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Stadträtin STEINRÜCKE stellt die anliegende Präsentation vor (Anlage 10). Sie betont, dass die Maßnahmen in den Unterkünften, wie z.B. ehrenamtliche Sprachkurse und Begleitung in der Stadt selbstverständlich für alle angeboten werden, die in den Unterkünften der Stadt untergebracht werden. Der Schwerpunkt werde jedoch auf die Menschen mit Bleibeperspektive gesetzt. Der große Bereich „Integration in Arbeit“ sei federführend vom Landkreis zu bearbeiten, unterstützend werde die Stadt in den Gremien intensiv mitberaten und -arbeiten. Zum Thema Ausbildung sei geplant, eine der Unterkünfte in ein Lehrlingsheim umzugestalten, um Flüchtlinge, die sich in einer Ausbildung befinden, besonders zu betreuen.
Ratsherr BÖGERSHAUSEN zitiert den Finanzhai Gordon Gecko aus dem Film „Wallstreet“ mit: „Gier ist gut, Gier ist richtig, Gier funktioniert“ aus dem Jahr 1987. Dieses theoretische Modell, nach dem alle Menschen konkurrierende Egozentriker und rationale Nutzenmaximierer seien, habe bisher zur Erklärung des Verhaltens der Menschen im freien Marktgeschehen, aber auch zur Rechtfertigung egoistischen Verhaltens in sozialen Beziehungen gedient. Der Kabarettist Christoph Sieber habe dazu folgendes bemerkt: „Es ist symptomatisch in unserer Gesellschaft, dass die Menschen, denen wir unsere Kinder anvertrauen, schlechter bezahlt werden als die, denen wir unser Geld anvertrauen“. Diesen homo oeconomicus habe vor allem die Wissenschaft mittlerweile weitgehend beiseitegelegt. Das Modell vereinfache und sei veraltet, habe die Professorin für Psychologie Tania Singer am Max-Planck-Institut für Neurowissenschaften an der Uni Leipzig gesagt. Ihre Forschungsergebnisse über die Bedeutung von Empathie, Mitgefühl und Fairness für Politik und Wirtschaft würden nachweisen, dass diese positiven Emotionen unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft und unsere Politik sozialer machen. Angesichts der globalen Probleme wie Klimawandel, Flüchtlingswanderungen und Terrorismus sei diese Erkenntnis nicht nur entspannend, sondern auch überlebenswichtig für unsere Gesellschaft. Die Idee zum Antrag sei folgerichtig aus den oben genannten Erkenntnissen entstanden: nach den Höhen und Tiefen der ersten Begegnungen müsse nun mit der Integration begonnen werden. Integration bedeute schließlich Sprache lernen, Ausbildung machen, Arbeit finden, Wohnung finden, den Alltag strukturieren, die Freizeit gestalten, soziale Beziehungen herstellen und pflegen – kurz: ein gutes Leben führen. In diesem Ziel stimme der Rat überein. Dazu bedürfe es einer gut strukturierten Kooperation, die dieser Runde Tisch leisten solle. Dazu zitiere er Jakob Augstein aus dessen Kolumne im Spiegel vom 8. Februar: „Wir dürfen nicht die Chance verpassen aus der Notlage einen Gewinn für Deutschland zu machen. Alle Anstrengungen müssen auf ein einziges Ziel gerichtet werden: dass aus den Flüchtlingen Bürger werden“. Dem könne er nur von ganzem Herzen zustimmen. Um den Runden Tisch würden sich Menschen versammeln, die dieses Ziel vor Augen haben und gemeinsam erreichen wollen. Deshalb bitte er darum, dem Antrag zuzustimmen.
Bürgermeisterin BAUMGARTEN bestätigt, dass dies ein richtiger Einstieg sei, um Integration vor Ort voranzutreiben. Bestätigung finde aber vor allem der von Stadträtin Steinrücke vorgetragene Plan zur Schaffung eines neuen Asylbereichs in der Verwaltung. Dies sei der richtige Weg, um die neuen Aufgaben zu bewältigen. Dieser Bereich solle dann sagen, wen er am Runden Tisch dabei haben möchte. Es sei fraglich, ob der Runde Tisch verordnet sein müsse oder ob nicht die Neuorganisation der Verwaltung ausreiche, um die entsprechenden Akteure bei Bedarf dazu zu holen. Für einen Runden Tisch, bei dem alle nur nett zusammen sitzen, sei die Zeit zu knapp, um die bevorstehenden Aufgaben zu lösen. Die Neuorganisation solle angegangen werden, um dann die Aufgaben mit den entsprechenden Mitarbeitern zu bearbeiten. Sie habe noch zwei Fragen dazu: zum einen, seien den Flüchtlingen bereits Beschäftigungsmaßnahmen analog zu den 1-Euro-Jobs angeboten worden, um sie an den Arbeitsalltag heranzuführen. Sie wolle gerne wissen, wie viele Personen daran bisher teilgenommen haben und wie viele davon dabei geblieben sind. Die zweite Frage beziehe sich auf die Qualifizierungsmaßnahmen in den Werkstätten. Sie erfragt, wie viele Personen diese Option wahrnehmen würden und wie viele Praktika sich daraus bisher ergeben hätten.
Stadträtin STEINRÜCKE antwortet, dass die Beschäftigungsmaßnahmen angefragt und angenommen werden würden. Es gebe mittlerweile 40 Stellen, allerdings auch eine hohe Fluktuation aufgrund der Anerkennungsquote. Anerkannte Personen würden die Beschäftigungsmaßnahmen aufgeben und an Integrationskursen teilnehmen, sowie Leistungen des Jobcenters beziehen. Die Sozialarbeiter der Stadt würden daran arbeiten, dass die Besetzung der Stellen nachhaltig gelinge. Bei der Maßnahme der Handwerkskammer stünden zunächst 15 Stellen zur Verfügung, diese sollen weiter aufgestockt werden.
Ratsherr SALEWSKI betont, der Runde Tisch solle arbeiten und nicht „nett zusammen sitzen“. Man brauche die gesellschaftlichen Akteure aus der Region, es könne nicht alles in die Verantwortung der neuen Verwaltungsabteilung gelegt werden. Deren Erfahrungen und Wissen seien notwendig, dazu würden ausdrücklich auch die Handwerker gehören. Er sei froh, dass der Druck nachgelassen habe, unter dem man überwiegend die Frage der Unterkünfte habe lösen müssen und Integration nur oberflächlich betrieben werden konnte. Der Antrag sei angelehnt an die Initiative „Niedersachsen packt an“. Allerdings sei er mit den Mitteln vor Ort umzusetzen. Es gebe genügend Akteure aus den Kammern, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden, die ihre Erfahrungen und ihr Wissen in diese Arbeit einbringen können. Der Kreistag habe am vergangenen Montag einen ähnlichen Antrag mit Mehrheit beschlossen. Man müsse die Akteure der Region zusammenbringen. Er habe den Eindruck, dass die Aktivitäten nicht immer koordiniert und geordnet stattfinden würden. Die neue Abteilung der Stadt könnte eine koordinierende Aufgabe übernehmen, es sei jedoch auch zu bedenken, dass diese noch andere Aufgaben zu erledigen habe. Mittlerweile gebe es rd. 1000 Flüchtlinge in der Region, die in Arbeit und Beschäftigung vermittelt werden könnten. Es sei zu bezweifeln, dass das Jobcenter dies in der gebotenen Intensivität leisten könne. Das Projekt der Handwerkskammer sei erfreulich, habe aber einen zu geringen Umfang. Es werde generell vieles in kleinen Einheiten angeboten, was zwar hilfreich sei, jedoch nicht das gesamtgesellschaftliche Problem löse. Bund und Land hätten bisher nichts Substanzielles vorgelegt, mit dem gearbeitet werden könne. Das Thema Unterbringung habe viel Geld gebunden. Die nächste große Aufgabe, die Integration, werde erneut hohe Kosten verursachen, weshalb Bund und Land auch diesbezüglich gefordert seien, die Umsetzung des Vorgebrachten mit finanziellen Mitteln zu unterstützen.
Beigeordneter PAULY erklärt, dass Thema Wohnen sei zwar geklärt, trotzdem müsse nun die dezentrale Unterbringung in den Fokus rücken. Richtig sei es zudem, eine Beschäftigungsgesellschaft zu gründen. Besonderer Dank gelte allen Ehrenamtlichen, die sich in der Flüchtlingsintegration engagieren. Er teile ein wenig die Befürchtung, dass der Runde Tisch substanzlos agieren könnte und zweifle, ob dadurch ein Mehrwert geschaffen werde. Der beste Weg zur Integration liege im Wohnen und in Lebensgemeinschaften von Deutschen und Nicht-Deutschen, da sich dies positiv auf den Spracherwerb auswirke. Gemeinschaftsunterkünfte halte er nichtsdestotrotz für eine gute Zwischenlösung. Für dezentrale und gemischte Unterbringung müsse qualitativ hochwertiger Wohnraum auf mittlerem und niedrigem Preisniveau geschaffen werden, wofür es neue Flächen brauche, wie z.B. An den Sandbergen, am Ebensberg und am Meisterweg. Die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes lasse sich aus seiner Sicht nicht vermeiden. Die Flächen brauche man für eine gemischte Wohnbebauung, um Flüchtlinge inmitten der Bevölkerung unterzubringen. In der Vergangenheit habe man Integration auch scheitern sehen bzw. unter erschwerten Bedingungen beobachtet, weil z.B. fast ausschließlich türkischstämmige Bevölkerung auf sehr dichtem Raum gewohnt habe. Wo das passierte, spreche die zweite Generation von Flüchtlingen teilweise schlechter Deutsch als die erste Generation. In Wohngemeinschaften gelinge das Mischen besonders gut, weil z.B. beim Zusammenwohnen mit Studenten der Kultur- oder Umweltwissenschaften Integration besser gelinge und liberale Werte besser erfahrbar seien. Hartz IV bzw. das Jobcenter sei nach eigener Erfahrung momentan ein großes Integrationshemmnis. Sein Mitbewohner sei gelernter Zahntechniker und habe ein Praktikum in diesem Bereich angeboten bekommen. Das Jobcenter bestehe allerdings auf die Beendigung einer Schulmaßnahme. Es müsse der Grundsatz gelten, dass die Integration von erwachsenen Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt Vorrang habe vor der formalisierten Bildung in Schulen – nirgendwo lerne man besser die Sprache. Dies gelte nicht für schulpflichtige, minderjährige Flüchtlinge.
Beigeordnete SCHELLMANN findet, dass die Überschrift „Lüneburg packt an“ ungeeignet für Lüneburg sei. Lüneburg habe bereits viel gemacht, der Titel passe eher zum Land Niedersachsen, welches sich im Gegensatz zu Lüneburg zu viel Zeit gelassen habe anzupacken. Nichtsdestotrotz unterstütze sie den Antrag. Sie erinnere an die vielen Anfragen des Oberbürgermeisters an Bund und Land zur Klärung der Flüchtlingsfragen und auch an die Anträge der FDP seit Ende 2014. Es habe bisher nur funktioniert, weil die Mitarbeiter der Stadt und viele Ehrenamtliche sich bis zur Belastungsgrenze eingebracht hätten und weiterhin einbringen. Dafür wolle sie sich ausdrücklich bedanken. Es sei richtig, alle angesprochenen Akteure – Jobcenter, Landkreis, Handwerkskammer, Agentur für Arbeit usw. – zur Einstellung auf die Integrationsherausforderung zusammenzubringen. Sie sehe den Runden Tisch auch kritisch, jedoch sei es wichtig zu vermeiden, dass Arbeit doppelt gemacht werde. Zielvorstellungen müssten abgeglichen werden, gerade im Sprachprogramm habe man festgestellt, dass alles aufeinander aufbauen und abgestimmt sein müsse. Die Erfahrungen anderer Länder, auch Bundesländer wie Schweden und Bayern, hinsichtlich der hohen Abbruchquoten bei der Ausbildung von Flüchtlingen solle man dabei beachten. Dies geschehe zum Teil auch deshalb, weil der Lohn für ungelernte Jobs attraktiver erscheine. Deshalb finde sie das Vorhaben der Stadt gut, eine intensive Betreuung der Auszubildenden anzubieten, um die Erfolgsaussichten zu verbessern. Bildungsexperten hätten festgestellt, dass auch bei syrischen Flüchtlingen mit tendenziell höherem Bildungsstand großer Förderungsbedarf bestehe. Das Erhöhen von Klassen- und Kindergartenplätzen reiche dafür nicht aus, das Land sei darum besonders gefordert. Es könne nicht sein, dass die Stadt die Kosten nicht erstattet bekomme. Bund und Land müsse mit Nachdruck klargemacht werden, dass Integration ohne finanzielle Unterstützung nicht zu leisten sei. Geld für Sprachförderung, ErzieherInnen, Lehrkräfte, vereinfachte Zugänge zum Arbeitsmarkt, sozialpädagogische Fachkräfte, mehr Polizei, neuen Wohnraum, Krippen-, Kita- und Schulplätze – dies sei erforderlich.
Beigeordneter BLANCK bedankt sich bei der Verwaltung für die Vorbereitung zu diesem Thema. Er habe jedoch das Bildungs- und Integrationsbüro in der Darstellung vermisst. Dieses sei beim Landkreis angesiedelt und seines Wissens von der Stadt und dem Land Niedersachsen mitfinanziert. Er wolle gerne wissen, inwieweit dort eine Schnittstelle geplant sei.
Stadträtin STEINRÜCKE antwortet, dass sie die Aufgabe der Arbeitsmarktintegration beim Landkreis, und das Bildungs- und Integrationsbüro dabei als Unterstützung, sehe. Das müsse jedoch letztlich der Landkreis entscheiden.
Oberbürgermeister MÄDGE informiert, dass vom Land eine Stelle finanziert werde, die die Sprache zum Schwerpunkt habe und bei der Volkshochschule (VHS) angesiedelt werde. Das Thema Arbeit und Sprache müsse parallel laufen und sei vor allem Aufgabe von ARGE, der Volkshochschule und der Unternehmen, insbesondere der Handwerksbetriebe. Das Bildungsbüro kümmere sich dann um die anderen Belange des Lebens.
Beigeordneter WEBERSINN erklärt, dass die CDU dem Antrag zustimmen werde, da sich für die Integration eingesetzt werde. Allerdings habe er Zweifel, ob ein Runder Tisch die optimale Lösung sei. Er erinnere an den Runden Tisch zur Zukunftsentwicklung der Universität, von dessen Ergebnissen oder positiven Auswirkungen bis heute nichts berichtet werden konnte. Ergänzend zum Beitrag von Ratsfrau Schellmann betont er, dass die Flüchtlinge vielfach Ausbildungen abbrechen würden, weil der Druck aus den Familien groß sei, Geld zu verdienen. Er sehe es als wichtig an die Integration zu fokussieren, habe aber Sorge, dass Integration insbesondere aufgrund der Sprachprobleme schwierig werden könnte. Das Sprachniveau „B2“ sei Voraussetzung, um Flüchtlinge in Ausbildung und Arbeit vermitteln zu können.
Ratsfrau SCHMIDT bezieht sich auf den Vortrag von Beigeordneten Pauly, der Wohngemeinschaften angesprochen habe. Sie halte dies für eine gute Idee und plädiere dafür, zunächst die Aufstockung von bestehenden Mehrfamilienhäusern in Betracht zu ziehen, z.B. durch den Ausbau von Dachgeschossen, bevor auf einer Fläche wie den Sandbergen neu gebaut werde.
Beschluss:
Der Rat der Hansestadt Lüneburg fasst einstimmig folgenden Beschluss:
Siehe Antrag der Gruppe SPD/ Bündnis 90/Die Grünen vom 10.02.2016.
(01 R)
Abstimmungsergebnis:
Ja-Stimmen: Nein-Stimmen: Enthaltungen:
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