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Auszug - Kommunalisierung der Strom- und Gasversorgung in der Hansestadt Lüneburg (Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 13.10.2008, eingegangen am 15.10.2008)  

 
 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Rates der Hansestadt Lüneburg
TOP: Ö 5.2
Gremium: Rat der Hansestadt Lüneburg Beschlussart: abgelehnt
Datum: Do, 04.12.2008    
Zeit: 17:00 - 20:50 Anlass: Sitzung
Raum: Huldigungssaal
Ort: Rathaus
VO/3037/08 Kommunalisierung der Strom- und Gasversorgung in der Hansestadt Lüneburg (Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 13.10.2008, eingegangen am 15.10.2008)
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Antrag der Fraktion DIE LINKE
Federführend:01 - Büro der Oberbürgermeisterin Beteiligt:Bereich 21 - Kämmerei, Steuern und Erbbaurechte
Bearbeiter/-in: Gieseking, Stefan   
 
Wortprotokoll
Beschluss

Beratungsinhalt:

 

Beratungsinhalt:

 

Ratsherr RIECHEY stellt dar, dass die Konzessionsabgabe an die Stadt etwa sechs Prozent des Strompreises ausmache. Die gesetzlich vorgegebenen Netzgebühren, die die E.ON Avacon einnehme, machten hingegen 27 % aus und liegen damit um ein vielfaches höher. Dieses Geld sei eigentlich dafür gedacht,  in die Instandhaltung der Leitungen zu investieren. Im Jahre 2006 haben die Versorger in Deutschland 21 Milliarden Euro an Netzentgelten eingenommen, jedoch nur 0,9 Milliarden Euro investiert. Trotz gesetzlich sinkender Netzentgelte könne daher mit dem Netz weiterhin kräftig verdient werden. Die vier größten Energiekonzerne teilten sich ungestört den deutschen Markt auf und besäßen beinahe die alleinige Hoheit über die Stromleitungen, sie verfügten über 80 % der Kraftwerke und über 95 % des Stromnetzes. Dies bedeute quasi eine Monopolstellung, mit der sie ihre Marktmacht missbrauchten, um überhöhte Entgelte für Strom und Gas durchzusetzen. In den letzten acht Jahren seien die Strompreise in Deutschland um 46 % angestiegen, gleichzeitig explodierten die Konzerngewinne, bei der E.ON auf 9,2 Milliarden Euro im letzten Jahr. Nicht ohne Grund sei der Strompreis in Deutschland um fünfzig Prozent höher als im europäischen Ausland. Die Bundesnetzagentur habe ein Verfahren gegen die vier Marktführer eingeleitet mit dem Vorwurf des Missbrauches des Strommarktes für Monopolstrukturen, indem Milliarden an Einnahmen zu Lasten der Energiekunden erzielt würden. Dies sei für seine Fraktion Diebstahl durch die Steckdose. Der Bundesgerichtshof habe inzwischen den Konzernen E.ON und RWE aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung verboten, sich weiter bei Stadtwerken einzukaufen. Preisvergleiche zwischen den vier größten Versorgern und kommunalen Stadtwerken zeigten, dass die Stadtwerke überwiegend günstigere Preise haben, dies belegten aktuelle Studien unter anderem des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung. Konzerne seien nun einmal den Aktionären mit einer Gewinnmaximierung verpflichtet, kommunale Stadtwerke hingegen dem Allgemeinwohl mit dem Ziel, alle Bürger mit kostengünstiger Energie zu versorgen. Darum wolle seine Fraktion die Strom- und Gasversorgung in Lüneburg kommunalisieren. Dies sehe auch die Mehrheit der Bevölkerung quer durch alle Parteien so, wie eine Forsa-Umfrage zeige.

Die Stadt habe mit dem Auslaufen der Konzessionsverträge ein garantiertes Rückkaufrecht. Viele andere Städte hätten den Rückkauf ebenfalls geprüft und bereits vorgemacht, gute Beispiele seien Nümbrecht, Bergkamen, Wolfhagen oder Ahrensburg. In Lüneburg wolle man den Vertrag hingegen wieder langfristig mit der E.ON Avacon verlängern, da stelle sich die Frage, wie man dazu kommen könne. Dies sei weder ausführlich vorgestellt, noch politisch beraten worden. Erst vorgestern seien die Fraktionen erstmalig über das Thema informiert worden. Der Vertrag sei dabei nicht einmal zugeschickt, sondern lediglich ein Einsichtsrecht eingeräumt worden. Der letzte Zwischenbericht sei vor drei Jahren gegeben worden, damals jedoch noch dem alten Stadtrat. Hier werde eine Entscheidung übers Knie gebrochen, das sei unverantwortlich für die Nachwelt.

Er habe ein ausführliches Gespräch geführt mit dem Geschäftsführer der Stadtwerke Wolfhagen, der die Vorgehensweise, aber auch die Schwierigkeiten des dortigen Rückkaufes erläutert habe. Die E.ON habe dort, nach Auskunft des Geschäftsführers, im Vorfeld der Entscheidung massiv Einfluss genommen auf die kommunalen Mandatsträger. Seit kurzem könne man Parteispenden im Bundestag einsehen, dabei habe er festgestellt dass die E.ON im Jahre 2006 an die SPD und an die CDU jeweils 150.000 Euro und an die FDP 50.000 Euro gespendet habe, die gleichen Summen auch im vergangenen Jahr.

Mit dem Geschäftsführer der Gemeindewerke Nümbrecht habe er ebenfalls gesprochen, die Gemeinde habe das Netz zurückgekauft trotz ebenfalls angespannter Haushaltslage. Die Kreditaufnahme sei dennoch von der Kommunalaufsicht genehmigt worden. Die Gemeindewerke schrieben schon im ersten Jahr schwarze Zahlen. Der Geschäftsführer habe angeboten, dies in der heutigen Ratssitzung vorzutragen, das sei im Verwaltungsausschuss vor zwei Tagen jedoch abgelehnt worden. Er werfe der Mehrheit im Rat vor, sich gar nicht mit Alternativen beschäftigen zu wollen. Er fordere, dass man die Entscheidung ernst nehme und die Frist um ein Jahr verlängere, ehe man über einen Rückkauf entscheide.

 

Beigeordneter BLANCK weist auf die einmalige Chance hin, nochmals darüber nachzudenken, wie man mit dem Konzessionsvertrag umgehen solle, indem man der beantragten Verschiebung der Entscheidung um ein Jahr zustimme. Herr Riechey habe hier bereits umfassende Ausführungen vorgebracht, wenngleich einige – etwa die Parteispenden – am Thema vorbeigingen. Die ernsthaften Aspekte jedoch müssten angesprochen werden, so enthalte die Vorlage der Verwaltung einen großen Fehler, da in der Zeitschiene aufgeführt worden sei, dass der Zeitplan im Verwaltungsausschuss am 19.07.2007 vorgestellt wurde. Es habe sich inzwischen herausgestellt, dass dies bereits im Jahr 2005 gewesen sei, dies sei für die Beschaffung der entsprechenden Niederschrift problematisch gewesen. Die damals gültige Zeitschiene habe ein anderes Verfahren vorgesehen, dort habe ein knappes Jahr gelegen zwischen der Beratung über die Verträge in den Gremien und dem Zeitpunkt, an dem der Entschluss zum tragen komme. Dieser Zeitplan, der einem nur bekannt sein konnte, wenn man schon 2005 in Rat gewesen wäre, sei jedoch nicht ausgeführt worden, vielmehr habe ein komplett abweichendes Verfahren unter Ausschluss der Politik stattgefunden. Die Politik wurde erst mit der Vorlage für den Verwaltungsausschuss und der Möglichkeit der Akteneinsicht eingebunden, wodurch alle pluralistischen Ideen seiner Fraktion über den Umgang mit dieser Materie, etwa durch den Einbau von Konzessionen für ökologischen Strom in die Verträge – wenngleich bekanntermaßen in engen Grenzen – nicht wahrgenommen werden konnten. Es bestehe kein Bedarf, eine Entscheidung über die Verlängerung des Vertrages zu treffen, da er zunächst ohnehin einfach weiterlaufe. Es gebe nur den Bedarf, die Konzessionsverträge zum jetzigen Zeitpunkt gerade nicht zu verlängern und die Verwaltung aufzufordern, eine Arbeitsgruppe aus Rat und Verwaltung zu bilden, in der gemeinsam darüber nachgedacht werde, welche Konzessionsverträge für die Zukunft in Lüneburg abgeschlossen werden sollten. Dabei könne geprüft werden, ob die Rekommunalisierung des Stromnetzes eine Möglichkeit darstelle, ebenso wie die Finanzierung durch den Verkauf der bei der Kurmittel GmbH vorliegenden Avacon-Aktien.

 

Oberbürgermeister MÄDGE betont, dass in der öffentlichen Ratssitzung am 24. April dieses Jahres gerade aufgrund einer entsprechenden Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Zeitplan zu den Konzessionsverträgen dargestellt worden sei, daran solle Herr Blanck sich erinnern.

 

Ratsherr LUTHS hebt hervor, dass man in dieser ganzen Frage unterscheiden müsse zwischen den Bereichen Energieerzeugung, Endverbraucher und Durchleitung von Energie durch die Netze. Nur über Letzteres spreche man heute. Das Netz liege auf kommunalem Grund, wofür eine Konzessionsabgabe von zuletzt rund 3 Millionen Euro gezahlt werde. Diese Einnahme stehe der Stadt ganz gut zu Gesicht. Würde man als Stadt das Netz übernehmen, fielen zu allererst einmal diese drei Millionen Euro weg, zudem habe die Stadt erhebliche Investitionen zu erbringen. Dies sowohl für den eigentlichen Netzrückkauf – hier stehe ein Summe von rund 50 Millionen Euro im Raum – und zum anderen für Maschinen, Räume und dergleichen von rund 30 Millionen Euro. Gigantische Zahlen also. Selbst wenn nur die Hälfte dieser Summen erforderlich würde, könnte die Stadt sie nicht ohne weiteres bewältigen, sondern müsse sie finanzieren. An der Stelle komme die Kommunalaufsicht ins Spiel. Die Verschuldung in Lüneburg liege derzeit bei etwa 1.246 Euro pro Einwohner und damit deutlich höher als bei vergleichbaren Kommunen mit dort ca. 1.000 Euro je Einwohner. Zwar handle es sich bei der Energieversorgung um Daseinsvorsorge, aber keineswegs um eine Pflichtaufgabe, daher würde die Kommunalaufsicht einer derart hohen Kreditaufnahme allein aufgrund der enormen zusätzlichen Zins- und Tilgungsbelastung kaum zustimmen. Zudem müssten diese Kosten selbstverständlich auf den Strompreis aufgeschlagen werden. Alles in allem mache es aus heutiger Sicht keinen Sinn, so vorzugehen, wie die Linke es sich vorstelle. Aufgrund der wenigen Möglichkeiten, die man allein aus haushaltsrechtlichen Erwägungen habe, brauche man sich mit dieser Variante nicht näher beschäftigen.

 

Beigeordnete LOTZE befürwortet für ihre Fraktion eine bürgerorientierte und leistungsfähige Daseinsvorsorge in öffentlicher Verantwortung, weswegen man grundsätzlich Sympathien für einen Rückkauf hege. Gleichwohl werde man dem Antrag nicht zustimmen können, weil der Preis für die Rekommunalisierung zu hoch und das Risiko, welches man eingehen müsse, überhaupt nicht kalkulierbar sei. Außerdem sei der Nutzen, der für die Bürgerinnen und Bürger erreicht werden soll, nicht sicher. Sicher sei bei einem Rückkauf nur eines, nämlich eine Kreditaufnahme im hohen zweistelligen Millionenbereich, wodurch man die Stadt handlungsunfähig machen würde, ungeachtet einer Genehmigung oder Versagung durch die Kommunalaufsicht. Es sei richtig, dass in einigen Gemeinden über die Kommunalisierung der Energieversorgung nachgedacht werde, einige haben auch bereits entsprechende Beschlüsse gefasst. In der von Herrn Riechey als Beispiel aufgeführten Gemeinde Nümbrecht herrschten jedoch andere Bedingungen als in Lüneburg und gerade auf die jeweiligen lokalen Bedingungen komme es an. Darauf müsse hingewiesen werden, da man ansonsten, wie die Linke, falsche Erwartungen wecke. Die Linke suggeriere, dass eine Kommunalisierung gleichbedeutend sei mit kostengünstigem Bezug von Energie und einem erhöhten Einsatz erneuerbarer Energien. Alleine mit dem Kauf des Versorgungsnetzes lasse sich das angestrebte Ziel jedoch nicht erreichen, es so darzustellen, sei schlicht falsch und unverantwortlich. Im Verwaltungsausschuss habe Frau Hobro deutlich gemacht, dass es eine Trennung zwischen dem Versorgungsnetz, dem Energieerzeuger, dem Lieferanten und dem Endverbraucher gebe. Mit dem Versorgungsnetz allein habe man noch keinen Einfluss auf die Strompreise und auf die Art des Stromes.

Den Wunsch nach kostengünstigem Strom für die Bürger und nach einem hohen Anteil erneuerbarer Energien teilten durchaus alle Parteien. Dafür brauche man allerdings auch den Energielieferanten durch eigene Stadtwerke oder einen strategischen Partner. Das jedoch geben die Bedingungen in Lüneburg – wie bereits von Herrn Luths dargestellt – nicht her. Sie lehne es angesichts der momentanen finanziellen Situation ab, zu diesem Zweck weitere Kredite aufzunehmen, gleich in welcher Höhe. Es sei bereits von den nachfolgenden Generationen gesprochen worden, sie stelle die Frage, ob man in dieser Situation einen Kredit über fünfzig Millionen Euro aufnehmen solle, dessen Zins- und Tilgungsleistungen notwendige Investitionen, nicht zuletzt im Kita- und Schulbereich, auf viele Jahre hinaus unmöglich machen würde. Neben dem Geld fehle der Stadt aber auch das technische know-how, so dass man Stadtwerke völlig neu aufbauen müsse, hierzu gehörten unter anderem Gebäude, Personal und die Netzunterhaltung. Dies vor dem Hintergrund sinkender Netzentgelte.

Für die kommunale Daseinsvorsorge unterhalte die Stadt die LüWoBau, das Anna-Vogeley-Seniorenzentrum, das Klinikum und sie habe das Landeskrankenhaus gekauft. Dort setze ihre Fraktion die Prioritäten in Lüneburg, nicht jedoch auf dem unsicheren Spielfeld der Energiewirtschaft. Lieber nutze sie den vorhandenen Einfluss auf die E.ON Avacon durch den Energiebeirat und durch das Mandat im Aufsichtsrat. Gerne nutze die Stadt auch ihre Vorteile durch den Energieversorger, nämlich die Arbeits- und Ausbildungsplätze, die Ansprechpartner vor Ort und die Dividende. Daher könne das Fazit nur lauten: Keine Kommunalisierung unter den gegebenen Bedingungen.

 

Ratsherr SOLDAN merkt an, dass die Politik aufgrund steigender Gewinne bei den Energieversorgern und steigender Kosten bei den Endverbrauchern zum Handeln gezwungen worden sei. Das Ergebnis sei eine Liberalisierung des Strommarktes und die Pflichttrennung der Netzbetreiber von den Stromerzeugern. Im Antrag der Linken werde gefordert, dass die Stadt Lüneburg das Energieverteilungsnetz kaufe. Dies sei kein Rückkauf, weil das Netz, so wie es heute existiere, nie im Besitz der Stadt gewesen sei. Stadtwerke habe es in Lüneburg höchstens bis 1930 gegeben. Die Kosten für den Netzkauf seien wiederholt angesprochen worden, er wolle daher auf die Einnahmeseite blicken. An Einnahmen habe man nach dem Kauf höchstens die Netznutzungsentgelte, die betriebswirtschaftlich zu kalkulieren seien. Sicherlich werde man keine Stadtwerke gründen mit der Inkaufnahme, Verluste zu machen, die die Stadt durch den Einsatz von Steuergeldern auffange. Die Stadt müsse vielmehr – genauso wie jeder andere Netzbetreiber – mindestens mit einer schwarzen Null dastehen.

Ein Vergleich der Netznutzungsentgelte verschiedener Städte und Gemeinden mit dem Netzbetreiber in Lüneburg brachte folgendes Ergebnis: In Tübingen liegen sie um 3,9 % über den Entgelten der E.ON Avacon, bei den Stadtwerken Münster um 7,5 %, bei den Stadtwerken Bad Windsheim um 11,3 %, in Leipzig um 24 %, in Saarbrücken um 45 % und bei den Gemeindewerken in Nümbrecht um 42 %. Er frage sich, wie dann günstigerer Strom für die Bürger bereitgestellt werden könne. Natürlich wolle man in Lüneburg den Anteil erneuerbarer Energien erhöhen und die Kraft-Wärme-Kopplung forcieren. Diese Vergütungskosten jedoch müsse der Netzbetreiber entrichten und in die Berechnung der Netznutzungsentgelte einbringen. Das bedeute, dass ein kleiner Betreiber, der möglichst viele Erzeuger erneuerbarer Energien an sich binde, hohe Kosten habe, die auf die Netznutzungskosten umgelegt würden – zu Lasten der Bürger. Ein niedriger Strompreis komme so nicht zustande.

Seine Fraktion habe schon vor Wochen intensive Gespräche mit der Verwaltung über den Konzessionsvertrag geführt und sich über den Antrag der Linken Gedanken gemacht. Je größer die Not, desto größer die Risikobereitschaft, das sei eine bekannte Tatsache. Die Not sei aufgrund der hohen Energiekosten tatsächlich groß, dennoch dürfe die Risikobereitschaft der Stadt nicht überhand nehmen. Nachhaltige Politik heiße nicht, auf Teufel komm raus etwas Neues zu machen, sondern eine wirkliche Vorsorge für die Zukunft zu betreiben. Er verwahre sich im übrigen gegen den Vorwurf der Korruption durch Parteispenden.

 

Vortrag von Stadtkämmerin LUKOSCHEK zur Thematik:

Aufgabe der Verwaltung sei es, dem Rat aufzuzeigen, welche Möglichkeiten bestehen, zu gestalten und Entscheidungen zu treffen. Bei der Frage nach den Gestaltungsmöglichkeiten müsse man sich überlegen, wie die Kette der Wertschöpfung in der Energiewirtschaft aussehe und wo sich die Stadt in dieser Kette befinde.

Es beginne bei der Energiegewinnung, die auf vielfältige Weise erfolgen könne, mit der Grundunterscheidung zwischen fossilen Energien und erneuerbaren Energien. Die Energie werde von Unternehmen produziert und an der Energiebörse in Leipzig gehandelt. Gekauft werde die Energie von Betrieben – einerlei ob große E.ON oder kleine Stadtwerke – die später an die Kunden liefern wollen. Hier komme die Stadt ins Spiel, da Transport und Verteilung mittels Netzen erfolge. Überregionale Netze leiten den Strom vom Kraftwerk bis an das Ortsnetz, dieses Netz werde vom Konzessionsvertrag nicht berührt. Dieser betreffe ausschließlich das örtliche Versorgungsnetz, mit dem der Strom – als Mischprodukt aller Arten von erzeugtem Strom – an einzelne Haushalte verteilt werde.

Es sei gesetzlich festgelegt, dass durch diese Leitungen die Versorgung des Letztverbrauchers, also der Bürgerinnen und Bürger vor Ort, mit Strom diskriminierungsfrei sichergestellt werden müsse. Dies werde durch einen Konzessionsvertrag geregelt.

Hierzu gebe es eine Anreizregulierung, das bedeute, dass es eine Marktaufsicht – die Bundesnetzagentur – gebe, durch die geprüft werde, wie der Netzbetrieb laufe. Die Anreizregulierung sei wichtig, um eine einheitliche Versorgung und Netzqualität aller Kommunen zu erreichen. Die Marktaufsicht prüfe auch, ob das Preisniveau für die Netzentgelte angemessen sei, was in letzter Zeit zu Kostensenkungen geführt habe. Zudem gebe es eine Deckelung durch Erlösobergrenzen für Netzentgelte. Den Netzbetreibern werde eine umfangreiche Veröffentlichungs-, Dokumentations-, Berichts- und Auskunftspflicht auferlegt mit dem Ziel eines sehr transparenten Verfahrens. Der vorhandene Netzbetrieb sei weitgehend reguliert und kontrolliert und biete kaum Spielraum für eine Preisgestaltung bei den Netzentgelten. Ziel der Anreizregulierung sei eine Entflechtung, d.h. der Betrieb des Versorgungsnetzes und die Lieferung von Energie sind strikt voneinander zu trennen, ebenso vom Energieerzeuger. Es sind jeweils getrennte Betriebe notwendig.

Der Energievertrieb erfolge durch Unternehmen mit direktem Kontakt zum Kunden. Der Kunde habe hier die Möglichkeit zu entscheiden, wer ihm welchen Strom und zu welchem Preis liefert. Gewollt sei ein Wettbewerb unter verschiedenen Anbietern zur Preisfindung am Markt. Die Landeszeitung habe hierzu in einem Artikel vom 27. November einen Preisvergleich angestellt zwischen Energieversorgern aus der Region. Das Ergebnis sei bekannt, Preissteigerungen gebe es überall, das Niveau liege durchweg über dem der E.ON.

Es liegen Anträge vor, das Versorgungsnetz zu erwerben. Im Rahmen des Erwerbs entstünden zunächst einmal Kosten für Beratung und Begleitung, da vor allem der Wert des Netzes durch Gutachter ermittelt werden müsse. Niemand wisse, wie viel das Netz genau wert sei, sie selbst arbeite mit einem Schätzwert von 30 – 40 Millionen Euro als absolutem Minimum. Ein Überblick über die von verschiedenen Gutachtern angesetzten Beratungskosten laufen auf einen Betrag von etwa 350.000 Euro für die Begleitung des Verfahrens hinaus. Der Kaufpreis für das Netz müsse, wie bereits verschiedentlich vorgetragen, unzweifelhaft durch Kredite finanziert werden. Dafür benötige die Stadt die Genehmigung der Kommunalaufsicht, deren Stellungnahme die Stadt – um nicht von vornherein auf Ablehnung zu stoßen nur mit dem geringsten geschätzten Kaufpreis von 40 Millionen Euro – eingeholt habe. Danach würde die Kreditaufnahme auf das gesamte Kreditvolumen der Stadt angerechnet, was zur Folge hätte, dass praktisch kein Spielraum für andere Investitionen mehr bestehe. Durch die Übernahme des Netzes fielen zudem laufende Kosten an für den Schuldendienst, Personal- und Sachaufwand sowie Abschreibungen. Zur Instandhaltung werde man auch durch die Bundesnetzagentur gezwungen, der Aufwand liege nach Erfahrungswerten von Netzbetreibern zwischen einem und zwanzig Prozent des Netzwertes. Die Einnahme aus der Konzessionsabgabe, also sozusagen die Gebühr für das Wegerecht, falle weg, stattdessen müsse sich die Stadt mit dem Thema Netznutzungsentgelte befassen. Dabei sei die Stadt wiederum der Bundesnetzagentur unterstellt. Zudem werde die von der E.ON Avacon gezahlte Gewerbesteuer im Falle der Standortaufgabe entfallen.

Wolle man den Kauf ernsthaft in Erwägung ziehen, brauche die Stadt einen strategischen Partner. Die Stadt unterscheide von allen genannten Kommunen das fehlende know-how, da die Stadt schon seit langer Zeit selbst keine Stadtwerke mehr besitze. Die Suche nach einem solchen Partner erfordere eine europaweite Ausschreibung, was weitere Kosten verursache. Die Erweiterung der Begleitung durch Gutachter um den Punkt ‚Ausschreibung eines strategischen Partners’ verdoppele nach Ermittlungen bei seriösen Beratungsunternehmen in etwa die zuvor genannten Kosten von 350.000 Euro. Gründe man Stadtwerke oder kaufe sich bei solchen ein, müsse man Stammkapital, bzw. eine Stammeinlage einbringen, deren Höhe erst durch konkrete Verhandlungen festgelegt würde. Diese kämen aber auf jeden Fall zusätzlich zu den Kosten für den Kauf und für die Beratungsleistungen. Eine Konzessionsabgabe sei dann wieder zu zahlen, da das Netz an einen Dritten weitergehe, sofern es sich um ein Stadtwerk handle, an dem die Stadt beteiligt sei, vermindere sich die Konzessionsabgabe durch eine Besteuerung, um keine verdeckte Gewinnausschüttung zu verursachen. Ein neu zu errichtender Betrieb müsse zudem Gewerbesteuer zahlen, das sei für die Stadt selbst zwar von Vorteil, die Höhe dürfte jedoch geringer sein als die jetzige Zahlung durch die E.ON.

Beim Kauf des Netzes müsse man stets bedenken, dass man auch weiterhin keinerlei Einfluss auf die Höhe der Strompreise der Energieerzeuger habe, also derjenigen, die den Strom produzieren, da die Preise an der Strombörse in Leipzig gehandelt werden. Ebenso bestünden keine Einflussmöglichkeiten auf die Art, bzw. Herkunft des Stromes, der durch das Netz fließt und auf die Preiskalkulation der verschiedenen Energieversorger.

Daher schlage die Verwaltung vor, über einen Konzessionsvertrag zu verhandeln. Darin habe man bestimmte Ziele für die Stadt erreichen können: Man habe den Höchstsatz für die Konzessionsabgabe vereinbart. Es sei durchaus ein Grund für Kommunen, das Netz zu erwerben, wenn  man es in Verhandlungen nicht geschafft habe, diesen Höchstsatz auszuhandeln. Die Stadt habe außerdem einen Preisnachlass von 10 % aus Nutzungsentgelten für alle städtischen Unternehmen erreicht. Aufgrund der Gegebenheiten der historischen Altstadt mache sich die Stadt oftmals Gedanken über einen höherwertigen Ausbau von Straßen, etwa durch die Verwendung einer besonderen Pflasterung. Im Vertrag habe die E.ON zugesagt, sich an den Kosten für einen solchen höherwertigen Ausbau zu beteiligen, wenn dort Leitungen neu zu verlegen sind. Sehr wichtig für die Region seien auch die Zusage der Standortsicherung durch die E.ON – gerade im Hinblick auf die Gewerbesteuereinnahme – und die Anhebung der Zahl der Ausbildungsplätze.

Der aus heutiger Sicht relativ frühe Beginn der Zeitschiene bereits im Jahre 2005 liege begründet in der Notwendigkeit der Fristwahrung beim Ablauf von Konzessionsverträgen. Die Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes an die E.ON Avacon sei, darauf wolle sie hinweisen, erst ergangen, nachdem im April die Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Rat beantwortet wurde, nämlich am 26. Juni. Die E.ON sei im übrigen das einzige Unternehmen gewesen, das eine Interessenbekundung abgegeben habe.

 

Ratsherr RIECHEY erklärt, dass man Dinge sicherlich politisch unterschiedlich bewerten könne, er finde die Darstellung der Stadtkämmerin jedoch höchst unanständig, da sie immer nur die Nachteile und Probleme dargestellt habe. Er bitte um eine sachliche Darstellung. Sie habe ausgeführt, dass die Konzessionsabgabe ebenso wegfallen würde wie die Gewerbesteuer, das sei zwar richtig, es sei aber mit keinem Wort darauf eingegangen worden, dass, wie von ihm ausgeführt, die Netznutzungsentgelte mit 26 % des Strompreises deutlich höher liegen, als die Konzessionsabgabe mit sechs Prozent. Das bedeute eine um das fünffache höhere Einnahme, das werde einfach unterschlagen. Das gehöre jedoch zur Debatte dazu, man könne bei diesen Zahlen nicht von einem unkalkulierbaren Risiko sprechen. Ebenso habe er die Einnahme von 21 Milliarden Euro an Netznutzungsentgelten genannt, von denen nur ein Bruchteil investiert worden sei.

Natürlich wisse er von der Trennung der Sparten Stromerzeugung, Vertrieb und so weiter, er habe sich, unter anderem durch eine Akteneinsicht, intensiv mit dem Thema auseinander gesetzt. Daher sage er, dass der Erwerb der Netze das Fundament für die angestrebte Gründung von Stadtwerken bilde. Es sei dann selbstverständlich möglich, mit den Mitarbeitern der E.ON über eine Übernahme zum Aufbau neuer Strukturen zu sprechen. Ebenso selbstverständlich könne man dann Sozialtarife einführen oder auf Ökostrom setzen, das sei aber erst der zweite Schritt, für den erst einmal ein Anfang gemacht werden müsse mit dem Erwerb des Netzes. Nicht alle Kommunen, die Stadtwerke errichtet haben, hatten zuvor bereits Stadtwerke oder strategische Partner. Ein Beispiel sei die Gemeinde Nümbrecht, die es geschafft habe und heute bereits Netzleitungen von anderen Städten hinzukaufe.

Frau Lukoschek habe dargestellt, dass es kaum Spielraum in diesem Konzessionsvertrag gebe, genau das sei der Grund, warum er ihn für ein ungeeignetes Instrument halte. Mit dem Betrieb des Netzes habe man bessere Aussichten als die paar Brotkrumen, die einem über die Aushandlung des Vertrages schmackhaft gemacht werden sollen.

 

Oberbürgermeister MÄDGE weist den Vorwurf, die Stadtkämmerin habe sich unanständig verhalten, entschieden zurück. Dieser Vorwurf sei eine Zumutung und ihm in seiner Zeit im Rat bisher nicht untergekommen.

 

Stadtkämmerin LUKOSCHEK betont nochmals die unbedingte Notwendigkeit, in den Ausführungen und in den Presseberichten darauf zu achten, welche Netze mit welchen Prozentzahlen genannt werden. Netznutzungsentgelte seien ein Teil des Strompreises, sie seien aber der Teil, der am schwersten zu kalkulieren ist. Durch die enorme Regulierung sei er auch am wenigsten zu beeinflussen. Genau das sei der Sinn und Zweck der Anreizregulierung, die dafür sorge, dass die Netzentgelte möglichst auf einem Niveau gehalten werden.

 

Beigeordneter BLANCK würde sich etwas mehr Ruhe in der Debatte wünschen. Es sei der Anschein entstanden, als ob Grüne und Linke eine heilige Kuh schlachten wollten, da doch alles unternommen werde, den Eindruck zu erwecken, dass es einen Zwang gebe, die Konzessionsverträge heute abzuschließen. Der Rat sei jedoch frei in seiner Entscheidung und sollte erkennen, dass es offensichtlich noch einen erheblichen Diskussionsbedarf – auch in der Bevölkerung – gebe. Es gebe die Möglichkeit, den Vertragsabschluss zu verschieben, um sich nochmals sachlich mit dem Thema auseinander zu setzen. Die Verwaltung könnte der Politik dann noch einmal ausführlicher, emotionsfrei und in Ruhe darstellen, was sie erreicht habe und die Politik könne noch einmal ihre Anregungen einbringen. Aus diesem Grund schlage seine Fraktion eine Arbeitsgruppe vor, die ganz konkret die vorhandene Zeit nutzen und an dem Thema arbeiten könne.

 

Frau HOBRO stellt klar, dass man sich über die Aufgaben einer solchen Arbeitsgruppe klar sein müsse. Eine Arbeitsgruppe im Zusammenhang mit den Verhandlungen über die Konzessionsverträge könne wenig bewirken, da man durch die Konzessionsabgabenverordnung sehr streng begrenzt sei in den Regelungsmöglichkeiten. Hier müsse man sich an enge gesetzliche Vorgaben halten, innerhalb derer bereits jetzt der größtmögliche Erfolg erzielt werden konnte.

 

Oberbürgermeister MÄDGE unterstreicht, dass mit dem neuen Konzessionsvertrag in der jetzigen Form das – im Rahmen der gesetzlichen Grenzen – Optimale durch die Verwaltung ausgehandelt worden sei. Die anderen Fragen müsse man über den Energiebeirat und über die kommunalen Anteile an der E.ON Avacon auf dem sehr mühsamen politischen Weg über die Energiepolitik in Landtag und Bundestag voranbringen. Hier habe man durchaus schon einiges erreicht und werde weiter Druck ausüben. Im Konzessionsvertrag habe man vereinbart, dass sich die E.ON Avacon im Rahmen des rechtlich möglichen an kommunalen Klimaschutzprogrammen wie der Klimaleitstelle beteilige.

Gutachterkosten würden vielfach als Totschlagargument dargestellt, er bitte jedoch zu bedenken, dass jeder private Hauskäufer sich ein Wertgutachten einhole. Das gelte umso mehr bei einem Objekt dieser Größenordnung. Das Leitungsnetz sei seit 1930 kontinuierlich auf- und ausgebaut worden und befinde sich in einem guten Zustand. Dennoch müsste man den Wert genau feststellen für den Fall des Kaufes und für eine eventuelle Eröffnungsbilanz. Um ein Gutachten dafür komme man nicht herum, daher müsse man die Kosten auch ehrlich aufzeigen. Für den Aufbau eines Stadtwerkes fordere die Kommunalaufsicht zudem ein weiteres Fachgutachten, welches belege, ob die Gründung nachhaltig sei, ob also die finanziellen Verpflichtungen aus der Kreditaufnahme erfüllt werden könnten und der laufende Betrieb einschließlich Rücklagenbildung gewährleistet sei. Gutachterkosten würden daher nicht als Totschlagargument benutzt, sondern seien zwingend erforderlich. Diese Gutachterkosten müssten zunächst einmal auf jeden Fall aufgewendet werden, da auch eine Arbeitsgruppe diese Leistung nicht erbringen könne. Hinzu kämen die Kosten einer europaweiten Ausschreibung, alles zusammen betrage rund eine Million Euro. Hier müsse zunächst einmal aufgezeigt werden, wo im Haushalt man einen solchen Betrag einsparen wolle, da die Kommunalaufsicht eine solche Summe als zusätzliche Ausgabe nicht genehmigen würde.

Nicht unterschätzen dürfe man die Eigenkapitalausstattung eines solchen Betriebes durch die Stadt, damit Investitionen getätigt werden können. Selbst wenn man es denn schaffe, Stadtwerke aufzubauen, müsse man sich dem Risiko des Wettbewerbs mit den anderen Anbietern am Markt stellen. Die Verwaltung sei verpflichtet, diese Risiken für den Rat zu definieren und aufzuzeigen, die sich im Falle eines durchaus möglichen Misserfolges nicht nur auf die Stadt selbst auswirken, sondern auch den Bestand der anderen städtischen Unternehmen wie etwa des Klinikums gefährden würden. Daher komme die Verwaltung zu dem Ergebnis, dass ein Kauf zum jetzigen Zeitpunkt nicht realisierbar sei.

 

Beschluss:

Beschluss:

 

Der Rat der Hansestadt Lüneburg lehnt den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mehrheitlich mit den Stimmen der Gruppe SPD/CDU und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion DIE LINKE ab.

 

Der Rat der Hansestadt Lüneburg lehnt den Antrag der Fraktion DIE LINKE mehrheitlich mit den Stimmen der Gruppe SPD/CDU und der FDP-Fraktion bei 2 Ja-Stimmen der Fraktion DIE LINKE und 4 Ja-Stimmen aus den Reihen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie 2 Enthaltungen aus den Reihen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ab.

 

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