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Auszug - Änderung der Geschäftsordnung des Rates - Rederecht (Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen vom 10.02.09)  

 
 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Rates der Hansestadt Lüneburg
TOP: Ö 7.3
Gremium: Rat der Hansestadt Lüneburg Beschlussart: abgelehnt
Datum: Do, 26.02.2009    
Zeit: 17:00 - 20:25 Anlass: Sitzung
Raum: Huldigungssaal
Ort: Rathaus
VO/3186/09 Änderung der Geschäftsordnung des Rates - Rederecht (Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen vom 10.02.09)
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Antrag d. Fraktion Bündnis90/Die Grünen
Federführend:01 - Büro der Oberbürgermeisterin Bearbeiter/-in: Plett, Anke
 
Wortprotokoll
Beschluss

Beratungsinhalt:

 

Beratungsinhalt:

 

Ratsherr MEIHSIES erläutert kurz die Regelungen des Rederechts nach der Niedersächsischen Gemeindeordnung, nach denen dem Hauptverwaltungsbeamten das Rechts zustehe, jederzeit zur Sache zu sprechen. In der jetzt laufenden Wahlperiode erlebe man jedoch ganz intensiv, dass der Oberbürgermeister von seinem Rederecht ausufernd und nicht nur zur Sache Gebrauch mache, sondern massiv in politische Debatten eingreife. Dabei bewerte er die Fraktionen über Gebühr dessen, was einem Hauptverwaltungsbeamten nach der NGO zustehe. Das Rederecht werde ausgeweitet, ohne dass man als Fraktion oder Einzelperson anschließend das Recht habe, auf erhobene Vorwürfe einzugehen. Man sei zum Schweigen verdammt, während der Oberbürgermeister politische Akzente setzen und im Zweifel seiner Fraktion zur Seite springen könne. Einen Antrag wie diesen habe seine Fraktion bereits zur konstituierenden Sitzung des Rates im November 2006 eingebracht, seither habe er festgestellt, dass sich der Oberbürgermeister nicht selbst diszipliniere und zurücknehme, sondern immer wieder eingreife und Sachinformationen mit politischen Meinungsäußerungen vermische. Den Rat interessiere jedoch die Sachaufklärung und nicht die politische Meinung des Oberbürgermeisters zu einem Thema. Damit stehle der Oberbürgermeister gleichzeitig den Fraktionen Redezeit in jenen zwei Stunden, die für die Behandlung politischer Anträge und Anfragen in jeder Ratssitzung zur Verfügung stehen. Das wolle seine Fraktion nicht weiter in dieser Form mitmachen. Sie hoffe gegenüber dem ersten Antrag nun auf eine Mehrheit, da die anderen Fraktionen ja seither mitbekommen haben, wie es im Rat laufe. Die Fraktionen müssten eine Erwiderungsmöglichkeit im Rahmen weniger Minuten zumindest auf parteipolitische Vorwürfe haben.

 

Ratsherr KUHN entgegnet, dass durch die beantragte Änderung der Redeordnung jede Fraktion eine zusätzliche Redezeit von zwei Minuten erhalte, die dann erneut vom Oberbürgermeister beantwortet werden könnte, wodurch wiederum eine weitere Runde an Redezeit für die Fraktionen eingeläutet würde. Das würde dazu führen, dass man mit wichtigen Themen überhaupt nicht mehr weiter käme, daher sollte dieser Antrag nicht weiter verfolgt werden.

 

Ratsherr NEUBAUER kann sich Zeitpunkt und Inhalt des Antrages nur mit dem ‚Superwahljahr’ 2009 erklären, in dem Herr Meihsies mehr Redezeit wünsche, um sich besser darstellen zu können. Ratssitzungen sollten aber nicht in erster Linie einzelnen Personen Möglichkeiten zur Selbstdarstellung geben, daher werde seine Fraktion den Antrag ablehnen. Die angelsächsische Politikwissenschaft analysiere politische Aspekte unter drei unterschiedlichen Gesichtspunkten, nämlich nach Form, Inhalt und Prozess. Hinsichtlich der Form solle die Geschäftsordnung sicherstellen, dass eine Sitzung zügig, konstruktiv und konsequent abläuft. Dieser Rat habe bekanntlich keinerlei Schwierigkeiten damit, Ratssitzungen mit Themen zu füllen, daher mache eine Verlängerung der Redezeit keinen Sinn. Vielmehr sei Qualität gefordert, die nichts mit Länge zu tun habe. Inhalte einer Ratssitzung werden durch die Tagesordnung bestimmt und durch die zu den Punkten gestellten Fragen, auch unter diesem Gesichtspunkt mache der vorliegende Antrag keinen Sinn. Interessanterweise wolle die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Geschäftsordnung nur im Bezug auf § 15 Absatz 4 ändern. Dahinter stecke, dass der Oberbürgermeister und die gewählten Beamten auf Zeit auf den einzigen Aspekt der sachlichen und rechtlichen Aufklärung reduziert werden sollen. Dadurch würden diese aber auf schlichte Zuarbeiter des Rates degradiert. Das sei politischer Unfug, der von seiner Fraktion grundlegend abgelehnt werde. Der Oberbürgermeister sei im übrigen Mitglied des Rates, ihm stünden daher in dieser Funktion die gleichen Rechte und Pflichten zu, wie allen anderen. Unter dem Strich bleibe aus dem Antrag nur die Erkenntnis, dass Ratsherr Meihsies und die Grünen den Konflikt suchten, sie wollten ein Sonderrederecht verbunden mit einer Extra-Redezeit für die exklusive Attacke gegen den Oberbürgermeister. Das mache seine Fraktion nicht mit.

 

Beigeordnete SCHELLMANN entgegnet, dass man diesen Antrag nicht so leicht nehmen sollte, indem man sage, dass es einfach nur um Selbstdarstellung gehe. Tatsächlich könne der Oberbürgermeister als Ratsmitglied nur einmal sprechen, als Hauptverwaltungsbeamter hingegen könne er immer das Wort ergreifen und zur Sache sprechen. Herr Mädge schildere sich als unparteiisch, wenn er aber in einer Situation – wie schon öfter geschehen – derart angreife, dass sich der Angegriffene in der Darstellung gar nicht mehr wiederfinde, müsse dem Betroffenen das Recht eingeräumt werden, vor der Abstimmung noch einmal sprechen zu dürfen.

 

Ratsherr RIECHEY unterstützt den Antrag, der seine vollste Zustimmung finde. Alle Ratsmitglieder unterlägen einer strikten Redezeitbegrenzung, die für die kleinen Parteien am kürzesten sei, während sich alle Mitglieder der Verwaltungsspitze unbegrenzt und nach Belieben äußern könnten. Wenn sie dabei jedoch wertende Stellungnahmen vorbringen, sollten die Ratsmitglieder darauf auch reagieren können. So bestehe etwa beim Tagesordnungspunkt ‚Informationen der Verwaltung’ keine Möglichkeit für die Ratsmitglieder, auf wichtige Themen zu reagieren, da es keine Aussprache gebe.  Insofern mache der Antrag durchaus Sinn. Warum verschließe sich die Gruppe SPD/CDU dagegen, den Antrag zumindest einmal auszuprobieren ? Stelle man dabei eine unerträgliche Verlängerung der Sitzungsdauer fest – was er nicht glaube – könne doch die Gruppe mit ihrer gesicherten Mehrheit die Geschäftsordnung wieder zurückändern. Er halte dies für eine wichtige Stärkung der demokratischen Kultur. Niemand, der an das Primat der Politik glaube, könne ein ernsthaftes Interesse daran haben, diesem Rat ein solches Recht zu verweigern. Der Rat solle nämlich die politischen Entscheidungen treffen, die die Verwaltung dann umsetze. Hier erscheine es ihm oft so, als wenn die Verwaltung die politischen Entscheidungen treffe, die dann im Rat von der Mehrheitsgruppe abgesegnet würden. Durch das konzentrierte Fachwissen einer in Vollzeit beschäftigten Verwaltung drohe natürlich die Entscheidungshoheit eines ehrenamtlich tätigen Rates ins Hintertreffen zu geraten. Das sollte nicht gleichzeitig noch durch eine Selbstzensur bei gleichzeitigem Redefreibrief der Verwaltung verstärkt werden. Wer gegen den Antrag der Grünen stimme, entmündige den Rat und sich selbst.

 

Ratsherr SOLDAN bringt einen Änderungsvorschlag ein. Er beantrage, die Geschäftsordnung dahingehend zu ändern, dass vor der Abstimmung jede Fraktion eine zusätzliche Redezeit von zwei Minuten erhalte, wenn der Oberbürgermeister oder ein Beamter auf Zeit geredet hat. Damit werde der ganze Prozess auf eine maximale Verlängerung von zehn Minuten begrenzt.

 

Ratsherr MEIHSIES findet diesen Vorschlag gut, der seine Unterstützung finde, zumal das angestrebte Ziel damit letztendlich auch erreicht werde. Er hoffe, dass dadurch beide Seiten nochmals diszipliniert werden, auch in der Umgangskultur miteinander. Das sei jedenfalls der Wunsch seiner Fraktion, insbesondere vor dem Hintergrund der Anfangsdebatte zur Schadstoffdiskussion, die plötzlich eine völlig unbeabsichtigte Richtung genommen habe, nachdem seine Fraktion sehr sachlich argumentiert habe. Es sei keineswegs um Schuldzuweisungen an die Verwaltung gegangen. An dieser Stelle habe sich einmal mehr gezeigt, dass die Atmosphäre im Rat einmal geklärt werden müsse, seine Fraktion hoffe, dass die beantragte Änderung der Geschäftsordnung dazu beitrage.

 

Erster Stadtrat KOCH hält es für zwingend erforderlich, nun doch das Wort zur sachlichen und rechtlichen Aufklärung zu ergreifen. Es bestehe offensichtlich immer noch ein Missverständnis, indem immer wieder zweierlei vermengt werde. Zum einen die Redezeit und ihre Begrenzung, zum anderen die Redeordnung, wer also an welcher Stelle sprechen dürfe. Die Redezeitbegrenzung habe sich der Rat bereits im Jahre 2001 selbst auferlegt, um die früher durchaus verbreitete politische Praxis der Filibuster, also der Ermüdungstaktik durch Dauerreden, zu unterbinden. Der Rat sei zudem nach § 25 der GO durch Beschluss in der Lage, von jeder Vorgabe der Geschäftsordnung abzuweichen, etwa wenn ein Thema für so wichtig gehalten wird, dass die Beschränkungen der Redezeit aufgehoben werden sollen. Die Redezeit des Oberbürgermeisters, der in doppelter Funktion im Rat sitze, könne hingegen nicht begrenzt werden. Dem stehe die Niedersächsische Gemeindeordnung entgegen, nach der seine Rechte als Hauptverwaltungsbeamter ganz bewusst und gewollt über seine Rechte als reines Ratsmitglied hinausgingen. Im Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen werde hingegen auf die Redeordnung eingegangen. Dem Oberbürgermeister und den anderen Beamten auf Zeit werde das Wort auch außerhalb der Reihenfolge der Wortmeldungen erteilt, dieses Recht könne durch die Geschäftsordnung – auch zeitlich – nicht eingeschränkt werden.

 

Beigeordneter DÖRBAUM dankt für die vertiefenden Ausführungen. Dem Antrag und dem Änderungsantrag könne er nicht folgen, weil dadurch der Redeumfang zu jedem Punkt wieder verlängert würde. Das habe man gerade vorhin bei der Diskussion über die Bodenproben wieder erfahren. Der Sachverhalt sei bereits vor drei Monaten geklärt worden, seither haben sechs Sitzungen des Bauausschusses stattgefunden, in denen sehr gut und ohne große Umstände die genommenen Bodenproben hätten übergeben und die Fakten genannt werden können. Stattdessen erfolgte die Übergabe jedoch populistisch in der Ratssitzung. Bringe der Oberbürgermeister seine Missbilligung eines solchen Verhaltens dann mit deutlichen Worten zum Ausdruck, sei dies sein guten Recht, das ihm sowohl als gewähltem Mitglied des Rates, als auch als Hauptverwaltungsbeamtem zustehe. Herr Mädge verstehe es, die Dinge auf den Punkt zu bringen und sachliche Klarheit zu schaffen. Er würde sich wünschen, aus dem Redeprotokoll einmal zu ermitteln, wer in den letzten Ratssitzungen die zeitlich umfangreichsten Reden gehalten hat. Er sei sich sicher, dass Herr Riechey das höchste Zeitkontingent aufzuweisen habe. Das sei ihm auch durchaus gegönnt, er bringe sich konstruktiv ein und versuche, etwas zu bewegen, gleichwohl müsse er feststellen, dass gerade Herr Riechey von seinem Rederecht in exzessiver Weise Gebrauch mache. Er könne nicht befürworten, wenn dieses Rederecht aufgrund des heutigen Antrages nochmals ausgeweitet würde. Er appelliere an jeden, bei sich selbst zu beginnen und zu prüfen, in welchem Umfang jeweils Beiträge sachdienlich seien. Fühle sich jemand persönlich betroffen, so besitze er auch ohne diesen Antrag mit der persönlichen Erklärung ein Instrument, nochmals das Wort zu ergreifen, was ja auch durchaus genutzt werde.

 

Beigeordneter BLANCK hält die Rededauer von Herrn Riechey durchaus nicht für verwunderlich, da die Fraktion nur aus zwei Personen bestehe, deren gutes Recht es sei, sich zu allen relevanten Themen zu äußern. Bei großen Fraktionen verteilten sich die Wortbeiträge hingegen naturgemäß besser. Das sei eine Selbstverständlichkeit und könne nicht als Argument gegen den Antrag herangezogen werden. Es gehe auch gar nicht darum, Rechte des Oberbürgermeisters zu beschneiden, sondern eine vermeintliche Sachaufklärung vor der Abstimmung noch einmal richtig stellen zu können. Genau diese Möglichkeit gebe es bisher nicht. Es sei des öfteren der Fall, dass der Oberbürgermeister als Hauptverwaltungsbeamter unter dem Mantel der Sachaufklärung das Wort ergreife, dann aber mit seinem Beitrag für Geschlossenheit in den Reihen der SPD-Fraktion sorge. Es wäre ein gutes Stück demokratischer Kultur, nach derartigen Einfällen auch eine Erwiderung durch die Ratsmitglieder zuzulassen.

 

Beschluss:

Beschluss:

 

Der Rat der Hansestadt Lüneburg lehnt den Änderungsantrag der FDP-Fraktion mehrheitlich mit den Stimmen der Gruppe SPD/CDU gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der FDP-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE ab.

 

Der Rat der Hansestadt Lüneburg lehnt den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mehrheitlich mit den Stimmen der Gruppe SPD/CDU gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion DIE LINKE bei Enthaltung der FDP-Fraktion ab.

 

(01/R)