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Vorlage - VO/0759/03  

 
 
Betreff: Kurse des 2. Bildungsweges bei der VHS Lüneburg
Status:öffentlichVorlage-Art:Mitteilungsvorlage
Verfasser:Herr Cassens
Federführend:Bereich 42 - VHS Bearbeiter/-in: Plett, Anke
Beratungsfolge:
Sozial- und Gesundheitsausschuss Anhörung
08.10.2003 
öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Sozial- und Gesundheitsausschusses ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Finanzielle Auswirkungen
Anlage/n

Sachverhalt:

Sachverhalt:

 

Im folgenden wird die aktuelle Situation im Bereich der „Vorbereitungskurse auf den Hauptschul-/Realschulabschluss“ geschildert.

 

Hintergrund:

Ca 12 % der Schüler verlassen in Deutschland die allgemeinbildenden Regelschulen ohne qualifizierten Schulabschluss, die Dunkelziffer wird weitaus höher geschätzt. Die geburtenstarken Jahrgänge in unmittelbarer Zukunft vervielfachen die Zahl der Schulabsentisten. Seit jeher ist es die Aufgabe der Volkshochschulen Menschen auf dem Zweiten Bildungsweg die  Chance zu ermöglichen einen qualifizierten Schulabschluss zu erreichen.

 

Zielgruppe der Haupt/Realschulabschlusskurse:

Jugendliche, junge Erwachsene und Erwachsene ohne Schulabschluss oder mit Hauptschulabschluss, die sich dem Wettbewerb um die beruflichen Ausbildungsplätze stellen und für die sich durch den Erwerb eines qualifizierten Haupt/Realschulabschlusses der Zugang zum Ausbildungs-/Arbeitsmarkt realisieren kann.

Erfahrungsgemäß lässt sich das stark inhomogene Teilnehmerinnen- und Teilnehmerprofil wie folgt beschreiben:

  • Migrantinnen und Migranten und insbesondere deutsche Aus-/Übersiedler/innen aus den ehemaligen GUS-Staaten, die aufgrund von Sprachdefiziten und kulturellem Hintergrund ihr intellektuelles Potential an Regelschulen nicht ausschöpfen konnten
  • Schulverweigerer, Schulabbrecher/innen, Schulversager/innen, Schulabsentist/innen die Probleme mit dem allgemeinbildenden Regelschulsystem hatten
  • Junge Mütter, die schwangerschaftsbedingt ihre Schullaufbahn unterbrechen mussten
  • Verhaltensauffällige Jugendliche mit ADS, ADHS, aber auch massiven Phobien, die im Schulsystem nicht individuell gefördert  werden konnten
  • Lernbeeinträchtigte Jugendliche, insbesondere Hauptschulabgänger ohne Schulabschluss, und Abgänger aus Schulen für Lernbehinderte/Förderschulen
  • Sozial benachteiligte Jugendliche, für die Hilfen zur Erziehung nach SGB VIII geleistet wurden oder werden
  • Jugendliche mit Teilleistungsstörungen wie Legasthenie oder Diskalkulie
  • Strafentlassene Jugendliche
  • Ehemals drogenabhängige, suchtkranke Jugendliche
  • Junge Menschen mit psychosozialen  Beeinträchtigungen und manifesten psychischen Störungen wie z.B. wiederkehrenden Psychose-Schüben, die im Regelschulsystem Leistungen gezeigt haben die weit unter ihrem Potential lagen
  • Ausbildungsabbrecher/innen, die aufgrund von Lerndefiziten dem Berufsschulunterricht nicht folgen konnten

 

Das sozialpädagogische gestützte Unterrichtskonzept der VHS Lüneburg ist darauf ausgerichtet die Teilnehmer/innen ganzheitlich, in ihrer aktuellen lebensweltlichen Komplexität zu erfassen. Dabei orientiert sich die pädagogische Arbeit an der subjektiv wahrgenommenen Realität der Heranwachsenden und deren Problemen der Lebensbewältigung im gesamtgesellschaftlichen Kontext, wie z.B.

  • Alkohol/Drogensuchtproblematik
  • chronische Geldsorgen
  • Konflikte in Herkunftsfamilie und  Partnerschaft
  • Alleinerziehung von Kindern
  • Wohnungslosigkeit
  • ungeplante Schwangerschaft
  • drohende oder anzutretende Haftstrafe und Bewährungsauflagen
  • Motivationsschwankungen
  • chronischen Krankheiten
  • hohe Gewaltbereitschaft
  • Perspektivlosigkeit
  • Sprüche mit rechtsradikalem Hintergrund.

 

Darüber hinaus bringen die Teilnehmer/innen häufig frühere Misserfolgserfahrungen aus ihrer Schulzeit mit, verknüpfen mit Lernprozessen auch Ängste und Selbstwertzweifel. Diese müssen aufgebrochen und bearbeitet werden, bevor eine inhaltliche Arbeit, bei der es um Vermittlung von kognitivem Wissen geht, erfolgversprechend sein kann. Die Aufgabe ist es, hier Lernmotivation zu schaffen und soziale Kompetenz aufzubauen für die aktive Teilnahme am sozialen, kulturellen und politischen gesellschaftlichen Leben.

 

Die Sozialpädagogin steht während der gesamten Unterrichtszeit und auch darüber hinaus zur Verfügung. Dabei fungiert sie als Vermittlerin zwischen kognitiven Lernprozessen und -fortschritten bzw. –einbrüchen  und biografisch milieuspezifischen Alltagsanforderungen der jeweiligen Teilnehmer/innen. Sozialpädagogik ist mit eigenen Unterrichtsstunden, als Workshop deklariert,  in die  Unterrichtskonzeption miteingebunden. Damit unterstützt sie den integrativen Gruppenarbeitsprozess und einen sozialen Rahmen, der ein Miteinanderumgehen und Miteinanderlernen erst möglich machen  kann. Sie organisiert in Absprache mit dem Team der Kursleiter/innen Nachhilfeunterricht, klärt dessen Finanzierung und fördert Lerngruppen. In der psychosozialen Beratung allzeit ansprechbar, fördert sie die Entwicklung der einzelnen Teilnehmer/innen, gewährt Hilfestellung bei der Bewältigung von akuten Notlagen und fördert Lerngruppen. Die Jugendlichen finden Unterstützung in ihren aktiven Bewerbungsprozessen um einen Ausbildungsplatz, Kontakte zur Berufsberatung und Ausbildungsplatzvermittlung werden hergestellt und Bewerbungspraktiken trainiert.  Die  Teilnehmer/innen werden im beruflichen Praktikum betreut und regelmäßig am Praktikumplatz besucht,  um eventuell auftretenden Unstimmigkeiten zwischen potentiellen Ausbilder/innen  und Teilnehmer/in vorzubeugen.

Die pädagogische Arbeit agiert hier stets vor dem Hintergrund,  an die  Eigenverantwortlichkeit der  Teilnehmer/innen zu appellieren und sie zu einem gelingenderen Alltag,  in ihrem aktuellen lebensweltlichen und milieuspezifischen Zusammenhang zu ermutigen.

 

 

Rückblick:

Die Teilnehmerzahlen der letzten Jahren zeigen eine steigende Tendenz. Waren es 1999 noch 69 Personen, die an einem Tageslehrgang Haupt- oder Realschule teilgenommen haben, waren es im Jahre 2000 schon 81, im Jahr 2001 83, in 2002 101 Personen, die erfolgreich an den Lehrgängen teilgenommen haben. Die Anfangsteilnehmerzahl war jeweils höher. 

 

Aus den Erfahrungen der letzten beiden Jahre zeigt sich, dass ca. 30 % der Teilnehmer/innen den Lehrgang vorzeitig abbrechen, da sie keine Möglichkeit sehen, die Kosten aufzubringen. Sie wechseln in niedrig qualifizierte Jobs und verlieren so die Chance eine adäquate Ausbildung aufzunehmen.

 

Teilnehmer/innen, die Anträge auf Kostenübernahme stellen, sehen sich nach der 2. Ablehnung gezwungen den Rechtsweg zu beschreiten. Vier Klagen vor dem Verwaltungsgericht waren erfolgreich. Derzeit werden zwischen Stadt und Landkreis Lüneburg Möglichkeiten der Kostenübernahme thematisiert.

 

Teilnehmer-Entgelte pro Monat:

2002

monatlich

monatlich ermäßigt

Gesamtgebühr

Gesamtgebühr

ermäßigt

HS-Tageskurs 11 Monate

205,00 €

128,00 €

2.255,00 €

1.408,00 €

Fern-Hauptschulkurs

11 Monate

128,00 €

64,00 €

1.408,00 €

704,00 €

RS-Tageskurs

19 Monate

205,00 €

128,00 €

3.895,00 €

2.432,00 €

RS-Abendkurs

16 Monate

128,00 €

90,00 €

2.048,00 €

1.440,00 €

 

 

Neue Kurse ab 15.09.03

Hauptschulbereich:

30 Anmeldungen, 20 Anträge sind an Sozialhilfeträger bzw. Jugendamt Lüneburg gestellt worden. Erstmalig wurde ein Antrag auf die Kostenübernahme der Hauptschul-Abschlussgebühren abgelehnt mit der Begründung, der Sozialhilfeträger sei kein Bildungsträger. Der Teilnehmer hat Widerspruch eingelegt.

 

Fernhauptschule:

15 Anmeldungen,  vorwiegend Selbstzahler/innen

 

Realschulbereich:

40 Anmeldungen, 10 Anträge auf Übernahme der Kosten durch Jugendhilfeträger bzw. Sozialhilfeträger, die ersten Ablehnungsbescheide befinden sich in Widerspruchsverfahren.

 

Bei denjenigen Teilnehmer/innen, die Anträge stellen handelt es sich um:

Klientel der Jugendhilfe nach §§ 27 ff SGB VIII

Hilfesuchende, die HzL beziehen, und zum Personenkreis der §§ 39/40 BSHG bzw. des § 72 I BSHG gehören.

 

Mit diesen 80 Neuanmeldungen kommen wir damit auf eine Teilnehmerzahl von 150 im Jahre 2003, eine deutliche Steigerung gegenüber den letzen Jahren. Da nicht alle Teilnehmer/innen aufgenommen werden können, werden Wartelisten geführt.

 

Bei den Teilnehmer/innen handelt es sich vorwiegend um Schulverweiger/innen aus Lüneburger Schulen.

 

Personelle und materielle Ausstattung:

Da das Land Niedersachsen in 2003 Lehrer für den allgemeinen Schuldienst eingestellt hat, müssen vielfach neue qualifizierte Kursleiter/innen akquiriert werden. Das gestaltet sich schwierig. Da es sich bei den Teilnehmer/innen um durchweg lernbiographisch belastetes Klientel handelt, setzt eine erfolgreiche Arbeit pädagogischen Takt und Erfahrung voraus. Der immer wieder unternommene Versuch Lehramtsstudent/innen der höheren Semester im Unterricht einzusetzen, hat sich als nicht erfolgreich erwiesen. Erfolgreicher ist die Suche bei den Pensionären.

Zum Glück ist es derzeit so, dass 2/3 der Kursleiter/innen schon mehr als zwei Jahre dabei sind, so dass von einer konstanten Teamzusammensetzung gesprochen werden kann.

 

Ein Kursplatz kostet in der VHS Lüneburg etwa 3000,-- € pro Jahr. Davon werden von den Teilnehmer/innen etwa 35 %, vom Land Niedersachsen  40 % und der Stadt Lüneburg 25 % getragen. Betrachtet man die Kosten in dem ersten Bildungsweg, die zwischen 5000,-- und 9000,-- € betragen, so sind die Kosten des Zweiten Bildungsweges vergleichsweise gering. Im Unterschiede zum zweiten Bildungsweg allerdings werden die Kosten der Grundausbildung zu 100% vom Land Niedersachsen getragen.

Durch die Ablehnungsbescheide der Sozialhilfeanträge gehen die Teilnehmer-Entgelte seit 2002 zurück. Die Teilnehmer/innen sind z.T. gezwungen, die ermäßigten Gebühren selbst aufzubringen, infolgedessen entstehen der VHS Einnahmeverluste. Perspektivisch sieht es so aus, dass in den nächsten Jahren die Teilnehmerzahl steigen wird. Ebenfalls ist abzusehen, dass immer weniger Teilnehmer/innen den vollen Betrag aufbringen können. Die VHS wird weiterhin Ermäßigungen gewähren, um die Chance auf diesen Weg für die Teilnehmer/innen aufrechtzuerhalten. 

 

Zukunftsperspektiven:

Ein wesentlicher Garant für eine erfolgreiche Arbeit mit den Jugendlichen ist die  gute  Kooperation und starke Vernetzung  mit allen in der  Jugendarbeit Beteiligten und den Trägern der kommunalen und freien Jugendpflege. Gemeinsam erarbeitete, individuelle Förderpläne orientieren sich an den Lebenslagen der Jugendlichen und befähigen sie zur Teilnahme am sozialen und produktiven Leben in Lüneburg.

 

Nach wie vor gilt ein qualifizierter Schulabschluss als wesentliches Modul in der Lebensbiografie. Ein rein curriculargebundenes Wissen garantiert jedoch keine erfolgversprechende Lebensbewältigung. Der sich in den letzten Jahren bewährte, ganzheitliche Ansatz der Schulabschlusskurse der VHS Lüneburg und die Kooperation mit den Trägern der kommunalen und freien Jugendpflege wird den Forderungen der aktuellen Diskussion um die Bildungsreform ansatzweise gerecht, und sollte in Zukunft weiter ausgebaut werden.

 

Finanzielle Auswirkungen:

Finanzielle Auswirkungen:

 

Kosten (in €)

a)   für die Erarbeitung der Vorlage:      50 €

aa)  Vorbereitende Kosten, z.B. Ausschreibungen, Ortstermine, etc.

b)   für die Umsetzung der Maßnahmen:

c)  an Folgekosten:  

d)      Haushaltsrechtlich gesichert:

            Ja

            Nein    

            Haushaltsstelle:        

            Haushaltsjahr:          

 

e)   mögliche Einnahmen:

 

 

 

Anlagen:

Anlagen: