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Auszug - Resolution: "JA zu einem fairen und nachhaltigen Handel! TTIP, TISA und CETA stoppen - Transparenz schaffen - kommunale Selbstverwaltung schützen" (Antrag der Gruppe SPD/Bündnis 90/Die Grünen vom 03.06.2016, eingegangen am 08.06.2016)  

 
 
Sitzung des Rates der Hansestadt Lüneburg
TOP: Ö 9
Gremium: Rat der Hansestadt Lüneburg Beschlussart: ungeändert beschlossen
Datum: Do, 23.06.2016    
Zeit: 17:00 - 21:00 Anlass: Sitzung
Raum: Glockenhaus (Erdgeschoss)
Ort: Glockenstraße, 21335 Lüneburg
VO/6734/16 Resolution: "JA zu einem fairen und nachhaltigen Handel! TTIP, TISA und CETA stoppen - Transparenz schaffen - kommunale Selbstverwaltung schützen" (Antrag der Gruppe SPD/Bündnis 90/Die Grünen vom 03.06.2016, eingegangen am 08.06.2016)
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Antrag
Verfasser:Welz, Franziska
Federführend:01 - Büro der Oberbürgermeisterin Bearbeiter/-in: Welz, Franziska
 
Beschluss


Beratungsinhalt:

Ratsherr SRUGIS erläutert, warum die Themen TTIP, TISA und CETA erneut angesprochen werden müssen. Vor einem halben Jahr habe der Rat bereits eine Disposition verfasst. In der Zwischenzeit hätten sich etwa 400 Kommunen in Deutschland ähnlich ausgesprochen. Es gebe aktuelle Gründe, die eine erneute Resolution erforderlich machen würden. Einige Gutachten zu den Verträgen, wie zum Beispiel im Auftrag der Regierung Baden-Württembergs, des Bundeswirtschaftsministeriums oder auch im Auftrag der Regierung von Großbritannien warnen davor, diese Verträge zu beschließen. Beispielsweise käme die renommierte London School of Economics in ihrem Gutachten zu einem schlechten Urteil über TTIP. Das Abkommen berge viele Risiken und keinen oder nur marginalen Nutzen. Die erstellten Gutachten seien bewusst nicht veröffentlich worden. Erst durch Greenpeace seien sie bekanntgeworden. Die Qualität der Kommunikation über die Vertragsinhalte bestätige die negativen Befürchtungen. Öffentliche Kritik und Bedenken würden weder von EU-Stellen noch von der US-Regierung ernst genommen. Die Verträge können erhebliche Auswirkungen auf die Kommunen haben. In dem CETA-Gutachten heiße es, dass die Freiheit der Länder und Gemeinden, dem Bürger umfassende, effiziente und kostengünstige Leistungen der Daseinsvorsorge zu erbringen, durch die in CETA begründete Freiheit zur Niederlassung kanadischer Unternehmen berührt werde. Eine umfassende Freistellung von Dienstleistungen des Allgemeininteresses finde sich in CETA nicht. Es gebe unklare Regelungen, denen zufolge eine Kommune nicht in Bereichen tätig werden dürfe, in denen sie wirtschaftlich handle oder in denen es einen privaten Wettbewerb gebe. Was das für die Abwasser- und Abfallentsorgung, für die Krankenhäuser und die Grünpflege der Stadt bedeute, sei ungewiss. In diesen Bereichen gebe es diverse private Unternehmen, dennoch sei auch die Stadt hier tätig. Besonders problematisch seidie Re-Kommunalisierung von Servicebetrieben der öffentlichen Hand. Die Vorbehalte der EU und Deutschlands, seien laut Gutachten unzureichend. Auch der Investorenschutz finde sich noch immer in den Abkommen. Erume Klagemöglichkeiten ein, wenn jemand zum Beispiel die erwarteten Profitmöglichkeiten nicht realisieren könne, weil etwa umwelt-, verbraucherschutz- oder arbeitsrechtliche Gesetzesänderungen die Produktion bestimmter Güter beschränken oder den Einsatz bestimmter Produktionsverfahren vorschreiben würden. Einigen Meinungen zufolge könnte dies auch Fälle betreffen, in denen die Kommunen die Gewerbesteuer anheben oder eine Mietpreisbremse einführen will. Problematisch wäre auch die Tatsache, dass ein transatlantisches Gremium eine Vorprüfung für vertragsmäßige Gestaltung von Gesetzen, Verordnungen und Satzungen vornehmen werde, um diese auf Handels- und Investorenfreundlichkeit hin zu überprüfen. Dies könne zur Verhinderung von Gesetzesinitiativen, auch auf der kommunalen Ebene, führen. Das wiederum würde eine Aushebelung der entsprechenden Parlamente bedeuten. Die Öffentlichkeit erfahre von offizieller Seite zudem kaum etwas über die Verhandlungen oder deren Ergebnisse. Es bestehe ein breites Misstrauen gegen wirtschaftliche und politische Ideen, insbesondere denen der Europäischen Kommission, die weit von den Bürgern entfernt seien. Nun gebe es Versuche, die Regelung an den Parlamenten vorbei in Kraft zu setzen. Gegenüber anderslautenden Erklärungen, sollen die Verträge, laut der zuständigen EU-Kommissarin, als reine Handelsabkommen und nicht als sogenannte gemischte Abkommen bezeichnet werden. Das habe zur Folge, dass die nationalen Parlamente umgangen werden würden. Offenbar bestehen auf EU-Seite große Befürchtungen, dass es zur Ablehnung kommen könnte. Abschließend müsse betont werden, dass die Abkommen nicht die Demokratie und die Menschenreche, nicht Fairness oder Nachhaltigkeit stärken, sondern den Vorgang der Marktöffnung und Liberalisierung zu Lasten staatlicher Institutionen fördern würden. Der Rat der Hansestadt Lüneburg müsse Schaden von der Stadt abwehren. Aus Sorge um die Stadt seien TTIP, CETA und TISA abzulehnen.

 

Beigeordneter BLANCK erklärt, dass seine Fraktion die Abkommen ablehne. Deutschlandtte durch den Beschluss von TTIP einen Qualitätsnachteil. Er bezweifle, dass Waren günstiger würden, wenn TTIP beschlossen werde.  Lediglich große Konzerne werden davon profitieren.

 

Beigeordneter WEBERSINN kritisiert, dass die SPD diese Kritik an Freihandelsabkommen parteiintern an das Bundeswirtschaftsministerium weitergeben solle. Die CDU fühle sich dazu verpflichtet, sich dafür einzusetzen, dass solche Verhandlungen transparent geführt werden. Es sei wichtig, dass der Bürger mitgenommen und ihm erklärt werde, was für Chancen und Möglichkeiten existieren. Es müsse allerdings auch kommuniziert werden, was fehlgeschlagen oder verbesserungswürdig sei, damit dies geändert werden könne. Transparenz helfe allerdings nur, wenn sie auch tatsächlich angenommen werde. Als die Europäische Union die CETA-Unterlagen elektronisch bereitgestellt habe, hätten innerhalb eines halben Jahres nur rund 8000 Zugriffe stattgefunden. Im Internet sei festzustellen, dass viele die Kritik an TTIP, CETA und anderen Abkommen nutzenrden, um antizionistische und antisemitische Ideen versteckt zu transportieren. Die Resolution sollte zur klaren Abgrenzung hiervon ergänzt werden. Der Rat wolle nicht die Freundschaft mit den Amerikanern kritisieren, sondern lediglich die intransparente und unfaire Verhandlungsweise.

 

Beigeordneter PAULY kritisiert, dass Herr Webersinn die Kritiker der Abkommen in ein antisemitisches Licht rücke. Dies entziehe der berechtigten Kritik an TTIP und CETA die Legitimation. CETA und TTIP seien abzulehnen. Über die Wirksamkeit etlicher Resolutionen von Räten wolle er nicht reden. Die kommunalen Selbstverwaltungen bzw. die kommunalen Entscheidungen seien betroffen. Wenn sich Lüneburg als Kommune vorbehalte, bestimmte Standards zu setzen, die stets auch Zugangshürden darstellen, bestehe die Gefahr, dass diese Standards als Markthemmnisse beklagt werden könnten. Dies würde sodann außerhalb der normalen Gerichtsbarkeit, vor Schiedsgerichten mit Vertretern rein ökonomischer Interessen geschehen. Es sei nicht möglich, die getroffenen Entscheidungen zu revidieren und vor normale Gerichte zu ziehen. Es herrsche eine vollständige Abwesenheit der Rechtstaatlichkeit. An der SPD kritisiert er, immer dort gegen TTIP und CETA zu stimmen, wo es keine Entscheidungskompetenz gebe. Der Wirtschaftsminister, Mitglied der SPD, werbe bundesweit für TTIP und CETA. Die Linke werde der Resolution trotz zweifelhafter Wirkung zustimmen.

 

Beigeordnete SCHELLMANN entgegnet, dass es dem Rat nicht zustehe, sich mit Bundes- oder Europarecht auseinanderzusetzen. Das Abkommen könne Auswirkungen auf den Mittelstand, Verbraucher und Kommunen haben. Sie glaube nicht, dass nur die großen Konzerne von einem solchen Abkommen profitieren werden. Viele mittelständische Unternehmen, die in den USA Werke eröffnen wollten, würden wegen einer dortigen Klausel, die die Bevorzugung amerikanischer Projekte vorschreibe, auf TTIP warten. Das Abkommen würde bewirken, dass ihre Produkte dort zu den einheimischen Produkten gerechnet würden. TTIP solle nicht nur Zölle abbauen, sondern auch andere Handelshemmnisse wie beispielsweise doppelte Testverfahren. Der Gerechtigkeit halber müsse das neben den Problemen ebenfalls angesprochen werden. Zielführender sei es, die Probleme des Mittelstandes auf einem global agierenden Markt zu thematisieren. Stattdessen ranke sich die Debatte um Schlagworte wie Chlorhuhn oder Schiedsgerichte. Sie habe jedoch das Gefühl, dass der Wirtschaftsminister diese Dinge im Auge habe. Die ganze Diskussion zeige den Vertrauensverlust gegenüber der Bundesregierung, wie auch gegenüber EU und der Kommission, die nicht für kompetent genug gehalten werde, dort richtig zu entscheiden. Es gebe auch ein Vertrauensverlust gegenüber den USA. Durch die NSA sei zudem bewiesen worden, dass den Amerikanern die europäischen Bürgerrechte auf Selbstbestimmung gleichgültig wären. Daher habe sie große Bedenken. Die kürzlich durch Greenpeace veröffentlichten Dokumente zeigen, wie weit die Amerikaner von den Europäern, neben den bereits genannten Punkten, in zentralen Fragen entfernt seien. Das betreffe die öffentliche Auftragsvergabe, den Investoren- oder Verbraucherschutz, sowie die Einfuhr gentechnisch veränderter Nahrungsmittel. Sie sei der Auffassung, dass man der Bundesregierung diese Chance geben solle, im Sinne der Kommunen Deutschlands zu verhandeln (siehe Änderung gemäß Protokoll vom 28.10.2016).

 

Ratsherr KIESEL betont die Unumkehrbarkeit von TTIP. Bei jeder Änderung müssten alle Vertragspartner zustimmen, Deutschland alleine könnte aus dem Vertrag nicht wieder aussteigen. TTIP bedrohe die Kommunen und damit die Hansestadt Lüneburg. Das Abkommen erleichtere es Konzernen, auf Kosten der Allgemeinheit Profite zum Beispiel bei Wasserversorgung, Gesundheit oder Bildung einzufahren. Dabei würden Investoren die Möglichkeit erhalten, die Staaten vor Schiedsgerichten zu verklagen, wenn sie ihre Gewinnaussichten durch demokratische Beschlüsse verletzt sähen.

 

Ratsherr NEUBAUER betont die Bedeutung des verfassungsrechtlich verankerten Föderalismus. Dieser beinhalte die Gliederung des deutschen Staatsgebildes in Bund, Länder und Kommunen. Für Deutschland sei die kommunale Selbstverwaltung ein hohes Gut. Lüneburg als Kommune müsse deutlich machen, dass die Verhandlungen und vor allem die Verhandlungsergebnisse in die falsche Richtung gingen.

 

Beigeordneter WEBERSINN formuliert seinen Änderungsantrag zu der Resolution. An den letzten Satz der Resolution solle der Zusatz „Zugleich sprechen wir uns gegen die antiamerikanische und antisemitische Nutzung der Kritik an TTIP -, TISA- und CETA-Kritik aus.“ angehrt werden.

 

 

Beschluss:

Der Änderungsantrag des Beigeordneten Webersinn wird mehrheitlich mit 6 Gegenstimmen abgelehnt.

 

Der Antrag wird mehrheitlich bei einer Gegenstimme aus der Gruppe FDP/Piraten und einer Enthaltung aus der CDU-Fraktion angenommen.

 

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