Bürgerinformationssystem
Beratungsinhalt: Beigeordneter BLANCK bedauert, dass in der Ankündigung
zu dieser Ratssitzung in der LZ sinngemäß gestanden habe, dass dieser Antrag
zwei Nummern zu groß für die Bühne des Rates der Stadt Lüneburg sei. Genau das
sei aber nicht der Fall. Extremistische Positionen seien auch in den Reihen der
Menschen muslimischer Herkunft verbreitet, so dass sich antisemitische
Einstellungen in Deutschland nicht nur am rechten Rand oder bei linken
Antiimperialisten finden. Alarmierend sei die durch Studien und Befragungen
gezeigte antisemitische Denkweise bei muslimischen Jugendlichen, die in
Deutschland zur Schule gegangen sind. Hierzu verweise er auf die jüngst
erschienene Studie der Amadeu-Antonio-Stiftung ‚Die Juden sind
schuld’, die sich insbesondere auf die kommunalpolitisch möglichen
Handlungsoptionen beziehe. Dabei sei es im wesentlich unerheblich, ob sich der
Antisemitismus eines Muslimen aus der Religion oder aus rassistischen
Vorurteilen speise, diese Spielart unterscheide sich nur in geringem Maße vom
linken oder rechten Antisemitismus unter Deutschen. Die Diskussion über den
konkreten ideologischen oder religiösen Hintergrund sei berechtigt und für die
Wahl geeigneter pädagogischer Gegenmaßnahmen vermutlich nicht unwichtig.
Unabhängig vom Ergebnis handle es sich in jedem Fall um Antisemitismus, den man
nicht dulden könne und schon im Ansatz bekämpfen müsse. Es stelle sich die
Frage, wie man antisemitischen Denkweisen bei Jugendlichen entgegenwirken
könne. Zum einen brauche man wirkungsvolle pädagogische Maßnahmen an Schulen,
wo im Ernstfall auch gegen das soziale Umfeld der Kinder und Jugendlichen
erzogen werden müsse. Zum anderen seien aber auch die Glaubensgemeinschaften und
deren Repräsentanten gefragt. Im Grunde sollte das Thema Antisemitismus in
jeder Kirche, jeder Moschee und bei jedem Verein auf der Tagesordnung stehen,
damit sich jeder mit ihm auseinandersetzen könne und müsse. Es gehe darum, ein
positives, glaubwürdiges Vorbild zu setzen. Dieser Rat könne sich durchaus
dieser Thematik annehmen und zum Ausdruck bringen, dass der Widerspruch gegen
die Vorfälle, der sich in Politik und Gesellschaft formiert habe,
gerechtfertigt sei. Er hätte begrüßt, wenn eine solche Resolution von allen
Fraktionen gemeinsam formuliert worden wäre. Die SPD sehe jedoch die lokale
Betroffenheit nicht in dem Maße, wie seine Fraktion. Letztlich sei es doch aber
so, dass das dritte Reich auch deswegen möglich geworden sei, weil zu viele
gesagt haben, es betreffe sie nicht. Deshalb bitte er den Rat, dieser
Resolution zuzustimmen um ein klares Signal gegen jede Art von Antisemitismus
zu setzen. Ratsherr RIECHEY erkennt zwar bei vielen
überregionalen Themen die Möglichkeit eines Brückenschlages zu lokalen
Anliegen, er halte es aber nicht für die Aufgabe des Stadtrates, sich zu
Äußerungen des Papstes zu erklären, auch wenn der Antrag inhaltlich richtig
sein möge. Er halte es auch für fraglich, ob der Papst seine wirren Gedanken
angesichts einer Resolution des Lüneburger Rates überdenken werde. Sollte die
Resolution heute insgesamt auf Zustimmung treffen, was er trotz allem gut
fände, kündige er an, selbst Resolutionen zu landes- und bundespolitischen
Versäumnissen oder diversen internationalen Themen zu stellen. Natürlich teile seine Fraktion die
Empörung über die Äußerungen des Holocaust-Leugners Williamson und die
unverständliche Reaktion des Papstes, dessen Exkommunikation aufzuheben. Im
Resolutionstext werde sich jedoch ausschließlich auf die antisemitische
Äußerung bezogen und die Judenvernichtung angeprangert. Dies sei ohne Zweifel
die schlimmste Tat der Nationalsozialisten, doch hätten auch andere Gruppen
unter deren Terrorherrschaft gelitten, so beispielsweise Sinti und Roma,
Behinderte, Kommunisten, Sozialdemokraten und Homosexuelle. Es sollte daher im
Resolutionstext auf alle Opfer des Nationalsozialismus Bezug genommen werden.
Zudem sollte man in der Resolution nicht bei der zum Ausdruck gebrachten
Empörung bleiben, sondern den Papst auch dazu aufrufen, sein Urteil zu
widerrufen, wenn der Rat sich wirklich ernsthaft mit dem Antrag befassen wolle.
Diese Änderungen für den Resolutionstext schlage seine Fraktion vor, der man
trotz fehlender Zuständigkeit aufgrund der Bedeutung des Themas zustimmen
werde. Ratsherr VON MANSBERG stellt klar, dass im Rat über die
Einstellung eines Holocaust-Leugners ohne Zweifel nicht diskutiert werden
müsse. Insofern teile man natürlich die Besorgnis, wenn eine solche Person von
einer Kirche scheinbar rehabilitiert werde. Er sage scheinbar, weil der
Sachverhalt komplizierter sei, als man in drei Sätzen darstellen könne. Zudem
wolle er sich mit Urteilen über ein Mitglied der katholischen Kirche
zurückhalten, da er selbst nicht deren Mitglied sei. Gleichwohl teile auch er
die Besorgnis. Die entscheidende Frage sei allerdings, wie man mit einer
solchen Besorgnis umgehen könne und welches Ventil man finde, um die Besorgnis
in eine Tat umzuwandeln. Hier habe man auch schon bei früheren Gelegenheiten
feststellen können, dass eine Resolution nicht unbedingt immer das richtige
Mittel darstelle. Er stelle die Frage andersherum, was man nämlich tun könne,
um die Erinnerung an die Verbrechen der Nazizeit wach zu erhalten. Nicht als
ständig wiederholtes Schuldeingeständnis, sondern um klüger zu sein im
gegenwärtigen und zukünftigen Handeln. Das schaffe man nicht durch
Resolutionen, sondern durch die Unterstützung derjenigen, die in unserer Region
solche Aktionen durchführten, dazu rufe er jeden auf. Er wolle nicht jede
einzelne Maßnahme nennen, aber Beispiele für unterstützenswerte Aktionen. So
befinde sich am Kalandhaus inzwischen eine Plakette, die auf die Geschichte
dieses Gebäudes hinweise. Er lade dazu ein, an den Veranstaltungen
teilzunehmen, die das Theater in der kommenden Spielzeit zu dem Stück
‚Nathan der Weise’ durchführe. Dabei werde es um das Verständnis
zwischen Religionen gehen. Politische Willenserklärungen seien gegenüber
aktiven Unternehmungen nur bedingt nützlich, zumal man sehe, dass auch diese
Diskussion zu politischen Scharmützeln tauge. Gerade solche könne man aber bei
diesem Thema, wie auch bei einigen anderen, nicht brauchen. Bürgermeister DR. SCHARF ruft dazu auf, ein wenig auf dem
Teppich zu bleiben. Das Thema Holocaust sei einfach zu ernst, um es eben mal in
zwei Minuten en passant einfließen zu lassen. Selbstverständlich habe jeder aus
den verschiedenen Medien entnommen, welch verschrobenen Ansichten die Sekte der
Piusbruderschaft nachgehe, das müsse nicht diskutiert werden, es spreche für
sich. Die Rolle des Papstes, über die man sich zunächst nur wundern konnte,
stelle sich wie folgt dar. Einerseits versuche der Papst natürlich, die Einheit der katholischen Kirche wieder
herzustellen, das sei auch seine Aufgabe und könne nachempfunden werden. Zum
anderen habe der Papst sich unmissverständlich in mehreren Reden eindeutig und
klar gegen jede antisemitischen Bestrebungen ausgesprochen. Daher halte er es
nicht für angebracht, dem Papst gute Ratschläge zu erteilen. Für ihn stehe
fest, dass dieser Papst auch weiterhin seine Stimme für Frieden, Gerechtigkeit
und Solidarität erheben wird. Dass innerhalb des Vatikans vielleicht manches
nicht richtig gelaufen sei, habe sicherlich jeder empfunden, es sei aber doch
nicht Aufgabe dieses Rates, darauf per Resolution zu reagieren. Beigeordnete SCHELLMANN vertritt ebenfalls die Meinung,
dass dieses Thema – bei aller Wichtigkeit – nicht in den Rat
gehöre. Das sicherlich berechtigte Anliegen, den Antisemitismus, der gerade in
anderen Religionen eine große Rolle spiele, zu bekämpfen, erreiche man nicht,
indem man dem Papst etwas wünsche, wie etwa hier die Kraft zum Brückenbau. Es
sei bekannt, dass der Papst den Brückenbau manches Mal schon versucht und
leider nicht immer ganz so ausgeführt habe, wie er es eigentlich wollte. Er
habe sich aber eindeutig zum Antisemitismus geäußert, auch die Bundeskanzlerin
habe hierzu bereits ihre Stimme erhoben. Man solle sich aber hüten, hier vor
Ort auch noch in das gleiche Horn zu blasen. So ernst das Thema sei, man müsse
es mit anderen Mitteln unterstützen, das habe Herr von Mansberg sehr deutlich
aufgezeigt. Eine Resolution des Rates sei da nicht angemessen. Beigeordneter BLANCK wirft ein, dass ihm natürlich
völlig klar sei, dass aufgrund einer Resolution aus Lüneburg niemand in Rom
aufstehen und sich zu einer Handlung gezwungen sehe. Das sei auch gar nicht
beabsichtigt, ebenso wie er keine Kritik am Papst formuliert, sondern ihm Kraft
gewünscht habe. Eine solche Formulierung sei in katholischen Kirchenkreisen
durchaus üblich und zulässig. Er habe in seinen Ausführungen zum Antrag ganz
explizit auf die unterschiedlichen Facetten des Antisemitismus hingewiesen, wie
er sich gerade in den muslimisch-extremistischen Kreisen immer mehr etabliere
und hoffähiger werde. Es sei gefährlich für unsere Zivilgesellschaft, wie ein
solcher Vorgang wie die Leugnung des Holocaust durch Richard Williamson und
dessen drei Tage später erfolgende Aufhebung der Exkommunizierung, in
bestimmten Kreisen als Signal aufgenommen werde, in denen man ohnehin schon
wenig bewegen könne. Genau deshalb sei man als gesellschaftlich engagierter
Mensch aufgerufen, an jeder Stelle den Mund aufzumachen und zu widersprechen.
Das sei der Hintergrund des Antrages. Beschluss: Der
Rat der Hansestadt Lüneburg lehnt den Antrag mehrheitlich mit den Stimmen der
Gruppe SPD/CDU und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis
90/Die Grünen und der Fraktion DIE LINKE ab. (01) |
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