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Vorlage - VO/3298/09  

 
 
Betreff: HaLT - "Hart am Limit"
1. Projektbeschreibung
2. Situation in der Hansestadt Lüneburg
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Verfasser:Otte, Marlis
Federführend:Bereich 55 - Zentrale Dienste der Jugendhilfe Bearbeiter/-in: Otte, Marlis
Beratungsfolge:
Jugendhilfeausschuss Entscheidung
17.06.2009 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Jugendhilfeausschusses zur Kenntnis genommen   

Sachverhalt
Finanzielle Auswirkungen
Beschlussvorschlag

Sachverhalt:

Sachverhalt:

 

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Sabine Bätzing konstatiert:

 

-    dass 22 % der Jugendlichen im Alter von 12 - 17 Jahren regelmäßig Alkohol tränken, d. h. mindestens einmal pro Woche;

-    die Kinder und Jugendlichen übernähmen die verbreitete, unkritische positive Einstellung der Gesellschaft zum Alkohol;

-    ein Nachdenken der Erwachsenen über zu hohen und riskanten Alkoholkonsum und ein realistischer Blick auf die Auswirkungen der Kinder und Jugendlichen fände nicht statt;

-    die Zahl von Kindern und Jugendlichen, die mit einer Alkoholvergiftung stationär behandelt werden musste, sei in Deutschland in den letzten Jahren um mehr als das Doppelte gestiegen;

-    2000 hätten 9.500 junge Menschen im Alter von 10 - 20 Jahren mit der Diagnose „akute Alkoholintoxikation“ stationär behandelt werden müssen;

-    2005 wären das bereits 19.400 junge Menschen gewesen, das ist ein Anstieg von 104 %;

-    davon waren 3.500 Patienten zwischen 10 und 15 Jahre alt.

 

Frau Bätzinger erklärt, dass es Aufgabe der Eltern, Beratungsstellen und anderer professioneller Helfer wäre, massiv und konsequent gegen den riskanten Alkoholkonsum der Kinder und Jugendlichen vorzugehen.

 

Sie gibt der Umsetzung des Modellprojektes „HaLT“ eine sehr gute Chance, dieser Aufgabe gerecht zu werden. „HaLT“ agiert, um nicht reagieren zu müssen. Es ist ein Beispiel für „best practice“ der Alkoholprävention, wie sie von der Weltgesundheitsorganisation und der EU empfohlen wird. Die Bundesbeauftragte wünscht, dass das Bundesmodell zum bewährten und erprobten Präventionsbaustein der Kommunen gegen den Alkoholkonsum von Minderjährigen wird. Frau Bätzing stellt auch den Bezug zu den Krankenkassen her, da es nur in deren Interesse sein kann in die Prävention zu investieren. Es liegt eine Rahmenvereinbarung zur Umsetzung des „HaLT“-Konzeptes in Niedersachsen zwischen der Niedersächsischen Landesstelle für Suchtfragen (NLS) für die beteiligte Fachstellen Sucht und Suchtprävention und verschiedener Krankenkassen und Ersatzkassen vor.

 

Zu 1. - Projektbeschreibung:

 

Das Bundesprogramm „HaLT – Hart am Limit“ verfolgt zwei Ziele:

1.  Exzessiven Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen früh und präventiv zu begegnen.

2.  Den verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol auf kommunaler Ebene zu fördern.

 

„HaLT“ besteht aus zwei Bausteinen:

-    Reaktiver Baustein, d. h. Kinder und Jugendliche mit riskantem Alkoholkonsum frühzeitig zur Reflektion ihres Verhaltens zu bewegen. Dazu behört u. a.:

·    Niedrigschwellige Gruppenangebote mit dem Ziel, das eigene Trinkverhalten zu reflektieren.

·    Ergebnispädagogische Angebote, z. B. Klettern, Tauchen, um die Selbstwahrnehmung zu fördern.

·    Kooperation mit Akteuren außerhalb des Suchthilfesystems herzustellen.

 

Radialdiagramm

 

-    Proaktiver Baustein, d. h. die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen sollen sensibilisiert werden durch z. B.

·    Lernen, mit Alkohol verantwortungsbewusst umzugehen.

·    Informationsstand und Checklisten, z.B. für Schulfeste, ausarbeiten.

·     Werbung für konsequentes Umsetzen des Jugendschutzgesetzes in Gaststätten, dem Einzelhandel und bei öffentlichen Veranstaltungen.

·    Kooperationspartner gewinnen, die eine Selbstverpflichtung eingehen, die über das Jugendschutzgesetz hinausgeht.

Radialdiagramm

 

Durch das Netzwerk, eben auch oder gerade außerhalb des Suchthilfesystems werden die riskant Alkohol konsumierenden Jugendlichen schneller und wirksamer erreicht. Hier dafür ein Beispiel: Wenn ein Jugendlicher nach einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus zu sich kommt, informiert der Arzt das „HaLT“-Projekt, wenn der Jugendliche und die Eltern einwilligen. Dadurch können die Mitarbeiter von „HaLT“ sofort mit dem Jugendlichen und den Eltern ins Gespräch kommen, und zwar solange der Eindruck der Alkoholvergiftung und der damit verbundenen Gefahren noch präsent ist.

 

Eine gute Vernetzung im Rahmen der reaktiven und proaktiven Bausteine vereinfacht ein frühzeitiges Entdecken von riskant konsumierenden Jugendlichen und niedrigschwellige Angebote erhöhen die Angebote, dass die Jugendlichen sich auf Unterstützung einlassen.

 

Hier einige Grundaussagen aus dem Ergebnis der Begleitforschung des Bundesmodellprojektes „HaLT“ (Laufzeit knapp 4 Jahre, Auswertung von 573 Erstkontakten nach einer Alkoholvergiftung aus 8 Standorten).

 

-    Riskanter Alkoholkonsum betrifft Jungen zu 59 % und Mädchen zu 41 %.

 

-    50 % waren unter 16 Jahre alt.

 

-    Angestrebter Schulabschluss:

·    31 % Realschulabschluss

·    27 % Hauptschulabschluss

·    18 % Gymnasialabschluss

 

-    Familiensituation:

·    53 % leben mit beiden Elternteilen zusammen.

·    80 % der Eltern sind deutsch.

·    16 % ein oder beide Elternteile sind ausländischer Herkunft

·    6 % sind Aussiedler.

 

In den Kliniken gemessener Blutalkoholwert

-    Ca. 60 % der Fälle zwischen 1,5 und 2 ‰

-    Rund 10 % über 2,5 ‰.

-    Nur geringfügige Unterscheidung bei den Geschlechtern.

 

Wo und wann trinken die Jugendlichen:

-    40 % gaben an, „draußen/unterwegs“.

-    25 % auf Partys, in Privatwohnungen, meistens bei Freunden.

-    15 % bei öffentlichen Verantstaltungen.

-    Mädchen trinken zu 39 % auch draußen/unterwegs, aber zu 27 % in Gaststätten und zu 16 % auf öffentlichen Veranstaltungen.

-    60 % der Alkoholvergiftungen passieren am Wochenende (Freitag/Samstag) und am häufigsten zwischen Juli und September.

 

Was trinken die Jugendlichen und von wem bekommen sie den Alkohol:

-    60 % tranken bei der Vergiftung Mixgetränke oder Mixgetränke mit Destillaten

-    26 % tranken nur Destillate.

-    40 % der Jungen tranken Destillate.

-    Nur 10 % der Alkoholvergiftungen waren ohne Konsum von Destialleten.

-    70 % bekamen den Alkohol von Freunden.

-    25 % der unter 16-Jährigen haben sich den Alkohol selbst gekauft.

 

„HaLT“ erreicht sowohl riskant Konsumierende, aber auch gefährdete Kinder und Jugendliche. Bei 2/3 der erreichten Kinder handelt es sich um ein riskantes Trinkverhalten. Diese Kinder bzw. Jugendlichen wollen ihre Grenzen kennen lernen und haben keine Erfahrung mit Alkohol. Hier ist eine zentrierte Kurzintervention zielführend. Bei 1/3 reicht eine derartige Intervention nicht aus, sondern hier ist weiterführende Hilfe oder eine Therapie erforderlich.

 

Die Evaluation des Bundesmodellprojektes hat ergeben.

-    „HaLT“ nutzt vorhandene Strukturen.

-    Erreicht die riskant konsumierenden Kinder und Jugendlichen frühzeitig.

-    Ist öffentlichkeitswirksam.

 

 

Zu 2. – Umsetzung des Bundesmodellprojektes „HaLT“ in der Hansestadt Lüneburg

 

Hier soll nur die Ausgangslage beschrieben werden. Die Inhalte und die mögliche Umsetzung des Konzeptes werden von Herrn Siller, Leiter des Diakonischen Werks, Jugend- und Drogenberatungsstelle (Drobs) vorgetragen.

 

Die hier dargelegten Zahlen stammen aus dem Klinikum der Hansestadt. Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren werden in der Kinderklinik und die über 16-Jährigen auf der Inneren Station des Klinikums aufgenommen und behandelt.

 

Von 1988 - 2007 wurden 104 männliche und 94 weibliche Patienten aufgenommen. Das Durchschnittsalter betrug 14,6 Jahre. Von April 2006 bis September 2007 wurden zusätzlich die Zahlen der Inneren Station ausgewertet. Dabei handelt es sich um 90 männliche und weibliche Patienten unter 19 Jahren. Der bundesweit zu beobachtende Trend der Zunahmen von Kindern und Jugendlicher mit akuter Alkoholintoxikation spiegelt sich auch in der Region Lüneburg wieder, d.h. die Aufnahmezahlen haben sich fast verdoppelt.

 

                            2000 – 11 Fälle

                            2006 – 19 Fälle.

 

Hier nun einige Aussagen:

-    Aufnahmen:

·    Im Januar – wobei hier wohl Silvester verantwortlich ist – waren 6 von 20 Aufnahmen zu verzeichnen, alles Mädchen.

·    Mai – Juli

·    Oktober – 84 % der Jungen.

 

-    Blutalkoholkonzentration

·    Bei den bis zu 16 Jahren: 1,52 ‰, der Höchstwert lag bei 2,8 ‰

·    Über 16 Jahre: 1,68 ‰, der Höchstwert 3,1 ‰

 

-    Trinkanlass und Trinkursache

·    Streit mit Freund oder Freundin

·    Feiern, Spaß, Mutprobe

·    Probleme allgemein

 

Bei 65 % wird der Alkohol im privaten Bereich konsumiert, 21 % in der Öffentlichkeit und 12 % in Betreuungssituationen. Nur 2 % trinken alleine.

 

Familientyp:

Auffällig ist der hohe Anteil an Heim- und Pflegekindern. Bei dieser Aussage darf nicht außer acht gelassen werden, dass die Dokumentation über diese Jugendlichen umfassender ist und zusätzlich ergab sich eine Überpräsentation dadurch, dass 4 von insgesamt 7 Patienten, die in der untersuchten Zeit zweimal auffällig wurden, Heim- oder Pflegekinder sind.

 

Bei den hier vorgelegten Zahlen handelt es sich nur um die Kinder und Jugendlichen, die aufgrund einer akuten Alkoholintoxikation im Klinikum behandelt werden mussten. Es sind weder die Kinder erfasst, die zwar erheblichen Alkohol konsumiert haben, aber nicht ins Krankenhaus mussten und auch nicht diejenigen, die riskant Alkohol konsumieren, aber nicht direkt auffallen oder zu Hause versorgt werden. Deutlich ist allerdings, dass der Anteil der Jugendlichen, die straffällig und im Rahmen der Jugendgerichtshilfe bekannt sind, häufig die Delikte unter Alkoholeinfluss begangen haben. Wenn man diese nicht bekannten Zahlen hinzuzieht, haben wir es mit einer relativ hohen Problemgruppe zu tun. Von daher macht es aus der Sicht der Jugendhilfe Sinn, sich gezielt und rechtzeitig dieser Kinder und Jugendlichen anzunehmen; auch über eher repressive Ansätze, gegen Verkäufer von Alkohol an Minderjährige vorzugehen ("Testkäufe") hinaus.

 

Das bestechende am HaLT-Konzept ist, dass die Möglichkeit besteht, sowohl die Minderjährigen, die aufgrund einer Alkoholintoxikation im Krankenhaus behandelt werden, sofort zu erreichen und diejenigen, die riskant Alkohol konsumieren, als auch die, die gefährdet sind. Gerade bei den „Gefährdeten“ besteht akuter Handlungsbedarf, damit sie nicht in die Gruppe der riskant konsumierenden Jugendlichen rutschen.

Finanzielle Auswirkungen:

Finanzielle Auswirkungen:

 

Kosten (in €)

a)   für die Erarbeitung der Vorlage:                                                         50,--

aa)  Vorbereitende Kosten, z.B. Ausschreibungen, Ortstermine, etc.

b)   für die Umsetzung der Maßnahmen:

c)  an Folgekosten:                                

d)   Haushaltsrechtlich gesichert:

            Ja

            Nein      

            Teilhaushalt / Kostenstelle:                                                     

            Produkt / Kostenträger:

            Haushaltsjahr:    

 

e)   mögliche Einnahmen:

 

Beschlussvorschlag:

Beschlussvorschlag:

 

Der Jugendhilfeausschuss nimmt die Darstellung zustimmend zur Kenntnis und beauftragt die Verwaltung mit der Jugend- und Drogenberatungsstelle das Konzept „HaLT“ für die Hansestadt Lüneburg zu erarbeiten und dann dem Jugendhilfeausschuss erneut vorzulegen.