Bürgerinformationssystem

Auszug - Umgestaltung Ehrenfriedhof Tiergarten  

 
 
Gemeinsame Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Verbraucherschutz, Grünflächen und Forsten und des Kultur- und Partnerschaftsausschusses
TOP: Ö 4
Gremien: Ausschuss für Umwelt, Verbraucherschutz, Grünflächen und Forsten, Ausschuss für Kultur und Partnerschaften Beschlussart: geändert beschlossen
Datum: Mi, 31.01.2018    
Zeit: 16:00 - 18:40 Anlass: Sitzung
Raum: Huldigungssaal
Ort: Rathaus
VO/7615/18 Umgestaltung Ehrenfriedhof Tiergarten
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Verfasser:Frau Hesebeck
Federführend:Fachbereich 7 - Tiefbau und Grün Bearbeiter/-in: Uder, Miriam
 
Wortprotokoll
Beschluss
Abstimmungsergebnis

 

Beratungsinhalt:

 

Stadtbaurätin Gundermann berichtet, dass im Grünflächen- und Forstausschuss am 24.06.2013 durch Herrn Effinger, Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, und Herrn Asmussen, Vereinigung der Verfolgten des Naziregiemes, vorgetragen wurde, dass weitere Namen den Gräbern auf dem Friedhof im Tiergarten zugeordnet werden könnten. Man habe sich daraufhin entschieden, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die sich mit der künftigen Gestaltung des Friedhofs befassen sollte. Heute solle Bilanz gezogen und über die weitere Vorgehensweise abgestimmt werden.

Anhand der im Ratsinformationssystem einsehbaren Präsentation stellt sie den Ist-Zustand und die Entwicklung der Überlegungen der Arbeitsgruppe dar. Sie erläutert, dass die Opferverbände durch Gespräche, Besichtigungen und schriftliche Stellungnahmen beteiligt wurden. Dabei sei sichtbar geworden, dass ein einheitlicher Entwurf, der allen Anforderungen gerecht würde, nicht erreichbar wäre. Als problematisch für die Umsetzung neuer Gestaltungsideen habe sich der Umgang mit den vorhandenen Rhododendren erwiesen, die bis zu 60 cm ins Erdreich verwurzelt seien. Durch ein Baumgutachten sei festgestellt worden, dass das Entfernen der Rhododendren mit einem Eingriff in das Erdreich von mehr als 60 cm verbunden wäre. Das Entfernen würde einen Eingriff in die Totenruhe nach jüdischem Verständnis bedeuten. Denkbar sei auch eine mehrjährige bodennahe Entfernung zur Ermüdung der Pflanzen. Das Wurzelgeflecht verbliebe jedoch im Boden. Dies würde eine anschließende Bepflanzung erschweren. Daher nne man sich vorstellen, die Rhododendren auf 50 cm einzukürzen. Dies würde die Sichtbeziehungen zu Namensstelen ermöglichen. Entlang des Weges könnten Steine verlegt werden, die eine Verortung einzelner Grabpositionen ermöglichen würden. Diese Möglichkeiten zum Umgang mit den Rhododendren sei dem Landesverband der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen zur Stellungnahme übersandt worden.

Die Bachelorarbeit zum Friedhof als Lernort sei von der Arbeitsgruppe positiv aufgenommen worden. Man habe verabredet, den Friedhof als Lernort zu gestalten, konkrete Maßnahmen seien aber noch nicht festgelegt worden. Erläuterungstafeln zu den historischen Ereignissen und zur Geschichte des Friedhofs seien unabdingbar. Die erklärenden Texte sollten durch eine Historiker-Kommission, federführend durch Herrn Dr. Lux, erarbeitet werden. Auch über die Benennung des Friedhofs und die Hinweisbeschilderung im öffentlichen Raum sei gesprochen worden. Hierzu solle ebenfalls ein Vorschlag durch die Historiker-Kommission erarbeitet werden.

Die für die Umgestaltung des Friedhofs erforderlichen Haushaltsmittel seien im Haushalt 2017 eingestellt worden. Bei Vorgesprächen im Ministerium seien zudem rdermittel in Aussicht gestellt worden.

 

Herr Fürst, Vorsitzender des Landesverbands der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen, stellt fest, dass es nicht üblich sei, dass sich Gemeinden derart engagiert mit diesem Thema beschäftigten. Er erläutert, dass die Gräber nach jüdischem Verständnis auf Ewigkeit errichtet und nicht mehr angetastet würden. Ausnahme sei lediglich eine Umbettung nach Israel oder in die Nähe der Familie. Aus diesem Grund käme nur eine Umgestaltung ohne Eingriff in das Erdreich der Gräber in Frage. In der jüdischen Gesellschaft gäbe es häufig das Problem, dass die Hinterbliebenen nicht wüssten, wo ihre Angehörigen bestattet seien. Hilfreich sei es da, den jeweiligen Ort zu kennen. Ein Grabfeld sei ausreichend, Einzelgräber nicht zwingend nötig. Die Gestaltung als Lernort sei in der heutigen Zeit wichtig. Man müsse auch in der Zukunft Schülerinnen und Schülern nahe bringen, was in der Vergangenheit passiert sei und wie die Toten an diesen Ort gekommen seien. Die Menschen müssten zu diesem Ort geführt werden. Hierzu sei auch die entsprechende Beschilderung wichtig.

 

Herr Asmussen, Vertreter der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, ergänzt zum Vortrag von Stadtbaurätin Gundermann, dass auch der VVN keine Srung der Totenruhe wünsche. Im Übrigen sei die Initiative für die Arbeitsgruppe darauf zurückzuführen, dass das Kriegsgräbergesetz andere Anforderungen an den Friedhof stelle als der aktuelle Bestand biete. Er stellt dar, dass es zwischen 1945 und 1951 gekennzeichnete Einzelgräber gegeben habe. Er habe den ersten Vorschlag der Arbeitsgruppe, diese so wiederherzustellen positiv aufgenommen und musste bei der zweiten Sitzung feststellen, dass die Rodung der Rhododendren offenbar nicht möglich sei. Der VVN habe hierzu selbst ein Gutachten in Auftrag gegeben, das bestätigt, dass die Rodung durchaus möglich sei. Der Friedhof solle daher wieder hergestellt und als Lernort gestaltet werden. Hierzu solle man den Weg verbreitern und den Platz an der Stirnseite so gestalten, dass auch Schulklassen dort Platz hätten. Außerdem solle neben den Symbolen Davidsstern und Kreuz auch der Rote Winkel dargestellt werden.

Den Vorschlag der Verwaltung könne er im Hinblick auf den großen freien Raum, die Namensstelen und andere Details teilen. Es spreche sich aber gegen einen Erhalt der Grabfelder aus. Die Einzelgräber sollten deutlich dargestellt sein, so dass jeder an die Gräber herantreten könne. Dies sei auf dem Zentralfriedhof für die gefallenen Soldaten ermöglicht worden und sollte auch hier ermöglicht werden. Der VVN nehme grundsätzlich Rücksicht auf die Bestattungsriten aller Religionen. Da offenbar keine Einzelgräber hergestellt werden könnten, sollten zumindest die Grabreihen begehbar gestaltet werden. Dann sei auch eine individuelle Kennzeichnung möglich.

 

Auf Nachfrage von Ratsherr Gros zur jüdischen Friedhofskultur und dem Einsatz von Kalkstickstoff zur Eindämmung des Wurzelgeflechts, erläutert Herr Fürst, dass auf jüdischen Friedhöfen die Gräber häufig nur mit Bodendeckern oder Gräsern bepflanzt wurden. Diese Kultur erfahre seit 1989 eine Veränderung. Nun seien auch häufig bunte Blumen zu finden. Der Landesverband sei mit Mitteln ausgestattet, die es ermöglichen, die Friedhöfe zweimal jährlich zu pflegen. Zum künftigen Erscheinungsbild des Friedhofs erklärt er, dass dieses vom Lüneburger Rat entschieden werden müsse. Ihm sei nur wichtig, dass die Gräber unangetastet blieben. Ein Eingriff von 20 bis max. 30 cm ins Erdreich scheide aus.

 

Beigeordnete Lotze stellt heraus, dass die Auseinandersetzung mit Geschichte auch eine Frage von he und Distanz sei. Dieser Ort sei wichtig für die Hinterbliebenen und die Lüneburger. Bei der Gestaltung als Lernort müsse die Geschichte nach 1945 dargestellt werden. Die Veränderungen des Ortes müssten dokumentiert und aufgearbeitet werden. Querverweise zum Museum halte sie für sinnvoll. Der Wunsch des VVN nach Einzelgräbern sei zwar verständlich, Rodung oder der Einsatz von Kalkstickstoff sei für sie aber nicht denkbar, so dass sie den Rückschnitt unterstütze.

 

Ratsherr von Nordheim erklärt, dass eine bessere Beschilderung unabdingbar wäre. Er glaube nicht, dass man den Getöteten Ehre erweise, wenn die Grabfelder wie ein Soldatenfriedhof gestaltet werden rden. Ein Unrecht könne nicht durch ein Anderes wieder gut gemacht werden. Die Totenruhe solle eingehalten werden.

 

Ratsfrau Jamme unterstützt ebenfalls den Rückschnitt der Rhododendren. Es sei an der Zeit, den Ort zu einem Gedenk- und Lernort umzugestalten.

 

Herr Stachowskehrt aus, dass man mit den Mitteln von 2018 versuche, eine Unordnung der Vergangenheit neu zu ordnen. Wenn die Opfer damals identifiziert worden wären, hätte man auch genauer hinschauen müssen. Der Friedhof sei ein Begegnungsort. Überlebende, Angehörige, Kinder, Enkelkinder kämen jährlich, um den Ort zu besuchen. Sie hätten sich bisher sehr positiv über den Friedhof als Ort der Ruhe geäert. Es sei ein Platz zur Versöhnung. Aus den Gesprächen mit den Besuchern wisse er, dass ein Rückschnitt ausreiche. Den Hinterbliebenen sei es wichtiger, einen Ort der Begegnung zu haben, an dem auch Begegnung stattfindet.

 

Beigeordnete Schellmann fasst zusammen, dass die wichtigsten Punkte gesagt seien. Als Mitglied der Arbeitsgruppe erläutert sie, dass man von Beginn an versucht habe, alle Personengruppen einzubeziehen und was möglich sei auch möglich zu machen. Radikalmaßnahmen an den Rhododendren würde sie nicht gutheißen, Rasenflächen seien nachträglich nicht mehr herstellbar. In der Vergangenheit seien Fehler gemacht worden. Die Vergangenheit müsse man nun in die Zukunft tragen und mit den Lebenden in Verbindung bringen. Der Friedhof strahle bereits heute eine friedvolle Stimmung aus, man fühle sich gut aufgehoben. Erinnerung, Gedenken und Begegnung sei bei einer Entfernung der Rhododendrenwurzeln mittels Folien über Jahre nicht angemessen möglich. Die Umgestaltung solle nun endlich auf den Weg gebracht werden.

Diese Position wird von Ratsherrn Soldan geteilt.

 

Ratsherr Amri spricht sich ebenfalls für den Rückschnitt aus, und dass bald etwas passieren möge. Sofern der Kompromissvorschlag von Herrn Asmussen, die Zwischengänge begehbar zu machen, möglich sei, sollte man diesem nachgehen. Er erinnert an seinen Ergänzungsantrag, dass festgeschrieben werde, den Friedhof zu einem Lernort zu machen. Die Arbeit der Arbeitsgruppe solle in diesem Punkt offen und transparent gestaltet werden.

 

Stadtbaurätin Gundermann erwidert, dass von Beginn an Einigkeit über die Gestaltung als Lernort bestand. Die Historiker-Kommission werde sich damit beschäftigen und in den Gremien vortragen. Hinsichtlich des Kompromissvorschlags erläutert sie, dass zur Vermessung der Zwischenwege Suchschachtungen erforderlich wären.

 

Herr Mitschke, NABU, weist darauf hin, dass sich nach einem Rückschnitt der Rhododendren ein unansehnliches Bild von kahlen Ästen ergeben würde. Es sei besser, die Rhododendren bodennah am Stock abzuschneiden. Dies sei sehr schonend möglich. Später könnte die Fläche mit Bodendeckern oder Steingartenpflanzen bepflanzt werden.

 

Beigeordneter Blanck schlägt vor, zunächst den Rückschnitt durchzuführen. Evtl. könne man später noch nachbessern, ohne die Totenruhe zu stören. Man müsse verantwortungsvoll mit der Fläche umgehen. Der Gedenkstein, der einige falsche Angaben enthalte, sollte ersetzt werden. Die Begründung für den Austausch könne auf den Hinweistafeln gegeben werden.

 

Ratsherr von Mansberg stellt heraus, dass es um die Menschen von heute und den Umgang mit der Geschichte ginge. Man solle nicht versuchen, alte Zustände wieder herzustellen, sondern den Prozess der Veränderung des Ortes dokumentieren. Man solle sich auf die Menschen an diesem Ort konzentrieren.

 

Oberbürgermeister Mädge fasst die Wünsche und Anregungen in einem neuen Beschlussvorschlag zusammen.


Beschluss:

Der Kultur- und Partnerschaftsausschuss und der Ausschuss für Umwelt, Verbraucherschutz, Grünflächen und Forsten fassen einstimmig folgenden Beschluss:

 

Die Verwaltung wird beauftragt, die Umgestaltung des Friedhofs derart umzusetzen, dass

-          die Rhododendren zunächst fachgerecht auf ca. 50 cm Höhe zurückgeschnitten und erhalten werden,

-          die Grabreihen durch Pflasterbänder sichtbar gemacht werden,

-          der Vorplatz durch Stelen mit den Namen der Bestatteten in der Breite der Grabreihen abgegrenzt wird,

-          der Mittelweg in der Breite angepasst wird.

 

Sollte sich eine Möglichkeit ergeben auch die Wege zwischen den Grabreihen wiederherzustellen, ohne die Totenruhe zu stören, soll dies umgesetzt werden.

 

Der Platz zwischen den Gräbern und den Namensstelen soll sich als Versammlungs- und Lernort eignen.

 

Über die Gestaltung und die Texte der Gedenktafeln und Hinweisschilder wird der Kultur- und Partnerschaftsausschuss weiter beraten.


Abstimmungsergebnis:

 

   Ja-Stimmen:17

Nein-Stimmen:0

  Enthaltungen:0

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 TOP 4_Ehrenfriedhof Tiergarten UGFF 31.01.18_2 (2719 KB)