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Vorlage - VO/1084/04  

 
 
Betreff: Weitere Überlegungen zur Umwandlung der städtischen Volkshochschule in eine andere Rechtsform/gGmbH
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Verfasser:Cassens, Gerhard
Federführend:Bereich 42 - VHS Bearbeiter/-in: Schrader, Gabriele
Beratungsfolge:
Volkshochschulbeirat Entscheidung
05.07.2004 
Öffentliche Sitzung des Volkshochschulbeirates ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag

Sachverhalt:

Sachverhalt:

 

In der Sitzung des Volkshochschulbeirates vom 15.03.2004 war das von Herrn Prof. Dr. E. Kahle vorgelegte Gutachten zu möglicher Änderung der Rechtsform und zu Wirtschaftlichkeitsfragen der VHS beraten worden. Anknüpfend an die Stellungnahme der Volkshochschule zu diesem Gutachten (Vorlage-Nr. VO/0924/04) und das Beratungsergebnis der Sitzung legt die Verwaltung folgende weitere Überlegungen dar:

 

In seinem Gutachten zum "Untersuchungsauftrag zur Reorganisation der Volkshochschule Lüneburg einschließlich einer Wirtschaftlichkeitsanalyse" kommt Herr Prof. Dr. E. Kahle zu der Annahme, dass es in Lüneburg ein Überangebot von Bildungsveranstaltungen gebe. Er plädiert dafür, sich strategisch folgende Themen zu eigen zu machen:

  • das Fortbildungszentrum für öffentliche Einrichtungen,
  • die Corporate University sowie
  • die Evidenzzentrale.

 

Um sich weiterhin auf diesem Bildungsmarkt zu positionieren, rät er dringend Kooperationen und Zusammenschlüsse einzugehen (etwa mit der Universität und Fachhochschule, für ergänzende Angebote an Studierende, z.B. im Sprachenbereich oder in der Pädagogik) aber auch mit anderen öffentlichen und privaten Bildungsanbietern in sich überschneidenden Themenfeldern, wie z.B. der Kreisvolkshochschule, auch um eventuelle Synergieeffekte im administrativen Bereich zu erzielen.

 

Im Gutachten (S. 19) findet sich die Aussage "Die vorgesehenen Kooperationen und inhaltlichen Maßnahmen können sinnvoll nur wirksam werden, wenn die VHS Lüneburg eine selbständige Einrichtung außerhalb der städtischen Verwaltung wird". Prof. Dr. Kahle begründet dies damit, den Mitarbeitenden einen Anreiz dafür zu geben, Chancen und Risiken wirtschaftlich optimieren zu wollen. Ebenso wird die Möglichkeit genannt für auftragsschwächere Perioden oder künftige Investitionen Rücklagen zu bilden sowie die Preisgestaltung und die räumlich-sachliche Ausstattung selbständig und flexibel an Markterfordernisse anpassen zu können.

Bei einem Vergleich von drei möglichen Rechtsformen (Verein, GmbH, kommunale Anstalt) plädiert er für die dritte Variante. Diesem Vorschlag hat sich die Verwaltung nicht angeschlossen.

 

Für die weitere Diskussion im VHS-Beirat soll zunächst von der Annahme einer GmbH-Grün­dung ausgegangen werden, um daran dann die Vor- und Nachteile zu diskutieren. Wie in der letzten Sitzung gewünscht, soll vor weiterer Diskussion eine Erörterung mit zwei Fachreferenten stattfinden, die von ihren Erfahrungen mit der GmbH-Gründung einer Volkshochschule berichten werden. Eingeladen sind die Leiter der Volkshochschulen aus Norden und Walsrode. Sie werden jeweils ein Kurzreferat von ca. 15 min. zu den für ihre Einrichtung bedeutsam gewesenen Aspekten halten. Die anschließende Diskussion kann sich an folgenden Fragestellungen orientieren:

  1. Der Bildungsauftrag der VHS und die Inhalte eines Gesellschaftervertrages
  2. Einflussmöglichkeiten der Stadt Lüneburg und ihrer Gremien auf die Geschäftspolitik
  3. Personalfragen
  4. Die finanzielle Ausstattung (Eröffnungsbilanz und Wirtschaftsplan)
  5. Bewertung, Vor- und Nachteile einer gGmbH
  6. Zeit- und Entscheidungsplan

 

 

Hierzu einige erste Gedanken:

 

zu 1)    Der Bildungsauftrag der VHS und die Inhalte eines Gesellschafter­vertrages

·         Hier müsste der Bezug zum Leitbild der VHS hergestellt und festgehalten werden, dass es sich um die Aufgabe handelt, Erwachsenen und Heranwachsenden Kenntnisse und Fähigkeiten für die Teilnahme am kulturellen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Leben zu ermöglichen. Im - in breitem Einvernehmen beschlossenen - Leitbild der VHS heißt es hierzu: "Als elementarer und unverzichtbarer Bestandteil des öffentlichen kommunalen Lebens tragen wir zur Lebensqualität und zur Zukunftssicherung des Wirtschafts-, Bildungs- und Kulturstandortes Lüneburg bei. In Kooperation und im Wettbewerb mit anderen Einrichtungen sind wir ein notwendiges Korrektiv, um ein bedarfsgerechtes Grundangebot an Erwachsenenbildung für alle Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen."

·         Gesellschafter: Neben der Stadt als mutmaßlich zunächst einzigem (Gründungs-) Gesellschafter könnte auch anderen Institutionen, die ein Interesse an öffentlich verantworteter Bildung haben, ein Gesellschaftsanteil in zu diskutierenden Größe angeboten werden (z.B. anderen Bildungseinrichtungen, Universität und Fachhochschule, Kammern, Wirtschafts GmbH, Marketinggesellschaft, Sparkasse, ebenso natürlich auch dem Landkreis oder Nachbargemeinden).

 

 

zu 2)            Einflussmöglichkeiten der Stadt Lüneburg und ihrer Gremien auf die Geschäftspolitik

 

·         Der bisherige Beirat (oder ein neues, ergänztes Gremium) sollte als Aufsichtsrat verankert werden und auch als beratendes Gremium fungieren (inkl. der Diskussion dessen, was als  Grundangebot an Weiterbildung vorgehalten werden soll sowie weiterer Inhalte, der Beschlussfassung über Wirtschaftspläne etc.)

·         Rahmenvereinbarung mit der Stadt, die VHS vorrangig für bestimmte Dienst­leistungen in Anspruch zu nehmen oder zu empfehlen [z.B. Alphabetisierung, Schulabschlüsse, etc., Fortbildung generell - auch für städtische Töchter -, Maßnahmen für Empfänger von Transferleistungen (Agentur für Arbeit, Sozialgeld usw.)]

·         Rahmenvereinbarung mit der Stadt, bei der Beauftragung durch Dritte unterstützend tätig zu sein und ihren Einfluss zugunsten der VHS geltend zu machen (Land Nds., EU-Mittel, Stiftungen, Agentur für Arbeit, Kammern, ….)

·         Ermächtigung, auch über die räumlichen Grenzen des Stadtgebiets hinaus in einem noch festzulegenden Gebiet tätig werden zu können

·         Vorgaben an die gGmbH, Tochterunternehmen zu gründen und/oder sich an anderen Unternehmen zu beteiligen.

 

 

zu 3)            Personalfragen

 

·         Wie bei allen GmbH-Gründungen der letzten Jahre, sollte für die bisherigen Mitarbei­ter der bisher erworbene arbeitsrechtliche Status und "Besitzstand" in einer neuen Gesellschaft aufrecht erhalten bleiben, wobei Personalgestellung oder Personalüberleitung denkbare Wege wären.

·         In einem eventuellen Personalgestellungsvertrag wäre die Erstattung der Kosten für das Personal (inkl. Verwaltungsaufwand) zu regeln. Denkbar ist auch, weiterhin die Personalverwaltung komplett bei der Stadt zu lassen, auch dann, wenn für evtl. künftig neu einzustellende Personen vielleicht andere Arbeitsverträge gelten. Zu klären ist, ob die VHS einen eigenen Betriebsrat braucht.

·         Neueinstellungen würden grundsätzlich nur noch in der VHS gGmbH vorgenommen. Für diese Einrichtung könnte ein Haustarifvertrag gelten.

 

 

zu 4)    Die finanzielle Ausstattung (Eröffnungsbilanz und Wirtschaftsplan)

 

·         Kapitalausstattung: Neben einer Bareinlage (Gesetz: 25.000,-- € Minimum) ist zu prüfen, in welchem Umfang die Stadt Sachwerte zur Verfügung stellt.

·         Haftung: Die Beschränkung der Haftung auf die Einlagen der Gesellschafter ist Gesetz. Geregelt werden muss aber, ob und wann die Gesellschafter in welcher Höhe einer Nachschusspflicht unterliegen sollen (z.B. wenn die Insolvenz droht).

·         Festlegung des Umfangs der Bezuschussung durch die Stadt zur Überbrückung defizitärer Wirtschaftsjahre.

·         Die neue VHS braucht bereits mit Betriebsaufnahme liquide Mittel für mindestens vier Monate. Ratsam wäre die Bereitstellung eines zinslosen Betriebsmittelkredits, der ab dem Folgejahr getilgt werden kann.

·         Landeszuschüsse nach dem EBG sollten schon ab dem Zeitpunkt der Gründung der gGmbH i. Gr. zur Verfügung stehen.

 

 

zu 5)            Bewertung, Vor- und Nachteile einer gGmbH

 

 

Für die Stadt

Für die VHS

Vorteile

(im Einzelnen abhängig von der Gestaltung des Vertrages)

·       Vereinfachte Steuerung

·       Langfristig kalkulierbarer finan­zieller Aufwand

·       Mittelfristig Einsparung von Personalaufwand

·       Sofortige Einsparung von Verwaltungsaufwand

·       Klares Verhältnis von Aufwand und Gegenleistung

·       Begrenzte Haftung

·       Vergrößerter Handlungsspielraum (z.B. Bildung von Rücklagen)

·       Möglichkeit privatrechtlicher Verträge

·       Mittelfristige Senkung der Perso­nalkosten

Nachteile

·       Evtl. eingeschränkte Möglichkeit kurzfristiger Steuerung

·       Kapitalbindung im Stammkapital

·       Handelsrecht lässt Insolvenz zu

·       Kosten für Steuerberater, Wirt­schaftsprüfer müssen aufge­bracht werden

 

 

zu 6)    Zeit- und Entscheidungsplan

 

Soll eine GmbH als Wirtschaftsjahr das Kalenderjahr haben (was im Hinblick auf die Organisation des VHS-Angebots in Semestern noch zu diskutieren wäre), so sollte sie spätestens im November eines Jahres im Handelsregister eingetragen sein. Das dauert i.d.R. einige Wochen, so dass der Gründungsakt (Festlegung des Vertrages durch die Gesellschafter) etwa im August des gleichen Jahres erfolgen sollte. Ab dann ist die gGmbH i. Gr. ("in Gründung") schon handlungsfähig, lediglich die beschränkte Haftung besteht noch nicht. Die Vorarbeiten (Bewertungen, Kostenrechnung, Haustarifvertrag, evtl. weitere Gesellschafter werben wird sicherlich ein Jahr umfassen, so dass mit einer Eintragung zum 01.01.2006 ein realistischer Zeitrahmen gesetzt wäre.

 

Informatorisch wird noch darauf hingewiesen, dass offensichtlich gegenwärtig mehr und mehr bisher unmittelbar als kommunale Anstalt geführte Volkshochschulen den Weg in "freiere", meist privat-rechtliche Rechtsformen suchen. Den Informationen des Landesverbandes der Nieders. Volkshochschulen war zuletzt zu entnehmen, dass seit Beginn des Monats April 2004 nun auch die bislang als kommunale Einrichtung arbeitende Volkshochschule der Stadt Papenburg ihren Betrieb in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH weiterführt. Die Stadt ist bislang alleinige Gesellschafterin. Der "Druck" auf die kommunalen Volkshochschulen (jedenfalls solche, die in nennenswertem Umfang sozialpolitisch motivierte Bildungsangebote machen und hierzu auch Maßnahmen im Auftrag der Agentur für Arbeit durchführen) ist auch deshalb erheblich stärker geworden, weil die Bundesagentur für Arbeit in mehreren Etappen ihre Vergabepraxis nachhaltig geändert hat. Bildungsmaßnahmen werden nicht mehr örtlich "vereinbart", sondern von regionalen "Einkaufsstellen" zentral ausgeschrieben. Die sog. "Auftragslehrgänge" werden dabei fast ausschließlich im Wege öffentlicher Ausschreibungen vergeben, wobei nach der Spruchpraxis einiger Vergabekammern "öffentliche Träger" (d.h. solche in öffentlich-rechtlicher Organisationsform, egal in welcher Höhe sie kommunal oder staatlich subventioniert werden) von der Teilnahme an solchen Wettbewerben regelmäßig ausgeschlossen sind. Da diese Einrichtungen "nicht konkursfähig" seien, könnten sie mit anderen Risiken als private gewerbliche Anbieter kalkulieren, was die Wettbewerbsgleichheit beeinträchtige. Dies führt zwar merkwürdigerweise in der Regel zu einer Verteuerung der "einzukaufenden" Bildungslehrgänge, doch wird dies offenbar aus Gründen der vermeintlichen Stärkung des Wettbewerbes in Kauf genommen. In einem konkret anstehenden Fall bereitet dies der VHS Lüneburg schon Schwierigkeiten. In einem Kooperationsvorhaben sollte eine "Bietergemeinschaft" für eine anstehende Bildungsmaßnahme zwischen der VHS der Stadt Lüneburg und der Awocado gGmbH eingegangen werden, die nach dem eben Gesagten vermutlich nicht verwirklicht werden kann. Dies wäre mit erheblichen Einbußen bei der städt. Volkshochschule verbunden, die noch dazu in die Konzeptentwicklung dieser Maßnahme Zeit und Arbeitskraft investiert hatte.

Beschlussvorschlag:

Beschlussvorschlag:

 

Die Verwaltung wird beauftragt, wie nach §§ 108 ff. NGO erforderlich, mit weiteren Analysen und Berechnungsbeispielen sowie einem Vertragsentwurf die gGmbH-Gründung konkret vorzubereiten. Dazu sind neben den obigen Aspekten weitere betriebswirtschaftliche Grundannahmen, steuerliche Aspekte und Rechtsfragen abzuklären. Über das Ergebnis dieser weiteren Untersuchungen sollte dem VHS-Beirat zum Herbst 2004 berichtet werden.