Bürgerinformationssystem

Auszug - Antrag "Lüneburg zum sicheren Hafen erklären" (Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 12.02.2019, eingegangen am 12.02.2019 um 13:14 Uhr)  

 
 
Sitzung des Rates der Hansestadt Lüneburg
TOP: Ö 9.2
Gremium: Rat der Hansestadt Lüneburg Beschlussart: geändert beschlossen
Datum: Do, 28.02.2019    
Zeit: 17:10 - 20:45 Anlass: Sitzung
Raum: IGS Kreideberg Aula
Ort: Thorner Str. 14, 21339 Lüneburg
VO/8248/19 Antrag "Lüneburg zum sicheren Hafen erklären" (Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 12.02.2019, eingegangen am 12.02.2019 um 13:14 Uhr)
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Antrag
Verfasser:Frau Klimmek
Federführend:01 - Büro der Oberbürgermeisterin Bearbeiter/-in: Klimmek, Annika
 
Wortprotokoll
Beschluss
Abstimmungsergebnis

 

Beratungsinhalt:

 

Es wird über die TOP 9.2 und 9.3 gemeinsam beraten.

 

Ratsvorsitzender VON NORDHEIM berichtet, dass Oberbürgermeister Mädge im Vorwege der Sitzung der Bürgerinitiative Seebrücke in Abstimmung mit den Fraktionsvorsitzenden ein fünfminütiges Rederecht in der Sitzung zugesagt habe. Dieses bedarf der Zustimmung von ¾ der anwesenden Ratsmitglieder (hier: 27 Ratsmitglieder).

Dem Rederecht für die Bürgerinitiative wird mehrheitlich bei einer Enthaltung des Ratsherrn Prof. Dr. Runkel zugestimmt.

 

Herr Pablo RONDI und Frau Adriana RACZYKOWSKI vertreten die Bürgerinitiative „Seebrücke“ und nehmen Stellung zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Nach einer Darstellung der aktuellen Flüchtlingssituation auf dem Mittelmeer erläutern die beiden die Ziele und Einstellungen der Initiative „Seebrücke“. Flucht sei kein Verbrechen und habe viele Gründe. Man brauche daher sichere und geregelte Fluchtwege, weshalb dieSeebrücke“ eine Solidarisierung der nordeuropäischen Staaten mit den südeuropäischen Staaten fordere.

Ihre Ziele seien die Aufforderung der EU, die Unterstützung von Such- und Rettungsaktionen zu fördern, zügige und verlässliche Ausschiffungsregelungen sowie ein Ende der Rückführung nach Libyen.

Aktuell würden im Mittelmeerraum von mehreren Staaten Rechte und Gesetze gebrochen werden, was eine Gefährdung der Demokratie zur Folge habe.

Neben bereits 41 deutschen Städten solle sich auch Lüneburg zum sicheren Hafen erklären und die Bereitschaft zeigen, mehr als nur die zugewiesenen Flüchtlinge aufzunehmen (wie viele genau müsse in einem nächsten Schritt geprüft werden). Eine Petition dazu mit 1.330 Unterschriften habe die „Seebrücke“ am Vorabend dem Oberbürgermeister ausgehändigt.

Die Resolution der SPD-Fraktion lehnen sie ab, da sie nicht den Zusatz der Bereitschaftsbekundung beinhalte.

 

Ratsfrau GRUNAU erläutert den Antrag ihrer Fraktion. Ziel sei es, sich für die Bewegung „Seebrücke“ auszusprechen und die Bereitschaft zu zeigen, dass es in Europa Städte gebe, die Flüchtlinge aufnehmen würden und ihnen ein neues Zuhause geben könnten. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sollten dabei selbstverständlich eingehalten werden. Lüneburg habe bewiesen, dass Integration und die Aufnahme von Flüchtlingen in der Stadt funktioniere. Mit dem Antrag könne man der Bewegung „Seebrücke“ den Rücken stärken und den Druck an den richtigen Stellen erhöhen. Zur Resolution der SPD-Fraktion könne sie nichts Negatives sagen, jedoch gehe sie ihr nicht weit genug. Sie fordert daher, dass sich die SPD-Fraktion nicht mit den Federn einer Initiative schmücken solle, die sich weit größere Ziele gesteckt habe.

 

Ratsherr VON MANSBERG betont, dass auch die SPD-Fraktion großen Respekt vor dem Engagement der Seebrücke habe und deren Ziele unterstütze. Die Aufnahme von Flüchtlingen halte er für eine Pflicht, welche bereits jetzt von der Hansestadt erfüllt werde. Für ihn sei Lüneburg daher bereits ein sicherer Hafen. Anders als die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sehe er allerdings die Verantwortung der Hansestadt in der Integration der Flüchtlinge in Bildung, den Wohnungsmarkt, Ausbildung und Arbeit. Container seien hier keine Lösung. Es passe daher nicht zusammen, Flüchtlingen die Hilfe anzubieten, aber die Schaffung von neuem Wohnraum, welcher für die Integration ein wichtiger Faktor sei, zu verzögern.

Die Rettung der Bootsflüchtlinge auf dem Mittelmeer sei zudem Bundesangelegenheit, weshalb sich die Resolution seiner Fraktion an den Bund richte. Lüneburg selbst habe nicht die Entscheidungskompetenz, über die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen geforderten Punkte zu beschließen. Aufgrund der fehlenden rechtlichen Umsetzbarkeit lehne die SPD-Fraktion den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ab.

 

Ratsherr NEUMANN plädiert für eine Regelung nach dem Vorbild Kanadas. Deutschland solle souven selbst entscheiden, wer in das Land einwandern dürfe und wer nicht. Zudem stimmt er Herrn von Mansberg zu, dass es illegal wäre, das geltende demokratisch legitimierte Rechtssystem zu ignorieren, da keine rechtliche Zuständigkeit für den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bestehe. Die AfD-Fraktion lehne den Antrag daher ab.

Ebenfalls lehne sie die Resolution der SPD-Fraktion ab, da darin die Probleme der ungesteuerten Einwanderung ausgeblendet werden würden. Er führt einige Beispiele auf und betont, dass diese Probleme bestünden und daher auch thematisiert werden müssten.

 

Beigeordneter MENCKE erklärt, dass auch für die CDU-Fraktion das Sterben im Mittelmeer und die Kriminalisierung der Helfer unhaltbare Zustände seien, deren Lösung intensiv auf Landes- und Bundesebene in der Partei diskutiert werde. Ebenso wie Herr von Mansberg sehe auch er Lüneburg bereits jetzt als sicheren Hafen für Flüchtlinge an. Man sehe daher nicht weg, jedoch seien einem Rat bei der Umsetzung der Forderungen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie der Seebrücke die Hände gebunden. Die alleinige Verantwortung, wer nach Deutschland einwandern und mit welchem Status sich diese Person hier aufhalten dürfe, habe nur die Bundesregierung. Erst nachdem diese „ja“ gesagt habe, könne eine Kommune sagen „Aber selbstverständlich“.

Seine Fraktion könne daher dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nicht zustimmen.

 

Ratsherr PODSTAWA kritisiert die Argumentation der SPD-Fraktion. Sowohl der Fachkräftemangel als auch der soziale Wohnungsbau seien seit Jahren vernachlässigt worden. Er verstehe daher nicht, weshalb dies jetzt, wo es um die Aufnahme von Flüchtlingen gehe, als Gegenargument genommen werde. Seenotrettungen seien keine Almosen, sondern eine Pflicht. Den Menschenrechten müsste endlich Geltung verschafft werden, weshalb seine Fraktion die „Seebrücke“ und deren Ziele sowie den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unterstütze. Die Resolution der SPD-Fraktion lehne DIE LINKE. Fraktion ab.

 

Ratsherr PROF. DR. RUNKEL vertritt ebenfalls die Meinung, dass der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in den Bundestag gehöre und eine Kompetenzüberschreitung für den Rat darstelle. Deutschland nehme schon mehr Flüchtlinge auf als andere europäische Staaten. Ein Bedarf nach einer weiteren Zuwanderung bestehe daher gar nicht. Aus diesen Gründen lehne er sowohl den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen als auch die Resolution der SPD-Fraktion  ab.

 

Beigeordnete SCHELLMANN betont, dass auch ihre Fraktion die Aktion „Seebrücke“ unterstütze und den Rückzug der Staaten aus der Seenotrettung missbillige. Allerdings könne man sich nicht außerhalb der vom Bund gegebenen Gesetze bewegen. Für den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen müsste es daher zunächst eine Gesetzesänderung geben. Sie stellt heraus, dass die zugewiesenen Flüchtlinge natürlich, wie bisher auch schon, Unterstützung durch die Hansestadt Lüneburg sowie die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer erhalten werden. Auf Bundesebene habe man sich zudem bei allen Rettungsschiffen bereits entschieden, mehr Gerettete aufzunehmen als die anderen beteiligten Länder.

Aufgrund der rechtlichen Situation könne die FDP-Fraktion dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nicht zustimmen.

 

Ratsfrau LOTZE betont, dass die Rechtssicherheit erfahrungsgemäß bei einem Antrag sehr wichtig sei. Fast der gesamte Rat sei sich zudem in den Zielen einig. Sie plädiert daher für eine Verabschiedung einer starken Resolution, welche auf rechtlich sicheren Füßen stehe, anstelle eines Antrages, der vom Recht nicht gedeckt sei.

 

Ratsherr VON MANSBERG teilt vieles, was Herr Podstawa vorgetragen hat. Hervorheben wolle er die Stärkung der Akzeptanz in der Gesellschaft, welche für eine gute Integration unerlässlich sei und welche man u.a. durch den Bau von Wohnungen erreiche. Die Entscheidung für den Wohnungsbau ist daher keine gegen die Aufnahme von Flüchtlingen, hängt allerdings untrennbar damit zusammen. Er appelliert an den Rat, sich auf Lüneburger Themen zu konzentrieren und das zu beeinflussen, was möglich sei.

 

Beigeordneter LÖB kann der Argumentation von Herrn von Mansberg ebenfalls nicht folgen. Sollte der Zuweisungsschlüssel für die Hansestadt steigen, müsse und werde man damit umgehen. Lüneburg verkrafte sehr viel und sei flexibel und fähig genug, mit einer steigenden Quote umzugehen und den Wohnungsbau weiterhin voranzutreiben. Den Antrag seiner Fraktion sehe er als symbolische Resolution. Mit ihr wolle man zeigen, dass man bereit sei, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, wenn der Bedarf danach bestehe. Mit der Resolution der SPD-Fraktion könne er hingegen wenig anfangen.

 

Stadträtin STEINRÜCKE sieht die Hansestadt bereits jetzt als sicheren Hafen an, da die Integration durch die gemeinsame Festlegung verbindlicher Standards bisher sehr gut gelungen sei. Leider gebe es keinen einfachen und schnellen Weg, die Situation der vielen Flüchtlinge im Mittelmeer zu verbessern. Auch wenn der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dies versuche, werde sich das Innenministerium nicht von derartigen Resolutionen beeindrucken lassen. Man müsse akzeptieren, dass die aktuelle humanitäre Katastrophe im Mittelmeer nicht von Kommunen bewältig werden könne. Diese Annahme sei illusorisch. Hier sehe sie die Verantwortung bei der Verwaltung und der Politik, Bewegungen wie die „Seebrücke“ in dieser Illusion nicht zu bestärken.

Der Weg des Antrages, am Rechtssystem vorbei Flüchtlinge aufzunehmen, sei nicht gangbar, da die Geflüchteten infolgedessen aufgrund fehlender Ressourcen und rechtliche Unsicherheiten keine Chance auf Teilhabe hätten. Bezüglich der rechtlichen Situation verweist Frau Steinrücke auf die versandte Anlage zu ihrer Stellungnahme.

Auch hätten die Städte, in denen die Seebrücke vertreten sei, keine derartige Bereitschaft gezeigt.

Bereits Ende 2018 habe man die Quote der Zuweisung für 2019 erfüllt. Kapazitäten für noch mehr Flüchtlinge seien, anders als im Antrag beschrieben, nicht vorhanden. Dies verdeutlicht sie anhand der beigefügten Folie (s. Anlage). Die aktuelle Belegung zeige, dass nicht mehr als 35 freie Plätze vorhanden seien, welche bei einer Auszugrate von 20 % und einer zu erwartenden Zuweisung von weiteren 100 bis 150 Flüchtlingen stagniere.

Sollte dem Antrag gefolgt und die Rechtsstaatlichkeit ignoriert werden, befürchte sie ein Sicherheitsrisiko in Form von Unsicherheiten, Ausgrenzung und Ressentiments. Man müsse stattdessen gemeinschaftlich eine tragfähige Lösung finden, welche weiterhin die Integration sicherstelle und Flüchtlingen eine Perspektive biete.

 

Beigeordneter BLANCK bedauert es, dass die SPD-Fraktion nicht im Vorwege der Sitzung das Gespräch mit seiner Fraktion gesucht habe. Man hätte den Antrag gerne insoweit umformuliert, dass er die notwendige Rechtssicherheit und damit auch die Unterstützung der anderen Fraktionen bekommen hätte. Eine Resolution habe keinerlei Wirkung für die Flüchtlinge.

Bei der nachfolgenden Abstimmung wisse nun jeder, dass seine Fraktion nur das Signal setzen wolle, bereit zu sein, mehr Menschen einen sicheren Hafen zu bieten als es die Quote fordere. Man stimme nicht über „etwas am Gesetz vorbei“ ab.

 

Oberbürgermeister MÄDGE weist darauf hin, dass der Punkt vier des Antrages nicht den Gesetzen des Landes Niedersachsen und der Bundesrepublik Deutschland entspreche und er, bei Beschluss des Punktes durch den Rat, Einspruch einlegen werde.

 

Beigeordnete BLANCK und PAULY protestieren gegen das Rederecht des Oberbürgermeisters. Herr Blanck habe das Schlusswort gehalten, danach müsse die Abstimmung erfolgen. Oberbürgermeister MÄDGE verweist auf das Recht des Oberbürgermeisters gemäß der Geschäftsordnung jederzeit zur Sachaufklärung reden zu dürfen.

 

Beigeordneter BLANCK stellt daraufhin den Antrag auf einzelne Abstimmung des Punktes 4 des Antrages seiner Fraktion.

 

Oberbürgermeister MÄDGE erklärt, dass auch die Punkte 3 und 5 des Antrages rechtlich nicht zulässig seien. Er empfehle, die beiden TOP 9.2 und 9.3 getrennt abzustimmen (Änderung s. Protokoll vom 09.05.2019).


Beschluss:

 

Der Rat der Hansestadt fasst mehrheitlich bei 12 Ja-Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE. Fraktion sowie einer Enthaltung der Ratsfrau Weinert (SPD-Fraktion) folgenden Beschluss:

 

Der Antrag wird abgelehnt.


Abstimmungsergebnis:

 

   Ja-Stimmen: 12

Nein-Stimmen: 24

  Enthaltungen: 1

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Übersicht über die Belegung der Gemeinschaftsunterkünfte (271 KB)