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Beratungsinhalt:
Rechtsamtsleiter SORGER erinnert an den gestrigen Holocaustgedenktag und erläutert zunächst die Ausgangslage. Die Verwaltung prüfe die eingehenden Anträge auf Versammlungen und Umzüge kritisch. Nach den gesetzlich vorgeschriebenen Kooperationsgesprächen komme es regelmäßig dazu, dass Aufmärsche und Versammlungsgesuche abgelehnt würden. Regelmäßig folgen darauf Klagen und Eilverfahren mit dem Ergebnis, dass unter erheblichen Auflagen bestimmte Veranstaltungen doch stattfinden müssten. In den letzten Jahren seien 11 solcher Anmeldungen bei der Stadt aufgelaufen, 2 wurden vom Antragsteller zurückgezogen, die übrigen Anmeldungen wurden seitens der Stadt verboten.
Bei der dieser Anfrage zugrunde liegenden Entscheidung handele es sich um einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes ohne mündliche Verhandlung. Dabei ging es nicht um die Frage, wie oder ob man Parteien oder deren Aufmärsche verbieten könne, sondern es handelte sich um eine Einzelfallentscheidung zu einem Vorfall, den es in Wunsiedel gegeben habe, der Begräbnisstätte von Rudolf Heß. Gegen eine ablehnende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts war Verfassungsbeschwerde erhoben woren.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts befasse sich sehr ausführlich mit der Abwägung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG, mit der Strafbarkeit nach § 130 Abs. 4 StGB und dem Versammlungsrecht nach § 15 VersG. In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts heiße es, dass die Bürger rechtlich nicht gehalten seien, die in der Verfassung zugrunde gelegte Wertefestsetzungen persönlich zu teilen. Das Grundgesetz baue jedoch auf der Erwartung auf, dass die Bürger die allgemeinen Werte der Verfassung akzeptieren und verwirklichen, erzwinge jedoch keine Werteloyalität.
Das Bundesverfassungsgericht komme zu der Entscheidung, dass es unter rechtlichen Grundlagen keine Pauschalverbote für Aufmärsche geben könne. Unter ganz bestimmten Voraussetzungen wie etwa in Wunsiedel sei es jedoch rechtlich zulässig, Versammlungen zu verbieten.
Auf die direkte Frage, welche Anstrengungen die Hansestadt Lüneburg unternehme, um die beiden Nazi-Läden „HateCore“ und „BlackCrow“ zu verbieten, erwidert Rechtsamtsleiter SORGER, dass der Mietvertrag mit dem Laden „HateCore“ bereits ausgelaufen und nicht verlängert worden sei. Ergänzend führt er aus, dass man ohne weiteres ein Geschäft nicht verbieten könne. Auch solche Geschäfte unterliegen der Gewerbeordnung, die unter § 35 nur ein Verbot zulasse, wenn man eine Unzuverlässigkeit feststelle. Diese gewerberechtliche Unzuverlässigkeit, als unbestimmter Rechtsbegriff, ist z.B. dann gegeben, wenn man entweder mehrere einschlägige Straftatbestände begangen habe, seine Sozialabgaben oder Steuern nicht abführe. Dabei werde die Allgemeinheit und der Gewerbeverkehr geschützt, es gehe dabei nicht um eine politische Auffassung.
Auf die 2. Frage, welchen Stellenwert die Hansestadt Lüneburg zu künftigen Verbotsverfügungen bei Aufmarschbesuchen der Nazis beimisst, führt Rechtsamtsleiter SORGER aus, dass diesem ein hoher Stellenwert beigemessen werde. Die Hansestadt wird weiterhin bestrebt sein, Aufmärsche dieser Art mit allen rechtlichen Möglichkeiten zu verbieten. Des Weiteren weist er auf das Separierungsgebot hin, nachdem, wenn eine Versammlung durch ein Gericht als zulässig erklärt werde, die Polizei gemeinsam mit der Verwaltung die Lage einschätzen müsse und wenn zu dem Schluss gekommen wurde, dass die Innenstadt als Aufmarschroute ungeeignet sei, man zumeist in das Stadtgebiet hinter dem Bahnhof ausweichen müsse, so dass besonders in Hagen solche Aufmärsche dann durchgeführt werden müssten.
Abschließend ermuntere er dazu, sich die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durchzulesen, um die Abwägungsschritte nachvollziehen zu können.
Auf Antrag der Ratsfrau MAHLKE-VOß findet eine Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt statt.
Ratsfrau MAHLKE-VOß hofft, dass durch diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Erleichterung bei der Verbietung von Natziaufmärschen eintrete. Unerhört sei, dass gerade die Nazis das Recht auf Meinungsfreiheit per Gericht durchsetzen lassen obwohl jeder wisse, dass diese die Ersten sein würden, die diese Freiheiten abschaffen würden, wenn sie die entsprechenden Mehrheiten hätten. Auch die Marschrouten dieser Aufmärsche würden gerichtlich durchgesetzt werden, selbst wenn die Nazis nur Zweitanmelder seien. Glücklicherweise zeige die Bevölkerung der Hansestadt Lüneburg in beeindruckender Weise, dass sie diese Aufmärsche in ihrer Hansestadt nicht dulde.
Rechtsamtsleiter SORGER ergänzt, dass zunächst das Erstanmelderprinzip gelte und die Stadtverwaltung auf Zuruf mit der Polizei zusammenarbeite, die die polizeiliche Lage einschätze und bewertee. Von Seiten der Verwaltung müsse es beiden Lagern ermöglicht werden, von ihrem Grundrecht Gebrauch machen zu können. Außerdem bestehe die Schwierigkeit darin, dass Separierungsgebot bei ständig wechselnden Gefahrenlagen zu gewährleisten, um die Innenstadt, die Demonstrationsteilnehmer und unbeteiligte Bürgerinnen und Bürger zu schützen.
Bürgermeister Dr. SCHARF betont, dass es seit Jahren nie Dissens im Rat darüber gegeben hätte, dass man rechtsextremistischen Bestrebungen das Mögliche entgegensetzen müsse. Dies hat der Rat in mehrfachen Resolutionen zum Ausdruck gebracht. Dies gelte u. a. auch für linksextremistische Gruppierungen. Umso wichtiger sei es, diese Thematik in den Stadtteilläden, Kirchen, Schulen und Vereinen aufzuarbeiten und der Jugend den richtigen Umgang damit beizubringen. Er habe den Ausführungen des Rechtsamtsleiters Sorger entnommen, dass eine vom Bundesverfassungsgericht benannte Werteloyalität nicht einklagbar sei, so dass auch allen legalen Gruppierungen die demokratischen Grundrechte dieses Staates zu gewährleisten seien.
Beigeordnete LOTZE berichtet von einer Veranstaltung zum Internationalen Gedenktag zum Holocaust, die gezeigt habe, dass gerade das Erinnern wichtig für die heutigen Diskussionen sei. Es sei das Grundgesetz, dass es Jedem ermöglicht, seine Meinung frei zu äußern. Jedoch sei es genauso schwer zu ertragen, dass gerade extremistische Gruppierungen genau dieses Recht für ihre Zwecke ausnützen würden.
Gerade aber dies macht die Stärke einer Demokratie aus, wenn die demokratische Gemeinschaft wachsam bleibe. Sie fordere alle dazu auf, nicht den Kampf gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus nachzulassen, sondern geht davon aus, dass die Stadtverwaltung und die Gegner alles rechtlich Zulässige tun, diesem entgegen zu wirken.
Außerdem sei es richtig, dass die Museumslandschaft diesem Thema eine Ausstellung widmen werde. Sie berichtet von einem Bestreben in Berlin, wo sich die Bezirksverwaltungen zusammengeschlossen hätten, um einen „Mustermietvertrag“ zu entwickeln, der Vermieter schütze, wenn dieser im nachhinein feststellen würden, dass sie ihre Immobilien an extremistische Gruppierungen vermietet haben.
Ratsherr RIECHEY begrüßt, dass stets Resolutionen gegen Rechtsextremismus mit großer Einstimmigkeit verabschiedet wurden und findet es umso unangemessener, wenn die CDU zu diesem Tagesordnungspunkt Rechts- und Linksextremismus gleichsetzen wolle, da dieses der Würde des Themas nicht entspräche. Er wünsche sich mehr Fantasie von Seiten der Polizei und sonstiger Entscheidungsträger kreativen Aktionen gegen Rechts mehr Spielraum zu geben. Oftmals würden kritische Aktivisten mit massiver Polizeipräsenz entfernt. Als jüngstes Beispiel weist er auf die Festnahme der linken Bundestagsabgeordneten Dorothee Menzner hin, die mit mehreren Jugendlichen Plakate für Proteste gegen einen Naziaufmarsch in Dresden aufgehängt hätte und es daraufhin zu Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen von Plakaten des Bündnisses „Dresden nazifrei“ kam. Er erinnere, dass weder der Aufruf noch die Durchführung von gewaltfreien Sitzblockaden strafbar sei und oftmals auch hier als friedlicher Protest in „Sonntagsreden“ immer eingefordert werde, jedoch bei der Umsetzung andere Maßstäbe angesetzt würden. Dieses würde Bürgerinnen und Bürger diskreditieren, die aktiv gegen Rassismus und für Demokratie und Frieden eintreten. Da Faschismus keine Meinung, sondern ein Verbrechen sei, fordere er auch ein erneutes NPD-Verbotsverfahren durchzusetzen. Er ruft alle Ratsmitglieder dazu auf, am 13. Februar zu einer Gegenaktion zum jährlichen Großaufmarsch der Neonaziszene nach Dresden zu kommen. Zu dieser Aktion habe ein breites Bündnis aus Initiativen, Parteien, Gewerkschaften und Jugendverbänden aufgerufen.
Beigeordnete SCHELLMANN betont, dass nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und nach der Auslegung des § 130 StGB das Grundgesetz kein generelles Verbot der Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts rechtsfertige. Stattdessen vertraut das Grundgesetz auf die Kraft der freien Auseinandersetzung als wirksamste Waffe, auch gegen die Verbreitung totalitärer und menschenverachtender Ideologien. Dieses ist eine große Herausforderung für die Demokratie, da der Staat erst eingreifen dürfe, wenn Rechtsgüter angegriffen würden.
Ratsherr MEIHSIES meldet sich zur Geschäftsordnung, da er die Unterstellungen des Ratsherrn Riechey nicht akzeptieren könne, dass im Rat der Hansestadt Lüneburg politische „Sonntagsreden“ zu dieser Thematik gehalten würden. Für seine Fraktion weise er diese Behauptungen aufs Schärfste zurück.
Ratsherr SCHULTZ verbiete sich die unterschwelligen Behauptungen des Ratsherrn Riechey, dass Mitarbeiter der Verwaltung rechtes Gedankengut haben könnten, was alle Mitarbeiter verunglimpfe. Er bekräftige, dass der Rat der Hansestadt Lüneburg zu dieser Verwaltung stehe und fordere Herrn Riechey dazu auf, sich für diese Äußerung zu entschuldigen. Als Polizeibeamter könne er zudem versichern, dass kein einziger Polizist gern an solchen Veranstaltungen teilnehme, jedoch ist es die Aufgabe der Polizei, Recht und Gesetz Geltung zu verschaffen und sie sind per Gesetz dazu aufgetragen, solche Demonstrationsumzüge zu begleiten.
Beigeordneter DÖRBAUM betont, dass bislang eine sehr sachliche und ausgewogene Diskussion zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geführt wurde, welches ausgeführt habe, dass auch Gegner der Werteordnung leider das Recht haben, eine Versammlung abzuhalten. Die Verwaltung sei an Recht und Gesetz gebunden und verdiene keine diskreditierende Behauptungen und Unterstellungen von Seiten einzelner Ratsmitglieder. Er fordere Ratsherrn Riechey dazu auf, zukünftig solche Unterstellungen zu unterlassen, damit man sich künftig miteinander politisch ernsthaft auseinander setzen könne.
Ratsherr RIECHEY bittet darum, nicht wieder mit Anspielungen „unter der Gürtellinie“ in ein althergebrachtes Schlagmuster zu verfallen oder ihm ständig durch künstliche Entbrüstungen böse Unterstellungen in den Mund zu legen. Stattdessen solle man sich inhaltlich mit den Themen auseinander setzen und Stellung dazu nehmen, da es sonst unnötig den Umgangston verschärfe. Er habe niemanden explizit rechtes Gedankengut unterstellt, sondern mehr Kreativität und Fantasie von Entscheidungsträgern bei Genehmigung oder Nicht-Genehmigung von Veranstaltungen gewünscht. Er wünsche sich außerdem, dass Gegendemonstrationen, die immer wieder eingefordert würden, mehr Raum gegeben werde und habe Beispiele genannt, wo Gegenaktionen kriminalisiert wurden. Er erinnere, dass Sitzblockaden strafrechtlich nicht relevant seien und wünsche sich diese Thematik im konsensualen Ton der Würde der Sache entsprechend zu diskutieren.
Oberbürgermeister MÄDGE legt Wert auf die Feststellung, dass Rechtsauslegung nicht durch Fantasie erfolge, sondern im Rahmen der Gesetzgebung. Auch die Verwaltung der Hansestadt Lüneburg sei an Recht und Gesetz gebunden und danach handele sie. Wenn jemand behaupte, dass die Stadtverwaltung unterschiedliche Maßstäbe ansetze, könne dies jederzeit durch unabhängige Gerichte überprüft werden. In Absprache mit der Polizei würde dem Separierungsgebot gefolgt, um auch die Polizeibeamten zu schützen. Er könne zu Recht behaupten, dass keine Mitarbeiterin/kein Mitarbeiter der Stadtverwaltung mit Links- oder Rechtsradikalismus sympathisiere und danach eine Entscheidung auslege. Beschluss:
Der Rat der Hansestadt Lüneburg nimmt Kenntnis.
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