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Beratungsinhalt: Bürgermeister DR. SCHARF weist darauf hin, dass die Zahl der Hauptschüler
überall in Deutschland abnehme. Die Eltern befürchteten zu Recht sinkende
Berufschancen gegenüber Bewerbern aus Realschulen und Gymnasien. Ebenfalls zu
Recht bemängelten die Betriebe, dass Hauptschüler ohne Abschluss oder mit
mangelnden Schlüsselqualifikationen – also Lesen, Schreiben und Rechnen
– kaum ausbildungsfähig seien. Bedingt durch den demographischen Wandel
werde jedoch schon in naher Zukunft jeder junge Mensch als Erwerbstätiger in
der Wirtschaft benötigt, so dass eine Entwicklung von der Lehrstellenknappheit
zur Bewerberknappheit eintreten werde. Zudem signalisiere das Schulgutachten,
dass durch den Rückgang der Zahl der Hauptschüler Räume in Schulen frei würden.
Weiter werden auch nach Einführung der neuen Berufseinstiegsklasse zum 1.8.2009
und der damit verbundenen Abschaffung des BVJ und des BGJ an den Berufsschulen
die Schüler nicht praxisnäher unterrichtet. Diese Feststellungen bildeten die
Basis des Antrages, der auf § 9 des Nds. Schulgesetzes basiere, welcher bereits
eine Kooperation zwischen Hauptschulen und Berufsschulen vorsehe. Man wolle nicht nur reden und lamentieren, sondern die Situation
ändern durch eine Verbesserung der Schlüsselqualifikationen und einen Abschluss
möglichst für jeden Hauptschüler. Dazu gehöre auch die Verbesserung der
Zusammenarbeit zwischen Hauptschulen, Berufsschulen, Betrieben und Kammern über
die schon bestehenden Möglichkeiten hinaus. Man wolle den Hauptschülern dadurch
zeigen, dass man jeden von ihnen in unserer Berufswelt und in der Gesellschaft
brauche. In einer Modellschule mit dem Schwerpunkt Berufsorientierung und
Berufsvorbereitung solle ab der achten Klasse verstärkt mit den Betrieben in
der Region zusammen gearbeitet werden, damit vor allem die Betriebsleiter die
Schüler besser kennen lernen. Dabei würden die Hauptschullehrer von Lehrern der
Berufsschulen unterstützt. Dieses Modell könne man einordnen in ein Konzept der EU mit
dem Ziel der Integration und Bildung berufsferner junger Leute in unsere
gesellschaftliche Welt. Auch die EU habe erkannt, dass der Zugang zu Beruf und
Gesellschaft nur über bessere Qualifikation möglich sei. Wenn 10 % der Kinder eines
Jahrganges und 23 % der Migrationskinder die Schule ohne einen Abschluss
verlassen, sei Handlungsbedarf angezeigt. Eine Modellschule könne eine engere
Verzahnung zwischen Schule und Betrieb herbeiführen. Beigeordnete LOTZE macht deutlich, dass die Antwort von Kindern auf die Frage
nach ihrem Berufswunsch geprägt sei von Neugier und Optimismus. Die politisch
Verantwortlichen hätten die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich ein Großteil
dieser Wünsche realisieren lasse und nicht im Laufe des Schullebens zerplatzten.
Während der Schulzeit entwickle sich entweder die Vorstellung von einem
Traumjob oder ein sehr realistischer Berufswunsch. Je näher das Ende der
Schulzeit komme, desto größer werde unter Umständen die Ernüchterung oder sogar
die Frustration. Insbesondere die Hauptschüler fänden sehr schwierige
Bedingungen vor, von Förderschülern gar nicht zu reden. Jedem seien in seiner
Umgebung die Fälle bekannt, dass sich Schulabgänger um eine Lehrstelle bewerben
und nur Dutzende von Absagen bekommen. Hier bekämen viele Jugendliche erstmals
den Eindruck, nicht gebraucht zu werden, das könne man auf Dauer nicht
zulassen. Nur die wenigsten Hauptschulabgänger fänden sofort einen
Ausbildungsplatz, auch Realschüler seien hiervon zunehmend betroffen. Die
wesentlichen Gründe hierfür habe Herr Dr. Scharf bereits genannt. Idealerweise
gelinge es den Schülerinnen und Schülern, durch Nachqualifizierung in
weiterführenden Schulen die Defizite auszugleichen. Manchmal sei dies jedoch
nur das Rotieren in einer Warteschleife, im schlimmsten Falle aber auch bereits
der Beginn des Weges ins Abseits. Das könne man sich gesellschaftlich und
volkswirtschaftlich keinesfalls leisten. Ziel müsse es sein, alle jungen Leute
soweit zu qualifizieren, dass sie in den Arbeitsmarkt integriert werden können.
An dieser Stelle wolle sie nicht diskutieren, ob die
Hauptschule langfristig die geeignete Schulform zur Lösung dieser Probleme sei,
da die derzeitige Landesregierung das gegliederte Schulsystem favorisiere,
werde man noch lange Zeit mit der Hauptschule leben. Die Unterstützung der
Hauptschüler bedeute nicht, sich vom Ziel einer Gesamtschule in Lüneburg zu
verabschieden. Hervorheben wolle sie ausdrücklich die gute und umfangreiche
Arbeit, die an den Hauptschulen schon jetzt geleistet werde. Beigeordneter LÖB sieht in dem Antrag faktisch eine Kritik am
Berufsschulsystem dieses Landes. Im vorhandenen Berufsschulsystem finde man
Dutzende von eingegliederten Unterschulsystemen, die aufeinander aufbauten.
Hier werde eine neue Schule gefordert die das leiste, was eigentlich die
Berufsschule leisten sollte. Was hier gefordert werde, sei in skandinavischen
Ländern schon längst Teil der Gesamtschule, dort erhielten Jugendliche in der
Schule bereits praktische Ausbildung. Gleichzeitig sei der Antrag auch eine
Kritik am dualen Ausbildungssystem, da man erkenne, dass die Unternehmer nur
auf gute Noten schauen und nicht danach fragten, ob jemand gute praktische
Fähigkeiten besitze. Zudem sei der Antrag eine Ablenkung, indem er vermittle,
dass es reichlich Ausbildungsplätze gebe und es nur darum gehe, die
Jugendlichen ausreichend zu qualifizieren. Tatsächlich gebe es jedoch leider
noch immer nicht genügend Ausbildungsplätze, daran werde sich auch in naher
Zukunft nichts ändern, jedenfalls solange, wie man es nicht schaffe, politisch
eine Änderung herbeizuführen. Dafür sei beispielsweise eine
Ausbildungsplatzabgabe ein geeignetes Mittel, das aber von der politischen
Mehrheit immer wieder in Frage gestellt werde. Es sei unglücklich, dass man,
statt praktikable und einfache Wege gehen zu können, sich eine solche Schleife
suchen müsse. Dennoch halte er den jetzigen Ansatz nicht für verkehrt, da man
dadurch versuche, benachteiligten Jugendlichen zu helfen. Ratsherr RIECHEY bemängelt, dass im Antrag kein Wort über die entstehenden
Kosten und Deckungsvorschläge verloren werde, wie dies bei Anträgen seiner
Fraktion immer gefordert werde. Das habe auch die Verwaltung in ihrer
Stellungnahme moniert. Unabhängig vom Inhalt des Antrages fordere er die Gruppe
SPD/CDU auf, die Anforderungen, die an andere Fraktionen gestellt werden, auch
für sich selber gelten zu lassen. Die bereits vorgebrachten Analysen bezüglich der
Berufschancen für Hauptschüler wolle er nicht wiederholen, sie seien allgemein
bekannt. Die Forderung der Grünen nach einer Ausbildungsplatzabgabe sei auch
eine der Hauptforderungen seiner Partei im bildungspolitischen Bereich.
Unternehmen, die sich verantwortungsvoll verhalten und Ausbildungsplätze
schaffen, sollten hingegen einen Zuschuss erhalten. Die Ursache der hohen
Arbeitslosigkeit bei Hauptschulabsolventen werde nicht dadurch bekämpft, dass
eine einzige Hauptschule ein wenig besser mit Berufsschule und Betrieben
verzahnt werde. Meine die Gruppe es ernst, müsse dieses Modell für alle
Hauptschulen gelten. Das eigentliche Problem sei allerdings strukturell zu
suchen und liege im Schulsystem begründet. Er wolle im Gegensatz zur SPD hier
durchaus darüber diskutieren, ob die Hauptschule die geeignete Schulform sei.
Ein entsprechender Antrag zur Gesamtschule wurde vor geraumer Zeit in den
Schulausschuss überwiesen, der aber seitdem nicht getagt habe. Die CDU wolle
nicht locker lassen vom überholten selektiven Schulsystem, sondern mit etwas
Verzahnung die Folgen dieser verfehlten Schulpolitik kaschieren. Dies dürfe
allenfalls eine kurzfristige Maßnahme sein, da man den jetzigen Schülern
Lösungen anbieten müsse, langfristig werde das Problem dadurch jedoch nicht
gelöst. Die Überweisung in den Schulausschuss trage er mit, dort wolle er aber
von der CDU dann eine weitreichende Antwort zu ihren perspektivischen
Vorstellungen hören. Beigeordnete SCHELLMANN bezeichnet es als die vorrangige Aufgabe vor Ort,
die hier vorhandene Situation zu verbessern. Die Analyse der Gruppe SPD/CDU sei
ganz richtig gewesen, indem die großen Defizite beim Lesen, Schreiben und
Rechnen vieler Hauptschüler aufgezeigt worden seien. Wer an diesen Problemen
eine Strukturdebatte festmachen wolle, dem sei gesagt, dass selbst in Finnland,
wo die Schüler bestens mit zusätzlichen Lehrerstunden qualifiziert würden, die
Jugendarbeitslosigkeit 24 % betrage und damit sogar noch höher als in
Deutschland liege. Zur Verbesserung der Situation vor Ort müsse man nicht das
Rad neu erfinden, vielmehr gebe es Beispiele aus Bayern, wo man durch die
Einführung so genannter Praxisklassen große Erfolge erzielt habe. Mit dieser
Vorgehensweise würden jene Menschen gefördert, die andere als rein
intellektuelle Begabungen haben. Diese Erfolge wolle man sich zum Vorbild
nehmen und auf diese Art und Weise erreichen, dass die gröbsten Fälle
verbessert werden. Wenn das gelänge, könne man dieses Modell auf besonders
stark betroffene Schulen ausweiten. Erster Stadtrat KOCH möchte noch auf zwei Stichworte eingehen. Zum leichten
Vorwurf von Herrn Riechey, der Schulausschuss habe seit geraumer Zeit nicht
mehr getagt, sei anzumerken, dass der Ausschuss natürlich nach Bedarf tage und
so, wie die Geschäftslage es erfordere. Zuletzt sei dies im Oktober und Februar
der Fall gewesen, die nächste Sitzung finde am 11. Juni statt. Hinsichtlich der
Kosten habe er die Kritik nicht ganz zuordnen können, richte sich die Kritik
gegen die antragstellenden Fraktionen, so habe Herr Dr. Scharf darauf
hingewiesen, dass man bei der Finanzierung, wenn sie denn nötig werde, auf
Zuschüsse Dritter hoffe. Die Verwaltung habe in ihrer Stellungnahme angeführt,
dass es noch nicht absehbar sei, welche konkreten Kosten entstehen könnten,
dies sei von der Ausgestaltung eines solchen Modells abhängig. Er wolle zudem erwähnen, dass in der Vergangenheit eine große
Bereitschaft aller Fraktionen bestand, solche und ähnliche Aktivitäten zur
Stützung der Hauptschulen zu fördern. Schon lange vor der Schaffung von
Landesprogrammen dieser Art habe man die Sozialarbeiter an Hauptschulen aus
kommunalen Töpfen mit bezahlt. Eine wesentliche Aufgabe der Sozialpädagogen an
Hauptschulen sei gerade die Begleitung bei der Berufsorientierung und
–findung. Ergänzend zur Stellungnahme der Verwaltung wolle er hinzufügen,
dass man für das Förderprogramm XENOS, das in die gleiche Richtung ziele,
zunächst das Interesse an einer Teilnahme bekundet habe und mit seinem Konzept
in eine Art beschränkte Ausschreibung eintreten müsse. Das vorgesehene Volumen
der Förderung liege bei etwa einer Million Euro brutto für drei Jahre. Beschluss: Der Rat
der Hansestadt Lüneburg beschließt einstimmig, den Antrag zur weiteren Beratung
in den Schulausschuss zu überweisen. (56a) |
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