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Auszug - Umbenennung der Hindenburgstraße (Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 05.11.2009)  

 
 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Rates der Hansestadt Lüneburg
TOP: Ö 6.1
Gremium: Rat der Hansestadt Lüneburg Beschlussart: ungeändert beschlossen
Datum: Do, 26.11.2009    
Zeit: 17:00 - 20:00 Anlass: Sitzung
Raum: Huldigungssaal
Ort: Rathaus
VO/3471/09 Umbenennung der Hindenburgstraße (Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 05.11.2009)
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Antrag der Fraktion DIE LINKE
Federführend:01 - Büro der Oberbürgermeisterin Beteiligt:Bereich 41 - Kultur
    Fachbereich 4 - Kultur
 
Wortprotokoll
Beschluss

Beratungsinhalt:

 

Beratungsinhalt:

 

Ratsherr RIECHEY zitiert einen Leserbrief aus der Lüneburger Landeszeitung, in dem dargestellt wird, dass Straßennamen im Wesentlichen positive Vorbilder beleben sollen und keine Mahnstraßen darstellen, in denen mit erklärendem Untertitel Personen kritisch dargestellt werden. Somit sei aus seiner Sicht eine Straßenbenennung nach Hindenburg abzulehnen und somit diese Straße wieder in Gartenstraße umzubenennen. Parallel zur Hindenburgstraße sei auch die Adolf-Hitler-Straße benannt worden, so dass man, wenn einem die mahnende Funktion von Straßen am Herzen liege auch die Lindenstraße wieder zurück benennen würde mit einem mahnenden Untertitel.

 

Oberbürgermeister MÄDGE verbittet sich diese Aussage, da es eine Herabwürdigung der Opfer des Nationalsozialismuses sei.

 

Ratsherr RIECHEY zitiert die Aussagen vom Ausschussvorsitzenden von Mansberg: „In der Debatte sei jedoch auch deutlich geworden, dass die Straßennamen für eine kritische Würdigung historischer Umstände nicht eigneten, sondern die Würdigung einzelner Personen für ihr Handeln darstellen. So habe man es bisher gehalten und so solle man es auch künftig tun.“ Daraus schließe er, dass man keine Mahnstraßen wolle, sondern eine positive Würdigung von Personen. Des Weiteren zitiert er den Ersten Stadtrat im Kulturausschuss im März 2006, wo dieser ausführe: „Bei der beschlossenen Überprüfung der Lüneburger Straßennamen hätte sich neben der Carl-Peters-Straße und dem Werner-Janzen-Weg auch die Hindenburgstraße als problematisch erwiesen. Bei der Bedeutung der Straße und der Vielzahl der Betroffenen wäre eine Umbenennung allerdings wohl mit erheblichem Aufwand und Widerstand verbunden und sollte aus pragmatischen Gründen und auch weil Beziehungen der Familie Hindenburg zu Lüneburg bestehen nicht erfolgen.“

 

Ratsherr RIECHEY stellt klar, dass es keinen eigentlichen familiären Bezug Hindenburgs oder eines seiner Familienangehörigen zu Lüneburg gebe und somit eine Straßenbenennung nicht rechtfertige. Auch die empfohlene Literatur von Frau Dr. Reinhardt „Die Straßennamen Lüneburgs“ zeige keine familiären Beziehungen der Familie Hindenburg zu Lüneburg. Somit habe der Stadtrat im April 1947 zu Recht entschieden, dass Hitler und Hindenburg aus dem Lüneburger Stadtbild verschwinden. Aus den Protokollen der Rückbenennung der Straße 1952 sei abzulesen, dass es damals nicht auf die besondere familiäre Beziehung von Hindenburg zu Lüneburg ginge, sondern um eine politisch, motivierte Ehrung der Person.

 

Ratsherr von MANSBERG möchte sich lediglich inhaltlich zu dieser Sache äußern und verdeutlicht, dass eine Geschichtsbelehrung zur Person Hindenburgs nicht notwendig sei. Zur heutigen Zeit würde auch niemand auf die Idee kommen, eine Straße in Hindenburgstraße zu benennen. Die heutige Thematik sei jedoch eine Umbenennung einer bestehenden Straße. Er erläutert das Verfahren, das vor einiger Zeit zur Rückbenennung von zwei Straßen geführt habe. Im dritten Fall, der Hindenburgstraße, habe man sich mit großem Einvernehmen dagegen entschieden, diese Straße umzubenennen. Man müsse realistisch abwägen, was Nutzen, Sinn und Notwendigkeit einer Straßenumbenennung sei und welchen Grad von Zumutung den Anwohnern daraus erwächst. Derzeit sehe er wenig Anlass, diese Entscheidung zu revidieren, da auch keine neuen Erkenntnisse entstanden seien.

 

Bürgermeister Dr. SCHARF bittet um ein klein wenig mehr Bescheidenheit bei dem Umgang mit der deutschen Geschichte. Er gibt einen ausführlichen geschichtlichen Rückblick in die Zeit von 1918 und 1933 und deren Umstände aufgrund des dramatischen Kampfes um die politische Vorherrschaft in Deutschland. Nachweislich sei Hindenburg kein lupenreiner Demokrat und kein Militarist gewesen. Jedoch müsse man bei einer Betrachtung aus heutiger Sicht auch die historischen Umstände der damaligen Zeit beachten. Die sehr kontroverse Diskussion im Vorwege zum Antrag auf Umbenennung der Hindenburgstraße sehe er eine hervorragende Möglichkeit, sich mit der deutschen Geschichte auseinanderzusetzen und sich dazu zu bekennen.

 

Dass es sich bei der Person Hindenburgs und seiner Rolle in der Geschichte Deutschlands um eine zwielichtige handele, stehe auch für Ratsherrn VÖLKER außer Zweifel. Jedoch müsse man die Ereignisse im geschichtlichen Zusammenhang sehen. So habe ihm die Weimarer Verfassung das Recht zugestanden, am Reichstag vorbeizuregieren und Regierungen abzuberufen und einzuberufen, welches durch verschiedene politische Bestrebungen ausgenutzt wurde. Die ehemalige Stadtarchivarin, Frau Dr. Reinhardt, habe nach der Umbenennung von zwei Straßen die Hindenburgstraße ebenfalls als kritisch jedoch nicht als dringlich eingestuft, sodass eine Umbenennung nicht vorgenommen wurde. Er könne dem Vorschlag jedoch Sympathie abgewinnen, ggf. zukünftig die Überlegungen anzustellen, die Hindenburgstraße umzubenennen und mit einem verdienstvolleren Namen auszustatten.

 

Für Beigeordnete SCHELLMANN sei Hindenburg zwar eine umstrittene Persönlichkeit gewesen, jedoch zur damaligen Zeit, wo eine große Versplitterung im Reichstag ohne wirkliche Mehrheit vorherrschte auch eine Integrationsfigur gewesen, der man nicht, wie Carl Peters, menschenverachtende und kriminelle Machenschaften vorwerfen könne. Zum Ende seines Lebens habe er seine Entscheidung, Adolf Hitler, zum Reichskanzler zu ernennen, bitter bereut. Sie betont, dass die deutsche Geschichte sehr viele Facetten habe und diese nicht einseitig aus Sicht der Nachgeborenen betrachtet werden dürfe. Eine Umbenennung der Hindenburgstraße sei aus ihrer Sicht abzulehnen.

 

Nachdem die Ratsvorsitzende THIELBÖRGER Ratsherrn RIECHEY auf seine verbleibende Redezeit hingewiesen habe, äußert dieser sich kritisch dazu, dass sein vorheriger Redebeitrag mehrfach unterbrochen wurde und diese Zeit nun nicht angerechnet werde.

 

Ratsherr RIECHEY werfe die Frage auf, welchen Charakter Straßennamen hätten. Zum einen bestehe die Möglichkeit, mit einer Straße zu mahnen, zum anderen Personen zu würdigen. Am Beispiel der vor einem Jahr umbenannten Carl-Peters-Straße wurde ausgeführt, dass die weitere Beibehaltung dieses Straßennamens einer Würdigung der Person und Taten Carl Peters aus heutiger Sicht gleichkommen würden. Daher sei auch die Frage erlaubt, wo hier der Unterschied zur Hindenburgstraße zu sehen sei. Durch diese Diskussion habe er nicht beabsichtigt, die historische Aufarbeitung der Rolle Hindenburgs vorzunehmen, sondern nur die Argumente der Verwaltung ausgeführt, die zur damaligen Straßenumbenennung geführt hätten und dass die Hindenburgstraße nur aus rein pragmatischen Gründen nicht umbenannt wurde. Wollte man sich mit einer Person kritisch auseinandersetzen, müsse dort auch eine Gedenktafel mit kritischen Worten installiert werden. Er bittet darum, diese Thematik in den Kulturausschuss zu verweisen und dort ausführlich zu diskutieren.

 

Ratsherr NEUBAUER zitiert Ratsherrn Riechey, dass es „ein besonderer Skandal sei, dass mit Stimmen der SPD die Tradition der Nazis wieder aufgegriffen werde“. Diese Behauptung weise er mit großem Nachdruck und Deutlichkeit zurück. Außerdem sage er voraus, dass, soll es eine Mehrheit dafür geben, die Hindenburgstraße rückzubenennen, würden damit auch bei anderen Straßennamen sicherlich Begehrlichkeiten geweckt, da z. B. auch Goethe kein ausgesprochener Demokrat gewesen sei. Er stellt außerdem klar, dass die Verweigerung der Zustimmung zu diesem Antrag nicht automatisch eine postume Ehrung der Person Hindenburgs darstelle.

 

Oberbürgermeister MÄDGE schildert, dass in Deutschland aktuell immer wieder Diskussionen zur Umbenennung von Straßennamen aufkommen. So habe es eine Umbenennung einer Hindenburgschule gegeben, da die Ansichten Hindenburgs nicht mit den humanistischen Werten zu vereinbaren gewesen seien. Man könne sich jedoch nicht durch die Umbenennung von Straßen dem Umgang mit der eigenen deutschen Geschichte entziehen. So gebe es in Lüneburg einige Straßennamen, die durchaus kritisch geurteilt werden könnten; die Graf-Schenk-von-Stauffenberg-Straße, Blücher- oder Yorkstraße seien hier zu nennen.

 

Nach einem Zwischenruf des Ratsherrn Riechey fordert Oberbürgermeister MÄDGE ihn dazu auf, inständigst über sein Auftreten nachzudenken.

Beschluss:

Beschluss:

 

Der Rat der Hansestadt Lüneburg beschließt mehrheitlich bei 6 Gegenstimmen der Fraktion DIE LINKE und Teilen der Fraktion Bündnis90/Die Grünen sowie 4 Enthaltungen aus Reihen der Fraktion Bündnis90/Die Grünen folgenden Beschluss zu fassen:

 

Der Antrag wird abgelehnt.

 

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