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Auszug - Finanzierung der Lüneburger Kliniken sichern (Antrag der Gruppe SPD/CDU vom 14.05.2008, eingegangen am 15.05.2008)  

 
 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Rates der Hansestadt Lüneburg
TOP: Ö 5.1
Gremium: Rat der Hansestadt Lüneburg Beschlussart: ungeändert beschlossen
Datum: Do, 26.06.2008    
Zeit: 17:20 - 20:20 Anlass: Sitzung
Raum: Universität Lüneburg, Gebäude 14, Raum 27
Ort: Scharnhorststr. 1, 21335 Lüneburg
VO/2857/08 Finanzierung der Lüneburger Kliniken sichern (Antrag der Gruppe SPD/CDU vom 14.05.2008, eingegangen am 15.05.2008)
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Antrag der Gruppe SPD/CDU
Federführend:01 - Büro der Oberbürgermeisterin Bearbeiter/-in: Gieseking, Stefan
 
Wortprotokoll
Beschluss

Beratungsinhalt:

 

Beratungsinhalt:

 

Ratsherr SRUGIS möchte den Antrag als Hilferuf verstanden wissen. Um Missverständnissen vorzubeugen weise er darauf hin, dass die jüngsten Tarifsteigerungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Klinikums eindeutig berechtigt und notwendig gewesen seien. Auch die Erhebung von Fallpauschalen halte er grundsätzlich für ein geeignetes Mittel, um die Wirtschaftlichkeit in den Klinikern sicher zu stellen. Um diese Fragen solle es also nicht gehen, vielmehr um das Problem der Lüneburger Klinik und gleichsam aller kommunalen Kliniken. Das Hauptproblem liege darin, dass die Einnahmen planwirtschaftlich organisiert würden, man bei den Ausgaben aber das marktwirtschaftliche System – allerdings zu Recht – beibehalte. Beides nebeneinander funktioniere jedoch nicht, entweder das Eine oder das Andere sei hier die richtige Antwort. Als ein Beispiel nenne er bei den Einnahmen die planwirtschaftliche Deckelung, nämlich 0,64 % für das Jahr 2008, orientiert an der Grundlohnsummensteigerung. Nun komme aber der Bund und sage, da müssen noch einmal 0,5 % runter als Sanierungsbeitrag für die Krankenkassen. Das sei nicht in Ordnung. Zweitens komme das Land seiner Investitionsverpflichtung von 1/3 der Investitionen nicht in allen Fällen nach. Drittens sei die Fallpauschalenregelung mit systematischen Problemen behaftet. So könne es nicht sein, dass besonders gut geführte Häuser – wie etwa das Lüneburger Klinikum – Mehrleistungen über die Planung hinaus, nur mit einem Drittel vergütet bekomme. Bei den Ausgaben habe man Personalkostensteigerungen von vier Prozent, man habe explodierende Energiekosten von circa 15 %, rund 2,8 % bei den Lebensmittel- und etwa 7,5 % bei den Arzneimittelpreisen. Das bedeute auf der einen Seite extreme Ausgabensteigerungen gegenüber einer Deckelung auf der Einnahmeseite. Das sei für das Lüneburger Klinikum nicht tragbar. Böswillig könne man sagen, dass der Bund offenbar die kommunalen Kliniken auf die Bahre legen wolle, damit nur die privaten Kliniken übrig bleiben. Ziel müsse die optimale Daseinsvorsorge sein, diese bestehe aus einem Nebeneinander von kommunalen, von gemeinnützigen und von privaten Häusern, also einer so genannten pluralistischen Krankenhauslandschaft. Die Probleme lägen in Lüneburg nicht beim Management. Die Zahl der Pflegekräfte liege in Relation zur Zahl der Ärzte niedriger als früher, bestimmte Bereiche wie Wäscherei und Reinigung wurden ausgegliedert, zudem erfolge der Medikamenteneinkauf über eine eigene Apotheke, der sich auch andere Krankenhäuser angeschlossen haben. Man sei nicht schlechter als private Häuser, sondern besser, insbesondere wenn man berücksichtige, dass die kommunalen Pflegekräfte besser bezahlt werden als Private. Es sei auch gelungen, aus einem relativ defizitären Haus eine Klinik mit weitgehend ausgeglichenen Budgets und bisweilen sogar Überschüssen zu schaffen. Diese Zeit sei aber vorbei. Das zugeteilte Einnahmebudget müsse endlich an die Kostenentwicklung angepasst werden, sonst treibe man Krankenhäuser in den Ruin. Angesichts der zukünftigen demographischen Entwicklung, der Preissteigerungen und auch der berechtigten höheren Ansprüche der Patienten ergebe sich künftig eine Problemlage, die die Situation noch weiter zuspitze. Es müsse deutlich gesagt werden, dass es nicht um Linderung von Finanzproblemen gehe, sondern um deren Beseitigung. Eine brauchbare Größe wäre, die Einnahmeentwicklung am nominellen Bruttoinlandsprodukt zu orientieren. Das Land Niedersachsen müsse seine Investitionsverpflichtungen ernst nehmen, da sonst zu befürchten sei, dass diese Aufgabe den Krankenkassen zugewiesen werde. Eine schnelle Besserung wäre zunächst einmal der Wegfall des 0,5-prozentigen Sanierungsbeitrages, er hoffe, dass man sich in Berlin auf schnelle Hilfen einigen könne.

 

Ratsherr LUTHS hebt ergänzend zu den Ausführungen von Herrn Srugis hervor, dass man in Lüneburg einen außerordentlich leistungsstarken Gesundheitskonzern mit etwa 2.500 sehr engagierten Mitarbeitern besitze. Die enorme Zunahme der Belastung der Mitarbeiter erlebe er direkt in der eigenen Familie. Der Konzern erfülle den hohen Anspruch der Allgemeinversorgung und trage dem medizinischen Fortschritt Rechnung, indem dort auf höchstem Niveau Gesundheitsvorsorge angeboten werde. Das Problem seien die enorm gestiegenen Kosten, die er anhand einiger Zahlen belegen wolle. Von 1998 bis 2007 seien die Kosten um etwa 32 % angestiegen, die Budgets auf der anderen Seite im gleichen Zeitraum lediglich um knapp 11 %. Diese Differenz müsse getragen werden, was sich im Abbau von insgesamt etwa 100.000 Arbeitsplätzen in den deutschen Krankenhäusern, davon etwa 50.000 im Bereich der Pflege, ausgewirkt habe. Die Fallzahlen seien gleichzeitig von 14,3 auf 16,9 Millionen gestiegen. Diese Zahlen sprächen für sich. Im Jahre 2007 beliefen sich die Defizite der Krankenhäuser in Deutschland auf insgesamt etwa 1 Milliarde Euro. Rund 40 % der Krankenhäuser seien von besonders hohen Verlusten betroffen, für das Jahr 2008 werde erwartet, dass sich diese Zahl auf 50 % erhöhe. Zusätzlich hätten die Krankenhäuser als ohnehin schon besonders gebeutelter Bereich noch einen Sanierungsbeitrag von 0,5 % zu leisten für die Krankenhausfinanzierung von Seiten der Krankenkassen. Das seien Verhältnisse, die man nicht hinnehmen könne und die sich unmittelbar auf die Lüneburger Kliniken auswirkten. Daher wünsche man sich, dass der Bundesgesetzgeber hier reagiere, wie es der Landesgesetzgeber bereits getan habe, indem die Krankenhausversorgung in Niedersachsen kürzlich deutlich aufgestockt worden sei.

 

Ratsherr MEIHSIES sieht in dem Ratsantrag eine massive Kritik an der Gesundheitspolitik der Bundesregierung. Die SPD sei nicht in der Lage, ihre Bundesregierung dahin zu bringen, das Krankenhausfinanzierungsgesetz auf vernünftige Beine zu stellen. Es bedürfe offenbar einer Resolution eines Stadtrates aus der niedersächsischen Provinz, damit ihre Bundestagsabgeordneten wach werden. Offenbar könne man ihnen nicht einfach am Telefon sagen, wo der Schuh drückt. Man könne solche und ähnliche Resolutionen dem Rat stapelweise auf den Tisch legen, es mache jedoch einfach keinen Sinn, man veräppele sich damit gegenseitig. Natürlich wisse jeder, dass die Finanzierung der Krankenhäuser in den letzten Jahrzehnten auf Bundes- und Landesebene massiv zurückgedampft worden sei. Da müsse man aber beispielsweise Herrn Althusmann einmal deutliche Worte sagen und nicht mit einer Resolution sozusagen um die Ecke kommen. Die Landesregierung habe den Krankenhausfonds in den letzten Jahren zu Lasten der Kommunen herunter gefahren und die Bundesregierung habe ein bundesweites Defizit beim Investitionsstau bei den kommunalen Krankenhäusern von rund fünfzig Milliarden angehäuft. In der Resolution seien nichts als Selbstverständlichkeiten und eine verdeckte massive Kritik an der Bundesregierung formuliert worden, der allerdings stimme er gerne zu.

 

Ratsherr SOLDAN dankt der Klinikleitung und den Mitarbeitern für die in den letzten Jahren geleistete Arbeit, durch die das früher defizitäre Ergebnis deutlich verbessert werden konnte. Die niedersächsische Krankenhausgesellschaft rechne damit, dass in diesem Jahr circa sechzig der 195 Krankenhäuser in Niedersachsen Verluste erzielen werden. Grund hierfür seien vor allem die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst und für das ärztliche Personal mit Steigerungen von acht Prozent, die allerdings aufgrund der starken Lohnzurückhaltung in den vergangenen Jahren vollkommen gerechtfertigt seien. Dennoch werde ein großes Loch in die Krankenhausfinanzierung gerissen, da die Personalkostenquote bei etwa 67 % des Etats liege. Eine weitere Ursache der Defizite seien die Sachkostensteigerungen – vor allem bei den Energiekosten – und der Sanierungsbeitrag in Höhe von 0,5 % des Budgets. Weiterhin die Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes und nicht zu vergessen die von CDU und SPD beschlossene Mehrwertsteuererhöhung. Dem entgegen stünden die im GSG festgeschriebenen Budgetsteigerungen von in diesem Jahr 0,64 %, jedoch abzüglich des Sanierungsbeitrages von 0,5 %. Es gebe somit praktisch keine Einnahmesteigerungen. Die Schieflage der Krankenhäuser sei folglich maßgeblich durch das Gesundheitsreformgesetz, verabschiedet von CDU und SPD, mit entstanden. Das sei schon im Vorfeld bekannt gewesen. Bereits bei der Diskussion der Gesundheitsreform im Jahre 2006 mahnte die Deutsche Krankenhausgesellschaft an, dass diese Probleme auftreten werden. Im Landtag seien ebenfalls bereits im Oktober 2006 die Auswirkungen des Gesundheitsreformgesetzes auf die Krankenhäuser in Niedersachsen diskutiert worden. Frau Ministern Ross-Luttmann habe dazu wörtlich gesagt: „Ich glaube, es kann heute niemand verlässlich sagen, wie sich die Gesundheitsreform im einzelnen auswirken wird.“ Mit ein wenig gesundem Menschenverstand hätte aufgrund der Daten der Deutschen Krankenhausgesellschaft jeder – zumindest für den Krankenhaussektor – die Mehrbelastungen erkennen können, aber nicht jeder habe sie sehen wollen.

Und nun kämen CDU und SPD eineinhalb Jahre später und spielten sich als Retter des Lüneburger Klinikums auf. Wo sei damals der Protest gewesen ? Warum müssen die Probleme erst in Berlin oder Hannover angesprochen werden, damit CDU und SPD vor Ort aktiv werden ? Es gebe mittlerweile ein Gutachten von Herrn Professor Simon von der FH Hannover im Auftrag von ver.di, welches klipp und klar den Wegfall der Budgets fordere. Eine Forderung, die die FDP bereits seit Jahren stelle.

Die Finanzierung der Kliniken müsse endlich auf solide Füße gestellt werden durch Aufhebung des Budgets und sofortige Rücknahme des Sanierungsbeitrages. Noch in diesem Jahr wolle das Gesundheitsministerium einen Gesetzentwurf zur Krankenhausfinanzierung vorlegen, wodurch das seit den siebziger Jahren geltende dualistische Finanzierungsprinzip zugunsten eines monistischen Modells über Zuschläge zu den Krankenhausentgelten  aufgegeben werden solle. Dazu solle der Umsatzsteueranteil der Länder reduziert werden. Das Ganze solle in den Gesundheitsfonds einfließen, von dem noch niemand recht wisse, ob er überhaupt komme. Das würde für Niedersachsen bedeuten, dass dem Landeshaushalt 485 Millionen Euro entzogen würden, ohne dass das Land Niedersachsen die Chance habe, über die Verteilung dieser Mittel diskutieren zu können. Durch die Koppelung der Investitionsmittel an die Abrechnung komme es zwangsläufig zu einer Bevorzugung der großen und spezialisierten Kliniken. Allgemeine Krankenhäuser auf dem Land würden nach und nach regelrecht ausbluten, wodurch die Versorgung der Bevölkerung in der Fläche noch schlechter werde.

Er appelliere an CDU und SPD, nicht wieder eineinhalb Jahre mit einer Reaktion auf die jetzt zu diskutierende Gesetzesänderung zu warten, sondern ihren Einfluss in Berlin und Hannover für eine nachhaltige Krankenhausfinanzierung geltend zu machen. Die Probleme beträfen im übrigen nicht nur die Krankenhäuser, sondern jede niedergelassene Praxis, die die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung und eine Vielzahl von Arbeitsplätzen sicherten.

 

Ratsherr RIECHEY schließt sich seinen Vorrednern aus der Opposition an. Er habe sich sehr über die Mehrheitsgruppe im Rat gewundert, die ja auch die Mehrheit im Bund stelle. Anscheinend seien CDU und SPD derart unzufrieden mit der Politik der Bundesregierung, dass man solche Appelle benötige. Er hoffe auf die gleiche Einsicht auch in anderen Bereichen und finde es begrüßenswert, dass sich die Gruppe von der Politik der eigenen Bundesregierung abwende. Gesundheit als öffentliches Gut müsse erhalten bleiben, daher sei auch die Privatisierung der Landeskrankenhäuser völlig falsch gewesen und daher werde man natürlich der Resolution zustimmen.

 

Beschluss:

Beschluss:

 

Der Rat der Hansestadt Lüneburg beschließt einstimmig die beantragte Resolution.

 

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