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Auszug - Antrag "Stärkung aller von extremen Rechten bedrohten Menschen und Stärkung des Kampfes gegen extreme Rechte" (Antrag des Ratsherrn Podstawa vom 24.06.2019, eingegangen am 25.06.2019 um 09:14 Uhr)  

 
 
Sitzung des Rates der Hansestadt Lüneburg
TOP: Ö 5
Gremium: Rat der Hansestadt Lüneburg Beschlussart: geändert beschlossen
Datum: Do, 26.09.2019    
Zeit: 17:05 - 19:35 Anlass: Sitzung
Raum: IGS Kreideberg Aula
Ort: Thorner Str. 14, 21339 Lüneburg
VO/8485/19 Antrag "Stärkung aller von extremen Rechten bedrohten Menschen und Stärkung des Kampfes gegen extreme Rechte" (Antrag des Ratsherrn Podstawa vom 24.06.2019, eingegangen am 25.06.2019 um 09:14 Uhr)
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Antrag
Verfasser:Frau Klimmek
Federführend:01 - Büro der Oberbürgermeisterin Bearbeiter/-in: Klimmek, Annika
 
Wortprotokoll
Beschluss
Abstimmungsergebnis

Beratungsinhalt:

 

Ratsherr PODSTAWAlt den Antrag seiner Fraktion aufrecht, da im Gegenvorschlag der Verwaltung die zentrale Problematik rechter Netzwerke in den staatlichen Sicherheitsbehörden ausgeklammert werde. Der diesbezügliche Vorwurf des Oberbürgermeisters gegen seine Formulierung wundere ihn, da die Situation schon mehrfach in Zeitungen berichtet worden sei. Er versteht nicht, wie dies ignoriert werden könne und appelliert daran, das Problem anzuerkennen, anzugehen und den Ruf der gut arbeitenden Polizei zu schützen.

Da viele Polizisten der AfD angehören würden, sei es kein Wunder, dass die Opfer rechter Gewalt kein Vertrauen mehr hätten. Auch ein bekannter CDU-Politiker habe vor dem Rechtsdruck der Sicherheitsbehörden gewarnt.

Auch die NSU-Thematik dürfe nicht ignoriert, sondern müsse bekämpft werden.

Deswegen bittet er um Zustimmung seines Antrags und um einzelne Abstimmung der Punkte des Vorschlags der Verwaltung.

 

Beigeordneter BLANCK erklärt, dass er nicht abgeneigt gewesen wäre, dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. zuzustimmen, da er den Grundsatz nicht als falsch erachte. Allerdings appelliert er an den Rat und insbesondere an die Fraktion DIE LINKE., nicht zu überspitzten Formulierungen zu greifen und damit so zu agieren, wie man es dem rechten Lager vorwerfe. 

Man könne weder sagen, dass die NSU-Morde so nicht möglich gewesen wären noch dass viele der Täter mit dem Staat eng verbandelt gewesen seien. Dies sei nicht der Fall gewesen.

Er bittet daher alle, die Worte mit Bedacht zu wählen, damit aus Gedanken nicht erst Worte und dann Taten werden würden.

 

Ratsherr GERLACH erklärt, dass die CDU-Fraktion den Vorschlag der Verwaltung unterstützen werde. Dies tue sie jedoch nicht, weil sie der Argumentation der Fraktion DIE LINKE. vollumfänglich zustimme, sondern weil jeder aufgefordert sei, dem Rechtsextremismus die Stirn zu bieten.

Er distanziert sich klar von der Meinung der Antragssteller, die der Polizei per se eine rechte Rolle zuschreibe und eine polizeikritische Einstellung vertrete.

Auch warnt er davor, widerspruchslos rechtsextreme Äerungen oder Aussagen hinzunehmen, welche so interpretiert werden müssten, dass sie die private oder berufliche Reputation von Ratsmitgliedern gefährden würden.

 

Beigeordnete SCHELLMANN sieht den Antrag wie alle andern auch als wichtig an. Spätestens nach dem Mord an Herrn Lübcke müsse man sich fragen, wie Derartiges passieren könne und was es mit der Gesellschaft zu tun habe, denn es gebe immer eine Vorgeschichte.

Wie schon von Herrn Blanck gesagt, hätten sich die Grenzen des Sagbaren verschoben. Aggression, Hetze und Hass hätten insbesondere im Internet zugenommen. Verbale Gewalt habe sich in physische Gewalt umgewandelt.

Sie betont jedoch, dass es zurzeit zwar die rechte Gewalt sei, die dominiere, die gleichen Mechanismen aber auch von linksradikaler oder fundamentalistisch-islamistischer Seite funktionieren würden. Historische Erfahrungen habe man damit bereits gemacht. Es sei daher wichtig, sich an die grundlegenden Spielregeln zu halten und der Staatsform „Demokratie“, welche stark vom Bürgerwillen abhängig sei, den Respekt entgegenzubringen, welcher notwendig sei, um sie zu erhalten. Insbesondere als Ratsmitgliedsse man mit gutem Beispiel vorangehen und anstatt das Gesetz zu missachten, ihm folgen.

 

Ratsherr VON MANSBERG stellt fest, dass man sich eigentlich weitestgehend einig sei. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. gehe in vielerlei Hinsicht in die richtige Richtung, werde aber s.E. falsch begründet, da sich die genannten Strukturen nicht nur auf Polizei und Verfassungsschutz beschränken, sondern für alle Institutionen gelten.

Dies schließe der Gegenvorschlag der Verwaltung auch nicht aus.

Er appelliert an den Rat ein Signal der Gemeinsamkeit zu senden und betont, dass die Stärke der Demokratie in Deutschland sei, dass man sich zwar in der Politik streiten könne, dabei aber nicht den Respekt voreinander verliere und sich nicht gegen einander kriminalisiere.

 

Beigeordneter MENCKE ergänzt, dass die Haltung und Aussagen von Herrn Podstawa zeigen würden, dass dieser eine grundsätzlich ablehnende Haltung gegen die Polizei habe.

Man könne hier jedoch keine Pauschalurteile hinnehmen. Das Gewaltmonopol sei eine Errungenschaft der Demokratie. Durch ein Infragestellen dessen bewege man sich außerhalb der demokratischen Grundregeln.

Dieser Minimalkonsens sollte unter den demokratisch gewählten Vertretern herrschen und nicht aufs Spiel gesetzt werden.

 

Beigeordneter GABERLE berichtet über die Ergebnisse von Anfragen seiner Partei auf Landes- und Bundesebene, in denen die aktuellen Zahlen von Gewalttaten gegen Mandatsträger abgefragt worden seien. Dabei bestünde ein hoher Prozentsatz an Opfern aus AfD-Mitgliedern und an Tätern aus Linksextremisten. 

Er sei zwar froh, dass der Ursprungsantrag von Herrn Podstawa durch den Vorschlag der Verwaltung abgemildert worden sei, lehne ihn aber trotzdem ab, da er weiterhin zu einseitig sei. Den im Antrag der Fraktion DIE LINKE. stehenden Vorwurf, die AfD sei mitschuldig am Tod von Herrn Lübcke, weise er zurück.

Neben dem bestehenden Problem des Rechtsextremismusses existiere ebenfalls ein Problem mit dem Linksextremismus, welchem er selbst in der Vergangenheit zum Opfer gefallen sei. Damals hätte er sich auch Solidarität vom Rat und dem Oberbürgermeister gewünscht, was leider nicht der Fall gewesen sei. Vor diesem Hintergrund empfinde er den Antrag als Heuchelei, da man sich - trotzdem man die Möglichkeit hatte - nicht geschlossen gegen Extremismus gestellt habe. 

Den Antrag lehne seine Fraktion daher ab.

 

Beigeordneter PAULY freut sich über die Behandlung des Antrages in dieser Sitzung, da er ihn - anders als in der letzten Sitzung beschlossen - durchaus als dringlich betrachte, da die freie Mandatsausübung davon abhänge. Aus Angst und weil nicht jeder dem Problem gleichgültig gegenüberstehe, finde die politische Willensbildung zum Teil nicht mehr frei statt.

Den Redebeitrag von Frau Schellmann kritisiert er, da diese darin unvergleichbaren Dinge miteinander vergleiche und sie damit verharmlose. Die Taten von Linksextremismus stünden in keinem Verltnis zu denen vom Rechtsextremismus. Dies belegt er mit statistischen Zahlen, welche zeigen würden, dass es seit der Wiedervereinigung eine Vielzahl an Morden infolge rechtsextremer Übergriffe gegeben habe, seitdem jedoch kein einziges Gewaltverbrechen mit Todesfolge von Linksextremen.

Hinsichtlich des angesprochenen Gewaltmonopols erklärt er, dass er dieses durchaus verteidige, er allerdings ein Problem sehe, sobald die Gewalt aus den Reihen der Polizei käme (was statistisch bisher unterschätzt werde), da die Opfer hier keine Anlaufstellen hätten.

 

Für seine Formulierung der AfD-Fraktion als „rechtsextreme Fraktion im Rat“ bittet die Ratsvorsitzende JOHN Herrn Pauly sich zu entschuldigen und dies im Fortgang der Sitzung zu unterlassen. Es seien alle Mitglieder demokratisch gewählt worden und keiner sei rechts- oder linksextrem.

 

Dem widerspricht Beigeordneter PAULY. Zuvor sei der Antrag seiner Fraktion als linksextrem bezeichnet worden und darauf sei nicht reagiert worden. Er werde daher weitersprechen.

 

Darauf entgegnet Ratsvorsitzende JOHN, dass dieser Angriff kein persönlicher gewesen sei, bittet allerdings auch Herrn Gaberle auf die Nutzung des Wortes „linksextrem“ zu verzichten.

 

Beigeordneter PAULY bittet daraufhin, seinen Redebeitrag unter Beibehaltung seiner Wortwahl fortzusetzen.

 

Oberbürgermeister MÄDGE fordert Herrn Pauly auf, sich an die Entscheidung der Ratsvorsitzenden zu halten und verweist auf den Rechtsamtsleiter, Herrn SORGER. Dieser verweist auf die Regelung in der Geschäftsordnung, wonach die Ratsvorsitzende Entscheidungen in Geschäftsordnungsfragen abschließend treffe. Ihm sei auch schon in früheren Sitzungen aufgefallen, dass, wenn jemandem diese Entscheidung nicht passe, sie ignoriert werde. Dies sei rechtlich nicht haltbar. Das Innenministerium würde dem s.E. auch zustimmen. Er bittet daher, die Entscheidungen der Ratsvorsitzenden zu akzeptieren, auch wenn man inhaltlich anderer Meinung sei.

Auf die Frage des Beigeordneten PAULY, ob die Ratsvorsitzende JOHN ihm nun das Wort entzogen habe, bestätige sie dies. Eine derartige Formulierung könne sie nicht akzeptieren.

 

Beigeordnete SCHELLMANN nimmt Stellung zu der Kritik von Herrn Pauly und weist diese zurück.

 

Die Fraktion DIE LINKE. verlässt geschlossen den Sitzungsraum.

 

Beigeordneter GABERLE gibt eine persönliche Erklärung ab. Er habe nicht die Fraktion selbst, sondern deren Antrag als linksextrem bezeichnet. Den Vorwurf von Herrn Podstawa, die Ratsvorsitzende sei auf dem rechten Auge blind, verurteile er, da er das Amt des Ratsvorsitzes beschädige.

 

Beigeordneter MENCKE entschuldigt sich beim Publikum für den Ablauf der Diskussion. Dies sei ihm sehr peinlich. Man könne verschiedener Meinung sein, müsse aber trotzdem die Meinung anderer akzeptieren. Es zeugt von einer schlechten demokratischen Haltung, dies nicht zu tun.

Er bittet die Verwaltung außerdem, die von Herrn Podstawa geäerte Unterstellung gegen die Ratsvorsitzende verwaltungsintern auf mögliche Konsequenzen zu prüfen.

 

Ratsherr DR. SCHARF erklärt, dass in den mehr als zwei Jahren der Zusammenarbeit im Rat die AfD-Fraktion nie rechtsextrem aufgetreten sei.

 

Beigeordneter BLANCK empfindet den Entzug des Rederechts bei Herrn Pauly als nicht zielführend. Zudem bedaure er es, dass die Fraktion DIE LINKE. die Sitzung vorzeitig verlassen habe, da so zum einen eine weitere Diskussion über deren Antrag nicht möglich sei und zum anderen der AfD-Fraktion die gesuchte Opferrolle ermöglicht worden sei. Man habe hier erlebt, was geschieht, wenn Gedanken zu Worten werden.

 

Ratsfrau JAMME findet das Geschehene sowie das Diffamieren von Personengruppen unerträglich und bittet daher die Verwaltung, Herrn Podstawa für sein Verhalten abzumahnen und von ihm eine Entschuldigung zu verlangen.

Wie ein trotziges Kind rauszurennen und sich der Diskussion zu entziehen, sei dem Rat nicht würdig.

 

Ratsfrau NEUHAUS findet, dass die Ratsvorsitzende von Herrn Gaberle eine Entschuldigung für seine Äerung, dass der Antrag der Fraktion DIE LINKE. linksextrem sei, verlangen könne.

 

Ratsherr GABERLE entschuldigt sich für seine Äerung.

 

Ratsherr SOLDAN ist entsetzt über das Geschehene. Die Ursache sehe er in einer Steigerung des Aggressionspotenzials in der Gesellschaft, welche durch das Verhalten im Rat nur gefördert werde. Man sollte daher anfangen, dieses zu ändern, sodass ein Diskurs ohne persönliche Anfeindungen möglich sei.

 

Eine Abschrift des Tonbandes über Diskussion zwischen dem Beigeordneter Pauly und der Ratsvorsitzenden John sowie der daraus resultierende Wortentzug durch die Ratsvorsitzende John ist diesem TOP gem. Protokoll vom 26.11.2019 als Anlage beigefügt.


Beschluss:

 

Der Rat der Hansestadt Lüneburg fasst mehrheitlich bei drei Gegenstimmen der AfD-Fraktion sowie einer Enthaltung des Ratsherrn Prof. Dr. Runkel folgenden Beschluss:

 

Nachfolgendem Formulierungsvorschlag der Verwaltung wird zugestimmt:

 

Der Rat der Hansestadt Lüneburg verurteilt aufs schärfste den Mord an Walter Lübcke. Der Anschlag richtet sich an alle, die aktiv sind gegen extreme Rechte und sich ihnen widersetzen. Der Mord und zunehmende Drohungen sind ein Angriff auf alle Demokrat*innen.

Der Rat fordert die Landes- und die Bundesregierung dazu auf…

1.       Strukturen zu stärken und ggf. zu schaffen, die politisch bedrohte Menschen beraten und unterstützen.

2.       Sich solidarisch mit den bedrohten Menschen zu zeigen. Sie müssen sich auf uns verlassen können.

3.       die Analysefähigkeit des Verfassungsschutzes sowie der Polizei zu stärken,

4.       eine bessere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden zu erreichen, um den Verfolgungsdruck auf Rechtsextremisten zu erhöhen, sodass rechtsextreme Netzwerke aufgedeckt und bestehendes Recht besser durchgesetzt werden kann,

5.       die Zivilcourage der Bevölkerung zu stärken und wirksame Präventionsmaßnahmen zu entwickeln,

6.       die Demokratie zu stärken, indem der Rechtsextremismus nicht verdrängt und verharmlost wird, sondern mit hoher Priorität behandelt und sich klar zu einer weltoffenen und toleranten Gesellschaft bekannt wird.

 

Hinsichtlich der Abstimmung des Ursprungsantrages der Fraktion DIE LINKE. wird auf den Beratungsinhalt des TOP 6.1 verwiesen.

 


Abstimmungsergebnis:

 

   Ja-Stimmen: 30

Nein-Stimmen: 3

  Enthaltungen: 1

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Abschrift der Tonaufzeichnung (773 KB)