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Auszug - "Resolution Steuersünder-CD"(Antrag der FDP-Fraktion vom 09.02.2010)  

 
 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Rates der Hansestadt Lüneburg
TOP: Ö 6.3
Gremium: Rat der Hansestadt Lüneburg Beschlussart: geändert beschlossen
Datum: Do, 25.02.2010    
Zeit: 17:00 - 20:40 Anlass: Sitzung
Raum: Huldigungssaal
Ort: Rathaus
VO/3579/10 "Resolution Steuersünder-CD"(Antrag der FDP-Fraktion vom 09.02.2010 )
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Antrag der FDP-Fraktion
Federführend:01 - Büro der Oberbürgermeisterin   
 
Wortprotokoll
Beschluss
Abstimmungsergebnis

Beratungsinhalt:

 

Beratungsinhalt:

 

Beigeordnete SCHELLMANN erklärt, dass sich die FDP-Fraktion in der Vergangenheit immer am Grundsatz orientiert habe, dass Bundesthemen im Rat der Hansestadt Lüneburg nichts verloren hätten, aber in diesem Fall zutiefst beunruhigt sei, mit welcher Leichtigkeit die ehrenden Grundsätze des Rechtsstaates beim Ankauf der Steuersünder-CDs verletzt würden. Die Diskussion über den Ankauf von gestohlenen Steuerdaten werde nicht redlich geführt. Der Staat sei verpflichtet, Straftaten zu verhindern und zu verfolgen, doch müssten diese Mittel legal sein. Steuerhinterziehung sei eine schwere Straftat und in der Vergangenheit zu milde geahndet worden, so dass eine Straferhöhung sinnvoll und erforderlich sei. Trotzdem seien die legalen Mittel der Steuerfahndung und Herstellung einer Steuergerechtigkeit noch nicht ausgeschöpft. Sie begrüße zwar den Druck auf Steuerhinterzieher zu einer Selbstanzeige, aber der Zweck heilige nicht die Mittel. Sie frage nach dem Preis, welchen der Staat für diese Maßnahmen zahle, wenn er gemeinsame Sache mit anderen Straftätern mache und weitere Nachahmer ermuntere.

 

Hier trete ein immenser Glaubwürdigkeitsverlust des Staates ein und sie bedauere zutiefst, dass immer öfter Maßnahmen des Staates erst durch das Bundesverfassungsgericht gestoppt würden.

 

Bürgermeister Dr. SCHARF bittet um Vorsicht bei einem Urteil über den Kauf der CD mit gestohlenen Bankdaten. Aus seiner Sicht gebe es viele Argumente für beide Positionen. Nachdenklich hätten ihn jedoch zwei Fakten gestimmt: Zum einen habe der Bundesfinanzminister sich klar für den Ankauf dieser CD ausgesprochen als auch nach reichlicher Überlegung die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg. Zum anderen habe bislang kein Gericht den Ankauf dieser CD untersagt. Des Weiteren vermisse er eine klare Stimme der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger. Ganz klar betone er, dass Steuerhinterziehung ein Verbrechen an der Gemeinschaft sei und der Staat diese Straftaten verhindern und unterbinden müsse.

 

Schlussendlich spricht sich die CDU-Fraktion für den Ankauf der CD aus, was auch im Resolutionsentwurf der Gruppe SPD/CDU ersichtlich sei.

 

Ratsherr SCHULTZ betont, dass die SPD im Rat der Hansestadt Lüneburg für soziale Gerechtigkeit stehe, auch für Steuergerechtigkeit. Jede Bürgerin und jeder Bürger müsse seiner Steuerpflicht nachkommen, nur so seien die sozialen Errungenschaften in Deutschland finanzierbar. Er spricht sich für den Ankauf der Steuerdaten-CD aus und habe kein Verständnis dafür, dass sich einzelne Personen der Steuerpflicht entziehen. Er appelliere an diese Personen im Rahmen einer Selbstanzeige, fällige Steuern nachträglich zu entrichten. Steuerhinterziehung sei kein Kavaliersdelikt, denn sie schade dem Staat und der Gesellschaft und bedarf somit einer gerechten Bestrafung. Die SPD-Fraktion vertraue auf den Bund und die Länder, dass diese beim Ankauf der CD dieses auf der Basis der Rechtsstaatlichkeit tun, der Staat muss handeln, schon allein im Interesse der Bürger.

 

Ratsherr RIECHEY tituliert den Antrag der FDP-Fraktion zu einer Resolution „Steuersünder-CD“ als abenteuerlich, könne jedoch die Änderungsanträge der GRÜNEN, SPD und CDU-Fraktion mittragen. Eine Steuerhinterziehung habe immer zwei Seiten: Die eine Seite sei die Schweiz, die durch die Steuern, die dort hinterzogen werden profitiere, die andere Seite sei das deutsche Steuersystem, nachdem jeder nach seinem Vermögen Steuern zahle und so das Gemeinwesen finanziert werde. Er weist darauf hin, dass der deutsche Staat bereits schon einmal vor 2 Jahren gestohlene Bankdaten angekauft hätte, was sich im nachherein durch Nachzahlungen mehrfach bezahlt gemacht habe. Damals sei die Rechtslage eingehend geprüft und kein Verwertungsverbot für solche Daten ausgesprochen worden. Man könne die Zahlungen eines Staates quasi als Belohnung für sachdienliche Hinweise bei der Aufklärung von Straftaten bezeichnen.

 

Er spricht sich kritisch über die Möglichkeit einer Absolution per Selbstanzeige aus, mit der Steuersündern straffrei entkommen könnten. Diese Art einer Spezialbehandlung gebe es im gesamten deutschen Strafrecht nicht. Schlussendlich fordere er, die Zahl der Steuerfahnder zu verdoppeln, um Steuerstraftaten und Hinterziehungen früher aufzudecken und ahnden zu können.

 

Ratsherr LUTHS bemängelt die von der Landeszeitung titulierte „Resolutionitis“, da es vor Ort wichtigeres zu tun gebe als sich über bundes- und weltpolitische Dinge als Rat der Hansestadt Lüneburg zu unterhalten. Er spreche sich ganz klar für eine Verfolgung von Steuerverkürzern und Steuerhinterziehern aus. Die Frage sei nur, mit welchem Aufwand dies geschehe und welche Grenzen dabei geachtet werden. Das Verfolgungsinteresse dürfe kein absolutes sein, derzeit ist der Staat dazu bereit, Datendiebstahl zu tolerieren und sogar zu honorieren. Er sehe die Gefahr, dass das Rechtsstaatsprinzip, dass u.a. keine gemeinsame Sache mit Straftätern gemacht werde, aufs Spiel gesetzt wird.

 

Beigeordneter BLANCK betont, dass in diesem Fall lediglich die Frage nach moralischer Rechtfertigung gestellt werden könne. Dort wo der Staat selbst nicht handelt, begehe er womöglich Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Der Staat müsse sich entscheiden, welchen Weg er gehen muss. Er sollte den Weg wählen, mit dem er noch am meisten Gerechtigkeit walten lassen kann, nämlich durch Bestrafung der Steuerhinterzieher, die die Gesellschaft entsozialisieren.

 

Ratsherr KUHN erinnert, dass ein ähnlicher Fall mit dem Ankauf einer Steuerdaten-CD bereits vor 2 Jahren im „Fall Liechtenstein“ geschehen sein und bis heute kein Gericht ein Verbot ausgesprochen habe, diese Beweismittel zu verwerten. Noch seien 57 % der Bürger für den Ankauf dieser CD. Er befürchtet jedoch, dass ein neuer Berufszweig entstehen könnte, der Datenklau.

 

Ratsherr SOLDAN stellt fest, dass Steuerhinterziehung ein Straftatbestand sei, der mit allen Mitteln eines Rechtsstaates stärker bekämpft und bestraft werden müsse. Jedoch habe bislang der Gesetzgeber nicht geklärt, ob der Ankauf von gestohlenen Steuerdaten im Ausland nach deutschem Recht zulässig sei. Die Regierung bewege sich in einer Grauzone. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet derzeit über die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme. Hierbei handelt es sich auch um ein ethisch-moralisches Problem. Mit dem Ankauf dieser Daten sei eine Grenze überschritten worden.

 

Ratsherr NEUBAUER weist darauf hin, dass der Rechtsstaat im Grundgesetz als demokratischer und sozialer Rechtsstaat verankert sei und nicht als ein klassischer liberaler Rechtsstaat. Das Legalitätsprinzip sei nicht die Grundlage für Entscheidungen eines Rechtsstaates, sondern der Rechtsstaat habe die Aufgabe, den Frieden, die Freiheit, die soziale Gerechtigkeit usw. zu sichern. Grundsätzlich schaffe das Rechtssystem in Deutschland allerdings Spannungsverhältnisse. Dies sei ein klassischer Fall eines Spannungsverhältnisses wo der Staat aufgerufen ist, mit Hilfe einer Güterabwägung sich zu entscheiden und sich diese Entscheidung nicht leicht mache, wie an anderen Beispielen: Finaler Rettungsschuss, Einsatz der GSG-9 im Ausland, Kronzeugenregelung, Abtreibung usw. zu sehen sei.

Ratsherr NEUBAUER hebt deutlich hervor, dass der Staat nicht mit anderen Kriminellen gleichzustellen sei, da er sich durch eine Straftat nicht bereichern wolle.

 

Ratsherr RIECHEY erinnert, dass es verschiedene Gesetzesinitiativen und Entwürfe gegeben habe, Steuerhinterziehungen zu erschweren, die aber am Bundestag abgelehnt wurden. Er fordere die Bundesregierung auf, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, in dem Bürger gar nicht erst die Möglichkeit hätten, Steuern zu hinterziehen. Außerdem müsse die Bundesregierung alle Mittel einsetzen, um Steueroasen im Ausland trocken zu legen.

Beschluss:

Beschluss:

 

Ratsvorsitzende THIELBÖRGER lässt zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen vom 16.02.2010 abstimmen:

Dieser Antrag wird gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis90/Die Grünen und der Fraktion DIE LINKE mehrheitlich abgelehnt.

 

Der Änderungsantrag der Gruppe SPD/CDU vom 16.02.2010 wird bei den Gegenstimmen der FDP-Fraktion mit folgendem Resolutionstext mehrheitlich angenommen.

 

„Für unseren Staat sind zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben die nach den Steuergesetzen zu entrichtenden Steuereinnahmen von existenzieller Bedeutung.

Insofern ist es nicht nachzuvollziehen, dass einzelne Bürgerinnen und Bürger sich dieser Pflicht entziehen, indem sie ihrer Steuerpflicht nicht nachkommen.

 

Wir richten an diesen Personenkreis in unserer Region den Appell, im Rahmen einer Selbstanzeige die fälligen Steuern nachträglich freiwillig zu zahlen.

 

Wir sind für den Ankauf der Unterlagen und haben volles Vertrauen darin, dass die im Zusammenhang mit den aktuellen Vorfällen in der Schweiz notwendigen Entscheidungen und Maßnahmen von den zuständigen Regierungen und Ministerien im Bund und in den Ländern auf rechtsstaatlicher Basis getroffen werden.“  

 

Der Ursprungsantrag der FDP-Fraktion vom 09.02.2010 wird gegen die Stimmen der FDP-Fraktion mehrheitlich abgelehnt.

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