Bürgerinformationssystem
Sachverhalt: In Folge des Ukraine-Krieges werden in den nächsten Wochen und Monaten weitere Vertriebene erwartet, für deren Unterbringung Sorge zu tragen ist.
Im Frühjahr wurden mit dem Landkreis Gespräche geführt, in denen der Landkreis seine Einschätzung deutlich machte, dass auf weitere, vorbereitende Maßnahmen zur Einrichtung weiterer Unterbringungsmöglichkeiten verzichtet werden solle. Die Anzahl der Geflüchteten hat sich jedoch anders entwickelt.
Für die weitere Aufnahme von Vertriebenen und Geflüchteten aus der Ukraine hat die Hansestadt Lüneburg im Haushalt 2022 Finanzmittel in Höhe von 672.000 € für zusätzliche Aufwendungen im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen sowie Mittel in Höhe von 4.309.000 € für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bereitgestellt. Diese Aufwendungen sollten vollständig im Rahmen des Lüneburgvertrages vom Landkreis als originär Zuständigen erstattet werden. Zu diesem Zeitpunkt waren weder der Umfang noch die Dauer der kriegerischen Auseinandersetzung absehbar.
Der Rat der Europäischen Union hat am 04.03.2022 eine Massenzustromrichtlinie beschlossen. Hierdurch wird geflüchteten ukrainischen Staatsangehörigen und Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, die in der Ukraine internationalen Schutz genießen, qua Gesetz ein Aufenthaltstitel zuerkannt. Infolgedessen ist es für diesen Personenkreis zum 01.06.2022 per Gesetz zu einem Rechtskreiswechsel in die gesetzlichen Mindestsicherungssysteme SGB II sowie SGB XII gekommen. Bei diesem Personenkreis Geflüchteter handelt es sich also nicht mehr um Asylbewerber:innen, sondern um anerkannte Geflüchtete mit Unterbringungsbedarf, also um Obdachlose, für deren Unterbringung nicht mehr der Landkreis, sondern vielmehr die Hansestadt im Rahmen des Niedersächsischen Polizeigesetzes (NPOG) zuständig ist. Für diese originäre Aufgabe der Hansestadt erfolgt keine Erstattung durch den Landkreis.
Aktuell geht die Hansestadt Lüneburg aufgrund der Ankündigungen des Landes von Ende September 2022 davon aus, dass bis zum 31.03.2023 weitere etwa 1.000 Personen ukrainischer und nicht-ukrainischer Staatsangehörigkeit aus der Flüchtlingsunterkunft in Sumte aufzunehmen sind. Hinzu kommen ggf. weitere Vertriebene und Geflüchtete, die ihren Aufenthalt in Lüneburg wählen. Zudem ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar, ob das Land die Zuweisungsquoten erneut vorzeitig anpasst. Die genaue Anzahl sowie der Zeitpunkt von Zuweisungen der für Lüneburg zu erwartenden schutzbedürftigen Personen ist nicht bekannt.
Die bereits eingerichteten Notunterkünfte am Wilschenbrucher Weg 84 sowie in der Sporthalle Im Grimm werden durch die aktuell anstehenden Zuweisungen ausgelastet sein. Die Gemeinschaftsunterkünfte und die Obdachlosenunterkünfte sind bereits durch eine Nachverdichtung ausgelastet.
Weder auf dem Wohnungsmarkt noch in der Hotellerie standen und stehen kurzfristig entsprechende Kapazitäten zur Verfügung. Die Prüfung leerstehender Gewerbeimmobilien hatte ebenfalls zum Ergebnis, dass diese baulich nicht geeignet waren und teilweise nur durch massive bauliche Eingriffe eine Notunterbringung einzurichten wäre. Dies hätte neben dem immensen finanziellen Aufwand auch einen erheblichen zeitlichen Vorlauf bedeutet, so dass weder erforderliche sicherheitsrelevante Sanierungen noch die Errichtung von Einrichtungen in Containerbauweise vor dem Wintereinbruch umsetzbar wäre.
Somit steht die Hansestadt Lüneburg wie auch andere Kommunen vor der belastenden Situation, kurzfristige eine weitere Sporthalle als Notunterkunft herzurichten.
Die Bewertung der städtischen Sporthallen hat ergeben, dass insbesondere die Sporthallen im Schlieffenpark grundsätzlich für diese kurzfristige Umnutzung geeignet wären. Gründe hierfür sind u.a. die Größe als Sporthallen, die Möglichkeit genügend Sanitärcontainer auf dem Außengelände zu stellen und den möglichst geringsten Eingriff ins Schul- und Sportleben.
Für den Schul- und Vereinssport ist die Hansestadt Lüneburg bemüht Ausweichmöglichkeiten für die Dauer der Belegung zu finden. Der Schulsport konnte nahezu in Gänze auf andere Sporthallen umgelegt werden.
Die Umwandlung der zwei Zweifeld-Sporthallen in eine Notunterkunft sieht vor, dass dort 38 Wohn-/Schlafparzellen mit je 5 x 4 Meter Ausmaß durch mit Sichtschutzfolien bespannte Bauzäune abgetrennt werden.
Die Wohn-/Schlafparzellen werden ausgestattet mit jeweils 4 Doppelstock-Betten, einem Tisch und Stühlen sowie ggf. einer Verstaumöglichkeit.
Ein weiterer Teil der Sporthalle wird mit Tischen und Stühlen als Speisebereich hergerichtet. Zusätzlich sollen ein Spielbereich und ein Ruhebereich geschaffen werden.
Zunächst ist eine Belegung mit ca. 200 Personen vorgesehen. Im Bedarfsfall wäre eine maximale Belegung mit bis zu 300 Personen möglich. Der Sanitärbereich wird aufgestockt durch nur für Bewohner:innen sicher zugängliche WC- und Duschcontainer im Außenbereich.
Die Herrichtung erfolgt in der Form, dass sowohl ein kurzfristiger Aufbau mit ggf. Umgestaltungsmöglichkeiten sowie ein schneller Rückbau möglich ist, sobald der Bedarf wieder entfällt.
Die Aufnahme des Betriebs soll spätestens Ende November sichergestellt sein. Die Dauer der Aufrechterhaltung der Notunterkunft ist derzeit nur schwer zu prognostizieren. Sollte sich der Bedarf vorab reduzieren, kann die Sporthalle in kürzester Zeit wieder für den Schul- und Vereinssportbetrieb hergerichtet werden.
Wie bereits bei den Notunterkünften am Wilschenbrucher Weg und im Grimm ist auch hier die Betriebsführung durch einen Wohlfahrtsverband vorgesehen, welcher die Koordination und Leitung vor Ort übernimmt. Ebenso stellt der Wohlfahrtsverband in Abstimmung mit der Stadt den Sicherheitsdienst, die Reinigung der Gemeinschaftsflächen und das Catering sicher. Für die persönliche Wäsche stehen den Bewohner:innen einige Waschmaschinen und Trockner zur Verfügung. Bettwäsche und Handtücher werden durch eine Wäscherei gereinigt, da nicht ausreichend Trocknungsmöglichkeiten vor Ort vorhanden sind.
Notunterkünfte sind geprägt von einem hohen Grad an Anonymität, mangelnder Privat- und Intimsphäre, wenig Schutz- und Rückzugsmöglichkeiten. Sie haben keine abschließbaren Schlafräume. Dies und das gemeinsame Teilen von Zimmern und der sanitären Anlagen mit Fremden, oft ein hoher Lärmpegel, fehlende tagesstrukturierende Beschäftigung, eingeschränkte Rechte und die kontinuierliche Kontrolle auch der Privaträume durch das Personal sind Risikofaktoren für Gewalt. Zusätzlich können Frauen und Kinder in Flüchtlingsunterkünften auch von häuslicher Gewalt betroffen sein. Der Gewaltschutz in den Notunterkünften kann durch einen Wachdienst, Sozialarbeit und räumliche Vorkehrungen nur bedingt gewährleistet werden. Es ist deshalb vorgesehen besonders schutzbedürftige Personen (wie z.B. ältere Menschen, Schwangere, Menschen mit schweren Formen von Gewalterfahrung, LGBTQI*- Personen oder Menschen mit Behinderungen) nach Möglichkeit durch Umzüge in Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen.
Für die Sozialarbeit in den Notunterkünften stellt die Hansestadt zusätzlich zum Betreiber eigenes Personal, wobei zu berücksichtigen ist, dass hierzu noch Stellenbesetzungsverfahren durchzuführen sind. Eine Dauerausschreibung ist eingerichtet. Aufgrund des Rechtskreiswechsels der ukrainischen Geflüchteten erfolgt für die Betreuung und Unterstützung dieses Personenkreises nach aktuellem Stand keine Kostenerstattung für pädagogisches Personal durch den Landkreis.
Da die Aufnahme von Vertriebenen und Geflüchteten zum jetzigen Zeitpunkt unausweichlich scheint und nicht absehbar ist, wie kurzfristig weitere Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen sind, wird die Hansestadt im Zuge der jetzt anstehenden Beschaffungen aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und der Dringlichkeit bereits ein Einrichtungskontingent an Mobiliar (v.a. Betten, Matratzen) beschaffen.
Es entsteht ein überplanmäßiger Finanzbedarf für folgende Positionen:
einmalig ca. 100.000 €
einmalig ca. 140.000 €
einmalig ca. 5.000 €
ca. 3.000 €/mtl.
ca. 21.000 €/ mtl.
ca. 130.000 €/mtl.
ca. 45.000 €/mtl.
ca. 15.000 €/mtl.
ca. 5.000 € /mtl.
ca. 20.000 €/mtl.
Insgesamt beläuft sich der Bedarf auf mtl. 239.000 Euro, hinzu kommen die einmaligen Kosten in Höhe von 245.000 Euro. Somit beläuft sich der überplanmäßige Bedarf für rd. 1,5 Monate im Jahr 2022 (ohne Personalkosten für Flüchtlingssozialarbeit) auf 603.500 Euro.
Die Aufwendungen für die Ersteinrichtung, die Möblierung, die Miete für die Sanitärcontainer, den Sicherheitsdienst, die Unterhaltsreinigung und die Betriebskosten werden vom Bereich Gebäudewirtschaft getragen. Hierfür sind vorerst 364.500 € zur Verfügung zu stellen. Die übrigen Aufwendungen werden vom Bereich Integration und Teilhabe getragen, hier müssen vorerst 239.000 € zur Verfügung gestellt werden.
Die anfallenden Aufwendungen können aufgrund des vollzogenen Rechtskreiswechsels zum 01.06.2022 nicht mehr durch Erstattungen im Rahmen des Lüneburgvertrages gedeckt werden. Seitdem stehen Geflüchteten aus der Ukraine Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld bei Erwerbsfähigkeit) oder SGB XII (Grundsicherung im Alter und Erwerbsminderung) statt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu.
Eine anteilige Deckung der entstehenden Aufwendungen nach dem Rechtskreiswechsel soll von den hilfeberechtigten Personen in der Notunterkunft durch Erhebung einer Nutzungsgebühr sowie durch Abtretungserklärung der Regelsatzanteile für Verpflegung direkt aus den Leistungsansprüchen vom Jobcenter (SGB II) bzw. aus den Leistungsansprüchen vom städtischen Sozialamt (SGB XII) erfolgen. Für die Erstattung des Regelsatzanteils für die Kosten der Unterkunft bedarf es einer weiteren Satzungsanpassung zur Gebührenerhebung (analog VO/10222/22) für die neu einzurichtenden Notunterkünfte in Sporthallen, welche von der Verwaltung für die kommenden Sitzungen erarbeitet wird.
Somit ist zunächst ein überplanmäßiger Bedarf in Höhe von 603.500 € bereitzustellen.
Die Deckung des konsumtiven Anteils in Höhe von 463.500 € kann in Gänze aus dem Produkt „Förderung von Freien Trägern“ im Teilhaushalt „Frühkindliche Bildung und Betreuung“ bereitgestellt werden. Der verbleibende investive Anteil, die Möblierung, von ca. 140.000 € wird durch die Investitionsnr. 01-315-023 „GU Neubau“ gedeckt. Folgenabschätzung:
A) Auswirkungen auf die Ziele der nachhaltigen Entwicklung Lüneburgs
B) Klimaauswirkungen
a) CO2-Emissionen (Mehrfachnennungen sind möglich)
X Neutral (0): durch die zu beschließende Maßnahme entstehen keine CO2-Emissionen □ Positiv (+): CO2-Einsparung (sofern zu ermitteln): ________ t/Jahr
und/oder □ Negativ (-): CO2-Emissionen (sofern zu ermitteln): nicht zu beziffern
b) Vorausgegangene Beschlussvorlagen
□ Die Klimaauswirkungen des zugrundeliegenden Vorhabens wurden bereits in der Beschlussvorlage VO/__________ geprüft.
c) Richtlinie der Hansestadt Lüneburg zur nachhaltigen Beschaffung (Beschaffungsrichtlinie)
□ Die Vorgaben wurden eingehalten. □ Die Vorgaben wurden berücksichtigt, sind aber nur bedingt anwendbar. oder X Die Beschaffungsrichtlinie ist für das Vorhaben irrelevant.
Finanzielle Auswirkungen:
Kosten (in €) a) für die Erarbeitung der Vorlage: 195 € aa) Vorbereitende Kosten, z.B. Ausschreibungen, Ortstermine, etc. b) für die Umsetzung der Maßnahmen: c) an Folgekosten: d) Haushaltsrechtlich gesichert: Ja Teilhaushalt / Kostenstelle: 53000 Frühkindliche Bildung und Betreuung Produkt / Kostenträger: 36500102 Förderung von Freien Trägern Investitionsnr.: 01-315-023 GU Neubau Haushaltsjahr: Überplanmäßige Bereitstellung 2022 zzgl. Ansatz 2023
e) mögliche Einnahmen: nach Abtretung und Satzungsänderung
Anlagen:
Beschlussvorschlag: Der Einrichtung einer temporären Notunterkunft in den Sporthallen Schlieffenpark wird zugestimmt.
Für die Vorbereitung zur Aufnahme von Vertriebenen und Geflüchteten werden für das Jahr 2022 überplanmäßige Mittel in Höhe von 603.500 Euro gemäß § 117 NKomVG bereitgestellt. Die Deckung des konsumtiven Anteils in Höhe von 463.500 € erfolgt für den Bereich Frühkindliche Bildung und Betreuung aus der Förderung von Freien Trägern (SK 4318010/ KS 57410/ KTR 36500102). Der investive Anteil von ca. 140.000 € wird durch die Investitionsnr. 01-315-023 GU Neubau gedeckt.
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