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Auszug - Auswirkungen der Arbeitsmarktreform "Hartz IV" auf die Stadt Lüneburg (Anfrage der Gruppe SPD / FDP vom 17.07.04, eingegangen am 19.07.04)  

 
 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Rates der Stadt Lüneburg
TOP: Ö 7.1
Gremium: Rat der Hansestadt Lüneburg Beschlussart: zur Kenntnis genommen
Datum: Do, 30.09.2004    
Zeit: 17:00 - 19:35 Anlass: Sitzung
Raum: Huldigungssaal
Ort: Rathaus
VO/1137/04 Auswirkungen der Arbeitsmarktreform "Hartz IV" auf die Stadt Lüneburg (Anfrage der Gruppe SPD / FDP vom 17.07.04, eingegangen am 19.07.04)
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Anfrage der Gruppe SPD / FDP
Federführend:01 - Büro der Oberbürgermeisterin Beteiligt:DEZERNAT V
Bearbeiter/-in: Plett, Anke  Alter Fachbereich 5 - Jugend und Soziales
 
Wortprotokoll
Beschluss

Beratungsinhalt:

 

Beratungsinhalt:

 

Stadtdirektor KOCH schickt voraus, die Mitarbeiter des Fachbereichs Jugend und Soziales hätten großen Ehrgeiz, dass die Hilfeempfänger die ihnen zustehenden neuberechneten Leistungen pünktlich und professionell ausgezahlt bekämen. Die dazu erforderlichen Antragsformulare seien daher sehr früh versandt worden und zum Ausfüllen seien alle möglichen Hilfestellungen gegeben worden. Vermutlich deshalb betrage die Rücklaufquote auch bereits über 50%.

Das 4. Gesetz über moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt und als dessen Kernstück die Grundsicherung für Arbeitssuchende – Sozialgesetzbuch II – trete in seinen wesentlichen Teilen am 01.01.2005 in Kraft. Es führe die heutigen zwei unterschiedlichen Leistungssysteme und entsprechend unterschiedlichen Betreuungssysteme von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für erwerbsfähige, langzeitarbeitslose Menschen zusammen. Erwerbsfähige arbeitslose Sozialhilfeempfänger hätten bisher kaum die Möglichkeit gehabt, an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der Arbeitsagenturen teilzunehmen. Ein weiterer Unterschied ergebe sich aus der bisherigen Berechnung der Hilfen: Während die Sozialhilfe seit jeher ihre Leistungen an die Ermittlung des jeweils individuellen Bedarfes knüpfe, erfolgte die Gewährung von Arbeitslosenhilfe pauschal als Prozentsatz eines letzten fiktiven Nettoeinkommens.

Um nach Verabschiedung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem 2. Sozialgesetzbuch (kommunales Optionsgesetz) mit der Ausgestaltung der Arbeitsmarktreform „Hartz IV“ zu beginnen, habe es bereits zahlreiche Gespräche zwischen den Kommunen im Zuständigkeitsbereich der Agentur für Arbeit Lüneburg gegeben, um mögliche Formen der Zusammenarbeit zu erörtern. Dabei sei rasch klar gewesen, dass in der Region Lüneburg die „Option“ der Übernahme sämtlicher bisher dem Arbeitsamt obliegenden Aufgaben durch eine Kommune nicht in Betracht komme.

Das leider erst am 15. September 2004 vom Niedersächsischen Landtag verabschiedete Niedersächsische Ausführungsgesetz zum Sozialgesetzbuch II („Hartz IV“) sehe weiterhin die Möglichkeit der Heranziehung von kreisangehörigen Kommunen durch den örtlichen Träger per öffentlich-rechtlichem Vertrag vor. Eine Aussage über die zukünftige Heranziehung der Stadt Lüneburg sei vom Landkreis Lüneburg bereits erbeten worden, sie liege jedoch noch nicht vor. Die Stadt gehe allerdings nach den bisher zu der Thematik gemeinsam geführten Gesprächen davon aus, dass sie auch künftig in die Erbringung dieser sozialen Daseinsvorsorgeleistungen einbezogen bleibe und treffe die dafür nötigen Vorbereitungen. Für eine solche weitere Mitwirkung der Stadt an der Erbringung von Sozialleistungen an Arbeitssuchende spreche neben ihrer bisherigen Erfahrung in diesem Aufgabenbereich auch die Notwendigkeit weiterer Mitwirkung an öffentlich geförderter gemeinnütziger und zusätzlicher Beschäftigung (z.B. bei der Planung und Organisation künftiger „1-€-Jobs“). Daneben werde auch zukünftig eine enge Verzahnung mit Angeboten beruflicher Qualifizierung und Umschulung nötig sein; auf diesen Aufgabenbereich sei die Volkshochschule der Stadt Lüneburg gut vorbereitet. Die Stadt Lüneburg beteilige sich in gleicher Weise wie die anderen beiden Sozialhilfeträger im Bezirk der Lüneburger Agentur für Arbeit (Landkreis Harburg, Landkreis Lüneburg) an den gemeinsamen Planungsgesprächen für die inhaltliche und organisatorische Umsetzung der Reformgesetze.

Zu den Fragen nehme er im Einzelnen wie folgt Stellung:

1.      Die Wahrnehmung der kommunalen Aufgaben nach dem SGB II könnte

      -     im Rahmen einer Experimentierklausel (§ 6 a SGB II ff) erfolgen. D. h., die Kommune würde sämtliche Aufgaben nach dem SGB II übernehmen (also einschließlich der ansonsten der Agentur für Arbeit zufallenden Aufgaben wie z. B. Regelleistungen zur Sicherung des Unterhaltes, Berufsberatung, Eingliederungsleistungen usw.),

      -     im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft erfolgen. In dieser würden Agentur für Arbeit und Kommune auf Basis eines Vertrages in einer dann näher zu bestimmenden Rechtsform zusammenarbeiten. Die interne Zuordnung der Aufgaben, Kostentragung, Personalgestellung usw. wäre dann vertraglich zu regeln,

      -     auf der Basis einer Kooperation unterhalb einer Arbeitsgemeinschaft erfolgen. Art und Weise der Zusammenarbeit müssten näher vereinbart werden.

      Die grundsätzliche Entscheidung, welche Art der Zusammenarbeit zwischen Sozialhilfeträger und Agentur für Arbeit angestrebt wird, sei eine Entscheidung des örtlichen Trägers der Sozialhilfe, also des Landkreises Lüneburg. Die Stadt habe hier somit zwar keine entscheidende Funktion, werde aber ihre Interessen im Rahmen der Beteiligung an den Verhandlungen vertreten und im Rahmen ihrer Möglichkeiten insofern Einfluss auf die Ausgestaltung nehmen.

      Die pünktliche und richtige Erbringung existenzsichernder Leistungen an die Bürgerinnen und Bürger habe dabei absoluten Vorrang vor weiteren mit der Reform verbundenen Zielvorstellungen, darin seien sich die Kommunen des Agenturbezirkes Lüneburg und die Arbeitsagentur einig. Vor diesem Hintergrund sei entschieden worden, dass die vom Gesetzgeber eingeräumte Übergangsregelung (§ 65 a ff SGB II) in Anspruch genommen werde. Das bedeute, dass sowohl die Kommunen als auch die Agentur für Arbeit jeweils ihre eigenen Fälle zunächst auf neues Recht umstellen, die kompletten Leistungen für die jeweiligen Klienten erbringen und erst nach einer Übergangsphase, die zwischen 3 und 9 Monaten dauern könne, auf eine neue Organisationsform umgestellt werde.

      Wie diese neue Organisationsform näher ausgestaltet werden solle, müsse noch unter Beachtung der politischen Zielvorgaben aus den jeweiligen Gremien der örtlichen Träger der Sozialhilfe erarbeitet werden.

      Die Stadt Lüneburg verfolge dabei das Ziel des Eintritts in eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) nach § 44 SGB II, damit die kommunalen Interessen und Erfahrungen so umfänglich wie möglich eingebracht werden können. Die Frage der Rechtsform sei dabei allerdings noch klärungsbedürftig.

2.      Die für die Stadt Lüneburg zu erwartenden finanziellen und personellen Auswirkungen seien derzeit nicht abschätzbar, da sie grundlegend davon abhängig seien, wie die Zusammenarbeit zwischen Sozialhilfeträger und der Agentur für Arbeit ausgestaltet wird. Sobald sich dies für die Stadt Lüneburg berechnen lasse, werde die Verwaltung dazu im Sozial- und Gesundheitsausschuss und im Rat vortragen.

      Grundsätzlich würden die von der Stadt erbrachten Netto-Sozialhilfeaufwendungen mit dem Landkreis abgerechnet. Nach dem derzeitig gültigen Lüneburg-Vertrag erstatte der Landkreis Lüneburg der Stadt für ihre Ausgaben im Zusammenhang mit der Aufgabenerfüllung der Sozialhilfe darüber hinaus Personal- und Sachkosten mit einer Kostenpauschale. Die Stadt gehe davon aus, dass für die Nachfolgeregelungen der Gedanke des Vertrages fortgelte und lediglich redaktionell und inhaltlich angepasst werde.

3.         Leistungen, für welche die Stadt keine Finanzhilfen erhält, könnten nach heutiger Einschätzung allenfalls entstehen, wenn die Stadt z. B. Maßnahmen zur Eingliederung co-finanzieren möchte, für die es keine Fördermittel aus dem Budget der Bundesagentur für Arbeit gibt. Dies stünde der Stadt grundsätzlich frei, derzeit seien jedoch derartige Maßnahmen nicht in Planung. Zunächst solle die Agentur für Arbeit die Möglichkeit haben, auf diesem Gebiet Erfahrungen zu sammeln.

 

Beigeordneter DÖRBAUM bedankt sich für die ausführliche Beantwortung, die zeige, dass die Stadt Lüneburg sich umfangreich auf die Umsetzung von „Hartz IV“ vorbereite. Die Neuerungen seien seit langem gefordert worden und es sei wichtig, entgegen der negativen Darstellung in den Medien auch einmal die Vorteile herauszustellen. Ziel der Reform sei, viel mehr Langzeitarbeitslose als bisher wieder in Arbeit zu vermitteln. Seine Fraktion verspreche sich durch die geplante Kooperation zwischen den Kommunen und der Agentur für Arbeit jedenfalls eine wesentliche Verbesserung auf diesem Sektor und sei sicher, dass bereits kurze Zeit nach Umsetzung der Reform ein Erfolg sichtbar sein werde.

 

Ratsherr SOLDAN greift als entscheidende Aussagen heraus, dass die Reform zum 01.01.05 kommen werde und kein Anspruchsberechtigter ohne Geld dastehen werde. Er sehe zwar auch einige Nachteile bei der Reform, vieles werde sich aber erst in der Praxis zeigen und müsse dann korrigiert werden. Wichtig sei, die Reform mit Leben zu erfüllen, dann würden sich auch Erfolge einstellen. Schon jetzt zeige sich, dass viele Leute selbst aktiv werden und verstärkt nach Jobs Ausschau halten.

 

Ratsfrau MEINS ist der Ansicht, die Anfrage sei etwas zu früh gestellt worden, da vieles noch nicht entschieden sei. Ziel der Initiative sei eine enge Kooperation mit den Kommunen, Partnern und anderen regionalen Beschäftigungsträgern, um zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten für Bezieher von Arbeitslosenhilfe zu erschließen. Vieles laufe noch nicht, z.B. die EDV und es gebe unterschiedliche Auffassungen, wie die Umsetzung zu erfolgen habe. Leider würden die 1-€-Jobs nur für jeweils ein halbes Jahr gelten, das halte sie für zu kurz. Ihre Dauer sollte zumindest auf ein Jahr ausgeweitet werden.

 

Stadtdirektor KOCH beantwortet Detailfragen der Ratsmitglieder zum Thema Rechtsform der Arbeitsgemeinschaft und 1-€-Jobs. Er weist auf einen Link auf der Internetseite www.lueneburg.de hin, der auf eine Hartz-Sonderinformationsseite verzweige, auf der das Antragsformular, Ausfüllhinweise (auch in türkischer und russischer Sprache) und vieles mehr zum Thema zu finden sei.

 

Der Rat der Stadt Lüneburg nimmt Kenntnis

 

Der Rat der Stadt Lüneburg nimmt Kenntnis.

 

(V, 5)