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Auszug - Bericht zur Ausbildungssituation 2003 in Lüneburg  

 
 
öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Rates der Stadt Lüneburg
TOP: Ö 5
Gremium: Rat der Hansestadt Lüneburg Beschlussart: (offen)
Datum: Do, 27.11.2003    
Zeit: 17:00 - 20:15 Anlass: Sitzung
Raum: Huldigungssaal
Ort: Rathaus
 
Wortprotokoll

Beratungsinhalt:

 

Beratungsinhalt:

 

Stadtdirektor KOCH führt kurz in die Thematik ein. Die Stadt wirke schon seit einigen Jahren regelmäßig in überregionalen Ausbildungskonferenzen mit, die jeweils von den Arbeitsämtern frühzeitig zum Ende jedes Schuljahres organisiert würden. Die Ergebnisse würden dem Jugendhilfeausschuss regelmäßig mitgeteilt. Die Fachausschüsse würden das Thema entsprechend ihrer jeweiligen Zielrichtungen aufgreifen und weiter diskutieren.

 

Herr NEUMANN von der Handwerkskammer berichtet, die Lehrlingsquote, also der Anteil der Auszubildenden an den Gesamtbeschäftigten im Bezirk der Handwerkskammer Lüneburg-Stade, betrage 12% und liege damit weit über dem Bundes- und Landesdurchschnitt. Die Bereitschaft, auch über den eigenen Bedarf hinaus auszubilden, sei relativ groß. Im Landkreis Lüneburg gebe es z.Zt. rd. 1.200 Handwerksbetriebe, die ausbilden können, in der Stadt Lüneburg seien es rd. 420 Handwerksbetriebe. In der Lehrlingsrolle der Handwerkskammer Lüneburg-Stade seien zur Zeit 381 Ausbildungsverträge eingetragen, im Vorjahr seien es zwar 391 gewesen, dies hänge aber auch mit dem in diesem Jahr eingeführten BGJ Elektro zusammen, das zur Zeit 17 Schüler besuchen. Somit bestehe im Handwerk in Stadt und Landkreis Lüneburg ein relativ ausgeglichenes Ausbildungsverhältnis. Wie auch in den vorhergehenden Jahren werde natürlich weiterhin versucht, Stellen nachzuvermitteln. 20 Jugendliche suchten derzeit noch einen Ausbildungsplatz im Handwerk, 5 Lehrstellen seien noch offen, allerdings in bei Jugendlichen weniger beliebten Handwerksberufen, wie z.B. Bäcker. Im Landkreis Uelzen stünden dagegen 5 Ausbildungsplatzsuchenden noch 36 offene Stellen gegenüber, was die regionalen Unterschiede sehr deutlich mache. Im gesamten Kammerbezirk Lüneburg-Stade gebe es z.Zt. noch 100 Suchende und 135 offene Stellen. Vorteilhaft wäre es in jedem Fall, Strategien zu entwickeln, wie die Arbeitsverwaltung der Arbeitsämter zukünftig noch intensiver in die Suche nach Ausbildungsplätzen einbezogen werden könnte.

 

Frau SCHLÜTER von der IHK erklärt, die IHK decke ein weiteres Berufsspektrum und einen größeren Bereich ab, als die Handwerkskammer, daher seien die Zahlen natürlich insgesamt höher. Anhand von Statistiken zeigt sie die Verteilung der Lehrstellen auf die einzelnen Berufsgruppen im gewerblichen und kaufmännischen Bereich und deren Entwicklung über die letzten 5 Jahre für den Landkreis Lüneburg auf. Am 31.10.03 habe die Zahl der Ausbildungsverhältnisse im IHK-Gesamtbezirk bereits schon den Stand von Ende Dezember letzten Jahres überschritten. Die Zahl werde sich allerdings noch etwas bereinigen, da zum Ende der Probezeit einige Ausbildungsverhältnisse aufgelöst würden und Auszubildende in andere Lehrstellen wechselten. Da es auch Neueintragungen gebe, seien die Chancen aber gut, nicht unter das letztjährige Niveau zu sinken. In Niedersachsen sei die Zahl der Ausbildungsplätze über die letzten Jahre stärker angestiegen, als die Zahl der Schulabgänger und habe sich damit insgesamt gesehen also nicht ganz so dramatisch entwickelt, wie die Medien es bundesweit immer darstellten. Die Zahl der aktiven Ausbildungsbetriebe im Landkreis Lüneburg sei in den letzten Jahren ebenfalls stetig gestiegen. Bei der Nachvermittlung noch nicht besetzter oder wieder frei gewordener Ausbildungsplätze hätten im gesamten Kammerbezirk trotz vielfältiger Strategien im Oktober /November 2003 von 117 freien Stellen bisher nur 9 wieder besetzt werden können. Die übrigen 108 Ausbildungsplätze seien keineswegs nur in unbeliebten Berufssparten frei. Es fehle zum Teil einfach an qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern. Wichtig wäre in unserer Region insbesondere aber auch, die Attraktivität der Berufsgruppe Gaststättengewerbe zu erhöhen. Lüneburg lebe vom Tourismus und habe in dieser Branche viele Lehrstellen zu bieten, viele Jugendliche scheuten diese Ausbildung jedoch aufgrund der unregelmäßigen Arbeitszeiten. Den Schulabgängern müsse eindringlich verdeutlicht werden, dass ihnen mit jeder abgeschlossenen Berufsausbildung die Weiterbildung in anderen Branchen offen stehe. Frau SCHLÜTER verteilt Disketten mit den gezeigten Statistiken an interessierte Ratsmitglieder.

 

Herr NIEMEYER vom Arbeitsamt ergänzt, die Zahl der Schulabgänger, die sich im Landkreis Lüneburg bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz an das Arbeitsamt gewandt hätten, sei in diesem Jahr um 13% gestiegen. Die Einschaltung der Berufsberatung bei der Ausbildungsplatzsuche steige erfahrungsgemäß immer etwas stärker an, wenn in den Medien vermehrt über die Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt berichtet wurde. Bei den gemeldeten Ausbildungsstellen sei für Niedersachsen zwar ein Rückgang um etwa 3% zu registrieren gewesen, im Arbeitsamtsbezirk Lüneburg, der auch den Landkreis Lüneburg umfasse, sei die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen dagegen erfreulicherweise um 2,1 % gestiegen. Auch wenn es insgesamt mehr Stellen als Bewerber gebe, sei es natürlich nicht möglich, für jeden Bewerber den wunschgemäßen Ausbildungsplatz zu finden. Für diejenigen, die zunächst keine Lehrstelle gefunden haben, biete das Arbeitsamt u.a. 60 Plätze in sog. Grundausbildungslehrgängen, 20 Plätze für benachteiligte Jugendliche in außerbetrieblichen Ausbildungen und 25 Plätze in Sprachförderkursen an. Das Arbeitsamt subventioniere in einigen Fällen auch die Ausbildung in Betrieben, wenn dies gerechtfertigt erscheine. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt seien beim Arbeitsamt noch 30 Bewerber gemeldet, die konkret einen Ausbildungsplatz suchen. Freie Stellen wären rein rechnerisch sicherlich genügend vorhanden, leider verhinderten aber die regionalen und strukturellen Probleme von Angebot und Nachfrage, für jeden Einzelnen die perfekte Lösung zu finden.

 

Herr VOIGTS von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft teilt mit, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft habe versucht, die von den Vorrednern genannten Aktivitäten in der Form zu unterstützen, dass sie bei den Firmen in der Region auf die Wichtigkeit der Schaffung neuer Ausbildungsplätze hingewiesen habe. Es seien etwa 100 Betriebe angesprochen worden, daraus hätten sich 22 neue Ausbildungsplätze für dieses und nächstes Jahr ergeben. Der Ausbildungsverbund Lüneburg (ALü), der von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft unterstützt werde, habe im Übrigen seit seiner Gründung 52 neue Ausbildungsplätze in Lüneburg geschaffen, zuletzt 12 im neu entwickelten Bereich Mechatronik, einem Berufsbild, das sich aus einer Kombination aus Mechanik, Hydraulik und Elektronik zusammensetze. Die Auszubildenden würden innerhalb des Ausbildungsverbundes von verschiedenen Firmen ausgebildet, die jeweils einen Teil der zugehörigen Bereiche abdecken.

 

Stadtdirektor KOCH dankt den Referenten für die umfassenden Informationen. Er fasst zusammen, die Ausbildungssituation in Lüneburg werde sorgfältig beobachtet und sei offensichtlich bisher nicht dramatisch. In der erweiterten Region über Stadt und Landkreis Lüneburg hinaus finde eine außerordentlich kooperative Zusammenarbeit der verschiedenen Kammern, Ämter und Verbände statt. In Lüneburg entfalte zudem die Landeszeitung eine außergewöhnliche Aktivität zur Unterstützung von Bewerbern für und Anbietern von Ausbildungsplätzen, die keineswegs selbstverständlich sei.

 

Stadtkämmerer SAUER stellt ergänzend kurz dar, dass die Stadt Lüneburg und ihre Tochtergesellschaften insgesamt 157 Ausbildungsplätze in den unterschiedlichsten Bereichen anbieten. Beim Städtischen Klinikum kämen in den nächsten drei Jahren dank des Ausbildungsverbundes mit der Herz-Kreislauf Klinik Bad Bevensen jährlich 5 weitere Ausbildungsplätze, also insgesamt 15 Plätze dazu. Ein detaillierterer Bericht werde im Ausschuss für Personalangelegenheiten und Verwaltungsreform gegeben.

 

Beigeordneter KÖRNER weist auf die relativ hohen Kosten und den Aufwand hin, die ein Ausbildungsplatz für den Lehrbetrieb verursache, so dass sich einige Betriebe überlegen müssten, ob Ausbilden für sie noch vertretbar sei. Trotzdem habe das Handwerk immer seine Pflicht in der Ausbildung erfüllt, was man vom Bund und teils auch vom Land leider nicht sagen könne. Die Ausbildungsabgabendiskussion sei völlig inakzeptabel und treffe vornehmlich die kleinen und mittleren Handwerksbetriebe. Mit der Einführung von Zuschüssen für die Schaffung neuer Ausbildungsplätze würden indirekt diejenigen Betriebe bestraft, die seit Jahren ausbilden und dafür nie finanzielle Unterstützung erhalten haben. Die Industrie habe in den letzten Jahren die Ausbildung vernachlässigt und dann von den gut ausgebildeten Kräften aus dem Handwerk profitiert. Dies sollte auch in den Statistiken der IHK deutlich gemacht werden.

 

Beigeordneter SRUGIS meint, die Ausbildungssituation in Lüneburg und Umgebung erscheine nach den Berichten zwar recht positiv, man dürfe jedoch nicht die große Zahl der Schüler in den berufsbildenden Schulen unterschätzen, die eigentlich auch auf der Suche nach Ausbildungsplätzen seien und hier die Wartezeit überbrückten. Wenn tatsächlich 20% der Schulabgänger nicht ausbildungsfähig sein sollen, dann müsse schleunigst überprüft werden, was am Bildungssystem verbessert werden könne, um diese Zahl zu reduzieren. Die Diskussion über die Ausbildungsabgabe sollte im Übrigen nicht einfach vom Tisch gewischt werden, sondern man müsse dieser Idee eine Chance geben und sehen, ob sie die gewünschte Wirkung entfalten könne. Die Gesellschaft habe die Pflicht, jungen Menschen mit einer Ausbildung Chancen zu eröffnen. Der Rat der Stadt Lüneburg sollte daher eindringlich an die Betriebe appellieren, Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, und die jungen Menschen auffordern, auch selbst etwas für die eigene Ausbildungsfähigkeit zu tun.

 

Beigeordneter ALTHUSMANN stellt klar, die CDU-Fraktion halte eine Ausbildungsabgabe für das falsche Instrument, um die Ausbildungsfähigkeit und -bereitschaft der Betriebe zu erhöhen. Es habe sich doch gezeigt, dass die Lage gar nicht so dramatisch sei. Wichtig wäre, den Jugendlichen schon an den Schulen deutlich zu machen, dass es besser sei, notfalls zunächst eine Ausbildung zu machen, die nicht dem Traumberuf entspreche. Die Gefahr, in die Arbeitslosigkeit oder Sozialhilfe abzugleiten, sei ohne Ausbildung erheblich größer. Eine vorhandene Ausbildung könne auch gut als Basis für weitere Berufsausbildungen dienen. Die steigende Tendenz, auf Grund eines fehlenden Ausbildungsplatzes zunächst weiter in die schulische Ausbildung an die Berufsschulen zu gehen, müsse wieder umgekehrt werden. Den Menschen in Deutschland müsse klar gemacht werden, dass eine gute Ausbildung einen Wert darstelle und dass es eine Ehre sei, junge Menschen auszubilden.

 

Ratsherr MEIHSIES erklärt, die Grünen hätten auf Bundesebene als Alternative zur Ausbildungsplatzabgabe ein Stiftungsmodell entwickelt und dies auch Arbeitgeberpräsident Hundt vorgestellt. Wer die Schaffung von Ausbildungsplätzen einfordere, sollte im Übrigen auch mit gutem Beispiel vorangehen. Die Landtagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen habe daher in ihrer Geschäftsstelle einen Ausbildungsplatz zur/ zum Büro- und Kommunikationskauffrau/-mann geschaffen.

 

Ratsherr REINECKE ist der Meinung, ein großer Teil der Verantwortung für die Ausbildung und die richtige Einstellung dazu liege bei den Eltern, die entsprechend als Vorbilder fungieren müssten. Der Bildungsstand der Bewerber sinke leider stetig ab und erschwere die Ausbildung. Für die Betriebe bedeutete Ausbildung natürlich Kosten und Zugeständnisse, daher sollten die Rahmenbedingungen so verändert werden, dass die Ausbildungsbetriebe so entlastet werden, dass sie wettbewerbsfähig bleiben. Die FDP-Fraktion sei gegen die Ausbildungsabgabe, die mit zuviel Bürokratie verbunden wäre und die Betriebe bestrafe, die zwar ausbilden wollten, aber keine geeigneten Bewerber fänden. Der vernünftigste Weg, mehr Ausbildungsplätze zu schaffen, wäre wieder Planungssicherheit und Zukunftsperspektiven für die Betriebe zu bewirken. Daran sollten sich alle politischen Kräfte beteiligen.

 

Beigeordneter FIRUS betont, die Betriebe in der Region seien ihrer Verantwortung nachgekommen, genügend Ausbildungsplätze bereit zu stellen. Bundesweit gebe es jedoch noch immer eine hohe Zahl arbeitsloser Jugendlicher, von denen rund zwei Drittel keine Ausbildung hätten. Das vorrangige Ziel der Politik auf allen Ebenen müsse daher sein, genügend Ausbildungsplätze zu schaffen. Dazu bedürfe es neben Reformen auf dem Arbeitsmarkt auch gesellschaftlicher Veränderungen. Die Rahmenbedingungen dafür müssten auf Bundesebene geschaffen werden. Die Ausbildungsabgabe sei ein Mittel, mit dem die Sicherheit der Ausbildungsstellen gewährleistet werden solle.

 

(II, V)