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Sachverhalt:
Mit Antrag vom 07.04.2010 wurde von der Gruppe SPD-Fraktion/CDU-Fraktion gefordert, die Formulierung in den Beschaffungsrichtlinien zu verschärfen, die die Verwendung von Produkten aus Kinderarbeit untersagt. Der Antrag wurde am 16.11.2010 im Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz beraten. Die vorliegende Formulierung wurde einstimmig beschlossen.
Bei folgenden Produktgruppen ist erfahrungsgemäß die Rate groß, dass die Herstellung oder der Vertrieb unter Zuhilfenahme von Kindern erfolgt: · Landwirtschaftliche Produkte, die außerhalb der EU erzeugt werden (z.B. Kaffee, Kakao, Orangensaft, Pflanzen, Schnittblumen, Tomatensaft) · Bleistifte und Radiergummis (Gewinnung der Rohstoffe: Holz, Gesteinsmehl und Kautschuk) · Lederprodukte · Natursteine · Spielwaren · Sportartikel (Bekleidung und Geräte) · Teppiche · Textilien
Die bestehende Richtlinie der Hansestadt Lüneburg zur Beurteilung der Umweltverträglichkeit von Lieferungen und Leistungen (Beschaffungsrichtlinie) enthält jetzt in § 2 Abs. 3 folgende Formulierung: „Bei der Beschaffung sind ratifizierte internationale Sozialstandards mit dem Verbot ausbeuterischer Kinderarbeit zu beachten“.
Sozialstandards werden zum Beispiel von der ILO (International Labor Organisation bzw. Internationale Arbeitsorganisation) formuliert. Sie wurde 1919 gegründet, hat ihren Sitz in Genf und ist heute den Vereinten Nationen angegliedert. Sie hat 173 Mitgliedsstaaten und will vor allem die soziale Sicherheit, die Lebens- und die Arbeitsbedingungen der Bürger dieser Staaten verbessern.
Um der Kinderarbeit entgegenzuwirken, sind von der ILO zwei Übereinkommen gefertigt worden: Das „Übereinkommen C 138“ regelt das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung. Es wurde von 155 Staaten ratifiziert (Stand 09/2010). Es ist am 19.06.1976 in Kraft getreten. Zur Ergänzung folgte das „Übereinkommen C 182“ über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit. Es wurde von 172 Staaten ratifiziert (Stand 09/2010). Es ist am 19.11.2000 in Kraft getreten. Die Tabellen derjenigen Staaten, welche die jeweiligen Vereinbarungen unterzeichnet haben, werden laufend durch die ILO aktualisiert. Im Anhang zur Vorlage ist eine Liste beigefügt von denjenigen Staaten, die beide Übereinkommen unterzeichnet haben.
Bei der Beschaffung ist es nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand möglich, von jedem Produkt den ortsgenauen Herkunftsnachweis und detaillierten Werdegang zu erhalten, insbesondere, wenn es sich um ein aus mehreren Teilen zusammengesetztes Produkt handelt, dessen Teile aus verschiedenen Staaten stammen. Es wird daher vorgeschlagen, dass, wenn ein Produkt oder ein zusammengesetztes Produkt aus einem der im Anhang der Richtlinie genannten Staaten stammt, davon auszugehen ist, dass es ohne den Einsatz von Kinderarbeit hergestellt oder vertrieben wurde. Es wird dann angenommen, dass aufgrund des Beitritts des jeweiligen Staates zu den beiden Übereinkommen die Umsetzung in nationales Recht erfolgt ist. Sofern ein Produkt aus einem Nichtunterzeichnerstaat beschafft werden soll, ist vom Bieter ein Einzelnachweis zu führen bzw. eine Erklärung abzugeben. Sofern ein begründeter Verdacht besteht, dass in einem Unterzeichnerstaat für die Herstellung des zu beschaffenden Produktes Kinder beschäftigt werden, kann ebenfalls ein Nachweis bzw. eine Erklärung verlangt werden. Kann ein Bieter den geforderten Nachweis nicht erbringen, oder hat der Bieter vorsätzlich oder grob fahrlässig eine unzutreffende Erklärung abgegeben, ist er als unzuverlässig von der Vergabe auszuschließen (§ 97 Abs.4 Satz 1 GWB bzw. § 2 Abs.1 VOL/A bzw. § 2 Abs.1 VOB).
In der Beschaffungsrichtlinie eine Formulierung aufzunehmen, die nur die Beschaffung von Produkten mit bestimmten Labels vorschreibt (z.B. Transfair), ist rechtlich nicht zulässig. Dieses würde Hersteller und Lieferanten diskriminieren, die sich nicht einem Label anschließen wollen, aber trotzdem auf Kinderarbeit verzichten.
Nach Beschlussfassung durch den Rat wird die Hansestadt Lüneburg sich als Stadt auf der Internetseite www.aktiv-gegen-kinderarbeit.de aufnehmen lassen.
Finanzielle Auswirkungen:
Kosten (in €) a) für die Erarbeitung der Vorlage: 120,00 € aa) Vorbereitende Kosten, z.B. Ausschreibungen, Ortstermine, etc. b) für die Umsetzung der Maßnahmen: c) an Folgekosten: d) Haushaltsrechtlich gesichert: Ja X Nein Teilhaushalt / Kostenstelle: 31000 / 31020 Produkt / Kostenträger: 561001 Haushaltsjahr: 2010
e) mögliche Einnahmen: Beschlussvorschlag:
§ 2 Abs. 3 der Richtlinie der Hansestadt Lüneburg zur Beurteilung der Umweltverträglichkeit von Lieferungen und Leistungen erhält folgende Fassung:
Jegliche Form von ausbeuterischer Kinderarbeit sowie Arbeitsbedingungen, die denjenigen der Sklaverei ähneln oder der Gesundheit der Kinder schaden, sind in Übereinstimmung mit den Übereinkommen der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) Nr. C138 und C182 verboten. Daher sind besondere Regelungen bei der Beschaffung von Produkten aus den nachfolgenden Produktgruppen anzuwenden: · Landwirtschaftliche Produkte, die außerhalb der EU erzeugt werden (z.B. Kaffee, Kakao, Orangensaft, Pflanzen, Schnittblumen, Tomatensaft) · Bleistifte und Radiergummis (Gewinnung der Rohstoffe: Holz, Gesteinsmehl und Kautschuk) · Lederprodukte · Natursteine · Spielwaren · Sportartikel (Bekleidung und Geräte) · Teppiche · Textilien
Der Bieter eines Produktes aus einer oben genannten Produktgruppe hat zu erklären, dass das Produkt aus einem Staat stammt, der beide Übereinkommen der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) Nr. C138 und C182 unterzeichnet hat (Anlage). Sofern das Produkt aus einem Staat kommt, der nicht die oben genannten Übereinkommen unterzeichnet hat, ist vom Bieter ein unabhängiges Zertifikat vorzulegen, dass das Produkt ohne das Heranziehen von Kindern erzeugt worden ist. Sofern er wissentlich oder vorwerfbar falsche Angaben gemacht hat, kann der Bieter vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden bzw. kann die Hansestadt Lüneburg nach Vertragsabschluss ohne Einhaltung einer Frist aus wichtigem Grund kündigen.
Sofern ein begründeter Verdacht besteht, dass trotz Unterzeichnung eines Staates in seinem Hoheitsgebiet oder auf See Kinder zur Erzeugung eines Produktes herangezogen werden, kann vom Bieter eine gesonderte Erklärung verlangt werden.
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