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Sachverhalt:
Aufgrund der Vorberatungen und Nachfragen in der Sitzung des Verwaltungsausschusses am 12.07.2022 wird die Vorlage VO/10171/22 (Weiteres Vorgehen zur Erschließung des Baugebietes Am Wienebütteler Weg) folgendermaßen (in Dickschrift unter 1. bis 4. gekennzeichnet) ergänzt bzw. hinsichtlich des Beschlusspunktes 2 und den dort erwähnten "notwendigen weiteren Schritte" präzisiert.
1. Bezifferung des "Worst-Case-Szenario" und der möglichen Schadenshöhe seitens der Abwasser, Grün & Lüneburger Service GmbH (AGL)
Die Geschäftsführung der AGL hat mit E-Mail vom 12.07.2022 das von ihr geschätzte Schadensvolumen und die mögliche Schadenshöhe für das "Worst-Case-Szenario", auf mindestens 18.000.000 EUR beziffert. Für diesen Fall müsste über den anhängigen Normenkontrollantrag erst nach Fertigstellung der Baumaßnahmen vom OVG Lüneburg entschieden worden sein und der in der Vorlage VO/10171/22 genannte Bebauungsplan müsste unter unheilbaren Fehlern leiden.
Dieser von der Geschäftsführung der AGL genannte Betrag konnte in der Kürze der Zeit noch nicht geprüft werden, sodass eine solche Prüfung noch zu erfolgen hat, um die mögliche Schadenshöhe abschließend einschätzen zu können.
2. Kommunalrechtliche Fragestellungen
Es ist bereits Kontakt mit dem Ministerium für Inneres und Sport (Kommunalaufsicht) aufgenommen worden, um die Einschätzung der Kommunalaufsicht berücksichtigen zu können.
3. Erklärung der Avacon Natur GmbH
Die Avacon Natur GmbH soll im Rahmen der Erschließungsarbeiten des Baugebietes Am Wienebütteler Weg ein kaltes Nahwärmenetz errichten und bereitstellen.
Diesbezüglich soll noch eine Erklärung der Avacon Natur GmbH erwirkt werden, in der diese vor dem Hintergrund des anhängigen Normenkontrollantrages erklärt, dass die Errichtung der Wärmeversorgung auf eigenes Risiko durchgeführt wird.
4. Risikofreistellung des Geschäftsführers der AGL
Der Geschäftsführer hat im Verhältnis zur Stadt um die Freistellung der Gesellschaft an sich, des Geschäftsführers und des Aufsichtsrates von jeglichem Risiko gebeten. In diesem Zusammenhang ist noch zu prüfen, ob an dieser Stelle Weisungen vonseiten der Hansestadt an den Geschäftsführer der AGL erforderlich sind.
Die Herbeiführung eines solchen Beschlusses führt zu keinerlei zeitlichen Verzögerungen des Zeitplanes bezüglich der Erschließungsmaßnahmen, da der Baubeginn von der AGL erst im zweiten Quartal 2023 erfolgen soll und ein solcher Beschluss bis zu diesem Zeitpunkt herbeigeführt werden kann.
Vorlage VO/10171/22:
Der Verwaltungsausschuss der Hansestadt Lüneburg hat mit Beschluss vom 19.12.2017 die 79. Änderung des Flächennutzungsplans der Hansestadt Lüneburg für den Teilbereich „Am Wienebütteler Weg“ eingeleitet und gemäß § 2 Baugesetzbuch (BauGB) beschlossen, den Bebauungsplan Nr. 174 „Am Wienebütteler Weg“ aufzustellen. Am 17.12.2020 hat der Rat der Hansestadt Lüneburg der 79. Änderung des Flächennutzungsplanes der Hansestadt Lüneburg für den Teilbereich „Am Wienebütteler Weg“ einschließlich Begründung mit Umweltbericht zugestimmt und zudem den Bebauungsplan Nr. 174 „Am Wienebütteler Weg“ einschließlich Begründung, Umweltbericht und Örtlichen Bauvorschriften gem. § 10 BauGB als Satzung beschlossen. Grundsätzlich hat die Hansestadt zeitnah die Ausschreibung von Erschließungsarbeiten des o.g. Bebauungsplanes (Herstellung der öffentlichen Verkehrsflächen, insbesondere Kanäle) geplant. Dabei hat die Hansestadt beabsichtigt das Plangebiet selbst zu erschließen. Die Straßenerschließung soll durch den städtischen Fachbereich „Straßen- und Grünplanung, Ingenieurbau“ erfolgen und wird durch die Hansestadt beauftragt. Die Wärmeversorgung soll als sog. „Kaltes Nahwärmenetz“ durch die Avacon Natur GmbH hergestellt werden. Zuletzt soll die Kanalerschließung durch die AGL Abwasser, Grün & Lüneburger Service GmbH, nachfolgend nur AGL genannt, eine 100%iges Tochterunternehmen der Hansestadt, erfolgen. Baugenehmigungen sind zum jetzigen Zeitpunkt für Teile des Baugebietes noch nicht erteilt worden. Es liegen lediglich einzelne Bauvorbescheide vor, die sich auf die von der Hansestadt treuhänderisch verwalteten Stiftungen, Einfamilienhäuser und Doppelhäuser beziehen. Ein Verkauf von Flächen hat nach Satzungsbeschluss bislang auch nur im östlichen Plangebiet an zwei von der Hansestadt treuhänderisch verwalteten Stiftungen stattgefunden. Diese beabsichtigen die Vergabe von Erbbaurechten u.a. an die LüwoBau, die dort auch geförderten Wohnungsbau umzusetzen gedenkt. Mit Datum vom 29.06.2021 wurde beim OVG Lüneburg ein Normenkontrollantrag gemäß § 47 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung) eingereicht. Die beiden Antragsteller erheben gegen den Bebauungsplan Nr. 174 „Am Wienebütteler Weg“ einen Normenkontrollantrag gem. § 47 VwGO mit dem Antrag, den Bebauungsplan Nr. 174 „Am Wienebütteler Weg“ für unwirksam zu erklären. Das OVG Lüneburg hat auf Nachfrage bereits mitgeteilt, dass mit einer Verhandlung des Normenkontrollantrages erst im Sommer 2023 gerechnet werden könne, da der Senat mit einer außerordentlich hohen Anzahl von Normenkontrollanträgen befasst sei. Es stellt sich daher die Frage, ob das Baugebiet am Wienebütteler Weg nunmehr dennoch erschlossen werden soll, obgleich noch ein Normenkontrollantrag über die Wirksamkeit des Bebauungsplanes anhängig ist.
Sollte das OVG Lüneburg den Bebauungsplan für unwirksam erklären, hätte dies zur Folge, dass – sofern mit der Erschließung bereits vor Abschluss des Normenkontrollverfahrens begonnen werden würde – das Baugebiet „Am Wienebütteler Weg“ nicht wie geplant erschlossen und somit der bereits erfolgte Aufwand ggf. nicht refinanziert werden könnte. Dennoch müsste die Hansestadt an die an die Erschließung beteiligten Akteure bzw. diese an ihre Auftragnehmer unter Umständen Schadensersatz für deren nutzlose Aufwendungen zahlen.
Sollte mit der Erschließung jedoch noch bis ins nächste Jahr und den Abschluss des Verfahrens gewartet werden, würde sich die Umsetzung des übergeordneten Ziels – Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum – weiter verzögern. Hinzu kommt, dass die Kosten für die Erschließung inflationsbedingt und wegen der generell steigenden Preise in der Baubranche prognostisch weiter steigen werden.
Es ist daher abzuwägen, ob vorsorglich der Ausgang des Normenkontrollverfahrens abgewartet werden oder mit der Erschließung begonnen werden soll, um anderen wichtigen Faktoren (z.B. Wohnungsnot, Inflation, steigende Baupreise etc.) Rechnung zu tragen.
Die Erfolgsaussichten des laufenden Normenkontrollantrages können nach Aussage der durch die Hansestadt mandatieren Kanzlei zu diesem Zeitpunkt nicht seriös abschließend eingeschätzt werden. Grundsätzlich habe die Verwaltung bei der Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 174 solide gearbeitet und es sind keine offensichtlichen Unrichtigkeiten festzustellen. Gleichwohl obliegt die Entscheidung dem OVG und die Rechtsprechung ist wegen der Besonderheiten des Einzelfalles nicht vorhersehbar und auch eine Weiterentwicklung der Rechtsprechung ist einzukalkulieren. Hinsichtlich des oben skizzierten Risikos müssen daher zwei Komponenten beachtet werden:
1. Die Höhe des möglicherweise eintretenden Schadens 2. Die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Unterliegens vor dem OVG
1. Die Höhe des möglicherweise eintretenden Schadens Wenn mit der Erschließung bereits vor Abschluss des Normenkontrollantrages begonnen werden würde, ist folgende Terminkette vorgesehen: (1) Vergabe der Bauleistungen für den Kreisverkehrsplatz: IV/2022 (2) Baubeginn der AGL (Auslauffläche, Regenrückhaltebecken, Schmutzwasser-/Regenwasser-Leitungen): II/2023 (3) Baubeginn Endausbau Verkehrswege: 2026
a) Projektkosten (1) Kreisverkehrsplatz: Wie oben bereits dargelegt, ist die Vergabe der Bauleistungen für den Kreisverkehrsplatz im vierten Quartal 2022 möglich. Die Umsetzung soll mit einer Bauzeit von sechs Monaten von November 2022 bis Mai 2023 erfolgen und somit noch abgeschlossen werden, bevor das OVG sich mit dem anhängigen Normenkontrollverfahren aller Voraussicht nach befassen. Für die Herstellung eines Kreisverkehrsplatzes im Einmündungsbereich Wienebüttler Weg/Ebelingweg einschließlich einer provisorischen Umfahrung und eines Fahrbahnteilers sind Gesamtkosten für diesen 1. Abschnitt der Erschließung in Höhe von 889.000 EUR kalkuliert worden. Da von Preissteigerungen ausgegangen werden muss, würde diese Summe sich bei 30 % auf 1.115.700 EUR erhöhen. Die Finanzmittel sind jedoch vorhanden.
(2) Projektkosten der AGL Abwasser, Grün & Lüneburger Service GmbH Die AGL hat grundsätzlich mit einer gesamten Investition von 5.960.000 EUR geplant. Durch die steigenden Kosten schätzt die AGL, dass jedoch mit 30 % an Mehrkosten kalkuliert werden muss, sodass insgesamt eine gesamte Investition von 7.750.000 EUR vonseiten der AGL getätigt würde. Davon müssten ggf. noch Posten abgezogen werden, die Baumaßnahmen außerhalb des Plangebietes betreffen. Diese wurden von der AGL mit 1.210.000 EUR bzw. (mit der Kalkulation von einer Kostensteigerung von 30%) mit 1.573.000 EUR angegeben, die ggf. von der Gesamtinvestition abgezogen werden müssten. Die Hansestadt Lüneburg kofinanziert gemäß einer Vereinbarung mit der AGL 1.550.000 EUR anteilig als Straßenbaulastträger die Regewasserkanalisation und Hausanschlüsse. Rein vorsorglich ist anzumerken – auch wenn darüber noch keine Vereinbarung besteht –, dass die Finanzierung an die AGL vonseiten der Hansestadt ggf. auch noch angepasst werden müsste, um den Preissteigerungen von 30 % Rechnung zu tragen.
(3) Baubeginn Baustraßen und Endausbau Verkehrswege Der Baubeginn der Baustraßen im Gebiet ist erst ab 2024 und der Endausbau der Verkehrswege ab 2026 geplant, sodass zu diesem Zeitpunkt bereits eine Entscheidung des OVG zum anhängigen Normenkontrollantrag vorliegen sollte.
b) Mögliche Schäden Schäden können insbesondere entstehen durch: - Aufwendungen, die nicht refinanziert werden können - Entstehende Schadensersatzansprüche Dritter - Zusätzliche Aufwendungen für einen möglichen erforderlichen Rückbau von Anlagen - Den Finanzschaden, der entsteht, da abgeschlossene Kreditverträge bedient werden müssen, aber kein Anlagevermögen entsteht. Zu beachten ist zudem, dass, da viele Flächen im Bebauungsgebiet bislang nicht vergeben bzw. verkauft wurden, diese Grundstücke in jedem Fall unbebaut bleiben würden, sofern der Normenkontrollantrag Erfolg hätte und die Stadt den Bebauungsplan nicht heilen könnte oder wollte. In der wirtschaftlichen Konsequenz würde das bedeuten, dass eine schon für das gesamte Baugebiet hergestellte Erschließung nur von den ggf. bebauten bzw. bebaubaren Grundstücken teilweise zu refinanzieren wäre, aber ansonsten – aufgrund des nicht abgesicherten Bebauungsplanes – die Erschließung ansonsten nicht refinanziert werden könnte. Wie hoch sich der drohende Schaden tatsächlich darstellen könnte, kann an dieser Stelle nicht beziffert werden. Dass der Schaden für die Hansestadt Lüneburg unter Umständen jedoch sehr hoch ausfallen könnte, ist vorsorglich anzumerken.
c) Hinzuziehung der Kommunalaufsicht Ergänzend ist zudem anzuführen, dass eventuelle haushaltsrechtliche Fragestellungen, insbesondere zum fiskalischen Risiko für die Kommune und deren Folgen, noch mit der Kommunalaufsicht abgeklärt werden sollen, um auszuschließen, dass es sich vorliegend um ein genehmigungspflichtiges kreditähnliches Geschäft gem. § 120 Abs. 6 NKomVG handelt. Eventuell können so eventuelle Haftungsrisiken ausgeschlossen bzw. zu minimiert werden.
2. Die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Unterliegens vor dem OVG Wie oben bereits ausgeführt, ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass der Prozessausgang „offen“ ist und die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Unterliegens vor dem OVG nicht seriös ermittelt werden kann. Es kommen im Wesentlichen drei Entscheidungen des OVG Lüneburg in Betracht: (1) Der Antrag wird abgelehnt. (2) Der Antrag hat Erfolg, weil der Bebauungsplan an einem heilbaren Fehler leidet. (3) Der Antrag hat Erfolg, weil der Bebauungsplan an einem unheilbaren Fehler leidet. Bei (1) könnte die Erschließung wegen des Obsiegens der Hansestadt uneingeschränkt fortgesetzt werden. Bei (2) würde die Erschließung zunächst außer Vollzug gesetzt werden, der am Bebauungsplan festgestellt Mangel könnte jedoch geheilt werden. Bei (3) würde der Bebauungsplan jedoch zunächst außer Vollzug gesetzt werden, was auch bedeuten würde, dass die Erschließung nicht weiter vorangetrieben werden könnte und der Bebauungsplan könnte nicht geheilt werden.
3. Gesamtabwägung Im Rahmen der Gesamtabwägung ist festzustellen, dass die Risiken sowohl hinsichtlich der drohenden Schäden als auch hinsichtlich der Erfolgsaussichten des anhängigen Normenkontrollantrages nicht seriös zu bestimmen sind. Nichts desto trotz ist zu berücksichtigen, dass auch weitere Verzögerungen der Erschließung des Baugebietes zu weiter steigenden Erschließungskosten führen könnten und sich zudem auch die Fertigstellung der Erschließung sowie der neu zu bauenden Häuser und Wohnungen verzögern würde, was auch hinsichtlich der Wohnungsknappheit zu bedenken ist und die Lage am Wohnungsmarkt nicht weiter entspannen dürfte. Die unterschiedlichen Risiken sind daher gegeneinander abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung erscheint es jedoch zielführender, dass Baugebiet trotz der bestehenden Risiken schnellstmöglich zu erschließen, um gegen die Wohnungsnot vorzugehen und auch die steigenden Preise zu berücksichtigen. Zur Absicherung des beschriebenen Risikos bittet die Verwaltung, über eine Beschlussempfehlung des Verwaltungsausschusses um eine abschließende Entscheidung des Rates.
Folgenabschätzung:
A) Auswirkungen auf die Ziele der nachhaltigen Entwicklung Lüneburgs
B) Klimaauswirkungen
a) CO2-Emissionen (Mehrfachnennungen sind möglich)
□ Neutral (0): durch die zu beschließende Maßnahme entstehen keine CO2-Emissionen □ Positiv (+): CO2-Einsparung (sofern zu ermitteln): ________ t/Jahr
und/oder □ Negativ (-): CO2-Emissionen (sofern zu ermitteln): ________ t/Jahr
b) Vorausgegangene Beschlussvorlagen
□ Die Klimaauswirkungen des zugrundeliegenden Vorhabens wurden bereits in der Beschlussvorlage VO/__________ geprüft.
c) Richtlinie der Hansestadt Lüneburg zur nachhaltigen Beschaffung (Beschaffungsrichtlinie)
□ Die Vorgaben wurden eingehalten. □ Die Vorgaben wurden berücksichtigt, sind aber nur bedingt anwendbar. oder □ Die Beschaffungsrichtlinie ist für das Vorhaben irrelevant.
Finanzielle Auswirkungen:
Kosten (in €) a) für die Erarbeitung der Vorlage: 101 EUR aa) Vorbereitende Kosten, z.B. Ausschreibungen, Ortstermine, etc. b) für die Umsetzung der Maßnahmen: c) an Folgekosten: d) Haushaltsrechtlich gesichert: Ja Nein Teilhaushalt / Kostenstelle: Produkt / Kostenträger: Haushaltsjahr:
e) mögliche Einnahmen:
Anlagen:
Beschlussvorschlag:
1. Der Rat der Hansestadt Lüneburg beschließt- unter dem Vorbehalt einer positiven kommunalaufsichtsrechtlichen Prüfung- dass mit der Erschließung des Baugebiets „Am Wienebütteler Weg“ – Bebauungsplan Nr. 174- trotz der aufgezeigten Risiken bereits vor Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg über den Normenkontrollantrag begonnen werden soll. 2. Die Verwaltung wird beauftragt die dafür notwendigen weiteren Schritte zu veranlassen.
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