Bürgerinformationssystem
Sachverhalt: Behebung des Wohnraummangels in der Hansestadt Lüneburg durch den Erlass einer Zweckentfremdungssatzung (ZwES).
A. Rechtsgrundlage Der Landesgesetzgeber hat, mit dem am 5. April 2019 in Kraft getretenen Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (NZwEWG), ein Gesetz erlassen, das Gemeinden mit nachgewiesenem Wohnraummangelmangel dazu ermächtigt, eine Satzung gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum zu erlassen (Nds. GVBl. 2019, 72)). Auf dieser Grundlage kann Wohnraum dann nur mit Genehmigung der Gemeinde der Wohnnutzung entzogen werden. Ob Wohnraummangel besteht, müssen die Gemeinden selbst aufgrund der örtlichen Mietpreisentwicklung oder statistischer Daten feststellen.
B. Voraussetzung für den Erlass der Zweckentfremdungssatzung Voraussetzung für den Erlass einer Zweckentfremdungssatzung ist nach § 1 NZwEWG, dass in der Gemeinde die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist ("Gemeinden mit Wohnraummangel"), und diesem Wohnraummangel nicht mit anderen zumutbaren Mitteln in angemessener Zeit durch die Gemeinde begegnet werden kann.
Die Gesetzesbegründung führt aus, dass Gemeinden Wohnungsmangel feststellen können, durch gemeindliche Informationen,
Es wird aber auch ausgeführt, dass nach dem VGH Mannheim (DVBL 2016, 255) ein starkes Indiz für das Vorliegen der Voraussetzung „Gemeinde mit Wohnraummangel“, wenn die Gemeinde von der Landesregierung durch Verordnung zur Festlegung des Anwendungsbereichs bundesrechtlicher Mieterschutzvorschriften (Niedersächsische Mieterschutzverordnung - MietSchVO) vom 8. November 2016 (Nds GVBL 2016, S. 252) zum Gebiet mit angespannten Wohnungsmarkt nach §§ 556 d Abs. 2 und 3 BGB erklärt worden ist, in dem die Kappungsgrenze gesenkt worden ist nach § 558 Abs. 3 BGB oder in dem die Kündigungssperrfrist bei Umwandlung in Wohnungseigentum verlängert worden ist nach § 577a Abs. 2 BGB. Für die Hansestadt Lüneburg greifen alle drei Schutzinstrumente nach §§ 1 bis3 MietSchVO.
Die nach dem NZwEWG erforderliche Wohnraummangellage kann im Stadtgebiet von Lüneburg darüberhinaus auch durch statistisches Material begründet werden: Auf dem Lüneburgerr Wohnungsmarkt besteht kontinuierlich eine angespannte Wohnungsmarktsituation. Insbesondere mangelt es an bezahlbarem Wohnraum.
Die Ursache dieses Wohnraummangels ist eine stark steigende Nachfrage nach Wohnraum in Lüneburg, die durch Neubau derzeit nicht gedeckt werden kann. Schon die Gewosstudie von 2016 (Wohnungsmarktanalyse Landkreis Lüneburg 2016) hat für Lüneburg einen Neubaubedarf von 4.780 Wohneinheiten prognostiziert. Davon waren allein 1.120 Wohneinheiten als Ersatzbedarf für entfallenden Wohnraum durch Abriss, Umnutzung und Zusammenlegung vorgesehen. Nur durch Neubau kann in den kommenden Jahren der Mangel an Wohnraum besonders im bezahlbaren Segment nicht behoben werden. Laut Gewos-Studie bestand im Jahr 2016 bereits ein Nachfrageüberhang. Mit Neubauten wird daher zunächst der Nachfrageüberhang befriedigt, bevor echter Neubau zu verzeichnen ist. In der Studie ist noch nicht der vermehrte Zuzug von anerkannten Flüchtlingen berücksichtigt, der laut Meldebehörde gegeben ist. Dies führt zu einem sich weiter verschärfenden Wohnraumdruck. Dem Wohnraummangel in Lüneburg kann mit zumutbaren Mitteln in angemessener Zeit nicht begegnet werden, da kaum Bauland zur Verfügung steht. Außer dem Hanseviertel steht in absehbarer Zeit kein weiteres Wohnbauland zur Verfügung. Die Entwicklungen der Baugebiete Wienebüttler Weg, Digitalcampus und Ebensberg stagnieren. Die Zahl der Bauvorhaben aus Innenentwicklungsmöglichkeiten ist gering. Das gerade erstellte Brachflächenkataster weist keine nennenswerten Baulücken auf, die die Wohnungsmarktsituation entlasten könnten. In der Regel handelt es sich um Baulücken auf denen kein Geschosswohnungsbau zulässig ist. Der Neubau wird daher auch in den kommenden Jahren nicht dazu ausreichen, den steigenden Bedarf zu decken.
Die Verwaltung ist daher der Meinung, dass auch ohne hinreichenden Datensätze zu Leerständen von Wohnungen und Umnutzungen zu Ferienwohnungen oder aber Nutzung von Wohnraum zu Gewerbezwecken hinreichend belegt ist, dass Lüneburg ein Wohnraummangelgebiet ist. Jeglicher Leerstand oder Umnutzung zu Ferienwohnungen oder Gewerbeeinheiten verschärft den Wohnungsmangel noch zusätzlich.
Die Verwaltung schlägt daher vor, dass das durch den Gesetzgeber im NZwEWG eingeräumte Ermessen dahingehend ausgeübt wird, dass die Anwendung des Zweckentfremdungsverbots durch Satzung auf die in § 1 NZwEWG genannten Zweckentfremdungen angewendet wird. Danach gilt als Zweckentfremdung, wenn der Wohnraum 1. zu mehr als 50 Prozent der Wohnfläche für gewerbliche oder berufliche Zwecke verwendet oder überlassen wird, 2. baulich derart verändert oder in einer Weise genutzt wird, dass er für Wohnzwecke nicht mehr geeignet ist, 3. mehr als insgesamt zwölf Wochen im Kalenderjahr tage- oder wochenweise entgeltlich als Ferienwohnung vermietet oder sonst entgeltlich für eine Fremdenbeherbergung verwendet wird; in Gebieten, die überwiegend durch den Fremdenverkehr geprägt sind (§ 22 des Baugesetzbuchs), beträgt die Höchstdauer acht Wochen, 4. länger als sechs Monate ununterbrochen leer steht oder Sollte sich eine Entspannung der Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt in Lüneburg ergeben, wird die Verwaltung prüfen, ob eine ausdrückliche Aufhebung der Satzung vorzunehmen ist.
C. Satzungsinhalt zu § 1 Anwendungsbereich Die Einschränkung des Anwendungsbereichs auf frei finanzierten Wohnraum hängt mit dem Verhältnis zu § 10 Nds. Wohnraumfördergesetz zusammen, der eigene Regelungen zur Zweckentfremdung enthält.
zu § 2 Wohnraum Wohnraum im Sinn der Satzung ist der konkrete Wohnraum, der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zweckentfremdungsverbots für Wohnzwecke geeignet und bestimmt ist. Erforderlich ist, dass in die Räume die Führung eines "selbständigen Haushalts“ möglich ist. In § 2 Abs. 2 der Satzung ist eine "Negativaufzählung" für die Fälle enthalten, in welchen Fällen gar nicht erst von Wohnraum ausgegangen wird.
zu § 3 Zweckentfremdung Enthält eine abschließende Aufzählung der Zweckentfremdungstatbestände.
zu § 4 Genehmigung Die Zweckentfremdung ist grundsätzlich verboten und nur dann zulässig, wenn eine Geneh-migung vorliegt ("Verbot mit Genehmigungsvorbehalt“).
§ 4 Abs. 2 der Satzung enthält zwei unterschiedliche Genehmigungstatbestände: Die Nr. 1 regelt einen Anspruch auf die Genehmigung ("ist zu erteilen"), wenn vorrangige öffentliche Interessen oder schutzwürdige private Interessen das Interesse an der Erhaltung des Wohnraums überwiegen. Dies entspricht § 2 Abs. 1 NZwEWG.
Im Rahmen der "pflichtgemäßen Ermessensausübung" "kann" die Genehmigung hingegen nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 der Satzung erteilt werden, wenn dem Interesse an der Erhaltung des Wohnraums durch "Ausgleichsmaßnahmen" Rechnung getragen wird. Dies kann durch "Ersatzwohnraum" oder "Ausgleichszahlung" geschehen. Dies ist § 2 Abs. 2 NZwEWG nachgebildet.
Eine Genehmigung ist nicht erforderlich, wenn die Nutzung des Wohnraums der Unterbringung von Personen dient, die der Hansestadt Lüneburg zugewiesen worden sind. Diese Genehmigungsfreiheit entspricht der gesetzlichen Regelung in § 2 Abs. 5 NZwEWG.
zu § 5 Genehmigung aufgrund vorrangiger öffentlicher Belange und überwiegender privater Interessen
§ 5 enthält die Ausführungen zu § § 4 Abs. 2 Nr. 1 der Satzung
Vorrangige öffentliche Interessen für eine Zweckentfremdung sind insbesondere gegeben, wenn Wohnraum zur Versorgung der Bevölkerung mit sozialen Einrichtungen oder lebenswichtigen Diensten verwendet werden soll, die gerade an dieser Stelle dringend benötigt werden und für die andere Räume nicht zur Verfügung stehen oder nicht zeitgerecht geschaffen werden können. Dies ist grundsätzlich bei Betreuungseinrichtungen der Fall, die der Stabilisierung und Aufrechterhaltung sozial intakter Nachbarschaften dienen (z. B. Stadtteiltreffs, Kindergärten o. Ä.). Schutzwürdige private Interessen liegen vor allem dann vor, wenn ohne Nutzung der betreffenden Räume der Mieter oder Verfügungsberechtigte in seiner bestehenden wirtschaftlichen Existenz bedroht ist oder der Wohnraum nicht mehr erhaltungswürdig ist.
zu § 6 Genehmigung gegen Bereitstellung von Ersatzwohnraum § 6 Abs. 1 Satz 2 der Satzung ermöglicht es, die Umwandlung von Wohnungen in Ferienwohnungen in der historischen Altstadt auch dann zu untersagen, wenn Ersatzwohnraum angeboten wird. Die Regelung ist als Ermessensvorschrift ausgebildet, um der touristischen Bedeutung von Lüneburg Rechnung tragen zu können, aber trotzdem ein wirksames Werkzeug gegen Umwandlungen zu haben. Soweit es nicht aus besonderen Gründen im öffentlichen Interesse geboten ist, dass ganz bestimmter Wohnraum nicht zweckentfremdet wird, lässt ein beachtliches und verlässliches Angebot zur Bereitstellung von Ersatzwohnraum das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Wohnraums in der Regel entfallen, wenn die Wohnraumbilanz insgesamt ausgeglichen bleibt. Entscheidend ist, dass in der Hansestadt in der Summe durch den Ersatzwohnraum wieder gleich viel Wohnraum zur Verfügung steht. Deshalb liegt ein beachtliches Angebot zur Errichtung von Ersatzwohnraum nur dann vor, wenn alle sechs Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 der Satzung zusammen gegeben sind:
zu § 7 Genehmigung gegen Entrichtung von Ausgleichsbeträgen Im Einzelfall kann auch durch eine Ausgleichszahlung erreicht werden, dass das private Interesse an der Zweckentfremdung das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Wohnraums überwiegt. Ausgleichzahlungen sollen durch die Zweckentfremdung bedingte Mehraufwendungen der Allgemeinheit bei der Schaffung neuen Wohnraums teilweise kompensieren und sind zweckgebunden zu verwenden. Die Entscheidung steht im pflichtgemäßen Ermessen der Hansestadt. Bei vorübergehender Zweckentfremdung orientiert sich die Ausgleichszahlung an der Vergleichsmiete, bei dauerhafter Zweckentfremdung an den Kosten für die Herstellung entsprechenden Wohnraums.
zu § 8 Nebenbestimmungen Unter welchen Voraussetzungen Nebenbestimmungen zur Genehmigung zur Zweckentfrem-dung möglich und erforderlich sind, richtet sich nach § 8 der Satzung.
zu § 9 Negativattest Ist eine Zweckentfremdungsgenehmigung wegen Nichtvorliegens von Wohnraum, Nichtvor-liegens einer Zweckentfremdung oder wegen Genehmigungsfreiheit nicht erforderlich, kann ein Negativattest beantragt werden.
zu § 10 Auskunfts- und Betretungsrecht § 10 beinhaltet die zum Vollzug der Satzung erforderlichen Auskunfts- und Betretungsrechte. Diese sind schon in § 4 NZwEWG enthalten. Die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) wird hierdurch zulässiger Weise eingeschränkt.
zu § 11 Anordnungen § 11 regelt die Zulässigkeit einer Anordnung, die Zweckentfremdung (den Leerstand) wieder zu beenden, soweit diese nicht genehmigungsfähig ist. Wenn der Wohnraum unbewohnbar ist kann eine Instandsetzung angeordnet werden. Diese ist nur zulässig, wenn sie mit vertretbarem Aufwand möglich ist.
zu § 12 Werbeverbote § 12 ermächtigt zu Anordnungen, um gegen die Bewerbung von Fereinwohnungen oder Gewerbevermietungen vorzugehen.
Zu § 13 Verwaltungsgebühren Die Erhebung von Verwaltungsgebühren richtet sich nach der Verwaltungsgebüh-rensatzung. Bislang besteht noch kein spezieller Gebührentatbestand für die einzelnen Handlungen nach dieser Satzung (Zweckentfremdungsgenehmigung, Negativattest, Anordnungen u. a.). Es ist aber geplant, die Verwaltungsgebührensatzung zeitnah entsprechend zu überarbeiten. In der Übergangszeit können Gebühren auf Grundlage von § 2 i.V.m. Nr. 8 des Kostentarifs der Verwaltungsgebührensatzung erhoben werden. Danach ist für jede angefangene halbe Stunde eine Gebühr zwischen € 12,30 und € 30,70 zu erheben.
Zu § 14 Ordnungswidrigkeiten Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen können mit einer Geldbuße bis zu € 100.000 geahndet werden. Die Regelung entspricht § 6 NZwEWG. Diese Ordnungswidrigkeiten werden durch eine nachträgliche Genehmigung nicht geheilt.
Zu § 14 Inkrafttreten und Geltungsdauer Hier werden das Inkrafttreten sowie die Befristung der Geltungsdauer auf fünf Jahre geregelt. Die Befristung dient der Umsetzung der gesetzlichen Vorgabe in § 1 Abs. 1 S. 3 NZwEWG.
D. Finanzielle Auswirkungen Es ist davon auszugehen, dass ein Personalaufwand entstehen wird, welcher nicht durch Gebühren, die aufgrund der Zweckentfremdungsverbotssatzung i. V. m. der Verwaltungsgebührensatzung erhoben werden, gedeckt ist. Dieser kann sich im Bereich von 1-2 Stellen bewegen, was Erfahrungen aus anderen Kommunen zeigen.
Finanzielle Auswirkungen:
Kosten (in €) a) für die Erarbeitung der Vorlage: aa) Vorbereitende Kosten, z.B. Ausschreibungen, Ortstermine, etc. b) für die Umsetzung der Maßnahmen: c) an Folgekosten: bis 100.000 Euro d) Haushaltsrechtlich gesichert: Nein Die notwendigen Stellen wären zunächst im Stellenplan zu beantragen Teilhaushalt / Kostenstelle: Produkt / Kostenträger: Haushaltsjahr:
e) mögliche Einnahmen: Anlage/n: Anlage 1 Entwurf Zweckentfremdungssatzung
Beschlussvorschlag: Die Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum in der Hansestadt Lüneburg nach Anlage 1 wird beschlossen.
|
|||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||