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Auszug - Resolution: Transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP, CETA, TiSA) - Kommunale Selbstverwaltung schützen (Antrag der Gruppe SPD / Bündnis 90/Die Grünen vom 24.10.2014)  

 
 
Sitzung des Rates der Hansestadt Lüneburg
TOP: Ö 9.2
Gremium: Rat der Hansestadt Lüneburg Beschlussart: ungeändert beschlossen
Datum: Do, 20.11.2014    
Zeit: 16:00 - 20:10 Anlass: Sitzung
Raum: Huldigungssaal
Ort: Rathaus
VO/5938/14 Resolution: Transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP, CETA, TiSA) - Kommunale Selbstverwaltung schützen (Antrag der Gruppe SPD / Bündnis 90/Die Grünen vom 24.10.2014)
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Antrag
Federführend:01 - Büro der Oberbürgermeisterin Beteiligt:DEZERNAT II
Bearbeiter/-in: Kibscholl, Stefanie   
 
Wortprotokoll
Beschluss

Beratungsinhalt:

 

Beratungsinhalt:

 

Ratsherr SRUGIS begründet die Resolution der Gruppe SPD / Bündnis 90/Die Grünen, der sich die Fraktion Piraten Niedersachsen angeschlossen haben.

Die Resolution beschäftige sich mit TTIP (Transatlantic Trade and Investor Partnership), TiSA (Trade in Services Agreement) und Ceta (Comprehensive Economic and Trade Agreement). Es handle sich um Freihandelsabkommen, um den Handel auszuweiten und damit das Bruttoinlandsprodukt zu steigern.

Bei den transatlantischen Freihandelsabkommen gehe es um eine eklatante Verbesserung der Macht- und Wettbewerbsposition internationaler Konzerne gegen kleine und mittelständische Unternehmen, gegen Staaten und damit auch gegen Kommunen und gegen Verbraucher.

Die Wachstumsgewinne wisse niemand, es könne sogar ein Minus entstehen. So seien beim Nafta (North American Free Trade Agreement) Abkommen zwischen USA, Kanada und Mexiko die Wachstums- und Arbeitsplatzerwartungen bei weitem nicht erfüllt.

An Form und Inhalt der Vertragsverhandlungen sei aus Sicht der Kommunen deutlich Kritik zu üben. Dies habe z.B. auch der Deutsche Städtetag getan.

Zuerst sei die mangelnde Transparenz zu beklagen. Details werden nicht offengelegt und die Details über die Angleichung von Standards durch US und EU-Beamte sollen erst nach der Unterzeichnung der Vereinbarung getroffen werden.

Es werde neben der Abstimmung im EU-Parlament auch die Abstimmungen im Bundestag und Bundesrat zur Annahme oder Ablehnung des Vertrags gefordert.

Weiter dürfe die Organisationsfreiheit der Kommunen für die Daseinsvorsorge nicht beschränkt werden. So sollen z.B. die Trinkwasserversorgung, die Abwasserentsorgung, Sozialdienstleistungen, Kultur, Bildung, Krankenhäuser und vieles andere liberalen wettbewerblichen Regelungen unterworfen werden. Die kommunale Daseinsvorsorge müsse von Marktzugangsverpflichtungen ausgenommen werden.

Auch gebe es einen fragwürdigen Investorenschutz, der für Staaten mit ausreichendem Rechtsschutz vor nationalen Gerichten nicht notwendig sei. Die TTIP-Partner USA und EU haben eine ausreichende rechtsstaatliche Tradition, so dass es des Investorenschutzes nicht bedürfe. So enthalte z.B. das Ceta-Abkommen mit Kanada einen unbegrenzten Investorenschutz, was dazu geführt habe, dass der amerikanische Tabakkonzern Philip Morris gegen Australien vor einem privaten Schiedsgericht klage, weil sie bei ihrer Investitionsentscheidung vor 60 Jahren nicht absehen konnten, dass Australien in heutiger Zeit strenge Tabakgesetze beschließe, was nun ihre Profite schmälere.

Auch gefährdet sind Standards des Umwelt- und Verbraucherschutzes, da diese oft als nicht-tarifäre-Handelshemmnisse definiert werden. TTIP und TiSA dürfen demokratische legitimierte Standards nicht aushebeln. Das Recht der souveränen Staaten, eigene Umwelt- und Verbraucherschutzstandards zu definieren, müsse weiterhin gelten.

Im Interesse der Kommunen dürfen die Freihandelsabkommen so nicht verabschiedet werden, daher bitte er um Zustimmung zur Resolution.

 

Ratsherr POLS erklärt, dass die EU nichts anderes wie ein Freihandelsabkommen sei. Auch hier seien riesige Probleme für die deutsche Wirtschaft vorausgesagt worden, die nicht eingetreten seien. Im Gegenteil die deutsche Wirtschaft und die Arbeitnehmer haben sogar profitiert.

Die Ängste bzgl. der kommunalen Daseinsvorsorge seien unbegründet, worauf auch die EU-Kommission hinweise. Selbst wenn öffentliche Bereiche privatisiert werden sollen, behalte sich die EU das Recht vor, bestimmte Bereiche von der Liberalisierungsverpflichtung auszunehmen. So enthalte z.B. CETA keine Verpflichtung zur Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen.

Bzgl. des Investorenschutzes merkt er an, dass sofern Investoren mit kommunalen Verwaltungshandeln und Ratsentscheidungen nicht einverstanden seien, abgesehen von der schon bestehenden Verwaltungsgerichtsbarkeit kein außergerichtlicher Klageweg eröffnet werden dürfe. Nach einem Rechtsgutachten des Max-Planck-Institutes bleibe der durch CETA gewährte Investorenschutz hinter dem Schutz durch das Grundgesetz zurück.

Sollten bei gemischten Verfahren durch Inhalte die Zuständigkeiten des Bundesrates und/oder -tages betroffen seien, dann seien diese zu beteiligen.

TTIP müsse als Chance für die Wirtschaft und die Arbeitsplätze gesehen werden, auch bei teilweiser berechtigter Kritik. Die sozialpolitischen Errungenschaften wie Tarifverträge oder Mindestlohn stehen nicht zur Diskussion.

Bisher habe es 7 Verhandlungsrunden gegeben und noch kein Entwurf sei niedergeschrieben worden. Auch darüber habe ein Ratsmitglied sich zu informieren.

Er bittet darum, die Diskussionen weiter zu verfolgen und kritisch-konstruktiv zu begleiten, aber keine Hysterie zu verbreiten und Ängste zu schüren, da es der Sache nicht dienlich sei.

 

Ratsherr BARTELS betont, dass bei anderen Abkommen sichtbar sei, was die USA von ihren Versprechungen halte.

Von Deutschland werden Standards aufgegriffen, die von einigen US-Politikern als Probleme, die mit dem TTIP-Abkommen aus dem Weg geschafft werden, bezeichnet werden. Diese Standards seien Gesundheitsstandards und Rentenstandards, die wir alle schätzen gelernt haben.

Er kritisiere, dass die Verhandlungen größtenteils hinter verschlossenen Türen stattfinden. Trotzdem sei ihm zur Gerichtsbarkeit bekannt, dass vor einem Schiedsgericht verhandelt werden solle. Jedoch sei nicht klar, wer dem Schiedsgericht vorsitze und der Sitz befinde sich in den USA.

Unter diesen Bedingungen könne er sich nicht vorstellen, dass Deutschland einen Vorteil aus dem Abkommen habe. Auch wenn Deutschland keinen Nachteil haben sollte, was er stark bezweifle, werde ein Abkommen zugunsten der US-Wirtschaft geschlossen, was er ablehne. Daher spreche sich die Fraktion Piraten Niedersachsen für die Resolution aus.

 

Beigeordneter PAULY fragt, wie die SPD-Fraktion den Bundeswirtschaftsminister Herrn Gabriel mittragen könne, der federführend die Abkommen verhandle.

Aus einer Studie der Verhandlungsführer der EU-Kommission gehe hervor, dass TTIP hinter den Erwartungen zurückbleibe. So werde das Wirtschaftswachstum in 10 Jahren nur um 0,1% bis 0,2% zunehmen.

Weiter werden durch TTIP nicht nur europäische sondern auch US-Standards wie die Bankenregulierung gefährdet, d.h. demokratische Entscheidungen werden untergraben.

Als skandalös empfinde er die Verhandlungen zu TTIP hinter verschlossenen Türen. Die Verhandlungspartner haben nicht das Recht über die Legislative der beteiligten Länder hinweg zu entscheiden.

Nicht nachvollziehen könne er, dass die Gruppe SPD / Bündnis 90/Die Grünen sich für den Schutz vor Privatisierung von Wasser und Energie einsetze, da dies in der Hansestadt Lüneburg bereits durch das Mehrheitseigentum der EON privatisiert sei.

Die Fraktion Die Linke lehne TTIP ab und fordere, die Verhandlungen abzubrechen.

 

Ratsherr PLENER betont, dass die verhandelten Inhalte geheim seien, so dass die Ratsmitglieder sich nicht weiter bzw. besser informieren können. Die Inhalte dürfen auch nicht an Öffentlichkeit dringen, da sich die USA in einer Vorabklausel haben versprechen lassen, dass die Geheimhaltung selbst dann für 5 Jahre gewahrt werden müsse, wenn die Verhandlungen ohne Ergebnis abgebrochen werden. D.h. wer an den Verhandlungen teilnehme, wann und was besprochen werde, sei nicht bekannt.

Ein Freihandelsabkommen diene der Umgehung von Schranken, die sich aus den nationalen Organisiertheiten von Legislative und Exekutive ergeben. Kein nationales oder internationales Gericht sei in der Lage sich mit diesen Themen zu befassen, deshalb werde durch die interstaatliche Vereinbarung ein Sonderschiedstribunal geschaffen. Es gebe keine Möglichkeit die Entscheidung dieses Gremiums irgendwo gerichtlich überprüfen zu lassen. Mit der Unterzeichnung der Vereinbarung werde die verbindliche Unterwerfung eingegangen, dass bei einer Verurteilung die aufgelasteten Beträge gezahlt werden.

Freihandelsabkommen seien als probates Instrument für Staaten, die kein funktionierendes Rechtswesen haben, erfunden worden. Durch die Anwendung auf die heutigen entwickelten, europäischen Staaten werde jedoch die funktionierende Rechtskultur ausgehebelt.

Die Kommunen betreffend bedeute das Freihandelsabkommen, dass alle Bereiche, die jetzt noch in öffentlicher Hand seien, auch Eigenbetriebe, privatisiert werden sollen. Hinzukomme eine Unumkehrbarkeitsklausel, d.h. die privatisierten Bereiche können nicht mehr in die öffentliche Hand genommen werden. Ein Verstoß hätte hohe Strafen zur Folge.

 

Beigeordnete LOTZE vervollständigt, dass die SPD-Fraktion den Bundeswirtschaftsminister mittragen könne. Im Bundestag habe Herr Gabriel zu einer Debatte zu CETA und TTIP gesagt, dass es völlig klar sei, dass die Investitionsschutzabkommen abgelehnt werden. Er habe die EU-Kommission zu Nachverhandlungen aufgefordert.

Auch der Bundesjustizminister Herr Maas habe sich eindeutig gegen die Schiedsgerichte ausgesprochen und habe seine europäischen Amtskollegen aufgefordert, sich entsprechend zu engagieren. Ebenso habe sich EU-Kommissionspräsident Herr Junker ganz klar gegen Schiedsgerichte ausgesprochen. Die Handelskommissarin habe den Auftrag entsprechend nachzuverhandeln.

Auch sie sehe die Verhandlungen kritisch, jedoch seien diese noch nicht beendet. Die USA habe bereits mit anderen Ländern Abkommen geschlossen, in denen die Schiedsgerichte nicht Inhalt seien.

Beschluss:

Beschluss:

 

Die Resolution der Gruppe SPD / Bündnis 90/Die Grünen wird mehrheitlich bei 5 Gegenstimmen der CDU-Fraktion beschlossen.

 

(II)