein kostenloser Eintritt in den Sportverein für Kinder und Jugendliche schon in 2010 umgesetzt werden?

 

Diese Frage sei bereits durch Antwort zu Frage 1 beantwortet. Zu erwähnen wäre außerdem, dass dieses Thema bereits Gegenstand eines Antrages an andere Fraktionen im März 2007 war und regelmäßig wieder in den Haushaltsberatungen zur Sprache gebracht würde.

 

Dem Antrag auf Aussprache wird stattgegeben.

 

Ratsfrau MAHLKE-VOß betont, dass für eine gesellschaftliche Entwicklung die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen am öffentlichen Leben wichtig sei und dadurch die gesellschaftliche Spaltung verhindert oder mindestens abgemildert werden könne. Eine OECD-Studie habe aufgedeckt, wie weit sich der Zusammenhang zwischen Bildungsabschluss und sozioökonomischem Status der Eltern darstelle. Sie bedauert, dass in Lüneburger Sportvereinen die Vereinsbeiträge nur in Einzelfällen ermäßigt oder reduziert würden und von den Ermäßigungen zwei wesentliche Bereiche, nämlich die Schwimmbäder und der ÖPNV, ausgenommen seien. Sie fordere, dass es möglich sein müsse, dass Schülerinnen und Schüler kostenlos den ÖPNV in Anspruch nehmen könnten, wenn es witterungsbedingt nicht zumutbar erscheint, das Fahrrad zu benutzen.

Der nun von einigen Krankenkassen eingeführte Krankenkassenzuschlag in Höhe von 8 EUR/monatlich und der daraufhin messbare Wechsel von Krankenkassen zeige, dass eine Mehrbelastung von 8 EUR/monatlich eine erhebliche finanzielle Beeinträchtigung darstelle und von vielen Betroffenen nicht leistbar sei. Eine Monatskarte im HVV-Bereich kostet derzeit 27,10 EUR, im Regelsatz von Hilfebedürftige sei für die Benutzung des ÖPNV jedoch nur 15 EUR vorgesehen. Daher sei zu überlegen, wie und wo eine SozialCard eingeführt werden könne. Sie begrüße den Antrag der Gruppe zu Teilhabechancen am gesellschaftlichen Leben und freue sich auf die kommenden Diskussionen im Sozial- und Gesundheitsausschuss im Herbst.

 

Ratsfrau RUDOLPH gibt bekannt, dass die CDU-Fraktion aufgrund des gewaltigen bürokratischen Aufwandes und der zusätzlichen finanziellen Belastung der Kommune die pauschale Einführung einer SozialCard ablehne, jedoch den Antrag gestellt habe, einen Alternativweg für die Erhöhung der Teilnahmechancen am gesellschaftlichen Leben aufzuzeigen.

 

Ratsherr RIECHEY ist der Meinung, dass man die Verantwortung nicht so einfach auf den Bundesgesetzgeber abwälzen könne und es schon Aufgabe der Kommunen sei, Vergünstigungen für sozial Schwächere anzubieten. Er zitiert aus einer dpa-Meldung, dass Lüneburg kein Sozialticket besitze, sondern nur Senioren ab dem 65. Lebensjahr in den Genuss von Vergünstigungen kämen, die lediglich jedoch nur von unter 10 % wahrgenommen würden.

 

Aus dem Hannoveraner Modell berichtet er, dass es dort die Möglichkeit gebe, wenn ein Bedürftiger in Besitz des Hannover Regionalpasses ist und einmal im Monat eine Wertmarke in Höhe von 4 EUR kauft, dann eine Tageskarte zum Preis einer Einzelfahrkarte für den Personennahverkehr erwerben könne. Außerdem zahle die Region Hannover der ÜSTRA pauschal 11 EUR pro ausgegebene Wertmarke, egal ob damit ein ÖPNV-Ticket erworben wurde oder nicht. Er spricht sich dafür aus, für Lüneburg verschiedenste Modelle zu betrachten und Varianten herauszupicken, diese jedoch einfacher zu strukturieren.

 

Oberbürgermeister MÄDGE erinnert, dass ein passendes Modell für die Hansestadt Lüneburg entwickelt werden müsse und kein Modell wie Hannover, welches einen riesigen bürokratischen Aufwand entwickelt habe. Seit der Zusammenlegung der Sozialhilfe und des Arbeitslosengeldes II sei gesetzlich geregelt, dass die ausreichende Ausstattung der Leistungsempfänger in der Zuständigkeit des Bundes liege, so auch die Leistung für Kleidung, ÖPNV usw. Eine kommunale Zuständigkeit gebe es nur anteilig bei den Kosten der Unterkunft, der Eingliederungshilfe und Behindertenhilfe. In den letzten Jahren habe sich jedoch gezeigt, dass diese Leistungen nicht ausreichend seien, so erinnere er an die wichtigen Maßnahmen, die die Hansestadt Lüneburg in Angriff genommen habe, wie z. B. Mittagstisch für Kinder, Sprachförderung, Nachmittagsbetreuung und vieles mehr. Derzeit könne man als Kommune lediglich die Entwicklung auf Bundesebene nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abwarten. Es zeichne sich bereits ab, dass wahrscheinlich ein Gutscheinmodell z. B. für den ÖPNV eingeführt werde.

 

Oberbürgermeister MÄDGE betont, dass gerade der Kinderbereich betrachtet werden müsste. Im Bereich des ÖPNV könnten Kinder im Alter bis zu 6 Jahren kostenlos Bus fahren. Für Familien gibt es einen Familienpass und für Schüler eine Schülerkarte, die auch nach Schulschluss die Benutzung des ÖPNV sicherstelle. Für Kinder, die einen Schulweg unter 2 km hätten, müsste sich gesondert unterhalten werden. Entgegen der bereits zitierten dpa-Meldung hätten die Städte Oldenburg, Göttingen, Osnabrück und Emden keine ÖPNV-Ermäßigung, da man in Mittelstädten davon ausgehe, dass diese Entfernungen mit dem Rad zurückgelegt werden könnten.

 

Im Bereich des Sports erinnert er an eine Landesstiftung, die die Jahressportvereinsbeiträge übernehme auf Antrag des Vereins. Somit sei zu summieren, dass es bereits Lösungen beim ÖPNV und bei den Sportvereinen gebe, diese jedoch vor dem Hintergrund der Neuregelungen der Regelsätze etwa ab Herbst zu sortieren und ggf. anzupassen seien.

 

Ratsherr SOLDAN könne Herrn Oberbürgermeister Mädge in allen Punkten zustimmen, da es nicht Aufgabe der Kommunen sei, Versäumnisse des Bundes wieder auszugleichen. Stattdessen müsse man mit anderen pragmatischen Lösungen als mit einer bürokratieauslösenden SozialCard zusätzlichen Bedarf vor Ort erkennen und handeln.

 

Beigeordneter BLANCK begrüßt, dass das Thema einer SozialCard so aktuell zu sein scheint, dass auch andere Fraktionen einen ähnlich lautenden Antrag gestellt hätten. Falsch sei es, hier mit Zuständigkeiten des Bundes zu argumentieren, da es Fakt sei, dass in der Vergangenheit stets eine eigene Zuständigkeit erkannt wurde und entsprechende Maßnahmen und Vergünstigungen beschlossen. Den Betroffenen selbst sei es gleich, woher die Ermäßigungen kommen, umso wichtiger sei es, allen Menschen die gleichen Chancen zu geben, sich im kulturellen, gesellschaftlichen und pädagogischen Bereich entwickeln zu können. Zu bedauern sei, dass die Möglichkeiten meist nur unzureichend bekannt seien.

 

Ratsherr POLS erklärt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits durch verschiedene Arbeitsgruppen zur Sommerpause erste Ergebnisse über die Neuregelung der Hartz-IV-Sätze vorliegen werden, wobei man höchst wahrscheinlich von einer Pauschalierung abweichen werde, so dass fristgemäß zum Oktober diesen Jahres eine verfassungskonforme Regelung geschaffen werde.

 

Ratsherr RIECHEY führt aus, dass gerade durch die derzeit vielen undurchsichtigen Regelungen zu den Vergünstigungen für sozial Schwächere eine Zusammenführung einer so genannten SozialCard Sinn mache. Richtig sei, dass Hamburger Einwohner im HVV-Bereich eine 18 EUR-Vergünstigung erhalten würden. Dieses gelte jedoch nicht für Lüneburger Bürger. Da bereits über 100 Städte und Gemeinden eine SozialCard eingeführt hätten, wäre auch eine Prüfung für die Hansestadt Lüneburg sinnvoll, was in angemessener Tiefe im Sozialausschuss beraten werden möge.

 

Beigeordneter DÖRBAUM betont, dass das aufwändigen bürokratische Verfahren einer SozialCard eher Hürden aufbaue als abbaue. Er erinnert an ein einfaches praktikables Verfahren bei den Mittagsangeboten an den Lüneburger Grundschulen, welches als Beispiel weiterverfolgt werden sollte. Zunächst müsse man eine Bestandsaufnahme aller Lüneburger Leistungen durchführen und dann in sachlicher Form ein Lüneburger Modell in den Fachausschüssen entwickeln.

 

Oberbürgermeister MÄDGE ergänzt, dass vor allem darauf zu achten sei, dass die zu findenden Regelungen diskriminierungsfrei seien. Außerdem sei bei der Finanzierung der Maßnahmen darauf zu achten, dass, wenn Kredite aufgenommen werden würden, diese von späteren Generationen zu zahlen seien. Die Diskussionen hätten gezeigt, dass Handlungsbedarf bestehe und nun nach Finanzierungskonzepten aus dem Bestand und nach Umsetzungsmöglichkeiten gesucht werde.

Beschluss:

Beschluss:

 

Der Rat der Hansestadt Lüneburg nimmt Kenntnis.

 

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