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Auszug - Kreisumlage auf dem Prüfstand (Anfrage der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen vom 21.01.09)  

 
 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Rates der Hansestadt Lüneburg
TOP: Ö 5.1
Gremium: Rat der Hansestadt Lüneburg Beschlussart: zur Kenntnis genommen
Datum: Do, 25.06.2009    
Zeit: 17:00 - 20:10 Anlass: Sitzung
Raum: Huldigungssaal
Ort: Rathaus
VO/3184/09 Kreisumlage auf dem Prüfstand (Anfrage der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen vom 21.01.09)
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Anfrage d. Fraktion Bünd. 90/Die Grünen
Federführend:01 - Büro der Oberbürgermeisterin Bearbeiter/-in: Plett, Anke
 
Wortprotokoll
Beschluss

Beratungsinhalt:

 

Beratungsinhalt:

 

Stadtkämmerin LUKOSCHEK führt aus, die umfangreiche Anfrage im Rahmen eines Gesamtüberblicks zur Kreisumlage zu behandeln, da auf die vielen Einzelfragen am besten im Gesamtzusammenhang geantwortet werden könne.

Die Kreisumlage hat für das Jahr 2009 eine inzwischen bestätigte Höhe von 37,4 Millionen Euro. Im Haushaltsvolumen der Stadt Lüneburg schlägt sie mit knapp 18 % zu Buche. Im Vergleich der letzten fünf Jahre ist der Umfang der Kreisumlage – und damit die Belastung für den Haushalt der Stadt Lüneburg – kontinuierlich gestiegen. Von 9,9 % im Haushaltsjahr 2005 auf 17,7 % für den Haushaltsplan 2009. Der Hebesatz der Kreisumlage ist dabei mit einem Prozentsatz von 54,5 seit dem Jahre 1996 unverändert geblieben. Im Zeitraum von 2004 bis 2009 ist die Höhe der Kreisumlage dennoch um rund 12 Millionen Euro gestiegen. Legt man für die Entwicklung der Lebenshaltungskosten in diesem Zeitraum den Verbraucherpreisindex zugrunde, ergibt sich hier eine Steigerung von jährlich zwischen 1,5 und 2,8 Prozent. Die Entwicklung der Kreisumlage und der Lebenshaltungskosten kann man jedoch nicht in Relation zueinander betrachten. Im Haushalt des Landkreises werden Aufgaben abgebildet, für deren Erfüllung beim Landkreis ein bestimmter Bedarf entsteht, der unter anderem durch die Kreisumlage gedeckt wird. Die Deckung dieses Bedarfes hat nichts mit den Lebenshaltungskosten zu tun.

Seitens der Stadt wird seit Monaten über eine Senkung der Kreisumlage gesprochen, da man erkannt hat, wie hoch die eigene Belastung ist: Sie ist allein von 2008 nach 2009 um 4,2 Millionen Euro gestiegen, ein ganz erheblicher Betrag angesichts eines Haushaltsdefizits von zunächst erwarteten 7 Millionen Euro. Der Landkreis selbst begründet im Vorbericht zu seinem Haushaltsplan, dass eine Senkung der Kreisumlage nicht in Betracht kommt, da „sich die finanzielle Situation der Gemeinden insgesamt betrachtet nach wie vor erheblich besser darstellt als die des Landkreises“. Diese Einschätzung kann aus Sicht der Stadt Lüneburg im Hinblick auf das gegenüber dem des Landkreises deutlich höhere eigene Defizit nicht nachvollzogen werden.

Die dauernde Leistungsfähigkeit der umlagepflichtigen Gemeinden nach § 23 GemHKVO darf durch die Umlage nicht gefährdet werden. Im Rahmen der Haushaltsgenehmigung der Stadt Lüneburg für das Haushaltsjahr 2009 hat die Kommunalaufsicht allerdings festgestellt, „dass die dauernde Leistungsfähigkeit der Hansestadt weiterhin nicht gegeben ist“. Aufgrund dieser durch Zahlen belegten Einschätzung der Kommunalaufsicht kann die Stadt den Landkreis nur auffordern, diese Gefährdung zu beachten.

Der Hebesatz des Landkreises liegt mit 54,5 % höher als der Landesdurchschnitt, der gemäß Statistischem Landesamt mit Stand 2008 50,5 % betrug. Würde man diesen Durchschnittssatz auf Lüneburg anwenden, würde sich die Belastung der Stadt um 2,7 Millionen Euro verringern. Im Ergebnis macht somit 1 Prozentpunkt bei der Kreisumlage rund 700.000 Euro aus. Im tiefer gehenden Vergleich, heruntergebrochen auf die früheren Regierungsbezirke, zeigt sich, dass der Durchschnittssatz im Bezirk Lüneburg mit 52,9 % am höchsten ist, in Weser/Ems liegt der Durchschnitt dagegen bei nur 47,9 %. Dabei variieren auch die Prozentsätze der einzelnen Landkreise sehr stark, zwischen 37,0 % des Kreises Ammerland bis 58,8 % im Kreis Wesermarsch.

Im Zusammenhang mit dem Hebesatz der Kreisumlage muss man sich zunächst Gedanken über die Finanzierung des Landkreises machen. Ein Landkreis kann kaum eigene Einnahmen generieren, um die Kosten für die Erfüllung seiner umfangreichen Aufgaben zu decken. Landkreise decken ihren Finanzbedarf aus Zuweisungen und Umlagen Dritter, zu denen auch die Kreisumlage gehört. Im Haushaltsplan des Landkreises Lüneburg für 2009 machen die Zuwendungen und allgemeinen Umlagen als deutlich größte Position einen Anteil von beinahe 65 % am Gesamtvolumen der Einnahmen aus. Darin enthalten ist auch die Kreisumlage, die mit einem Betrag von 74 Millionen Euro für sich genommen einen Anteil an der Finanzierung des Landkreises von 38,9 % ausmacht. Am Gesamtbetrag der Kreisumlage von 74 Millionen Euro ist die Stadt Lüneburg mit 37,4 Millionen Euro, also einem Anteil von 50,5 % beteiligt. Daraus lässt sich ersehen, welche Herausforderung es für die Stadt darstellt, diesen Betrag aufzubringen.

Einige Aufgaben des Landkreises sind aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung zum Teil seit vielen Jahren auf die Stadt übertragen, im wesentlichen sind dies die Sozialhilfe, die Kinder- und Jugendhilfe sowie die Schulen des Sekundarbereiches I und II. Die Erfüllung und Abrechnung dieser Aufgaben regelt ein Finanzvertrag zwischen Stadt und Landkreis. Im Rahmen der Sozialhilfe beruht die Aufgabenerfüllung weitgehend auf gesetzlichen Vorgaben mit nur wenigen Spielräumen bei der Durchführung. Allein für den Bereich Sozialhilfe, Kinder- und Jugendhilfe besteht beim Landkreis nach dessen Feststellung ein Bedarf von etwa 58 Millionen Euro, der allerdings durch Zuweisungen von Land und Bund gegenfinanziert wird. Im Finanzvertrag zwischen Stadt und Landkreis sind sowohl Elemente der Spitzabrechnung – etwa für die anfallenden Sachleistungen – enthalten, als auch pauschale und prozentuale Erstattungen für die Sach- und Personalkosten. Diese Erstattungsregelungen, besonders bei den Pauschalabrechnungen, sind teilweise nicht mehr aktuell, Abschreibungen wurden – weil im kommunalen Bereich ganz neu – bisher nicht berücksichtigt. Aus diesen Gründen möchte die Stadt den Finanzvertrag dringend neu verhandeln und aktualisieren. Im Ergebnis ergibt die Abrechnung in diesem Bereich bisher ein Defizit für die Stadt, nicht alle anfallenden Kosten werden erstattet. Verhandlungen mit dem Landkreis sind aufgenommen worden.

Daneben nehmen Stadt und Landkreis auch einige kommunale Aufgaben gemeinsam wahr. Der Hansestadt Lüneburg sind – historisch gewachsen – Aufgaben zugeordnet, die von ihr, nicht zuletzt aufgrund ihrer Stellung als Oberzentrum, erfüllt werden. Dazu gehören Infrastruktureinrichtungen wie Bahnhof, Krankenhaus oder Museen. Diese Aufgaben erfüllt die Stadt auch für den Landkreis, der von diesen Einrichtungen partizipiert. Zu einigen dieser Aufgaben gibt es separate Vereinbarungen mit dem Landkreis zur gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung, etwa bei Theater, Volkshochschule oder Abfallbeseitigung. Ziel ist es dabei, Kosten und Aufwand, der durch die Aufgabenerfüllung entsteht, auf die Bürgerinnen und Bürger von Stadt und Landkreis je nach dem Anteil der jeweiligen Nutzung aufzuteilen. Dabei wird das angestrebte Ziel der Gleichstellung zwischen Stadt und Landkreis jedoch nicht erreicht, da der Aufwand des Landkreises, wie zuvor dargestellt, immer auch zu einem Teil durch die Kreisumlage gedeckt wird, die wiederum zu einem ganz erheblichen Teil von mehr als 50 % durch die Stadt aufgebracht wird. Über die Kreisumlage ist die Stadt daher immer auch noch zusätzlich an den vom Landkreis aufzubringenden Kosten beteiligt. Auf dieser Grundlage eine faire prozentuale Aufteilung im Rahmen der Kreisumlage zu errechnen, ist außerordentlich schwierig. Dies kann eigentlich nur für jede konkrete Aufgabe gesondert erfolgen.

An den Investitionen im Bereich Bahnhof oder Hafen, die die Stadt aufgrund ihrer Stellung als Oberzentrum erweitern will und muss, beteiligt sich der Landkreis, da er von diesen Verbesserungen der Infrastruktur ebenfalls profitiert. Diese Investitionszuweisungen helfen der Stadt, indem sich die eigene Kreditbelastung verringert. Investitionszuweisungen sind allerdings beim Landkreis zu aktivieren, wodurch Abschreibungen entstehen, die Aufwand darstellen, der wiederum über die Kreisumlage finanziert wird. Somit zahlt die Stadt auch hier einen erheblichen Teil wieder mit; eine für die Stadt unbefriedigende Lösung.

Der Landkreis muss aus Sicht der Stadt in den laufenden Verhandlungen würdigen, dass die dauernde Leistungsfähigkeit der Stadt nicht gesichert ist. Die Stadt darf nicht zusätzlich belastet werden durch Kreisaufgaben, die im eigenen Gebiet bereits selbst erledigt werden. Zudem bedarf der Lüneburg-Vertrag einer Überarbeitung und Entlastung, da wichtige Komponenten – wie etwa Abschreibungen – in ihm noch nicht berücksichtigt sind.

 

Auf Antrag des Beigeordneten LÖB erfolgt eine Aussprache.

 

Beigeordneter LÖB dankt für die tiefgreifenden Auskünfte. Wenngleich die Stadt Lüneburg eine große und starke Stadt sei, liege in diesem Bereich vieles schief. Es könne nicht angehen, dass alle Ausgaben, die Stadt und Landkreis gemeinsam haben, von der Stadt in gewisser Weise doppelt finanziert werden. Daher sei es nur gerecht, die Kreisumlage im Rahmen des Finanzvertrages einmal anzusprechen, um zu einer Entlastung zu kommen. Offen geblieben sei die Frage, ob es über diese Verhandlungen hinaus noch andere Wege gebe, um zu einer gerechteren Behandlung der Stadt zu kommen.

Wenngleich es nach oben hin noch ‚Ausreißer’ gebe, sei die Kreisumlage für die Stadt Lüneburg überdurchschnittlich hoch. Kreisumlagen über fünfzig Prozent gingen stets sehr an die Grenze der Leistungsfähigkeit einer Kommune. Hier bestehe ein ganz dringender Handlungsbedarf gerade vor dem Hintergrund, dass der Haushalt der Stadt nach den neuesten Berechnungen noch weitaus defizitärer wird, als ohnehin schon befürchtet. Bleibe es dabei, werde die Stadt über kurz oder lang nicht mehr handlungsfähig sein, man merke dies bereits jetzt an der Einschränkung der Kreditfähigkeit.

Man müsse versuchen, Wege zu finden, um Gemeinden, die heute finanziell noch gut dastehen, stärker in die Pflicht zu nehmen, etwa durch – sofern möglich – eine gesplittete Kreisumlage oder eine stärkere Entlastung der Stadt. Die Fraktionen werden die Verwaltung bei den Verhandlungen sicherlich unterstützen.

 

Ratsherr LUTHS stellt fest, dass es angesichts der Komplexität des Themas nicht so ohne weiteres möglich sei, eine Bewertung über die in der Anfrage angesprochene Ungerechtigkeit der Kreisumlage zu treffen. Zu jener Zeit, als die jetzige Kreisumlage verhandelt wurde, habe man die Verhandlungen möglicherweise aus heutiger Sicht etwas unglücklich geführt. Die Stadt befinde sich an diesem Punkt in einem Dilemma, da sie einerseits die bereits durch die Kommunalaufsicht infrage gestellte dauernde Leistungsfähigkeit sicher zu stellen habe, andererseits aber mit dem Landkreis Einigkeit über die Fortsetzung der vielen und durchaus positiven Kooperationen erzielen sollte. Diese sollte man nicht aufs Spiel setzen bei dem Versuch, möglichst viel für sich herauszuschlagen, auch die Interessen des Vertragspartners müsse man im Blick behalten. Man sollte die Entwicklung weiterhin konstruktiv begleiten. Er bitte die Verwaltung, den Rat darüber auf dem Laufenden zu halten.

 

Beigeordneter DÖRBAUM sieht die Politik gefordert. Man müsse die bisher geschlossenen Finanzverträge, deren aktuellster aus dem Jahre 1999 ist, auf den Prüfstand stellen. Diese Aussage könne man aufgrund der Darstellungen von Frau Lukoschek eindeutig treffen. Er appelliere an alle Ratsmitglieder, speziell an diejenigen, die gleichzeitig dem Kreistag angehören, gemeinsam zu versuchen, für Stadt und Landkreis einen Ausgleich zu finden.

Die dargestellten Zahlen und Daten sprechen eine eindeutige Sprache und machten deutlich, dass die Stadt mit der derzeitigen Situation nicht leben könne. Es sei dringend notwendig, schnellstmöglich an einen Tisch zu kommen und die Probleme fair und offen zu erörtern. Dabei nutzten öffentliche Vorwürfe wenig, vielmehr müsse eine gemeinsame Lösung im Vordergrund stehen. Die Notwendigkeit werde auch von dritter Seite festgestellt, etwa vom Deutschen Städte- und Gemeindebund, der in einem Positionspapier festgestellt habe, dass „angesichts bedenklich hoher und unentwegt steigender Kreisumlagen es geboten sei, das Verfahren der Festsetzung der Kreisumlage im Sinne der kreisangehörigen Gemeinden zu präzisieren“. Das dürfe jedoch nicht zu einer gespaltenen Kreisumlage führen, diesen Weg halte er für falsch. Man müsse für die vielen bereits genannten Leistungen der Stadt im infrastrukturellen Bereich akzeptable Regelungen treffen, vor allem was die Beteiligung des Landkreises am Betrieb der Kliniken angehe. Wie auch immer man diese Probleme zu lösen versuche, die Handlungsnotwendigkeit sei dringend.

Es könne nicht angehen, dass die Stadt ihren Haushalt mit einem Anteil von fast 18 % belasten müsse, um die Kreisumlage zahlen zu können. Die Anpassung an den Landesdurchschnitt brächte der Stadt einen Vorteil von rund 2,7 Millionen Euro, dies wäre eine Größenordnung, über die man deutlich reden müsse. Das werde er auch gegenüber der SPD-Fraktion im Kreistag vertreten, appelliere aber an die Vertreter aller Seiten, die Situation der Stadt klar herauszustellen. Die Stadt stelle als Oberzentrum herausragende infrastrukturelle Leistungen bereit und werde zusätzlich durch die Kreisumlage derart belastet, dass sie Schwierigkeiten habe, den eigenen Haushalt gegen zu finanzieren. Das sei Anlass genug, miteinender Verhandlungen zu führen auf der Grundlage der Präambel des Finanzvertrages von 1999.

 

Für Ratsfrau BRUNKE-REUBOLD ist dies angesichts ihrer Funktion sowohl im Stadtrat, als auch im Kreistag ein ganz besonders schwieriges Thema, wie kaum ein anderes. Sie könne sehr gut nachvollziehen, dass die Stadt Lüneburg durch die Übernahme anfallender Kosten, deren Deckung nicht gegeben sei, stark belastet werde und nachverhandeln wolle und müsse. Sie frage allerdings, welche Konsequenz die Aussage zu der vermeintlichen  mittelbaren Doppelfinanzierung der Aufwendungen für gemeinsame Aufgaben über die Kreisumlage haben solle. Die Kreisumlage sei nun einmal ein wesentliches Mittel, durch das der Kreis seine Einnahmen erhalte. Sie gebe zu bedenken, dass eine Senkung der Kreisumlage auch immer zur Folge habe, dass Gemeinden, die in der Lage seien, eine hohe Kreisumlage zu zahlen, dadurch ebenfalls entlastet würden.  Es stelle sich die Frage, ob daher nicht der Lüneburg-Vertrag das passende Mittel sei, um einen direkten Ausgleich zu schaffen.

 

Ratsherr SOLDAN dankt für die Darstellung der verworrenen Finanzverflechtungen zwischen Stadt und Landkreis. Dass die Verwaltung darauf bereits seit geraumer Zeit aufmerksam geworden sei, sei bereits in den letzten Haushaltsberatungen deutlich geworden, dafür habe es nicht mehr dieser Anfrage bedurft. Die Kommunalaufsicht habe der Stadt deutlich in die Haushaltsgenehmigung geschrieben, dass deren dauernde Handlungsfähigkeit nicht mehr gegeben sei. Angesichts dessen wundere es ihn, dass diejenigen Mitglieder des Stadtrates, die gleichzeitig dem Kreistag angehören, dennoch dort dem Haushalt des Landkreises – in dem die Kreisumlage festgelegt worden sei – zugestimmt haben. Nach den eben gehörten Ausführungen von Herrn Dörbaum könne er nur erwarten, dass dieser, wenn sich nicht noch gravierende Veränderungen ergeben, dem nächsten Haushalt des Landkreises nicht mehr werde zustimmen können. Es sei immer schwer, wie von Frau Brunke-Reubold dargestellt, zwei Herren gleichzeitig dienen zu müssen. Er hoffe, dass die Verwaltung eine Möglichkeit finde, den Lüneburg-Vertrag neu aufzustellen und damit auch die Arbeit jener Ratsmitglieder zu erleichtern.

 

Ratsherr MEIHSIES betont die besondere Aktualität des Themas, es sei eine brisante politische Frage, wie mit dem Lüneburg-Vertrag und der Kreisumlage umgegangen wird. Dies sei nicht einfach ein Geschäft der laufenden Verwaltung, sondern bedürfe einer politischen Einigung mit dem Landkreis, wie bereits Herr Dörbaum herausgearbeitet habe. Von 2005 bis 2009 habe die Stadt 156 Millionen Euro an den Landkreis für die Kreisumlage gezahlt. Dabei habe sich der jährliche Betrag von 25,5 auf 37,4 Millionen Euro gesteigert, ohne dass zugleich ein Aufgabenzuwachs beim Landkreis entstanden sei. Hierin liege die Ungerechtigkeit. Bei Geld höre die Freundschaft bekanntlich auf, das gelte nach Auffassung seiner Fraktion auch in diesem Fall. Es müsse eine ehrliche Aufschlüsselung der Aufgaben und des eingezahlten Geldes vorgenommen werden, damit sich die Stadt Lüneburg mit ihrem angeschlagenen Haushalt konsolidieren könne. Natürlich sitze man dabei teilweise auf zwei Stühlen und diene in der Tat zwei Herren, man müsse aber den Finanzvertrag als Gesamtgebilde sehen. Die heutige Anfrage sei eine gute Grundlage dafür, in eine gemeinsame Diskussion einzusteigen, da durchaus nicht jeder gewusst habe, was sich hinter der Kreisumlage im Detail verbirgt. Mit dem jetzt gleichen Wissensstand könne man in den Fraktionen das weitere Vorgehen beraten.

Er wünsche sich von Oberbürgermeister und Verwaltung, die Fraktionen nicht nur zu informieren, sondern sie aktiv in den Prozess einzubinden, indem aus jeder Fraktion ein Vertreter in eine Arbeitsgruppe entsandt werde. Der Landkreis sollte das gleiche Verfahren wählen, um deutlich zu machen, dass es um die partnerschaftliche Lösung von Problemen gehe, wobei die Partnerschaft in den letzten Jahren durch die hohen Zahlungen der Stadt Schlagseite bekommen habe.

 

Es sei, so Ratsherr RIECHEY, in der Darstellung klar geworden, dass auch der Landkreis für die Aufgabenerfüllung Einnahmen brauche und die Kreisumlage insofern ihre Berechtigung habe. Andererseits müsse deren Höhe aber auch im Verhältnis zu den Leistungen stehen. Fairerweise dürfe man nicht übersehen, dass der Hebesatz seit 1996 unverändert sei, wenngleich der Betrag für die Stadt seither stark angestiegen ist. Der Haushalt der Stadt sei nicht vollständig genehmigt, wichtige Investitionen seien gesperrt und zusätzlich eine pauschale 30%ige Haushaltssperre auf alle freiwilligen Leistungen ausgesprochen worden – an dieser Stelle müsse man überlegen, was beim Kreis ablaufe. Der Landkreis gebe teilweise horrende Summen für fragwürdige Prestigeprojekte aus, er erinnere an die Förderung des elitären Reitsportzentrums Luhmühlen mit Millionenbeträgen einschließlich der Landeszuschüsse. Diese Mittel fehlten etwa bei Schulturnhallen in der Stadt. Hier sei keine Ausgewogenheit mehr gegeben.

Es sei richtig, den Hebel zunächst beim Lüneburg-Vertrag anzusetzen. Er habe im Kreistag die kritischen Stimmen derjenigen Stadtratsmitglieder vermisst, die auch dort vertreten sind. Diese sechs Vertreter müssten deutlich machen, wie sie sich bei den nächsten Haushaltsberatungen im Kreistag bezüglich des Lüneburg-Vertrages verhalten werden. Er erwarte, dass man nicht im Stadtrat so spreche und im Kreistag anders.

Einige Lösungsansätze seien bereits angesprochen worden. Möglich sei eine Infrastruktur-Rückvergütung für die von der Stadt übernommenen Aufgaben, ebenso eine Einarbeitung der Doppik mit den daraus sich ergebenden Abschreibungsmöglichkeiten. Ferner könne man versuchen, die Doppelfinanzierung durch die Stadt bei Gemeinschaftsprojekten herauszurechnen.

Sehe man sich im Vergleich die Größe kreisfreier Städte an – Lüneburg war ja bis 1974 ebenfalls noch kreisfrei – so erkenne man, dass Lüneburg nach der demographischen Entwicklung zu schließen, beispielsweise die kreisfreie Stadt Delmenhorst in der Einwohnerzahl in einigen Jahren überholt haben dürfte. Dies könne man bei den Verhandlungen mit dem Landkreis möglicherweise als Faustpfand für eine bessere Position nutzen.

 

Bürgermeister DR. SCHARF hält Herrn Meihsies und Herrn Riechey entgegen, dass die gefährlichen Untertöne in ihren Beiträgen nicht weiterhelfen. Wer in beiden Gremien sitze, habe naturgemäß jeweils eine andere Perspektive. Wichtig sei es, sich über das Verfahren zu einigen. Er könne sich durchaus vorstellen, dass sich zunächst die Verwaltungsspitzen zusammensetzen, um ganz vorurteilslos die Problematik zu analysieren. Darüber könne in den Fraktionen berichtet werden, denkbar sei natürlich auch die Zusammenstellung eines gemeinsamen Gremiums. Gegenseitige Vorwürfe oder polemische Vorgehensweisen führten jedenfalls nicht weiter. Er könne bestätigen, dass auch im Kreistag und in der Verwaltung die Bereitschaft zu Verhandlungen durchaus gewachsen sei. Dazu müssten die Zahlen auf den Tisch kommen, um eine sachliche Analyse zu ermöglichen. Es werde sich dann sicherlich ein Weg finden, dass dargestellte Finanzproblem der Stadt Lüneburg etwas zu mindern. Zumal es ja nicht so sei, dass der Landkreis sich von vornherein zurückziehe, an der PCB-Sanierung an den Schulen – um nur ein Beispiel zu nennen – habe er sich beteiligt.

 

Beigeordnete SCHELLMANN möchte entschieden dem von Herrn Meihsies vermittelten Eindruck entgegen treten, als habe Oberbürgermeister Mädge die Situation völlig verschlafen. Vielmehr habe er bereits seit Jahren wiederholt auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam gemacht. Es bedürfe nicht erst der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, um die Probleme in Angriff zu nehmen. Die Komplexität des Themas, die sich durch die Abschreibungsproblematik in der Doppik noch gesteigert habe, sei jedem bekannt gewesen. Man möge sich nicht einbilden, dass die Fraktionen in einer Arbeitsgruppe auf die vielfältigen Details einwirken könnten. Sie erinnere nur an die intensive juristische Mitarbeit des früheren Bürgermeisters Hartwig am letzten Vertragswerk. Die Verhandlungen seien in erster Linie eine Aufgabe für die Verwaltungsspitze, politische Aufgabe sei es eher, dies zu begleiten. Sie bezweifle, an Herrn Dr. Scharf gewandt, dass man der Stadt gute Dienste leisten könne, wenn man der Diener zweier Herren ist, aus eigener Erfahrung könne sie beurteilen, wie schwierig diese Situation sei.

 

Oberbürgermeister MÄDGE merkt an, dass er nun bereits zum vierten Mal an Verhandlungen zum Lüneburg-Vertrag teilnehme. Nach seiner Auffassung sei der erste Vertrag aus den siebziger Jahren auch der beste gewesen, da man dort einen Teil der Kreisumlage behalten konnte, um zentrale Aufgaben zu übernehmen.

Er erinnere daran, dass das Haushaltssicherungskonzept der Stadt von der Kommunalaufsicht abgelehnt worden sei, da es keine konkreten Zahlen beinhalte. Nenne die Stadt aber im Vorwege konkrete Zahlen, brauche sie nicht erst Verhandlungen aufnehmen, da dies ihre Position entscheidend schwäche. Daher müsse man, wie schon beim letzten Mal, zunächst eine Bestandsaufnahme machen und anschließend mit der Politik Arbeitsgruppen bilden. Angesichts der Vielzahl der Fraktionen in Stadt und Kreis sowie der Hinzuziehung von Fachleuten aus der Verwaltung würden diese Arbeitsgruppen wiederum sehr groß und damit schwerfällig in ihren Verhandlungen, auch das müsse man bedenken.

Analysiere man die Aufgaben, müsse man neben den Kosten auch über Lastenteilung sprechen. Das gehe nicht mehr allein über Investitionszuweisungen, da die Anwendung der Doppik in diesem Bereich – wie von Frau Lukoschek ausgeführt – zu Ungerechtigkeiten führe.

Betrachten müsse man aber auch, in welcher gesteigerten Qualität die Stadt Lüneburg in manchen Bereichen Leistungen zur Verfügung stellen müsse, die in der Fläche des Landkreises in diesem Umfang nicht anfallen. Als Beispiel sei die Jugendhilfe zu nennen, die in guter Qualität nun einmal Geld koste, deren Qualität aber gleichwohl auf hohem Niveau gehalten werden müsse. Hierfür sei in der Stadt natürlich ein höherer Aufwand notwendig, als in den kleineren Gemeinden des Landkreises. Hier könne die Dienstaufsicht nicht einfach eine pauschale Kürzung der Mittel – etwa im Bereich der Betreuungsstunden – fordern, da die Stadt und ihre Mitarbeiter für die Folgen etwaiger Kürzungen in der Verantwortung stehen.

Dem Landkreis falle nach dem Gesetz eine Ausgleichsfunktion zu, es gelte, darum zu kämpfen, dass diese Funktion anerkannt werde. Durch die schwierige wirtschaftliche Situation werden auch dem Landkreis künftig Einnahmen in Millionenhöhe fehlen, das mache die Verhandlungen nicht einfacher. Die gegenseitige finanzielle Abhängigkeit von Stadt und Landkreis, weil Ausgabekürzungen bei dem einen zu Einnahmeverlusten bei dem anderen führen, müsse dem Innenministerium sehr deutlich dargestellt werden, um Berücksichtigung bei der Haushaltsgenehmigung zu finden.

Eine andere Möglichkeit wäre es, die dem Kreis obliegenden Aufgaben komplett an diesen zurück zu geben, wodurch die Kosten dann entsprechend dem Kreis zur Last fielen. Gleichwohl würde sich das natürlich wieder auf die Höhe der Kreisumlage auswirken und es wäre denkbar, dass dann eine gesplittete Kreisumlage mit einer höheren Belastung für die Stadt käme, wie es beispielsweise in Northeim geschehen sei.

Er halte es für den richtigen Weg, zunächst durch die Verwaltungsspitzen die Verhandlungen offen und partnerschaftlich zu führen und zu versuchen, zu einem ausgewogenen Gesamtpaket zu kommen.

 

Beschluss:

Beschluss:

 

Der Rat der Hansestadt Lüneburg nimmt Kenntnis.

 

(II, 14)