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Auszug - Vortrag zur Fortschreibung des Einzelhandelsgutachtens  

 
 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und städt. Beteiligungen
TOP: Ö 3
Gremium: Ausschuss für Wirtschaft und städt. Beteiligungen Beschlussart: (offen)
Datum: Mo, 03.11.2008    
Zeit: 17:06 - 18:51 Anlass: Sitzung
Raum: Industrie- und Handelskammer
Ort: Am Sande 1, 21335 Lüneburg ( Erdgeschoss, großer Saal )
 
Wortprotokoll
Beschluss
Abstimmungsergebnis

Der Vorsitzende, Ratsherr Manzke, leitet den Tagesordnungspunkt ein und stellt heraus, warum es als Beteiligte Hansestadt an dem Kaufhaus Innenstadt wichtig gewesen ist, erneut ein Gutachten zu erstellen

 

Der Vorsitzende, Ratsherr Manzke, leitet den Tagesordnungspunkt ein und stellt heraus, dass die Perspektiven der Einzelhandelsentwicklung in der Hansestadt mittels des Gutachtens aufgezeigt werden sollen. Die Hansestadt ist Miteigentümerin bzw. Mitgesellschafterin des Kaufhauses Innenstadt über die Gewerbesteuer und auch über die Löhne und Gehälter bzw. sonstigen Dienstleistungen. Daher ist es entscheidend, regelmäßig durch ein Gutachten rechtzeitig Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt zu bekommen.

 

Oberbürgermeister Mädge weist darauf hin, dass das erste Einzelhandelsgutachten in 2003 erstellt worden ist. Fünf Jahre später ist die Fortschreibung des Gutachtens aufgrund der schnellen wirtschaftlichen Veränderungen notwendig. In den letzten Jahren sind immer drei dezentrale kleinere Zentren begutachtet worden, so dass mit diesem Gutachten eine Zusammenfassung der Zentren erfolgt ist. Weiterhin verändert sich die Situation in der Innenstadt sehr schnell, z.B. muss möglicherweise über die weitere Verwendung des Sparkassengebäudes nachgedacht werden. Die Schnelligkeit der Entwicklung wird besonders deutlich an der Überholung auch dieses Gutachtens, da die Verwendung des Lucia-Geländes noch nicht mit in das Gutachten einfließen konnte. Durch das Gutachten wird ein grober Leitrahmen gesteckt, der politisch und insbesondere wirtschaftspolitisch Verwendung finden kann. Eine sofortige Umsetzung des Gutachtens soll nicht erfolgen, denn zunächst sollen die unterschiedlichen Meinungen dazu gehört werden.

Es ist offen eingeladen worden, damit dann anschließend diskutiert werden kann. Die geladenen Personen werden gebeten, ihre Stellungnahmen zu dem Gutachten abzugeben. Die Kritiken sollen dann im Wirtschaftsausschuss diskutiert werden. Oberbürgermeister Mädge bittet Herrn Torke, Dr. Lademann & Partner, das Gutachten vorzustellen.

 

Herr Torke deutet darauf hin, dass eine Fortschreibung eines Entwicklungsgutachtens in vier bis fünf Jahresrhythmen aufgrund der schnellen wirtschaftlichen aber auch gesetzlichen Veränderung, z.B. § 34 Abs. 3 Baugesetzbuch „Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile“, gängig und auch notwendig ist. Im Frühjahr dieses Jahres ist eine Oberzentrenstudie mit dem Ergebnis durchgeführt worden, dass bereits über 90% aller Oberzentren ein solches Einzelhandelskonzept haben. Weiterhin hat die Studie ergeben, dass mehr als 70% ein Einzelhandelskonzept politisch verbindlich beschlossen haben, so dass es mehr als nur einen Rahmen darstellt. Ein Grund dafür ist die Veränderung des Baurechts und besonders der schwierigeren Versagung gem. § 34 Abs. 3 Baugesetzbuch, deren Gründe mittels eines Konzeptes und des Beschlusses als belegbar sind.

Lüneburg wird als Oberzentrum eingestuft. Das nächste Oberzentrum und gleichzeitig Metropolregion ist Hamburg. Dazwischen liegt das Mittelzentrum Winsen und in entgegen gesetzter Richtung Uelzen. Weitere Oberzentren sind Bremen und Celle in etwas größerer Entfernung. Oberzentren haben die besondere Aufgabe den Versorgungsbedarf im Einzugsgebiet mit jeder Art bzw. mit jedem Gut über den Nahversorgungsbedarf hinaus zu befriedigen. Daraus ergibt sich eine Wettbewerbssituation zu anderen Oberzentren und es stellen sich Fragen nach der Angebotsstruktur und dem Umfang der Angebote.

Die Basis für derartige Untersuchungen ist immer die Bevölkerungsplattform, da sich aus der Entwicklung und aus der Bevölkerung selbst das Nachfragepotenzial ableiten lässt, d.h. die Kaufkraft, die den Anbietern innerhalb eines Einzugsgebietes zur Verfügung steht. Lüneburg weist eine weit überdurchschnittliche Bevölkerungsentwicklung auf. Im Vergleich mit anderen niedersächsischen Städten ist diese positive Entwicklung nur in wenigen kleinen norddeutschen Städten und im „Speckgürtel“ von Hamburg wieder zu finden.

Die Möglichkeit einer Angebotssteigerung in Lüneburg wird belegt durch weiter ansteigende Einwohnerzahlen und durch die Kaufkraftkennziffer. Das Lüneburger Kaufkraftniveau ist im Vergleich mit anderen Kommunen im niedersächsischen Mittelmaß. Jedoch ist die Kaufkraftkennziffer für den periodischen Bedarf nicht entscheidend, sondern sollte für das Angebot von Luxusgütern beachtet werden. Eine durchschnittliche Kaufkraftkennziffer sei kein Kriterium für restriktives Verhalten.

 

Der Vorsitzende, Ratsherr Manzke, bittet um die Erläuterung der Kaufkraftkennziffer.

Diese Kennziffer wird von der GfK AG Nürnberg (Growth from Knowledge) erhoben und bezieht das Sozialniveau, die Arbeitslosenzahl und das Einkommensniveau mit ein, erklärt Herr Torke.

 

Eine weitere gute Rahmenbedingung ist die deutlich zurückgegangene Arbeitslosenquote im Landkreis Lüneburg im Vergleich zu anderen Kommunen, führt Herr Torke fort.

Für den Handel in Lüneburg ist neben der Einwohnerzahl der Einpendlerüberschuss bedeutend, denn das „Einkaufen am Arbeitsplatz“ wird für den Kunden immer wichtiger.

Die Tourismusentwicklung bezeichnet Herr Torke im Vergleich als insgesamt gut, denn nur in klassischen touristischen Orten wie z.B. in Mecklenburg-Vorpommern sind ähnliche Entwicklungen zu beobachten. Dies sind alles sehr positive Rahmenbedingungen für Lüneburg.

Herr Torke erklärt, dass das Kaufkraftvolumen abhängig von dem nachgefragten Gut ist. Je nach Art des Gutes, ist das Einzugsgebiet weiter bzw. enger zu fassen. Der Lebensmittelkäufer orientiert sich an der Nähe der Märkte, wobei der persönliche Bedarf wie z.B. Kleidung und Schuhe ein weiteres Einzugsgebiet haben.

Betrachtet wird nun die Angebotsseite. Hierfür ist die Verkaufsflächenentwicklung eine geeignete Kennzahl. Im Vergleich zum Jahr 2003 ist die Verkaufsfläche um 12,7% gestiegen. Begründet ist dieser Sprung hauptsächlich in der Eröffnung des Ilmenau Centers.

Lüneburgs Politik ist es bisher gewesen, großflächigen Handel in der Innenstadt zu vermeiden. Das sich dann an raumordnerisch weniger geeigneten Standorten großflächige Märkte entwickeln, ist die Folge. Als negatives Beispiel nennt Herr Torke hier die Entwicklung in Bremen. Dort sind jahrelang Vermarktungsketten vermieden worden, welche sich dann aber außerhalb der Stadt angesiedelt haben und dort auch nicht hingehören.

Städtebaulich ist Lüneburgs Innenstadtsituation sehr gut. Ein Rundgang findet jedoch nicht statt, denn das „Kaufhaus Innenstadt“ umfasst nur zwei Hauptstrassen. An ausgewählten Standorten sollten attraktive Geschäfte platziert werden, so dass die Struktur des „L“ verändert wird und die gesamte Innenstadt als Kaufhaus genutzt werden kann. In Oldenburg ist die Struktur mit der Folge einer intensiven Nutzung der Innenstadt erfolgreich verändert worden. Die Attraktivität als Oberzentrum steigt enorm, wenn nicht nur eine Hauptachse als Kaufhaus genutzt werden kann.

 

Ratsherr Meihsies fragt Herrn Torke, wie Oldenburg die Entwicklung gesteuert hat. Herr Torke erläutert, dass Oldenburg diese Entwicklung schon sehr früh gesteuert hat, aber nicht wie üblich durch Versagung sondern durch das Bereithalten von Angeboten für die unterschiedlichen Betriebstypen. Hierbei handelt es um eine teure Vorratspolitik, da Grundstücke in städtischer Lage vorgehalten werden müssen. Dies ist eine Entwicklung über ca. 40 Jahre.

Ratsherr Meihsies könne sich dies für Lüneburg schwer vorstellen, da der Stadtrat aufgrund der wirtschaftlichen Lage eher kein Immobilienkäufer wäre.

Herr Torke fügt hinzu, dass die beispielhaft genannten Maßnahmen nicht in jeder Stadt umsetzbar seien, dennoch jede Stadt das Potential habe, sich zu verändern.

 

Herr Torke führt weiter fort, dass die Nebenzentren wie das Ilmenau Center und das Löwe Center nördlich angesiedelt sind. Im Süden hingegen besteht eine Versorgungslücke für mindestens ein Sortiment. Diese Lücke ist bereits planerisch geschlossen.

Die Durchschnittsgröße der Betriebe beträgt 89m². Betriebswirtschaftlich sinnvoll sind größere Unternehmen. Der kleine Fachmarkt hat häufig aufgrund der sinkenden Roherträge mit dem Finden von Nachfolgern zu kämpfen. Ein augenscheinlich großer Betrieb vertreibt in der Regel keine kleinen Betriebe, sondern für den Konzernbetrieb bzw. den Filialbetrieb lohnt es sich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten dort zu arbeiten, wo ein kleiner Fachmarkt bereits unwirtschaftlich ist. Die Betriebsgröße sei schlecht im Bezug auf die Wirtschaftlichkeit und ihre negativen Folgen für die Innenstadt. Für die Innenstadt sei zu erwarten, dass die Flächen einzelner Geschäfte vergrößert würden, um wirtschaftlich zu arbeiten.

Weiterhin sollten Betriebe nur an Standorten mit entsprechender Bevölkerungsdichte angesiedelt werden, so dass im Nord-Osten von Lüneburg zurzeit keine weiteren Betriebe notwendig erscheinen und eine entsprechende KMU-Förderung (Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen in Hansestadt und Landkreis Lüneburg) hier nicht zweckmäßig wäre, da dort ein Betrieb nicht wirtschaftlich tätig werden könne.

Eine wichtige Frage ist, die durch das Gutachten beantwortet werden soll, ob in manchen Segmenten des Angebots eine Unterversorgung bzw. ein Überhang besteht. Dazu ist die Flächendichte der Hansestadt untersucht worden. Die Verkaufsfläche je 1.000 Einwohner beträgt in Lüneburg 2.291. Bei einem Wert von 1.000 wird eine Unterversorgung und bei einem Wert von 2.500 die durchschnittliche Obergrenze angenommen. Somit ist das Angebot in Lüneburg im üblichen Rahmen. Besonders im Bereich Do-it-Yourself/Gartenbedarf ist Lüneburg sehr gut ausgestattet. Herr Torke führt jedoch aus, dass ein Oberzentrum nie ein zu großes Angebot haben könne. Das Sortiment eines neuen Betriebes und der Standort sind entscheidender, als die Befürchtung ein Überangebot zu erhalten. Der Versorgungsgrad nach Branchen wird durch die Einzelhandelszentralität angegeben. Dabei wird der Umsatz ins Verhältnis zur vorhandenen Kaufkraft gesetzt und auf den gleichen Raum bezogen. Jede Zahl größer als 100 bedeutet, dass mehr Umsatz getätigt wird als Kaufkraft vorhanden ist und jede Zahl darunter heißt, dass Kaufkraft abfließt. Für ein Oberzentrum sollte ein Wert weit über 100 im zentrenrelevanten und nicht zentrenrelevanten Bereich bestehen. Lüneburg hat wie bereits auch schon in 2003 einen „traumhaften“ Wert, d.h. die Stadt ist so attraktiv, dass die Bevölkerung aus einem großen Einzugsgebiet auf die Stadt orientiert ist. Die Werte für den persönlichen Bedarf sind mit 200% gute Werte, die keinesfalls zu hoch seien. Entsteht dort ein noch größeres Angebot, könnte dieses sogar noch mehr Kunden anziehen, da es aufgrund eines unterschiedlicheren Angebots z.B. bei Schuhen zum „Schlendern“ einlädt. Je höher die Verdichtung in einem Angebot ist, desto höher ist der Erfolg, erklärt Herr Torke.

Auch der Bereich „Hausrat und Wohnaccessoires“ mit einem Wert von 162% ist nicht kritisch zu betrachten, da es keine mittelständischen Möbelhäuser mehr gibt. Hat man ein großes Einrichtungsunternehmen wie „Ikea“ oder „Höfner“, erzielt man automatisch statistische „Traumwerte“. Einziger Nachteil sei, dass es keine klassischen Möbelhäuser sind. Herr Torke empfiehlt, ein solches Einrichtungshaus dennoch anzusiedeln, wenn sich die Gelegenheit dazu böte.

Obwohl die Branche „Foto und Film“ nur 43% Einzelhandelszentralität ausweist, besteht hier keine Unterdeckung. Dieser Betriebstyp besteht kaum noch und wird in den z.B. Elektrofachmärkten mit abgedeckt.

Die Hauptansatzpunkte einer Flächenentwicklung in Lüneburg, die Impulse bewirken, sind die Bevölkerungsentwicklung, der Betriebsformenwandel, der Tourismus und der Abbau von strukturellen Defiziten.

Die Untersuchung zeigt zwei Entwicklungsmöglichkeiten auf: Bei einer Umsatzumverteilung/ Verdrängung in Höhe von max. 7% ist ein Expansionsrahmen von 38.700 m² Verkaufsfläche bis 2015 und bei einer Umsatzverteilung von max. 4% um 33.700 m² Verkaufsfläche möglich, wenn eine positive Bevölkerungsentwicklung eintritt. Die Umsatzumverteilung bzw. die negative Bezeichnung „Verdrängung“ von Betrieben durch die Ansiedlung von neuen Unternehmen ist systemtypisch in einer Wettbewerbsgesellschaft. Eine Verdrängung ist nur unzulässig, wenn sie eine angenommene intakte Versorgungsstruktur so schädigt bzw. schädigen würde, dass eine Entwicklung der Unterversorgung eingeleitet werden würde.

 

Ratsherr Srugis merkt an, dass das Problem in der Verdrängung darin bestünde, dass ein mittelständischer Betrieb durch eine Filiale verdrängt würde, die möglicherweise in ein paar Jahren wieder geschlossen wird bzw. an einen anderen Standort zieht und der Schaden für den Mittelständler irreparabel sei. Herr Torke bestätigt das Problem, nennt aber das Beispiel „Fielmann“ als mittelständisches Unternehmen, das es geschafft hat, als Filialist Fachgeschäft zu bleiben und sich in eine fachgeschäftstypische Innenstadtstruktur einpasst. Hier muss der Einzelfall betrachtet werden.

 

Ansiedlungsspielraum besteht laut den von Herrn Torke vorgestellten Ergebnissen bei restriktivem Verhalten im Rahmen von ca. 30.000 m². Das sei mehr Spielraum, als vorhanden sei. Angesiedelt werden sollte vornehmlich in der Innenstadt oder an den Standorten, an denen bereits ein hoher Agglomerationsbestand vorhanden ist. Ein zusätzlicher Fachmarkt am Standort Ilmenau Center oder Löwe Center könnte problemlos entstehen. Ein weiterer Agglomerationsstandort sollte hingegen nicht geschaffen werden, wobei es auch hier wieder auf den Einzelfall ankäme.

Die vorhandenen bzw. neu geschaffenen Flächen sollten in der Innenstadt nicht mit weiteren fachmarkttypischen Angeboten wie z.B. „KiK“ und „Takko“ geschlossen werden. Für die zielgerichtete Entwicklung kann das Instrument der „Steuerung durch Vereinigung“ geeignet sein, dass nicht das Interesse eines Einzelnen in den Vordergrund stellt, sondern das kommunale Interesse an einer Gesamtstruktur „Kaufhaus Innenstadt“, welches zu vertreten ist. In so einem Fall ist das innerstädtische Shoppingcenter sehr stark und profitiert von der gemeinsamen Werbemöglichkeit und Entscheidung für eine in Gänze attraktive Branchenstruktur.

Trotz eines Einzelhandelskonzeptes bleibt die Einzelfallentscheidung von erheblicher Bedeutung, denn das Konzept trifft Pauschalaussagen, wobei ein Ansiedlungsbegehren ein ganz konkreter Fall ist und eine Verträglichkeitsuntersuchung in jedem Fall notwendig würde.

 

Der Vorsitzende, Ratsherr Manzke, bedankt sich bei Herrn Torke für den Vortrag und eröffnet die „Fragerunde.“

 

Ratsherrn Meihsies fragt, ob in die Überlegungen nicht auch die Randgemeinden einfließen müssten und eine größere Abstimmung erfolgen müsste.

Herr Torke bejaht dies. In die Untersuchung sind bereits mögliche Entwicklungen und momentane Situationen der Randgemeinden eingeflossen. Hier ist eine Abstimmung mit dem Landkreis notwendig. Grundsätzlich hat eine Abstimmung bei innenstadtrelevanten Angeboten zwischen dem Oberzentrum und einem Grundzentrum zu erfolgen.

 

Weiterhin gibt Ratsherr Meihsies Herrn Torke eine Rückmeldung zu seinem Vortrag und stellt für ihn zwei wichtige Punkte, die Einzelfallentscheidung und die Entscheidung über Qualität und Inhalt, heraus.

 

Ratsherr Srugis bittet Herrn Torke das Ergebnis bzw. die Situation der Hansestadt von 2003 und heute zu vergleichen und besonders auf Fehler oder positive Entscheidungen einzugehen. Herr Torke beschreibt, dass Lüneburg sehr lange Zeit die Fachmarktansiedlung vermieden hat. Wichtig ist, dass die Kaufkraft gelenkt wird. Dies wird erreicht, indem alle marktgängigen Entwicklungen und somit auch Betriebstypen angeboten werden, die sich der Kunde wünscht. Folgt man dem nicht, muss auf Kaufkraft verzichtet werden. Weiterhin muss bedacht werden, dass alle zentrenrelevanten Betriebe in die Innenstadt gehören. Lüneburg hat sich trotz der Nähe zu Hamburg „gut behauptet“.

 

Ratsherr Srugis stellt weiter die Frage nach einem positiven Beispiel für die Zusammenführung von Grundstückseigentümern, Händlern und Verwaltung. In Lüneburg würde dies seit Jahren versucht. Herr Torke führt aus, dass es in Bremerhaven ein Leerstandskataster gibt, womit eine strukturelle Veränderung herbeizuführen versucht wird und keine Einzelbelegung. In Bremerhaven sei dies eine städtische Gesellschaft, die diesen Service anbietet.

 

Beigeordnete Schellmann fragt Herrn Torke, ob es auch noch ein anderes Beispiel als Bremerhaven für das Gelingen eines Arbeitskreises „Leerstand“ gibt, da es dem Anschein nach nur funktioniert, wenn eine andere Struktur gescheitert ist. Herr Torke bejaht, dass in Bremerhaven die Grundstückseigentümer erst Verluste erleiden mussten, um zu einer Zusammenarbeit bereit zu sein. Weitere Beispiele für erfolgreiches Zusammenarbeiten hat er nicht.

 

Der Betriebstyp FOC (Factory Outlet Center) sollte in Lüneburg angesiedelt werden, da er laut Herrn Torke in Oberzentren angeboten werden muss. Der Betriebstyp muss jedoch politisch gewollt sein, denn hier findet eine größere Verdrängung statt. Seiner fachlichen Meinung nach ist es für eine Innenstadt immer von Vorteil ein breites Angebot, auch an Betriebstypen, zu haben.

 

Ratsherr Luths fragt Herrn Torke nach seinen fachlichen Erfahrungen im Bereich des Zusammenwirkens von verschiedenen Einzelhändlern und der Vorsitzende, Ratsherr Manzke, ergänzt die Frage, ob Herr Torke schon eine Stadt bei der Errichtung eines BID (Business Improvement Districts) beraten habe. Die Firma Dr. Lademann & Partner beschäftigt sich schon sehr lange mit dieser Betriebsform. In Amerika ist es genutzt worden, um eine „Verslumung“ wieder rückgängig zu machen. FOC wird in Hamburg, Bergedorf und Bremen positiv eingesetzt, obwohl es auch mit anderen Betriebsformen funktioniert. Es ist ein gutes Instrument, deren Einsatz aber kritisch für den eigenen Standort geprüft werden muss.

 

Der Vorsitzende, Ratsherr Manzke, fügt an, dass dazu erst in Niedersachsen die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen.

 

Ratsherr Meihsies fragt Herrn Torke nach seiner fachlichen Einschätzung bezüglich eines FOC in unmittelbarer Nähe. Herr Torke merkt an, dass er in dieser Frage befangen ist, da er einen der möglichen Standorte betreut. Es handelt sich grundsätzlich nur um eine Betriebstypenerweiterung, die Frage nach dem Standort ist die Entscheidende. Seiner Einschätzung nach ist ein FOC dort sinnvoll, wo es geringe Auswirkungen auf die Innenstadt hat und die Kaufkraft dennoch weitläufig erfasst. Niedersachsen ist der Meinung, ein FOC in einem Oberzentrum zu errichten würde zu einer hohen Verdrängung in der Innenstadt führen, so dass es besser in einem „Zwischenraum“, z.B. einem Autobahnkreuz, errichtet werden sollte.

Herr Torke ist der Meinung, dass das Oberzentrum Lüneburg sicher nicht unter der Errichtung eines FOC im Landkreis Soltau-Fallingbostel leiden würde.

 

Oberbürgermeister Mädge führt dazu aus, dass es sich auf ökonomischer Basis zeigt, dass die Kunden bereit sind, eine große Entfernung für einen „günstigeren Preis“ zurückzulegen. Dies zeigt sich bereits am Beispiel Wolfsburg. Weiterhin ist er der Meinung, dass eine solche Betriebsform nicht in die Landschaft gehören würde. Eigentlich hatten sich die Oberzentren darauf verständigt, jedoch hat sich Wolfsburg nicht daran gehalten. Es ist abzuwarten, wie sich ein mögliches FOC im Landkreis Soltau-Fallingbostel entwickelt und auf die Stadt auswirkt.

 

Zudem ergänzt Oberbürgermeister Mädge zum Thema BID, dass es in Lüneburg vor 10 bis 15 Jahren Leerstände gegeben habe und dort eine freiwillige Beteiligung der Grundstückeigentümer per Umlageverfahren durchgeführt werden konnte. Auf einen gesetzlichen Rahmen des Landes Niedersachsen muss nicht gewartet werden, denn die Bereitschaft hat es in Lüneburg bereits gegeben. Eine freiwillige Beteiligung der Händler ist seiner Meinung nach besser als eine gesetzlich geregelte. Zusammenfassend sei wichtig, dass die Entscheidung für das Ilmenau-Center richtig gewesen sei und dieser Weg in Abstimmung mit den Nachbargemeinden weitergegangen werden könne.

 

Ratsfrau Dr. Pahnke fragt Herrn Torke, ob die Tourismusentwicklung in Höhe von 7,5 % nur in die Potenzialreserve eingeflossen ist und ob auch Beobachtungen für das Angebotssortiment gemacht werden konnten. Weiterhin weist Ratsfrau Dr. Pahnke auf die Gegenläufigkeit der Übernachtungs- und Gästezahlen in den jeweiligen Jahren hin. Gerade im Innenstadtbereich wären neue Hotelkapazitäten notwendig. Speziell den Einfluss der Tourismusentwicklung auf den Inhalt des Gutachtens möchte Ratsfrau Dr. Pahnke erläutert haben. Die gesamte Kaufkraft der Touristen ist nicht branchenspezifisch und es findet in der Regel auch nur ein eingeschränkter Einkauf statt, der auf ein bestimmtes Sortiment begrenzt ist, erklärt Herr Torke. Entscheidend sei, welcher Tourismustyp in die Stadt käme.

 

Beigeordnete Schellmann fragt im Bezug auf die vielen unterschiedlichen Betriebsformen Herrn Torke nach seiner Meinung insbesondere zum „ECE“ (Einkaufs-Center Entwicklungsgesellschaft), welches für Lüneburg eine neue Betriebsform wäre. Herr Torke antwortet, dass es aus fachlicher Sicht zunächst nicht die Form ECE oder BID die entscheidende Frage sei, sondern ob ein Shoppingcenter in die Innenstadt Lüneburgs soll. Wichtig sei dabei, dass die Kenntnisse für ein solches Shoppingcenter vorhanden seien. Die Betriebsform sei seit Jahren als „altes Warenhaus“ bekannt, da es die gleichen Rahmenbedingungen aufweist, wenn es in der Innenstadt angesiedelt würde.

 

Ratsherr Srugis ergänzt, dass Passagen im Grunde Vorläufer der Shoppingcenter seien. Herr Torke hat eine andere Auffassung, da Passagen nicht so attraktiv seien und nicht zum Schlendern auffordern würden.

 

Ratsherr Meihsies zeigt auf, dass Harburgs Innenstadt durch das Phönix-Center mit hohen Leerständen zu kämpfen hat. Herr Torke entgegnet, dass die Lüneburger Str. von der Bremer Str. ab in Richtung Phönix-Center schon Jahre zuvor Probleme mit Leerständen gehabt habe. Jedoch gäbe es jetzt natürlich im Center Waren, die zuvor auch in der Lüneburger Str. angeboten worden seien.

 

Eine Frage aus dem Auditorium ist, ob die großen Kaufhäuser sich weiterentwickeln werden. Herr Torke antwortete, dass bereits jetzt wieder zurückgebaut würde. Zum Beispiel sei es immer häufiger zu sehen, dass Karstadt das Obergeschoss außer Betrieb nimmt.