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Auszug - Bericht über Änderungen in der Notfallärztlichen Versorgung (Antrag der FDP-Fraktion vom 08.01.2009)  

 
 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Rates der Hansestadt Lüneburg
TOP: Ö 6.1
Gremium: Rat der Hansestadt Lüneburg Beschlussart: ungeändert beschlossen
Datum: Do, 26.02.2009    
Zeit: 17:00 - 20:25 Anlass: Sitzung
Raum: Huldigungssaal
Ort: Rathaus
VO/3163/09 Bericht über Änderungen in der Notfallärztlichen Versorgung (Antrag der FDP-Fraktion vom 08.01.2009)
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Antrag der FDP-Fraktion
Federführend:01 - Büro der Oberbürgermeisterin Bearbeiter/-in: Gieseking, Stefan
 
Wortprotokoll
Beschluss

Beratungsinhalt:

 

Beratungsinhalt:

 

Ratsherr SOLDAN zeigt auf, dass Änderungen erst wirklich als notwendig erkannt wurden, nachdem im Gesundheitsausschuss des Landkreises über die notfallärztliche Versorgung durch Herrn Christoffers fachmännisch informiert wurde. Zuvor sei nur in der Landeszeitung darüber berichtet worden, die Politik hatte sich nicht geäußert. Es sei nicht das Anliegen dieses Antrages, die notfallärztliche Versorgung in der Stadt neu zu regeln oder zu definieren, sondern sich über dieses wichtige Thema, das sowohl die Bürgerinnen und Bürger, als auch das Klinikum betrifft, zu informieren. In letzter Zeit haben immer mehr Notfallpatienten die Ambulanz des Klinikums aufgesucht. Das Problem liege darin, dass die Honorierung bei Notfallpatienten schlechter sei, als sie dem Aufwand entsprechend sein müsste, somit zahle das Klinikum bei jedem Notfallpatienten drauf. Verlängere sich die Wartezeit in der notfallärztlichen Praxis in der Jägerstraße, müsse man von einem weiteren Anstieg der Notfallpatienten und einem davon ausgehenden höheren Defizit im Klinikum ausgehen. Da die Stadt die Verluste des Klinikums trage, sei sie von diesen Änderungen unmittelbar betroffen.

Die Erfahrungen mit der Umorganisation in den Kreisen Uelzen und Celle brachten eine erfreuliche Reaktion seitens der Ärzte, die hier eine schon längst überfällige Verbesserung sahen. Bedenklich seien aber die erheblich längeren Wartezeiten für die Notfallpatienten, die offenbar unbemerkt geblieben seien. In kleinen, kaum wahrnehmbaren Schritten werde das Krankenverwaltungssystem – von manchen Gesundheitswesen genannt – verändert. Er hoffe, dass die Politiker nach der Bundestagswahl den Mut haben, endlich ein leistungsfähiges, modernes System aufzubauen und nicht nur das zu korrigieren, was in den letzten Jahrzehnten falsch gemacht worden sei.

Der Auftrag, den Notfalldienst vor Ort zu organisieren, liege bei der Kassenärztlichen Vereinigung. Jeder Patient, der diese Leistung in Anspruch nehme, tue dies nicht leichtfertig, sondern nur im Notfall, in dem er schnelle und kompetente Hilfe erwarte.  Das war bisher so und werde vermutlich auch so bleiben. Jedoch seien viele Gerüchte über eine mögliche Verschlechterung bei der Versorgung im Umlauf. Es sei Aufgabe des Stadtrates, sich über wichtige Dinge aus erster Hand fachkompetent informieren zu lassen. Ein solch wichtiges Thema könne man nicht in die nächste, noch nicht einmal terminierte Sitzung des Sozial- und Gesundheitsausschusses verweisen, sondern müsse es so schnell wie möglich im Rat behandeln.

 

Bürgermeister DR. SCHARF hält den Antrag durchaus für gerechtfertigt, vermag aber die angesprochene besondere Dringlichkeit nicht zu erkennen. Das Thema sei bereits im Sozialausschuss des Landkreises ausgiebig diskutiert worden, daher sei eine Behandlung im nächsten Sozial- und Gesundheitsausschuss der Stadt vollkommen angemessen. Natürlich gebe es mit der rückläufigen Entwicklung der Zahl der Ärzte ein grundsätzliches Problem, welches sich eher in der Fläche auswirke, als in der Stadt Lüneburg. Dies betreffe ganz besonders die Zahl der Hausärzte auf dem Lande. Herr Christoffers habe vorgetragen, dass es insgesamt in Stadt und Landkreis 116 Hausärzte gebe, von denen 65 bereits fünfzig Jahre und älter seien. Hinzu komme die Tendenz eines immer früheren Ruhestandsbeginns der Ärzte, da gerade die Führung einer Hausarztpraxis auf dem Land sehr aufwändig und stressig sei. Dies führe zu einem Teufelskreis, indem immer weniger Ärzte immer mehr Notfalldienste übernehmen müssen, womit die Praxen auf dem Lande zunehmend unattraktiv werden. Aus diesem Grunde habe die KVN eine Neuorganisation vorgeschlagen, die für viel Wirbel gesorgt habe. Aus den bisherigen sechs wurde nur noch ein Notfalldienstring gebildet, der zentral in der Stadt Lüneburg angesiedelt sei. Die KVN habe im Sozialausschuss des Kreises zugesagt, ihren Entschluss noch einmal zu überprüfen und zumindest zwei Notfalldienstringe einzurichten.

Betroffen sei aber auch die Stadt Lüneburg. In der Notfallärztlichen Praxis in der Jägerstraße meldeten sich pro Tag etwa acht bis neun Patienten, während im Klinikum vierzig und mehr Patienten mit klar steigender Tendenz versorgt werden. Seine Vorstellung gehe dahin, die komplette Organisation und Versorgung im Klinikum zu bündeln, wodurch man eine optimale Versorgung erreiche. Selbstverständlich müsse dann in dem Falle über die Verteilung der Kosten auf die Beteiligten verhandelt werden. Er rege an, aus dieser Ratssitzung heraus die Gespräche zwischen KVN, Klinikum, Stadt und Landkreis zu forcieren.

 

Ratsfrau MAHLKE-VOß verdeutlicht, dass man durch die Neuorganisation künftig nur noch eine Versorgung im ländlichen Raum von 30 % habe, was natürlich deutlich zu wenig sei, weshalb man hier klar gegensteuern müsse. Zwar führe die Umorganisation, wie aus anderen Landkreisen zu vernehmen sei, zu keinen Problemen, doch werde immer wieder eingeräumt, dass es zu längeren Wartezeiten komme. Für den sehr weitläufigen Kreis Lüneburg sei eine zentrale Notfallpraxis allerdings viel zu wenig. Selbst wenn die Fläche durch zwei Ärzte abgedeckt würde, müsste jeder davon theoretisch rund 660 km2 betreuen. Eine Erreichbarkeit der Patienten in angemessener Zeit sei angesichts der Strecken bestenfalls mit einem Helikopter möglich. Bei der Einschränkung der Notdienste gehe es aber gerade um die anfallenden Wartezeiten, die die Qualität der Versorgung ausmachten. Wem es so schlecht gehe, dass er den Notdienst rufen müsse, der könne nicht noch stundenlang warten.

Was hier bisher interessanterweise noch nicht angesprochen wurde, sei die in der Landeszeitung breit dargestellte Diskussion zwischen der KVN und der Privatärztlichen Initiative hinsichtlich der angeblichen Gleichbehandlung zwischen Kassenpatienten und Privatpatienten. Dabei sei durch vielfache Studien belegt, dass Kassenpatienten sehr viel länger auf eine ärztliche Behandlung warten müssen. Diese brisante Diskussion habe zur Folge gehabt, dass Alternativen zur notfallärztlichen Praxis in der Jägerstraße aufgezeigt wurden, indem einige kassenärztliche Praxen im Umkreis von Adendorf Sprechzeiten am Samstagvormittag ermöglichen. Das sei zwar durchaus zu begrüßen, es bleibe aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es gehe um viel komplexere Probleme, man müsse eine Lösung finden, die die medizinische Versorgung der Einwohner auf dem Lande in jedem Fall, für alle Patienten gleichermaßen und ohne stundenlange Wartezeiten gewährleiste. Dabei müssten die Faktoren der Überalterung der Gesellschaft und der Entlohnung der Ärzte mit bedacht werden. Es dürfe nicht aus Kostengründen an der Qualität und Verteilung der medizinischen Mittel gespart werden. Dieses Thema werde die Gesellschaft noch auf viele Jahre beschäftigen. Mit der derzeitigen Versorgung von 103% sei es möglich, drei Notfallpraxen zu unterhalten, womit die Notdienste auf 50% des bisherigen Bestandes reduziert und die Ärzte dementsprechend entlastet würden. Diese Zahl könne man in den folgenden Jahren sukzessive verändern. Sie hoffe, dass es gelinge, viele neue Landärzte zu gewinnen. Dieses Thema sollte auf jeden Fall noch ausführlich im Sozial- und Gesundheitsausschuss diskutiert werden.

 

Ratsfrau GÜNTNER teilt die Sorge, dass durch die Neustrukturierung des notärztlichen Bereitschaftsdienstes, insbesondere durch die Zentralisierung auf die Praxis in der Jägerstraße und die Reduzierung der Notdienste eine gute Versorgung vor allem im Landkreis gefährdet sei. Ein einziger Standort für den gesamten Landkreis scheine vor dem Hintergrund der räumlichen Distanz ein ungenügendes Konzept zu sein. Es lasse für die Patienten weitere Wege, höhere Fahrtkosten und längere Wartezeiten befürchten. Solche Nachteile seien nicht zu akzeptieren. Es erscheine erforderlich, dass mindestens eine weitere notfallärztliche Versorgungsstelle im Landkreis bereitgehalten werden müsse, vorstellbar sei hier eine Stelle im Ostkreis. Aufgrund der bekannten Zuständigkeit des Kreises bitte sie daher die Mehrheitsgruppe im Kreistag, einen entsprechenden Antrag zu stellen.

Die Situation in der Stadt sei wesentlich besser, auch aufgrund der räumlichen Nähe des Klinikums. Die Notfallversorgung des Klinikums werde von weitaus mehr Menschen in Anspruch genommen, als in der Praxis in der Jägerstraße, hier sei noch mit einer deutlichen Steigerung beim Klinikum durch Patienten aus dem Landkreis zu rechnen. Auf die daraus entstehende schwierige finanzielle Situation sei Herr Soldan bereits eingegangen, daher rege sie an, Gespräche über eine Zusammenführung der notfallärztlichen Versorgung am Klinikum unter finanzieller Beteiligung der KVN und des Landkreises zu führen.

 

Ratsherr KUNATH würde die Überweisung in den Sozial- und Gesundheitsausschuss begrüßen, da es ein problematisches Thema sei und es zu keinen Einschränkungen in der medizinischen Notfallversorgung kommen dürfe. Ein weiteres Problem sei übrigens die mangelnde Versorgung von HIV-, bzw. Aids-Patienten in der Region Lüneburg, hierüber würde er einer weitergehenden Beratung im Fachausschuss gerne berichten. Er frage sich, wie einkommensschwache Bürgerinnen und Bürger zur Notfallpraxis kommen sollen, wenn es nur noch eine im Kreis gibt und damit die Entfernungen steigen. Er erinnere in diesem Zusammenhang an den leider abgelehnten Antrag seiner Fraktion zum Sozialausweis, der für bestimmte Personengruppen unter anderem Erleichterungen bei der Nutzung des HVV bringen würde. Eine privatärztliche Alternative wie in Adendorf komme für seine Fraktion nicht in Frage, da dort nur Privatrezepte ausgestellt und die Kosten nicht von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet würden. Dies verschärfe noch dramatisch die Zwei-Klassen-Medizin, die Unterschiede in der Behandlung von Privat- und Kassenpatienten seien bereits heute untragbar. Was passiere, wenn ein einkommensschwacher Patient mit einer schrecklichen Verletzung zu einer privaten Notfallpraxis käme, weil alles andere zu weit weg ist. Würde man ihn verbluten lassen, weil er die Rechnung nicht bezahlen kann ? Das wäre unterlassene Hilfeleistung. Oder behandle man ihn zunächst und schickt ihm hinterher den Gerichtsvollzieher ? In welche Nöte würden Patienten gebracht, die auf schnelle Hilfe angewiesen sind ? Solche Gedanken wolle man gar nicht erst anstellen müssen, er fordere ein öffentlich finanziertes Gesundheitssystem auf hohem Niveau und erreichbar für alle Bürgerinnen und Bürger.

 

Ratsherr SOLDAN möchte klarstellen, dass kein Arzt einen Notfallpatienten abweisen würde. Notfälle würden immer behandelt. Dies sei aber auch ein Problem des Klinikums, das verpflichtet sei, jeden Patienten nach allen Regeln der ärztlichen Kunst zu behandeln, egal was für ein Honorar dafür gezahlt werde. Das Klinikum bekomme für eine solche Behandlung weniger als eine niedergelassene Praxis. Hier gehen die Probleme los bei einer Mischkalkulation unter Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung am Notfalldienst im Klinikum. Dies sei rechtlich nicht möglich. Man müsse das Gesundheitssystem ändern, was in Berlin offenbar niemand wolle, dort verlasse man sich vielmehr auf den Idealismus der Ärzte. Keine Gewerkschaft würde ihren Mitgliedern zumuten, rund siebzig nahezu unbezahlte Wochenenddienste im Jahr zu leisten. Das Problem lasse sich nicht durch eine Umorganisation des Notfalldienstes beheben, nur durch eine Neuorganisation des Gesundheitssystems.

 

Beschluss:

Beschluss:

 

Der Rat der Hansestadt Lüneburg beschließt einstimmig, den Antrag zur Kenntnisnahme und weiteren Beratung in den Sozial- und Gesundheitsausschuss zu überweisen.

 

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