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Frau Mahlke-Voss erklärt für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das zunächst einmal die vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist einzuhalten ist, wonach bis zum 31.12.2010 über die weitere Stellung der Job-Center entschieden sein muss. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen möchten die Job-Center grundsätzlich erhalten und hält eine Resolution auch auf kommunaler Ebene zum weiteren Erhalt der Job-Center für hilfreich. Im März 2009 hatte es auf Bundesebene bereits einen parteiübergreifenden Kompromiss innerhalb der damaligen Koalition gegeben, der aber nach kurzer Zeit und im Hinblick auf die bevorstehenden Bundestagswahlen wieder verworfen wurde. Die neue Bundesregierung verfolgt nun auch andere Ziele. Dringender Handlungsbedarf zur Schaffung des neuen gesetzlichen Rahmens ist allerdings notwendig.
Frau Güntner ergänzt, dass die Berliner Koalition nach Berichten der Koalitionsvereinbarung eine Trennung der Leistungen will. Sie bittet hierzu Herrn Passier um seine Einschätzung, wie der weitere Ablauf der Bearbeitung in den Job-Centern in Deutschland weitergehen könnte.
Herr Passier erläutert, dass das Zentrum für Arbeit und Grundsicherung (ZAG) bereits „Geschichte“ ist, da eine Verfassungsänderung ohne eine entsprechende Mehrheit geblieben wäre. Die bisherigen Pläne wurden daher wieder überarbeitet und die derzeitige Koalitionsvereinbarung sieht nun eine getrennte Trägerschaft in den Job-Centern vor. Diese getrennte Trägerschaft bezieht sich darauf, dass die Bundesagentur für Arbeit für die Geldleistungen und die Arbeitsvermittlung, die Kommunen für die Kosten der Unterkunft und die psychosoziale Betreuung zuständig sein werden. Die jetzige Arbeitsgemeinschaft zwischen der Agentur für Arbeit und dem Landkreis Lüneburg wird wegen der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes, wie auch in anderen Städten, über den 31.12.2010 hinaus keinen Bestand haben können.
In den 4 Jahren des Bestehens der ARGE resümiert er bisher eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Bediensteten der Bundesagentur für Arbeit (BA) und den kommunalen Mitarbeitern. Der Vorsitz in der ARGE wechselte jährlich, sodass die kommunalen Partner dadurch wesentlich auch an der Entscheidungsfindung für die Ausrichtung der ARGE beteiligt worden sind. Dass die Arbeitszahlen derzeitig trotz der aktuellen Wirtschaftskrise sinken, sieht er als Verdienst der Agentur für Arbeit, aber auch der ARGEn. So sind im Lüneburger Raum 2/3 aller Arbeitslosen in der Betreuung der ARGE (ca. 4.200 Fälle) und nur 1/3 in der reinen Bearbeitung der Agentur für Arbeit (ca. 1.800 Fälle).
Mit einer politischen Entscheidung der Trennung in zwei zuständige Bereiche ergibt sich auch eine Veränderung dahingehend, dass es zukünftig mindestens zwei zuständige Behörden geben wird. Dies wird einerseits der Landkreis bzw. die Stadt für die Kosten der Unterkunft und andererseits die Agentur für die Arbeitsvermittlung und die Regelleistungen sein. Vorstellbar wird auch zukünftig eine Bearbeitung unter einem Dach. Ein entsprechendes Raumangebot steht in der bisher durch die ARGE genutzten Räumlichkeit ggf. zur Verfügung. Zukünftig sind aber zwei separate Anträge bei zwei separaten Behörden zu stellen, was als Folge auch zwei unterschiedliche Bescheide hat. Insofern bleibt die Aufgabe an sich weiterhin bestehen und die 150 aktuell in der ARGE beschäftigten Mitarbeiter werden auch weiterhin benötigt, wobei 23 Mitarbeiter aktuell vom Landkreis bzw. der Stadt abgeordnet sind. Allerdings wird ein Vorlauf für die entsprechende Veränderung benötigt. Von einer gesetzlichen Änderung bzw. Neuregelung ist ca. im März oder April 2010 auszugehen. Dann werden ca. 20.000 Akten in zwei Bereiche getrennt werden müssen, was einen großen Verwaltungsaufwand bedeutet. Zudem sind auch edv-technische Fragen zu klären.
Herr Koch erläutert, dass es eine Zusammenarbeit der Agentur für Arbeit in zwei ARGEn in den Landkreisen Lüneburg und Harburg gibt. Die anfängliche Skepsis hat sich insgesamt nicht bestätigt. Er sieht einen Gesprächsbedarf, auch mit dem Landkreis, bei einer Trennung, da die Stadt bisher im Rahmen der Sozialleistungen grundsätzlich auf dem Stadtgebiet verantwortlich war und auch wieder werden wird.
In der Gründungsphase der ARGE gab es zunächst allerdings keine Einbeziehung der Stadt selbst, da die Entscheidung über die Bearbeitung des SGB II auf kommunaler Ebene grundsätzlich nur durch die Landkreise gesetzlich zugelassen wurde. Er bedauert die Verschiebung der Entscheidung über die Zukunft der Job-Center bzw. der ARGEn. Außerdem werden die Kommunen durch eine Regelung der Beurteilungsquote des Bundes an den Wohnkosten mit bundesweit 2 Milliarden Mehrkosten belastet. Künftig gibt es nur noch 23 % statt bisher 25 % Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft.
Frau Güntner verweist auf eine Tagung des Städtetages in Bochum und des Niedersächsischen Städtetages in Hannover, wo auch eine Software-Umstellung und eine Änderung der Bundesquote bei der Erstattung der Kosten der Unterkunft als sehr problematisch angesehen wurden.
Frau Mahlke-Voss weist darauf hin, dass die Resolution der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom Frühjahr 2009 ist. Sie hält daher eine Aktualisierung auch hinsichtlich der Wortwahl für notwendig. Festzuhalten wird auch sein, dass ein höherer Verwaltungsaufwand zu erwarten ist, der höhere Kosten nach sich zieht, aber den kommunalen Einfluss sinken lässt.
Herr Schäfer äußert Unverständnis, dass den fachlichen Vorschlägen des Städtetages und des Landkreistages nicht gefolgt werden soll. Es wäre sinnvoll die gewachsenen Strukturen zu erhalten. Allerdings hätte auch die bisherige Form der ARGE reformiert werden müssen. Der Einstieg in die Privatisierung der Vermittlung hat dort, seiner Meinung nach, bereits stattgefunden. Die Resolution der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sollte in dieser Art und in dieser Wortwahl so nicht beschlossen werden.
Frau Rudolph möchte die bisherigen Job-Center so nicht sichern, sondern eine neue Bundesregierung sollte nun schnell eine gesetzliche Neuregelung schaffen, damit entsprechende Klarheit über die weitere Zuständigkeit besteht.
Herr Zimmermann hält die Trennung der Sachbearbeitung in den zukünftigen Job-Centern für einen Rückschritt, selbst wenn eine Bearbeitung auch weiterhin unter einem Dach möglich bleiben sollte. Die Bürokratie ist bereits jetzt sehr groß und wird für die Antragsteller noch unübersichtlicher.
Herr Koch erinnert an die Zeit vor der Schaffung des Sozialgesetzbuches II. Früher gab es neben der Arbeitslosenversicherung noch die Arbeitslosenhilfe. Diese reichte allerdings häufig zum Leben nicht aus. Da es bis zu einer Bewilligung lange Bearbeitungsphasen und –abläufe gab, kam es zu Vorausleistungen der kommunalen Sozialhilfe und auch zu einem „Verschiebebahnhof“ zwischen den Kommunen und der Bundesagentur. So hatten die Kommunen seinerzeit ein sehr effizientes System der „Hilfe zur Arbeit“ aufgebaut. Insgesamt war diese Bearbeitung und damit Vorfinanzierung der Arbeitslosenhilfe aus kommunaler Sicht unbefriedigend. Die Neuorganisation mit dem SGB II sollte alles besser und schneller machen. Bereits damalig gab es bereits verschiedene Modelle. Ein Modell war die Arbeitsgemeinschaft, wie sie in Lüneburg derzeit besteht, daneben die Optionsmöglichkeit für eine begrenzte Anzahl von Kommunen und auch damalig bereits die getrennte Trägerschaft, wie sie beispielsweise in Uelzen oder Celle besteht. Es wurden zwar bereits Zahlen für eine Evaluation erhoben, diese sind aber in der politischen Diskussion auf Bundesebene kaum berücksichtigt worden. Die Stadt ist zudem doppelt betroffen, einmal über den Daseinsvorsorgeauftrag, den die Kommune hat, zudem über kommunale Ergänzungsangebote, wenn andere Sicherungssysteme nicht ausreichend funktionieren.
Herr Koch schlägt vor, den Städtetag zu unterstützen und/oder ggf. die regionalen Bundestagsabgeordneten einzubeziehen. Auf Bitte des Ausschusses schlägt er einen neuen Beschlussvorschlag vor. Dieser soll nach Möglichkeit in einer der nächsten Ratssitzungen zur Abstimmung gebracht werden. Der Beschlussvorschlag hat folgenden Wortlaut:
„Die Hansestadt Lüneburg befürwortet nach wie vor eine möglichst weitgehende Organisation der Hilfen für Arbeitslose nach dem SGB II aus einer Hand. Sie appelliert an Niedersächsischen Städtetag und Deutschen Städtetag, sich für eine rasche und verfassungskonforme Lösung einzusetzen, ggf. auch für eine Verfassungsänderung. Die Bundestagsabgeordneten der Region werden gebeten, dieses Anliegen zu unterstützen.“
Beschluß: Der Sozial- und Gesundheitsausschuss beschließt, der Rat der Hansestadt Lüneburg möge folgende Resolution beschließen:
Die Hansestadt Lüneburg befürwortet nach wie vor eine möglichst weitgehende Organisation der Hilfen für Arbeitslose nach dem SGB II aus einer Hand. Sie appelliert an Niedersächsischen Städtetag und Deutschen Städtetag, sich für eine rasche und verfassungskonforme Lösung einzusetzen, ggf. auch für eine Verfassungsänderung. Die Bundestagsabgeordneten der Region werden gebeten, dieses Anliegen zu unterstützen. Abstimmungsergebnis:
Der Beschlussvorschlag wird einstimmig angenommen |
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