Bürgerinformationssystem
Beratungsinhalt:
Ratsvorsitzende JOHN stellt den Wunsch der Initiative „Seebrücke“ zur Abstimmung, zu Beginn des TOP ein Rederecht zu erhalten. Dem Antrag wird einstimmig entsprochen. Die gem. § 16 Abs. 2 der Geschäftsordnung notwendige ¾ Mehrheit der anwesenden Ratsmitglieder ist damit erreicht.
Frau John gibt daraufhin der Initiative „Seebrücke“ fünf Minuten Zeit, ihr Anliegen zu formulieren.
Zwei Vertreter der Initiative „Seebrücke“ appellieren daraufhin an den Rat, aktiv dazu beizutragen, dass geltendes Recht wieder umgesetzt und Menschenrechtsverletzungen gestoppt werden. Aktuell sehe man nur zu und tue nichts. Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sei eine Chance, mehr Gestaltungsmittel bei der Bundesregierung einzufordern und dort ein klares Signal zu setzen. Einzig wünschenswert wäre gewesen, neben Asylsuchenden auch in Seenot geratene Menschen in den Punkt 6 des Antrages mitaufzunehmen. An den Rat gewandt fordern beide diesen auf, sich zur Potsdamer Erklärung zu bekennen und gemeinsam und landesübergreifend an Lösungen zu arbeiten. Der vorliegende Antrag würde hier eine Verbindlichkeit bieten und nicht - wie vorgeworfen - an rechtlichen Voraussetzungen vorbeigehen, sondern Rückgrat zeigen und Energien freisetzen, die zur Erreichung der Ziele notwendig seien.
Ratsfrau GRUNAU begründet den Antrag ihrer Fraktion. Lüneburg habe es verpasst, sich rechtzeitig - wie viele andere Kommunen es getan hätten - den Zielen der Seebrücke anzuschließen und den notwendigen Beschluss zu treffen. Darauf hingewiesen habe sie schon Anfang des Jahres. Stattdessen habe man ein Mogelpaket beschlossen, mit dem ihre Fraktion sowie auch die Initiative „Seebrücke“ sich nicht zufriedengeben würden. Trotz der tollen Willkommenskultur Lüneburgs gehöre die Stadt nicht zu den sicheren Häfen, welche in Seenot geratenen Menschen aktiv Hilfe anbieten würden. Sie versteht nicht, weshalb man trotz der überall gleichen rechtlichen Voraussetzungen in vielen Kommunen den Beschluss fassen könne und in Lüneburg nicht. Die aktuelle Situation im Mittelmeer sei für sie unerträglich und gegen jede Humanität, weshalb sie kein Verständnis habe für ein Zögern. Nur eine große Gemeinschaft habe die Kraft, Einfluss auf Bund und EU auszuüben. Die abgeschwächte Version in Form des Änderungsantrages der Fraktionen SPD, CDU und FDP reiche ihr nicht aus, da ein Lippenbekenntnis allein nicht genüge. Sie fordere daher Herrn Mädge als Oberbürgermeister auf, zu erklären, dass Lüneburg schutzsuchende Menschen auch über die reguläre Verteilungsquote hinaus aufnehme.
Ratsherr VON MANSBERG erklärt, dass auch er sich gegen Kriminalisierung, Abschiebung und den Verstoß gegen Menschenrechte stelle. Vieles sei dazu bereits im Frühjahr gesagt worden. Die Aufnahme von Flüchtlingen sei eine fest verankerte Pflicht in der deutschen Verfassung und sein Respekt und seine Unterstützung gilt all jenen, die sich wie die „Seebrücke“ aus innerer Überzeugung heraus dafür einsetzen. Die Entwicklungen, die es seit dem Frühjahr in der Bundespolitik gegeben habe, zeigen, dass die Forderungen, die man im Lüneburger Rat gestellt habe, eingetreten seien. Deutschland habe angeboten, ¼ der in Seenot geretteten Flüchtlinge aufzunehmen. Natürlich sei damit die Situation noch nicht annähernd gelöst. Doch heute gehe es auch v.a. um die Verantwortung der Politik vor Ort. Entgegen der Meinung von Frau Grunau könne man nur das fordern, was im Rahmen von Recht und Gesetz möglich sei. Insbesondere die Verantwortung der Stadt, die Geflüchteten (auch nach ihrer Anerkennung) unterzubringen und sie in die städtische Gesellschaft zu integrieren, sei groß. Er appelliert daher, für den Änderungsantrag zu stimmen, welcher im Übrigen fast deckungsgleich zu dem Antrag sei, der in Hannover (auch von den Grünen) beschlossen worden sei und Hannover zum sicheren Hafen gemacht habe.
Beigeordneter MENCKE lobt Initiativen wie die Seebrücke, da diese den Blick auf die Geschehnisse im Mittelmeer, welche einen unhaltbaren Zustand beschreiben, lenke. Eine Lösung müsse s.E. von Bund und EU erarbeitet werden. Dass dies der Initiative nicht ausreiche, könne er zwar verstehen, jedoch müsse man sich an das geltende Recht halten, welches eine Aufnahme von Flüchtlingen über die Quote hinaus unmöglich mache. Die Verantwortung dafür, wer kommen dürfe und wo die Unterbringung erfolge, habe die Bundesregierung und nicht der Lüneburger Rat.
Ratsherr PODSTAWA sieht das Problem nicht in der rechtlichen Absicherung, sondern darin, dass tagtäglich Menschen sterben. Die Tatenlosigkeit des Rates sehe er als Mord an und die angebrachte Reaktion auf diese gesellschaftliche Krise sei die „Seebrücke“. Auf diese Krise des Rassismus, welche den o.g. Mord legitimiere bzw. verharmlose und einen rechtsextremen Polizisten im Stadtrat akzeptiere, müsse man reagieren. Mit dem Antrag habe man diese Möglichkeit. Man dürfe nicht länger zulassen, dass die Menschenrechte langsam und permanent aufgeweicht werden würden, sondern müsse es für alle durchsetzen. Dazu benötige man neue Gesetze, da die bestehenden dies nicht ermöglichen. Er appelliert, dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zuzustimmen und damit ein Zeichen an den Bund zu senden, eine solidarische Gesellschaft zu ermöglichen.
Beigeordneter SOLDAN begrüßt ausdrücklich die Aktionen der Initiative „Seebrücke“. In seiner Rede beschreibt er das aktuelle Problem mit dem bestehenden Seerecht und die Folgen, sollte der Flüchtlingsstrom aus Westafrika anhalten. Er sieht daher in der erhöhten Aufnahme von Flüchtlingen durch die Kommunen nur eine kurzfristige Lösung. Mittelfristig müsse man die Flüchtlingsursachen bekämpfen, um ein Ausbluten der westafrikanischen Staaten zu verhindern. Er bedankt sich außerdem bei allen Ehrenamtlichen, die sich in Lüneburg für die Betreuung und Integration von Flüchtlingen engagieren und zeigt sich bereit, weiterhin Flüchtlinge in Lüneburg unterzubringen und zu integrieren. Trotzdem betont er, dass man als Kommune nicht eigenständig entscheiden dürfe, wer von den Flüchtlingen kommen darf und wer nicht. Dies sei Aufgabe des Bundes, welcher wie jeder Staat souverän über sein Hoheitsgebiet entscheide. Es sei daher nur eine Bürgschaft möglich, welche jeder Bürger für einen Flüchtling übernehmen könne.
Ratsherr NEUMANN beschreibt anhand von Zahlen die Bevölkerungs- und Flüchtlingssituation in Afrika und Europa. S.E. gebe es kein solidarisches Europa, sondern souveräne Einzelstaaten, die souverän ihre Interessen durchsetzen. Ein Recht auf Direktaufnahme von Flüchtlingen durch die Kommunen bestehe zudem nicht. Die Seenotrettung aus einer konkreten Gefahrenlage unterstütze er wie alle anderen Fraktionen auch, doch verbinde er damit nicht die automatische Überführung der Geflüchteten nach Europa. Dies halte er für den falschen Ansatz. Die „Seebrücke“ verfolge im Kern nicht die Seenotrettung, sondern einen Weg der unkontrollierten Migration nach Europa, durch die Integrationsprobleme in Form von Wohnungslosigkeit und Arbeitslosigkeit – auch in Lüneburg - geschaffen werden würden. Seine Fraktion spreche sich daher für ein Einwanderungsgesetz aus, mit dem bereits andere Länder wie Kanada oder Australien gute Erfahrungen gemacht hätten und welches dort allgemein akzeptiert werde. Seine Fraktion werde daher beide Anträge ablehnen.
Beigeordneter PAULY sieht nicht den Fluchtgrund als entscheidend an, sondern lediglich die Tatsache, dass diese Menschen Hilfe benötigen. Herrn Soldans Vision teile er daher nicht. Das Privileg, frei zu reisen und sich niederzulassen, müsse jedem Menschen zustehen, alles andere sei illiberal. Er halte es für falsch zur Sachlichkeit zurückzukehren, da diese Situation nicht sachlich sei, sondern lebensgefährlich. Die Problematik, nicht allen Flüchtlingen einen rechtssicheren Status geben zu können, stehe meilenweit hinter dem Asylrecht zurück. Er zitiert Katarina Barley, welche polnische Großstädte als Beispiel dafür anführe, dass sich Kommunen trotz Widerständen seitens der Regierung bereit zeigen würden, Flüchtlinge aufzunehmen und fragt, wer man sei, hinter diesen Städten bzgl. Humanität zurückzustehen. Wenn der Antrag der „Seebrücke“ beschlossen werden sollte, hätte eine Gesetzesnovelle zudem unmittelbare Folgen. Dies sei das mindeste Zeichen, das man in diesen Zeiten setzen könne. Da er bis auf den Punkt 5 allen Punkten des Änderungsantrages zustimmen könne, beantragt er getrennte Abstimmung der Punkte 1 – 4 sowie 6 und des Punktes 5.
Beigeordneter LÖB sieht die Äußerungen von Herrn Podstawa als grenzwertig, aber noch in Ordnung an. An Herrn Neumanns Beitrag sehe man, dass dieser versuche, sein schlechtes Gewissen wegzureden. Dabei sollte man nicht wie Herr Neumann es getan habe, über die wissenschaftlichen Ebenen reden. Es gebe stattdessen eine konkrete Situation, welche gelöst werden müsse. Er spricht sich daher für eine Abstimmung aus, um eine weitere Diskussion zu vermeiden und eine Positionierung der Fraktionen herbeizuführen.
Ratsherr NEUBAUER ist erstaunt, dass man, obwohl mach sich weitgehend einig sei, trotzdem derart diskutiere. Er findet es zudem schwierig, andersdenkenden Ratsmitgliedern Mord und Unmenschlichkeit zu unterstellen. Wer dann im gleichen Augenblick eine solidarische Gesellschaft einfordere, sei dazu aktuell gar nicht in der Lage. Es würden absichtlich Dinge missverstanden werden. Die Vorwürfe von Herrn Pauly gegen Herrn von Mansberg weist er daher zurück. Wie seine Vorredner auch sehe er keine rechtliche Grundlage für den Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, da man kein kommunaler Rechtsgeber sei.
Ratsfrau SCHELLMANN findet, dass der Änderungsantrag kaum vom Ursprungsantrag abweiche und sieht daher kein Problem, diesem nicht zuzustimmen (s. Änderung gemäß Protokoll vom 30.01.2020).
Oberbürgermeister MÄDGE betont, dass alle Menschen, die über die Systeme in Lüneburg ankämen, auch aufgenommen werden würden und macht auf die Kosten aufmerksam, die mit der Aufnahme eines Flüchtlings verbunden seien. Sollte man eine über die Quote hinausgehende Aufnahme fordern, müsse man hier auch eine Kostendeckung vorschlagen. Der Vergleich von Herrn Pauly, mit Polen könne er nicht nachvollziehen, da dort die Flüchtlinge stringend abgeschoben werden würden.
Beigeordneter PAULY entgegnet, dass es ihm um genau die polnischen Städte gegangen sei, die sich der Linie des Regimes widersetzen.
Beigeordneter BLANCK kritisiert die Gesprächsbereitschaft der SPD-Fraktion, namentlich von Herrn Salewski. Dieser habe sich nicht auf sein Anschreiben gemeldet und habe den gemeinsamen Gesprächstermin mit der Seebrücke kurzfristig abgesagt. Als Sozialdemokraten könne sich die SPD-Fraktion nicht auf die „Wischiwaschilinie“ des Änderungsantrages zurückziehen. Er appelliert daher noch einmal darüber nachzudenken, doch dem Ursprungsantrag seiner Fraktion zu folgen und beantragt namentliche Abstimmung seines Antrages.
Dem Antrag wird mehrheitlich bei fünf Enthaltungen aus der CDU-Fraktion entsprochen. Die gem. § 18 Abs. 4 Satz 3 der Geschäftsordnung notwendige ¼ - Mehrheit der anwesenden Ratsmitglieder ist damit erreicht.
Der Ursprungantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird daraufhin mehrheitlich bei 13 Ja-Stimmen und 26 Gegenstimmen abgelehnt:
Beigeordneter SALEWSKI gibt eine persönliche Erklärung ab. Er habe Herrn Blanck seine Position im Vorfeld mündlich mitgeteilt. Einen Kontakt mit der „Seebrücke“ habe es gegeben und er sei auch gesprächsbereit gewesen, hätte die Seebrücke ihm wie gebeten die Grundlage des Gespräches im Vorwege mitgeteilt. Hierzu habe er allerdings bis heute keine Rückmeldung erhalten
Oberbürgermeister MÄDGE gibt ebenfalls eine persönliche Erklärung ab. Auch er habe versucht, mit Herrn Blanck zu sprechen. Dieser habe sich aber nicht auf seine Anfrage gemeldet. Im Übrigen kritisiert er, dass man ihn mit dem Antrag dazu bringen wolle, etwas zu versprechen, was er nicht umsetzen könne. Er erwarte hier mehr Respekt vom Rat.
Im Anschluss an die Beratung wird über den Verfahrensantrag von Herrn Pauly abgestimmt (Abstimmung des Änderungsantrages ohne den Punkt 5). Das Verfahren wird daraufhin mehrheitlich bei vier Ja-Stimmen der Fraktion DIE LINKE. sowie 26 Gegenstimmen und neun Enthaltungen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Daraufhin werden die Punkte 1 bis 4 und der Punkt 6 des Änderungsantrages abgestimmt. Diesen wird mehrheitlich bei zwei Gegenstimmen der AfD-Fraktion sowie zehn Enthaltungen des Ratsherrn Podstawa und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zugestimmt.
Ratsvorsitzende JOHN dankt der Initiative „Seebrücke“ für ihr Kommen und verabschiedet sich von ihnen.
Beigeordneter SOLDAN stellt den Antrag, von der Geschäftsordnung abzuweichen und auch den nächsten Antrag (TOP 7.2) noch zu behandeln.
Oberbürgermeister MÄDGE erwidert, dass er um 20:30 Uhr verabredet sei und daher einer Verlängerung nicht zustimmen könne.
Beigeordneter BLANCK findet es problematisch, dass die öffentliche Sitzung von der Ratsvorsitzenden für beendet erklärt worden sei (viele Bürger seien daraufhin gegangen), nun aber noch öffentliche Teile verhandelt werden sollen. Man sollte daher aufgrund der Einhaltung des Öffentlichkeitsprinzips nicht versuchen, noch einen Antrag zu behandeln.
Beigeordneter SOLDAN zieht seinen Antrag daraufhin zurück.
Oberbürgermeister MÄDGE sieht das Öffentlichkeitsprinzip als gewahrt an, da er die Ratsvorsitzende so verstanden habe, dass sie sich lediglich von „Seebrücke“ verabschiedet habe, nicht aber den öffentlichen Teil der Sitzung geschlossen habe.
Vor der Fassung des Beschlusses wird dem Vorschlag von Oberbürgermeister MÄDGE gefolgt, die Sitzung von 19:35 Uhr bis 19:40 Uhr zu unterbrechen, um sicherzustellen, dass alle Ratsmitglieder bei der Abstimmung anwesend sind. Beschluss:
Der Rat der Hansestadt Lüneburg fasst mehrheitlich bei vier Gegenstimmen von Mitgliedern der AfD-Fraktion und der Ratsherren Podstawa und Fahrenwaldt sowie elf Enthaltungen der Ratsfrau Apking, des Beigeordneten Pauly und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen folgenden Beschluss:
Dem Änderungsantrag der Fraktionen SPD, CDU und FDP wird zugestimmt. Abstimmungsergebnis:
Ja-Stimmen: 24 Nein-Stimmen: 4 Enthaltungen: 11 |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||