Bürgerinformationssystem
Beratungsinhalt: Ratsherr SOLDAN zeigt auf, dass Änderungen erst
wirklich als notwendig erkannt wurden, nachdem im Gesundheitsausschuss des
Landkreises über die notfallärztliche Versorgung durch Herrn Christoffers
fachmännisch informiert wurde. Zuvor sei nur in der Landeszeitung darüber
berichtet worden, die Politik hatte sich nicht geäußert. Es sei nicht das
Anliegen dieses Antrages, die notfallärztliche Versorgung in der Stadt neu zu
regeln oder zu definieren, sondern sich über dieses wichtige Thema, das sowohl
die Bürgerinnen und Bürger, als auch das Klinikum betrifft, zu informieren. In
letzter Zeit haben immer mehr Notfallpatienten die Ambulanz des Klinikums
aufgesucht. Das Problem liege darin, dass die Honorierung bei Notfallpatienten
schlechter sei, als sie dem Aufwand entsprechend sein müsste, somit zahle das
Klinikum bei jedem Notfallpatienten drauf. Verlängere sich die Wartezeit in der
notfallärztlichen Praxis in der Jägerstraße, müsse man von einem weiteren
Anstieg der Notfallpatienten und einem davon ausgehenden höheren Defizit im
Klinikum ausgehen. Da die Stadt die Verluste des Klinikums trage, sei sie von
diesen Änderungen unmittelbar betroffen. Die Erfahrungen mit der
Umorganisation in den Kreisen Uelzen und Celle brachten eine erfreuliche
Reaktion seitens der Ärzte, die hier eine schon längst überfällige Verbesserung
sahen. Bedenklich seien aber die erheblich längeren Wartezeiten für die
Notfallpatienten, die offenbar unbemerkt geblieben seien. In kleinen, kaum
wahrnehmbaren Schritten werde das Krankenverwaltungssystem – von manchen
Gesundheitswesen genannt – verändert. Er hoffe, dass die Politiker nach
der Bundestagswahl den Mut haben, endlich ein leistungsfähiges, modernes System
aufzubauen und nicht nur das zu korrigieren, was in den letzten Jahrzehnten
falsch gemacht worden sei. Der Auftrag, den Notfalldienst vor
Ort zu organisieren, liege bei der Kassenärztlichen Vereinigung. Jeder Patient,
der diese Leistung in Anspruch nehme, tue dies nicht leichtfertig, sondern nur
im Notfall, in dem er schnelle und kompetente Hilfe erwarte. Das war bisher so und werde vermutlich auch
so bleiben. Jedoch seien viele Gerüchte über eine mögliche Verschlechterung bei
der Versorgung im Umlauf. Es sei Aufgabe des Stadtrates, sich über wichtige
Dinge aus erster Hand fachkompetent informieren zu lassen. Ein solch wichtiges
Thema könne man nicht in die nächste, noch nicht einmal terminierte Sitzung des
Sozial- und Gesundheitsausschusses verweisen, sondern müsse es so schnell wie
möglich im Rat behandeln. Bürgermeister DR. SCHARF hält den Antrag durchaus für
gerechtfertigt, vermag aber die angesprochene besondere Dringlichkeit nicht zu
erkennen. Das Thema sei bereits im Sozialausschuss des Landkreises ausgiebig
diskutiert worden, daher sei eine Behandlung im nächsten Sozial- und
Gesundheitsausschuss der Stadt vollkommen angemessen. Natürlich gebe es mit der
rückläufigen Entwicklung der Zahl der Ärzte ein grundsätzliches Problem, welches
sich eher in der Fläche auswirke, als in der Stadt Lüneburg. Dies betreffe ganz
besonders die Zahl der Hausärzte auf dem Lande. Herr Christoffers habe
vorgetragen, dass es insgesamt in Stadt und Landkreis 116 Hausärzte gebe, von
denen 65 bereits fünfzig Jahre und älter seien. Hinzu komme die Tendenz eines
immer früheren Ruhestandsbeginns der Ärzte, da gerade die Führung einer
Hausarztpraxis auf dem Land sehr aufwändig und stressig sei. Dies führe zu
einem Teufelskreis, indem immer weniger Ärzte immer mehr Notfalldienste
übernehmen müssen, womit die Praxen auf dem Lande zunehmend unattraktiv werden.
Aus diesem Grunde habe die KVN eine Neuorganisation vorgeschlagen, die für viel
Wirbel gesorgt habe. Aus den bisherigen sechs wurde nur noch ein Notfalldienstring
gebildet, der zentral in der Stadt Lüneburg angesiedelt sei. Die KVN habe im
Sozialausschuss des Kreises zugesagt, ihren Entschluss noch einmal zu
überprüfen und zumindest zwei Notfalldienstringe einzurichten. Betroffen sei aber auch die Stadt Lüneburg.
In der Notfallärztlichen Praxis in der Jägerstraße meldeten sich pro Tag etwa
acht bis neun Patienten, während im Klinikum vierzig und mehr Patienten mit
klar steigender Tendenz versorgt werden. Seine Vorstellung gehe dahin, die
komplette Organisation und Versorgung im Klinikum zu bündeln, wodurch man eine
optimale Versorgung erreiche. Selbstverständlich müsse dann in dem Falle über
die Verteilung der Kosten auf die Beteiligten verhandelt werden. Er rege an,
aus dieser Ratssitzung heraus die Gespräche zwischen KVN, Klinikum, Stadt und
Landkreis zu forcieren. Ratsfrau MAHLKE-VOß verdeutlicht, dass man durch die
Neuorganisation künftig nur noch eine Versorgung im ländlichen Raum von 30 %
habe, was natürlich deutlich zu wenig sei, weshalb man hier klar gegensteuern
müsse. Zwar führe die Umorganisation, wie aus anderen Landkreisen zu vernehmen
sei, zu keinen Problemen, doch werde immer wieder eingeräumt, dass es zu
längeren Wartezeiten komme. Für den sehr weitläufigen Kreis Lüneburg sei eine
zentrale Notfallpraxis allerdings viel zu wenig. Selbst wenn die Fläche durch
zwei Ärzte abgedeckt würde, müsste jeder davon theoretisch rund 660 km2
betreuen. Eine Erreichbarkeit der Patienten in angemessener Zeit sei angesichts
der Strecken bestenfalls mit einem Helikopter möglich. Bei der Einschränkung
der Notdienste gehe es aber gerade um die anfallenden Wartezeiten, die die
Qualität der Versorgung ausmachten. Wem es so schlecht gehe, dass er den
Notdienst rufen müsse, der könne nicht noch stundenlang warten. Was hier bisher interessanterweise
noch nicht angesprochen wurde, sei die in der Landeszeitung breit dargestellte
Diskussion zwischen der KVN und der Privatärztlichen Initiative hinsichtlich
der angeblichen Gleichbehandlung zwischen Kassenpatienten und Privatpatienten.
Dabei sei durch vielfache Studien belegt, dass Kassenpatienten sehr viel länger
auf eine ärztliche Behandlung warten müssen. Diese brisante Diskussion habe zur
Folge gehabt, dass Alternativen zur notfallärztlichen Praxis in der Jägerstraße
aufgezeigt wurden, indem einige kassenärztliche Praxen im Umkreis von Adendorf
Sprechzeiten am Samstagvormittag ermöglichen. Das sei zwar durchaus zu
begrüßen, es bleibe aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es gehe um viel
komplexere Probleme, man müsse eine Lösung finden, die die medizinische
Versorgung der Einwohner auf dem Lande in jedem Fall, für alle Patienten
gleichermaßen und ohne stundenlange Wartezeiten gewährleiste. Dabei müssten die
Faktoren der Überalterung der Gesellschaft und der Entlohnung der Ärzte mit
bedacht werden. Es dürfe nicht aus Kostengründen an der Qualität und Verteilung
der medizinischen Mittel gespart werden. Dieses Thema werde die Gesellschaft
noch auf viele Jahre beschäftigen. Mit der derzeitigen Versorgung von 103% sei
es möglich, drei Notfallpraxen zu unterhalten, womit die Notdienste auf 50% des
bisherigen Bestandes reduziert und die Ärzte dementsprechend entlastet würden.
Diese Zahl könne man in den folgenden Jahren sukzessive verändern. Sie hoffe,
dass es gelinge, viele neue Landärzte zu gewinnen. Dieses Thema sollte auf
jeden Fall noch ausführlich im Sozial- und Gesundheitsausschuss diskutiert
werden. Ratsfrau GÜNTNER teilt die Sorge, dass durch die
Neustrukturierung des notärztlichen Bereitschaftsdienstes, insbesondere durch
die Zentralisierung auf die Praxis in der Jägerstraße und die Reduzierung der
Notdienste eine gute Versorgung vor allem im Landkreis gefährdet sei. Ein
einziger Standort für den gesamten Landkreis scheine vor dem Hintergrund der
räumlichen Distanz ein ungenügendes Konzept zu sein. Es lasse für die Patienten
weitere Wege, höhere Fahrtkosten und längere Wartezeiten befürchten. Solche
Nachteile seien nicht zu akzeptieren. Es erscheine erforderlich, dass
mindestens eine weitere notfallärztliche Versorgungsstelle im Landkreis
bereitgehalten werden müsse, vorstellbar sei hier eine Stelle im Ostkreis.
Aufgrund der bekannten Zuständigkeit des Kreises bitte sie daher die
Mehrheitsgruppe im Kreistag, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Die Situation in der Stadt sei
wesentlich besser, auch aufgrund der räumlichen Nähe des Klinikums. Die
Notfallversorgung des Klinikums werde von weitaus mehr Menschen in Anspruch
genommen, als in der Praxis in der Jägerstraße, hier sei noch mit einer
deutlichen Steigerung beim Klinikum durch Patienten aus dem Landkreis zu
rechnen. Auf die daraus entstehende schwierige finanzielle Situation sei Herr
Soldan bereits eingegangen, daher rege sie an, Gespräche über eine
Zusammenführung der notfallärztlichen Versorgung am Klinikum unter finanzieller
Beteiligung der KVN und des Landkreises zu führen. Ratsherr KUNATH würde die Überweisung in den
Sozial- und Gesundheitsausschuss begrüßen, da es ein problematisches Thema sei
und es zu keinen Einschränkungen in der medizinischen Notfallversorgung kommen
dürfe. Ein weiteres Problem sei übrigens die mangelnde Versorgung von HIV-,
bzw. Aids-Patienten in der Region Lüneburg, hierüber würde er einer
weitergehenden Beratung im Fachausschuss gerne berichten. Er frage sich, wie
einkommensschwache Bürgerinnen und Bürger zur Notfallpraxis kommen sollen, wenn
es nur noch eine im Kreis gibt und damit die Entfernungen steigen. Er erinnere
in diesem Zusammenhang an den leider abgelehnten Antrag seiner Fraktion zum
Sozialausweis, der für bestimmte Personengruppen unter anderem Erleichterungen
bei der Nutzung des HVV bringen würde. Eine privatärztliche Alternative wie in
Adendorf komme für seine Fraktion nicht in Frage, da dort nur Privatrezepte
ausgestellt und die Kosten nicht von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet
würden. Dies verschärfe noch dramatisch die Zwei-Klassen-Medizin, die
Unterschiede in der Behandlung von Privat- und Kassenpatienten seien bereits
heute untragbar. Was passiere, wenn ein einkommensschwacher Patient mit einer
schrecklichen Verletzung zu einer privaten Notfallpraxis käme, weil alles
andere zu weit weg ist. Würde man ihn verbluten lassen, weil er die Rechnung
nicht bezahlen kann ? Das wäre unterlassene Hilfeleistung. Oder behandle man
ihn zunächst und schickt ihm hinterher den Gerichtsvollzieher ? In welche Nöte
würden Patienten gebracht, die auf schnelle Hilfe angewiesen sind ? Solche
Gedanken wolle man gar nicht erst anstellen müssen, er fordere ein öffentlich
finanziertes Gesundheitssystem auf hohem Niveau und erreichbar für alle
Bürgerinnen und Bürger. Ratsherr SOLDAN möchte klarstellen, dass kein Arzt
einen Notfallpatienten abweisen würde. Notfälle würden immer behandelt. Dies
sei aber auch ein Problem des Klinikums, das verpflichtet sei, jeden Patienten
nach allen Regeln der ärztlichen Kunst zu behandeln, egal was für ein Honorar
dafür gezahlt werde. Das Klinikum bekomme für eine solche Behandlung weniger
als eine niedergelassene Praxis. Hier gehen die Probleme los bei einer
Mischkalkulation unter Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung am
Notfalldienst im Klinikum. Dies sei rechtlich nicht möglich. Man müsse das
Gesundheitssystem ändern, was in Berlin offenbar niemand wolle, dort verlasse
man sich vielmehr auf den Idealismus der Ärzte. Keine Gewerkschaft würde ihren Mitgliedern
zumuten, rund siebzig nahezu unbezahlte Wochenenddienste im Jahr zu leisten.
Das Problem lasse sich nicht durch eine Umorganisation des Notfalldienstes
beheben, nur durch eine Neuorganisation des Gesundheitssystems. Beschluss: Der
Rat der Hansestadt Lüneburg beschließt einstimmig, den Antrag zur Kenntnisnahme
und weiteren Beratung in den Sozial- und Gesundheitsausschuss zu überweisen. (501) |
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