Bürgerinformationssystem
Sachverhalt: Die
Drogenbeauftragte der Bundesregierung Sabine Bätzing konstatiert: - dass 22 % der Jugendlichen im Alter von 12 -
17 Jahren regelmäßig Alkohol tränken, d. h. mindestens einmal pro Woche; - die Kinder und Jugendlichen übernähmen die verbreitete,
unkritische positive Einstellung der Gesellschaft zum Alkohol; - ein Nachdenken der Erwachsenen über zu hohen und riskanten
Alkoholkonsum und ein realistischer Blick auf die Auswirkungen der Kinder und
Jugendlichen fände nicht statt; - die Zahl von Kindern und Jugendlichen, die mit einer
Alkoholvergiftung stationär behandelt werden musste, sei in Deutschland in den
letzten Jahren um mehr als das Doppelte gestiegen; - 2000 hätten 9.500 junge Menschen im Alter von 10 - 20 Jahren mit
der Diagnose „akute Alkoholintoxikation“ stationär behandelt werden
müssen; - 2005 wären das bereits 19.400 junge Menschen gewesen, das ist ein
Anstieg von 104 %; - davon waren 3.500 Patienten zwischen 10 und 15 Jahre alt. Frau Bätzinger erklärt, dass es Aufgabe der Eltern,
Beratungsstellen und anderer professioneller Helfer wäre, massiv und konsequent
gegen den riskanten Alkoholkonsum der Kinder und Jugendlichen vorzugehen. Sie gibt der Umsetzung des Modellprojektes
„HaLT“ eine sehr gute Chance, dieser Aufgabe gerecht zu werden.
„HaLT“ agiert, um nicht reagieren zu müssen. Es ist ein Beispiel
für „best practice“ der Alkoholprävention, wie sie von der
Weltgesundheitsorganisation und der EU empfohlen wird. Die Bundesbeauftragte
wünscht, dass das Bundesmodell zum bewährten und erprobten Präventionsbaustein
der Kommunen gegen den Alkoholkonsum von Minderjährigen wird. Frau Bätzing
stellt auch den Bezug zu den Krankenkassen her, da es nur in deren Interesse
sein kann in die Prävention zu investieren. Es liegt eine Rahmenvereinbarung
zur Umsetzung des „HaLT“-Konzeptes in Niedersachsen zwischen der
Niedersächsischen Landesstelle für Suchtfragen (NLS) für die beteiligte
Fachstellen Sucht und Suchtprävention und verschiedener Krankenkassen und
Ersatzkassen vor. Zu 1. - Projektbeschreibung: Das Bundesprogramm
„HaLT – Hart am Limit“ verfolgt zwei Ziele: 1. Exzessiven
Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen früh und präventiv zu begegnen. 2. Den
verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol auf kommunaler Ebene zu fördern. „HaLT“
besteht aus zwei Bausteinen: - Reaktiver Baustein, d. h. Kinder und
Jugendliche mit riskantem Alkoholkonsum frühzeitig zur Reflektion ihres
Verhaltens zu bewegen. Dazu behört u. a.: · Niedrigschwellige Gruppenangebote
mit dem Ziel, das eigene Trinkverhalten zu reflektieren. · Ergebnispädagogische Angebote, z. B.
Klettern, Tauchen, um die Selbstwahrnehmung zu fördern. · Kooperation mit Akteuren außerhalb
des Suchthilfesystems herzustellen. - Proaktiver Baustein, d. h. die Kinder,
Jugendlichen und Erwachsenen sollen sensibilisiert werden durch z. B. · Lernen, mit Alkohol
verantwortungsbewusst umzugehen. · Informationsstand und Checklisten,
z.B. für Schulfeste, ausarbeiten. · Werbung für konsequentes Umsetzen
des Jugendschutzgesetzes in Gaststätten, dem Einzelhandel und bei öffentlichen
Veranstaltungen. · Kooperationspartner gewinnen, die
eine Selbstverpflichtung eingehen, die über das Jugendschutzgesetz hinausgeht. Durch das Netzwerk, eben auch oder
gerade außerhalb des Suchthilfesystems werden die riskant Alkohol konsumierenden
Jugendlichen schneller und wirksamer erreicht. Hier dafür ein Beispiel: Wenn
ein Jugendlicher nach einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus zu sich kommt, informiert
der Arzt das „HaLT“-Projekt, wenn der Jugendliche und die Eltern
einwilligen. Dadurch können die Mitarbeiter von „HaLT“ sofort mit
dem Jugendlichen und den Eltern ins Gespräch kommen, und zwar solange der
Eindruck der Alkoholvergiftung und der damit verbundenen Gefahren noch präsent
ist. Eine gute Vernetzung im Rahmen der
reaktiven und proaktiven Bausteine vereinfacht ein frühzeitiges Entdecken von
riskant konsumierenden Jugendlichen und niedrigschwellige Angebote erhöhen die
Angebote, dass die Jugendlichen sich auf Unterstützung einlassen. Hier einige Grundaussagen aus dem
Ergebnis der Begleitforschung des Bundesmodellprojektes „HaLT“
(Laufzeit knapp 4 Jahre, Auswertung von 573 Erstkontakten nach einer
Alkoholvergiftung aus 8 Standorten). - Riskanter
Alkoholkonsum betrifft Jungen zu 59 % und Mädchen zu 41 %. - 50
% waren unter 16 Jahre alt. - Angestrebter
Schulabschluss: · 31 % Realschulabschluss · 27 % Hauptschulabschluss · 18 % Gymnasialabschluss - Familiensituation: · 53 % leben mit beiden Elternteilen
zusammen. · 80 % der Eltern sind deutsch. · 16 % ein oder beide Elternteile sind
ausländischer Herkunft · 6 % sind Aussiedler. In den Kliniken gemessener
Blutalkoholwert - Ca.
60 % der Fälle zwischen 1,5 und 2 ‰ - Rund
10 % über 2,5 ‰. - Nur
geringfügige Unterscheidung bei den Geschlechtern. Wo und wann trinken die
Jugendlichen: - 40 % gaben an,
„draußen/unterwegs“. - 25 % auf Partys, in Privatwohnungen,
meistens bei Freunden. - 15 % bei öffentlichen Verantstaltungen. - Mädchen trinken zu 39 % auch
draußen/unterwegs, aber zu 27 % in Gaststätten und zu 16 % auf öffentlichen
Veranstaltungen. - 60 % der Alkoholvergiftungen passieren am
Wochenende (Freitag/Samstag) und am häufigsten zwischen Juli und September. Was trinken die Jugendlichen und von
wem bekommen sie den Alkohol: - 60 % tranken bei der Vergiftung Mixgetränke
oder Mixgetränke mit Destillaten - 26 % tranken nur Destillate. - 40 % der Jungen tranken Destillate. - Nur 10 % der Alkoholvergiftungen waren ohne
Konsum von Destialleten. - 70 % bekamen den Alkohol von Freunden. - 25 % der unter 16-Jährigen haben sich den
Alkohol selbst gekauft. „HaLT“ erreicht sowohl
riskant Konsumierende, aber auch gefährdete Kinder und Jugendliche. Bei 2/3 der
erreichten Kinder handelt es sich um ein riskantes Trinkverhalten. Diese Kinder
bzw. Jugendlichen wollen ihre Grenzen kennen lernen und haben keine Erfahrung
mit Alkohol. Hier ist eine zentrierte Kurzintervention zielführend. Bei 1/3
reicht eine derartige Intervention nicht aus, sondern hier ist weiterführende
Hilfe oder eine Therapie erforderlich. Die Evaluation des
Bundesmodellprojektes hat ergeben. - „HaLT“
nutzt vorhandene Strukturen. - Erreicht
die riskant konsumierenden Kinder und Jugendlichen frühzeitig. - Ist
öffentlichkeitswirksam. Zu 2. – Umsetzung des
Bundesmodellprojektes „HaLT“ in der Hansestadt Lüneburg Hier soll nur die Ausgangslage
beschrieben werden. Die Inhalte und die mögliche Umsetzung des Konzeptes werden
von Herrn Siller, Leiter des Diakonischen Werks, Jugend- und Drogenberatungsstelle
(Drobs) vorgetragen. Die hier dargelegten Zahlen stammen
aus dem Klinikum der Hansestadt. Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren werden
in der Kinderklinik und die über 16-Jährigen auf der Inneren Station des
Klinikums aufgenommen und behandelt. Von 1988 - 2007 wurden 104 männliche
und 94 weibliche Patienten aufgenommen. Das Durchschnittsalter betrug 14,6
Jahre. Von April 2006 bis September 2007 wurden zusätzlich die Zahlen der
Inneren Station ausgewertet. Dabei handelt es sich um 90 männliche und
weibliche Patienten unter 19 Jahren. Der bundesweit zu beobachtende Trend der
Zunahmen von Kindern und Jugendlicher mit akuter Alkoholintoxikation spiegelt
sich auch in der Region Lüneburg wieder, d.h. die Aufnahmezahlen haben sich
fast verdoppelt. 2000
– 11 Fälle 2006
– 19 Fälle. Hier nun einige Aussagen: - Aufnahmen: · Im Januar – wobei hier wohl
Silvester verantwortlich ist – waren 6 von 20 Aufnahmen zu verzeichnen,
alles Mädchen. · Mai – Juli · Oktober – 84 % der Jungen. - Blutalkoholkonzentration · Bei den bis zu 16 Jahren: 1,52
‰, der Höchstwert lag bei 2,8 ‰ · Über 16 Jahre: 1,68 ‰, der
Höchstwert 3,1 ‰ - Trinkanlass und Trinkursache · Streit mit Freund oder Freundin · Feiern, Spaß, Mutprobe · Probleme allgemein Bei 65 % wird der Alkohol im
privaten Bereich konsumiert, 21 % in der Öffentlichkeit und 12 % in
Betreuungssituationen. Nur 2 % trinken alleine. Familientyp: Auffällig ist der hohe Anteil an
Heim- und Pflegekindern. Bei dieser Aussage darf nicht außer acht gelassen
werden, dass die Dokumentation über diese Jugendlichen umfassender ist und
zusätzlich ergab sich eine Überpräsentation dadurch, dass 4 von insgesamt 7
Patienten, die in der untersuchten Zeit zweimal auffällig wurden, Heim- oder
Pflegekinder sind. Bei den hier vorgelegten Zahlen
handelt es sich nur um die Kinder und Jugendlichen, die aufgrund einer akuten Alkoholintoxikation
im Klinikum behandelt werden mussten. Es sind weder die Kinder erfasst, die
zwar erheblichen Alkohol konsumiert haben, aber nicht ins Krankenhaus mussten
und auch nicht diejenigen, die riskant Alkohol konsumieren, aber nicht direkt
auffallen oder zu Hause versorgt werden. Deutlich ist allerdings, dass der
Anteil der Jugendlichen, die straffällig und im Rahmen der Jugendgerichtshilfe
bekannt sind, häufig die Delikte unter Alkoholeinfluss begangen haben. Wenn man
diese nicht bekannten Zahlen hinzuzieht, haben wir es mit einer relativ hohen
Problemgruppe zu tun. Von daher macht es aus der Sicht der Jugendhilfe Sinn,
sich gezielt und rechtzeitig dieser Kinder und Jugendlichen anzunehmen; auch
über eher repressive Ansätze, gegen Verkäufer von Alkohol an Minderjährige
vorzugehen ("Testkäufe") hinaus. Das bestechende am HaLT-Konzept ist,
dass die Möglichkeit besteht, sowohl die Minderjährigen, die aufgrund einer
Alkoholintoxikation im Krankenhaus behandelt werden, sofort zu erreichen und
diejenigen, die riskant Alkohol konsumieren, als auch die, die gefährdet sind.
Gerade bei den „Gefährdeten“ besteht akuter Handlungsbedarf, damit
sie nicht in die Gruppe der riskant konsumierenden Jugendlichen rutschen. Finanzielle
Auswirkungen: Kosten (in €) a) für die Erarbeitung der Vorlage: 50,-- aa) Vorbereitende Kosten, z.B.
Ausschreibungen, Ortstermine, etc. b) für die Umsetzung der Maßnahmen: c) an Folgekosten: d) Haushaltsrechtlich gesichert: Ja Nein Teilhaushalt / Kostenstelle: Produkt / Kostenträger: Haushaltsjahr: e) mögliche Einnahmen: Beschlussvorschlag: Der
Jugendhilfeausschuss nimmt die Darstellung zustimmend zur Kenntnis und
beauftragt die Verwaltung mit der Jugend- und Drogenberatungsstelle das Konzept
„HaLT“ für die Hansestadt Lüneburg zu erarbeiten und dann dem
Jugendhilfeausschuss erneut vorzulegen. |
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