Bürgerinformationssystem
Beratungsinhalt: Ratsherr MEIHSIES erläutert kurz die Regelungen des
Rederechts nach der Niedersächsischen Gemeindeordnung, nach denen dem
Hauptverwaltungsbeamten das Rechts zustehe, jederzeit zur Sache zu sprechen. In
der jetzt laufenden Wahlperiode erlebe man jedoch ganz intensiv, dass der
Oberbürgermeister von seinem Rederecht ausufernd und nicht nur zur Sache
Gebrauch mache, sondern massiv in politische Debatten eingreife. Dabei bewerte
er die Fraktionen über Gebühr dessen, was einem Hauptverwaltungsbeamten nach
der NGO zustehe. Das Rederecht werde ausgeweitet, ohne dass man als Fraktion
oder Einzelperson anschließend das Recht habe, auf erhobene Vorwürfe
einzugehen. Man sei zum Schweigen verdammt, während der Oberbürgermeister
politische Akzente setzen und im Zweifel seiner Fraktion zur Seite springen
könne. Einen Antrag wie diesen habe seine Fraktion bereits zur konstituierenden
Sitzung des Rates im November 2006 eingebracht, seither habe er festgestellt,
dass sich der Oberbürgermeister nicht selbst diszipliniere und zurücknehme,
sondern immer wieder eingreife und Sachinformationen mit politischen
Meinungsäußerungen vermische. Den Rat interessiere jedoch die Sachaufklärung
und nicht die politische Meinung des Oberbürgermeisters zu einem Thema. Damit
stehle der Oberbürgermeister gleichzeitig den Fraktionen Redezeit in jenen zwei
Stunden, die für die Behandlung politischer Anträge und Anfragen in jeder
Ratssitzung zur Verfügung stehen. Das wolle seine Fraktion nicht weiter in
dieser Form mitmachen. Sie hoffe gegenüber dem ersten Antrag nun auf eine
Mehrheit, da die anderen Fraktionen ja seither mitbekommen haben, wie es im Rat
laufe. Die Fraktionen müssten eine Erwiderungsmöglichkeit im Rahmen weniger
Minuten zumindest auf parteipolitische Vorwürfe haben. Ratsherr KUHN entgegnet, dass durch die
beantragte Änderung der Redeordnung jede Fraktion eine zusätzliche Redezeit von
zwei Minuten erhalte, die dann erneut vom Oberbürgermeister beantwortet werden
könnte, wodurch wiederum eine weitere Runde an Redezeit für die Fraktionen
eingeläutet würde. Das würde dazu führen, dass man mit wichtigen Themen
überhaupt nicht mehr weiter käme, daher sollte dieser Antrag nicht weiter
verfolgt werden. Ratsherr NEUBAUER kann sich Zeitpunkt und Inhalt des
Antrages nur mit dem ‚Superwahljahr’ 2009 erklären, in dem Herr
Meihsies mehr Redezeit wünsche, um sich besser darstellen zu können.
Ratssitzungen sollten aber nicht in erster Linie einzelnen Personen Möglichkeiten
zur Selbstdarstellung geben, daher werde seine Fraktion den Antrag ablehnen.
Die angelsächsische Politikwissenschaft analysiere politische Aspekte unter
drei unterschiedlichen Gesichtspunkten, nämlich nach Form, Inhalt und Prozess.
Hinsichtlich der Form solle die Geschäftsordnung sicherstellen, dass eine
Sitzung zügig, konstruktiv und konsequent abläuft. Dieser Rat habe bekanntlich
keinerlei Schwierigkeiten damit, Ratssitzungen mit Themen zu füllen, daher
mache eine Verlängerung der Redezeit keinen Sinn. Vielmehr sei Qualität
gefordert, die nichts mit Länge zu tun habe. Inhalte einer Ratssitzung werden
durch die Tagesordnung bestimmt und durch die zu den Punkten gestellten Fragen,
auch unter diesem Gesichtspunkt mache der vorliegende Antrag keinen Sinn.
Interessanterweise wolle die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die
Geschäftsordnung nur im Bezug auf § 15 Absatz 4 ändern. Dahinter stecke, dass
der Oberbürgermeister und die gewählten Beamten auf Zeit auf den einzigen
Aspekt der sachlichen und rechtlichen Aufklärung reduziert werden sollen.
Dadurch würden diese aber auf schlichte Zuarbeiter des Rates degradiert. Das
sei politischer Unfug, der von seiner Fraktion grundlegend abgelehnt werde. Der
Oberbürgermeister sei im übrigen Mitglied des Rates, ihm stünden daher in
dieser Funktion die gleichen Rechte und Pflichten zu, wie allen anderen. Unter
dem Strich bleibe aus dem Antrag nur die Erkenntnis, dass Ratsherr Meihsies und
die Grünen den Konflikt suchten, sie wollten ein Sonderrederecht verbunden mit einer
Extra-Redezeit für die exklusive Attacke gegen den Oberbürgermeister. Das mache
seine Fraktion nicht mit. Beigeordnete SCHELLMANN entgegnet, dass man diesen Antrag
nicht so leicht nehmen sollte, indem man sage, dass es einfach nur um
Selbstdarstellung gehe. Tatsächlich könne der Oberbürgermeister als
Ratsmitglied nur einmal sprechen, als Hauptverwaltungsbeamter hingegen könne er
immer das Wort ergreifen und zur Sache sprechen. Herr Mädge schildere sich als
unparteiisch, wenn er aber in einer Situation – wie schon öfter geschehen
– derart angreife, dass sich der Angegriffene in der Darstellung gar
nicht mehr wiederfinde, müsse dem Betroffenen das Recht eingeräumt werden, vor
der Abstimmung noch einmal sprechen zu dürfen. Ratsherr RIECHEY unterstützt den Antrag, der seine
vollste Zustimmung finde. Alle Ratsmitglieder unterlägen einer strikten
Redezeitbegrenzung, die für die kleinen Parteien am kürzesten sei, während sich
alle Mitglieder der Verwaltungsspitze unbegrenzt und nach Belieben äußern
könnten. Wenn sie dabei jedoch wertende Stellungnahmen vorbringen, sollten die
Ratsmitglieder darauf auch reagieren können. So bestehe etwa beim
Tagesordnungspunkt ‚Informationen der Verwaltung’ keine Möglichkeit
für die Ratsmitglieder, auf wichtige Themen zu reagieren, da es keine
Aussprache gebe. Insofern mache der
Antrag durchaus Sinn. Warum verschließe sich die Gruppe SPD/CDU dagegen, den
Antrag zumindest einmal auszuprobieren ? Stelle man dabei eine unerträgliche
Verlängerung der Sitzungsdauer fest – was er nicht glaube – könne
doch die Gruppe mit ihrer gesicherten Mehrheit die Geschäftsordnung wieder zurückändern.
Er halte dies für eine wichtige Stärkung der demokratischen Kultur. Niemand,
der an das Primat der Politik glaube, könne ein ernsthaftes Interesse daran
haben, diesem Rat ein solches Recht zu verweigern. Der Rat solle nämlich die
politischen Entscheidungen treffen, die die Verwaltung dann umsetze. Hier
erscheine es ihm oft so, als wenn die Verwaltung die politischen Entscheidungen
treffe, die dann im Rat von der Mehrheitsgruppe abgesegnet würden. Durch das
konzentrierte Fachwissen einer in Vollzeit beschäftigten Verwaltung drohe
natürlich die Entscheidungshoheit eines ehrenamtlich tätigen Rates ins
Hintertreffen zu geraten. Das sollte nicht gleichzeitig noch durch eine
Selbstzensur bei gleichzeitigem Redefreibrief der Verwaltung verstärkt werden.
Wer gegen den Antrag der Grünen stimme, entmündige den Rat und sich selbst. Ratsherr SOLDAN bringt einen Änderungsvorschlag
ein. Er beantrage, die Geschäftsordnung dahingehend zu ändern, dass vor der
Abstimmung jede Fraktion eine zusätzliche Redezeit von zwei Minuten erhalte,
wenn der Oberbürgermeister oder ein Beamter auf Zeit geredet hat. Damit werde
der ganze Prozess auf eine maximale Verlängerung von zehn Minuten begrenzt. Ratsherr MEIHSIES findet diesen Vorschlag gut, der
seine Unterstützung finde, zumal das angestrebte Ziel damit letztendlich auch
erreicht werde. Er hoffe, dass dadurch beide Seiten nochmals diszipliniert
werden, auch in der Umgangskultur miteinander. Das sei jedenfalls der Wunsch
seiner Fraktion, insbesondere vor dem Hintergrund der Anfangsdebatte zur
Schadstoffdiskussion, die plötzlich eine völlig unbeabsichtigte Richtung
genommen habe, nachdem seine Fraktion sehr sachlich argumentiert habe. Es sei
keineswegs um Schuldzuweisungen an die Verwaltung gegangen. An dieser Stelle
habe sich einmal mehr gezeigt, dass die Atmosphäre im Rat einmal geklärt werden
müsse, seine Fraktion hoffe, dass die beantragte Änderung der Geschäftsordnung
dazu beitrage. Erster Stadtrat KOCH hält es für zwingend erforderlich,
nun doch das Wort zur sachlichen und rechtlichen Aufklärung zu ergreifen. Es
bestehe offensichtlich immer noch ein Missverständnis, indem immer wieder
zweierlei vermengt werde. Zum einen die Redezeit und ihre Begrenzung, zum
anderen die Redeordnung, wer also an welcher Stelle sprechen dürfe. Die
Redezeitbegrenzung habe sich der Rat bereits im Jahre 2001 selbst auferlegt, um
die früher durchaus verbreitete politische Praxis der Filibuster, also der
Ermüdungstaktik durch Dauerreden, zu unterbinden. Der Rat sei zudem nach § 25
der GO durch Beschluss in der Lage, von jeder Vorgabe der Geschäftsordnung
abzuweichen, etwa wenn ein Thema für so wichtig gehalten wird, dass die
Beschränkungen der Redezeit aufgehoben werden sollen. Die Redezeit des
Oberbürgermeisters, der in doppelter Funktion im Rat sitze, könne hingegen
nicht begrenzt werden. Dem stehe die Niedersächsische Gemeindeordnung entgegen,
nach der seine Rechte als Hauptverwaltungsbeamter ganz bewusst und gewollt über
seine Rechte als reines Ratsmitglied hinausgingen. Im Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen werde hingegen auf die Redeordnung eingegangen. Dem
Oberbürgermeister und den anderen Beamten auf Zeit werde das Wort auch
außerhalb der Reihenfolge der Wortmeldungen erteilt, dieses Recht könne durch
die Geschäftsordnung – auch zeitlich – nicht eingeschränkt werden. Beigeordneter DÖRBAUM dankt für die vertiefenden
Ausführungen. Dem Antrag und dem Änderungsantrag könne er nicht folgen, weil
dadurch der Redeumfang zu jedem Punkt wieder verlängert würde. Das habe man
gerade vorhin bei der Diskussion über die Bodenproben wieder erfahren. Der
Sachverhalt sei bereits vor drei Monaten geklärt worden, seither haben sechs
Sitzungen des Bauausschusses stattgefunden, in denen sehr gut und ohne große
Umstände die genommenen Bodenproben hätten übergeben und die Fakten genannt
werden können. Stattdessen erfolgte die Übergabe jedoch populistisch in der
Ratssitzung. Bringe der Oberbürgermeister seine Missbilligung eines solchen
Verhaltens dann mit deutlichen Worten zum Ausdruck, sei dies sein guten Recht,
das ihm sowohl als gewähltem Mitglied des Rates, als auch als
Hauptverwaltungsbeamtem zustehe. Herr Mädge verstehe es, die Dinge auf den
Punkt zu bringen und sachliche Klarheit zu schaffen. Er würde sich wünschen,
aus dem Redeprotokoll einmal zu ermitteln, wer in den letzten Ratssitzungen die
zeitlich umfangreichsten Reden gehalten hat. Er sei sich sicher, dass Herr
Riechey das höchste Zeitkontingent aufzuweisen habe. Das sei ihm auch durchaus
gegönnt, er bringe sich konstruktiv ein und versuche, etwas zu bewegen,
gleichwohl müsse er feststellen, dass gerade Herr Riechey von seinem Rederecht
in exzessiver Weise Gebrauch mache. Er könne nicht befürworten, wenn dieses
Rederecht aufgrund des heutigen Antrages nochmals ausgeweitet würde. Er
appelliere an jeden, bei sich selbst zu beginnen und zu prüfen, in welchem
Umfang jeweils Beiträge sachdienlich seien. Fühle sich jemand persönlich
betroffen, so besitze er auch ohne diesen Antrag mit der persönlichen Erklärung
ein Instrument, nochmals das Wort zu ergreifen, was ja auch durchaus genutzt
werde. Beigeordneter BLANCK hält die Rededauer von Herrn
Riechey durchaus nicht für verwunderlich, da die Fraktion nur aus zwei Personen
bestehe, deren gutes Recht es sei, sich zu allen relevanten Themen zu äußern.
Bei großen Fraktionen verteilten sich die Wortbeiträge hingegen naturgemäß
besser. Das sei eine Selbstverständlichkeit und könne nicht als Argument gegen
den Antrag herangezogen werden. Es gehe auch gar nicht darum, Rechte des
Oberbürgermeisters zu beschneiden, sondern eine vermeintliche Sachaufklärung
vor der Abstimmung noch einmal richtig stellen zu können. Genau diese
Möglichkeit gebe es bisher nicht. Es sei des öfteren der Fall, dass der
Oberbürgermeister als Hauptverwaltungsbeamter unter dem Mantel der
Sachaufklärung das Wort ergreife, dann aber mit seinem Beitrag für
Geschlossenheit in den Reihen der SPD-Fraktion sorge. Es wäre ein gutes Stück
demokratischer Kultur, nach derartigen Einfällen auch eine Erwiderung durch die
Ratsmitglieder zuzulassen. Beschluss: Der
Rat der Hansestadt Lüneburg lehnt den Änderungsantrag der FDP-Fraktion
mehrheitlich mit den Stimmen der Gruppe SPD/CDU gegen die Stimmen der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen, der FDP-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE ab. Der
Rat der Hansestadt Lüneburg lehnt den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
mehrheitlich mit den Stimmen der Gruppe SPD/CDU gegen die Stimmen der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion DIE LINKE bei Enthaltung der
FDP-Fraktion ab. (01/R) |
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