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Auszug - Chancen für Hauptschülerinnen und Hauptschüler erhöhen: Ausbau einer städtischen Hauptschule zu einer Modellschule mit dem Schwerpunkt "Berufsorientierung und Berufsvorbereitung" (Antrag der Gruppe SPD/CDU vom 14.05.2008)  

 
 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Rates der Hansestadt Lüneburg
TOP: Ö 7.3
Gremium: Rat der Hansestadt Lüneburg Beschlussart: ungeändert beschlossen
Datum: Do, 29.05.2008    
Zeit: 17:00 - 20:00 Anlass: Sitzung
Raum: Huldigungssaal
Ort: Rathaus
VO/2856/08 Chancen für Hauptschülerinnen und Hauptschüler erhöhen: Ausbau einer städtischen Hauptschule zu einer Modellschule mit dem Schwerpunkt "Berufsorientierung und Berufsvorbereitung" (Antrag der Gruppe SPD/CDU vom 14.05.2008)
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Antrag der Gruppe SPD/CDU
Federführend:01 - Büro der Oberbürgermeisterin Beteiligt:Bereich 56a - Bildung
Bearbeiter/-in: Gieseking, Stefan   
 
Wortprotokoll
Beschluss

Beratungsinhalt:

 

Beratungsinhalt:

 

Bürgermeister DR. SCHARF weist darauf hin, dass die Zahl der Hauptschüler überall in Deutschland abnehme. Die Eltern befürchteten zu Recht sinkende Berufschancen gegenüber Bewerbern aus Realschulen und Gymnasien. Ebenfalls zu Recht bemängelten die Betriebe, dass Hauptschüler ohne Abschluss oder mit mangelnden Schlüsselqualifikationen – also Lesen, Schreiben und Rechnen – kaum ausbildungsfähig seien. Bedingt durch den demographischen Wandel werde jedoch schon in naher Zukunft jeder junge Mensch als Erwerbstätiger in der Wirtschaft benötigt, so dass eine Entwicklung von der Lehrstellenknappheit zur Bewerberknappheit eintreten werde. Zudem signalisiere das Schulgutachten, dass durch den Rückgang der Zahl der Hauptschüler Räume in Schulen frei würden. Weiter werden auch nach Einführung der neuen Berufseinstiegsklasse zum 1.8.2009 und der damit verbundenen Abschaffung des BVJ und des BGJ an den Berufsschulen die Schüler nicht praxisnäher unterrichtet. Diese Feststellungen bildeten die Basis des Antrages, der auf § 9 des Nds. Schulgesetzes basiere, welcher bereits eine Kooperation zwischen Hauptschulen und Berufsschulen vorsehe.

Man wolle nicht nur reden und lamentieren, sondern die Situation ändern durch eine Verbesserung der Schlüsselqualifikationen und einen Abschluss möglichst für jeden Hauptschüler. Dazu gehöre auch die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Hauptschulen, Berufsschulen, Betrieben und Kammern über die schon bestehenden Möglichkeiten hinaus. Man wolle den Hauptschülern dadurch zeigen, dass man jeden von ihnen in unserer Berufswelt und in der Gesellschaft brauche. In einer Modellschule mit dem Schwerpunkt Berufsorientierung und Berufsvorbereitung solle ab der achten Klasse verstärkt mit den Betrieben in der Region zusammen gearbeitet werden, damit vor allem die Betriebsleiter die Schüler besser kennen lernen. Dabei würden die Hauptschullehrer von Lehrern der Berufsschulen unterstützt.

Dieses Modell könne man einordnen in ein Konzept der EU mit dem Ziel der Integration und Bildung berufsferner junger Leute in unsere gesellschaftliche Welt. Auch die EU habe erkannt, dass der Zugang zu Beruf und Gesellschaft nur über bessere Qualifikation möglich sei. Wenn 10 % der Kinder eines Jahrganges und 23 % der Migrationskinder die Schule ohne einen Abschluss verlassen, sei Handlungsbedarf angezeigt. Eine Modellschule könne eine engere Verzahnung zwischen Schule und Betrieb herbeiführen.

 

Beigeordnete LOTZE macht deutlich, dass die Antwort von Kindern auf die Frage nach ihrem Berufswunsch geprägt sei von Neugier und Optimismus. Die politisch Verantwortlichen hätten die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich ein Großteil dieser Wünsche realisieren lasse und nicht im Laufe des Schullebens zerplatzten. Während der Schulzeit entwickle sich entweder die Vorstellung von einem Traumjob oder ein sehr realistischer Berufswunsch. Je näher das Ende der Schulzeit komme, desto größer werde unter Umständen die Ernüchterung oder sogar die Frustration. Insbesondere die Hauptschüler fänden sehr schwierige Bedingungen vor, von Förderschülern gar nicht zu reden. Jedem seien in seiner Umgebung die Fälle bekannt, dass sich Schulabgänger um eine Lehrstelle bewerben und nur Dutzende von Absagen bekommen. Hier bekämen viele Jugendliche erstmals den Eindruck, nicht gebraucht zu werden, das könne man auf Dauer nicht zulassen. Nur die wenigsten Hauptschulabgänger fänden sofort einen Ausbildungsplatz, auch Realschüler seien hiervon zunehmend betroffen. Die wesentlichen Gründe hierfür habe Herr Dr. Scharf bereits genannt. Idealerweise gelinge es den Schülerinnen und Schülern, durch Nachqualifizierung in weiterführenden Schulen die Defizite auszugleichen. Manchmal sei dies jedoch nur das Rotieren in einer Warteschleife, im schlimmsten Falle aber auch bereits der Beginn des Weges ins Abseits. Das könne man sich gesellschaftlich und volkswirtschaftlich keinesfalls leisten. Ziel müsse es sein, alle jungen Leute soweit zu qualifizieren, dass sie in den Arbeitsmarkt integriert werden können.

An dieser Stelle wolle sie nicht diskutieren, ob die Hauptschule langfristig die geeignete Schulform zur Lösung dieser Probleme sei, da die derzeitige Landesregierung das gegliederte Schulsystem favorisiere, werde man noch lange Zeit mit der Hauptschule leben. Die Unterstützung der Hauptschüler bedeute nicht, sich vom Ziel einer Gesamtschule in Lüneburg zu verabschieden. Hervorheben wolle sie ausdrücklich die gute und umfangreiche Arbeit, die an den Hauptschulen schon jetzt geleistet werde.

 

Beigeordneter LÖB sieht in dem Antrag faktisch eine Kritik am Berufsschulsystem dieses Landes. Im vorhandenen Berufsschulsystem finde man Dutzende von eingegliederten Unterschulsystemen, die aufeinander aufbauten. Hier werde eine neue Schule gefordert die das leiste, was eigentlich die Berufsschule leisten sollte. Was hier gefordert werde, sei in skandinavischen Ländern schon längst Teil der Gesamtschule, dort erhielten Jugendliche in der Schule bereits praktische Ausbildung. Gleichzeitig sei der Antrag auch eine Kritik am dualen Ausbildungssystem, da man erkenne, dass die Unternehmer nur auf gute Noten schauen und nicht danach fragten, ob jemand gute praktische Fähigkeiten besitze. Zudem sei der Antrag eine Ablenkung, indem er vermittle, dass es reichlich Ausbildungsplätze gebe und es nur darum gehe, die Jugendlichen ausreichend zu qualifizieren. Tatsächlich gebe es jedoch leider noch immer nicht genügend Ausbildungsplätze, daran werde sich auch in naher Zukunft nichts ändern, jedenfalls solange, wie man es nicht schaffe, politisch eine Änderung herbeizuführen. Dafür sei beispielsweise eine Ausbildungsplatzabgabe ein geeignetes Mittel, das aber von der politischen Mehrheit immer wieder in Frage gestellt werde. Es sei unglücklich, dass man, statt praktikable und einfache Wege gehen zu können, sich eine solche Schleife suchen müsse. Dennoch halte er den jetzigen Ansatz nicht für verkehrt, da man dadurch versuche, benachteiligten Jugendlichen zu helfen.

 

Ratsherr RIECHEY bemängelt, dass im Antrag kein Wort über die entstehenden Kosten und Deckungsvorschläge verloren werde, wie dies bei Anträgen seiner Fraktion immer gefordert werde. Das habe auch die Verwaltung in ihrer Stellungnahme moniert. Unabhängig vom Inhalt des Antrages fordere er die Gruppe SPD/CDU auf, die Anforderungen, die an andere Fraktionen gestellt werden, auch für sich selber gelten zu lassen.

Die bereits vorgebrachten Analysen bezüglich der Berufschancen für Hauptschüler wolle er nicht wiederholen, sie seien allgemein bekannt. Die Forderung der Grünen nach einer Ausbildungsplatzabgabe sei auch eine der Hauptforderungen seiner Partei im bildungspolitischen Bereich. Unternehmen, die sich verantwortungsvoll verhalten und Ausbildungsplätze schaffen, sollten hingegen einen Zuschuss erhalten. Die Ursache der hohen Arbeitslosigkeit bei Hauptschulabsolventen werde nicht dadurch bekämpft, dass eine einzige Hauptschule ein wenig besser mit Berufsschule und Betrieben verzahnt werde. Meine die Gruppe es ernst, müsse dieses Modell für alle Hauptschulen gelten. Das eigentliche Problem sei allerdings strukturell zu suchen und liege im Schulsystem begründet. Er wolle im Gegensatz zur SPD hier durchaus darüber diskutieren, ob die Hauptschule die geeignete Schulform sei. Ein entsprechender Antrag zur Gesamtschule wurde vor geraumer Zeit in den Schulausschuss überwiesen, der aber seitdem nicht getagt habe. Die CDU wolle nicht locker lassen vom überholten selektiven Schulsystem, sondern mit etwas Verzahnung die Folgen dieser verfehlten Schulpolitik kaschieren. Dies dürfe allenfalls eine kurzfristige Maßnahme sein, da man den jetzigen Schülern Lösungen anbieten müsse, langfristig werde das Problem dadurch jedoch nicht gelöst. Die Überweisung in den Schulausschuss trage er mit, dort wolle er aber von der CDU dann eine weitreichende Antwort zu ihren perspektivischen Vorstellungen hören.

 

Beigeordnete SCHELLMANN bezeichnet es als die vorrangige Aufgabe vor Ort, die hier vorhandene Situation zu verbessern. Die Analyse der Gruppe SPD/CDU sei ganz richtig gewesen, indem die großen Defizite beim Lesen, Schreiben und Rechnen vieler Hauptschüler aufgezeigt worden seien. Wer an diesen Problemen eine Strukturdebatte festmachen wolle, dem sei gesagt, dass selbst in Finnland, wo die Schüler bestens mit zusätzlichen Lehrerstunden qualifiziert würden, die Jugendarbeitslosigkeit 24 % betrage und damit sogar noch höher als in Deutschland liege. Zur Verbesserung der Situation vor Ort müsse man nicht das Rad neu erfinden, vielmehr gebe es Beispiele aus Bayern, wo man durch die Einführung so genannter Praxisklassen große Erfolge erzielt habe. Mit dieser Vorgehensweise würden jene Menschen gefördert, die andere als rein intellektuelle Begabungen haben. Diese Erfolge wolle man sich zum Vorbild nehmen und auf diese Art und Weise erreichen, dass die gröbsten Fälle verbessert werden. Wenn das gelänge, könne man dieses Modell auf besonders stark betroffene Schulen ausweiten.

 

Erster Stadtrat KOCH möchte noch auf zwei Stichworte eingehen. Zum leichten Vorwurf von Herrn Riechey, der Schulausschuss habe seit geraumer Zeit nicht mehr getagt, sei anzumerken, dass der Ausschuss natürlich nach Bedarf tage und so, wie die Geschäftslage es erfordere. Zuletzt sei dies im Oktober und Februar der Fall gewesen, die nächste Sitzung finde am 11. Juni statt. Hinsichtlich der Kosten habe er die Kritik nicht ganz zuordnen können, richte sich die Kritik gegen die antragstellenden Fraktionen, so habe Herr Dr. Scharf darauf hingewiesen, dass man bei der Finanzierung, wenn sie denn nötig werde, auf Zuschüsse Dritter hoffe. Die Verwaltung habe in ihrer Stellungnahme angeführt, dass es noch nicht absehbar sei, welche konkreten Kosten entstehen könnten, dies sei von der Ausgestaltung eines solchen Modells abhängig.

Er wolle zudem erwähnen, dass in der Vergangenheit eine große Bereitschaft aller Fraktionen bestand, solche und ähnliche Aktivitäten zur Stützung der Hauptschulen zu fördern. Schon lange vor der Schaffung von Landesprogrammen dieser Art habe man die Sozialarbeiter an Hauptschulen aus kommunalen Töpfen mit bezahlt. Eine wesentliche Aufgabe der Sozialpädagogen an Hauptschulen sei gerade die Begleitung bei der Berufsorientierung und –findung. Ergänzend zur Stellungnahme der Verwaltung wolle er hinzufügen, dass man für das Förderprogramm XENOS, das in die gleiche Richtung ziele, zunächst das Interesse an einer Teilnahme bekundet habe und mit seinem Konzept in eine Art beschränkte Ausschreibung eintreten müsse. Das vorgesehene Volumen der Förderung liege bei etwa einer Million Euro brutto für drei Jahre.

 

Beschluss:

Beschluss:

 

Der Rat der Hansestadt Lüneburg beschließt einstimmig, den Antrag zur weiteren Beratung in den Schulausschuss zu überweisen.

 

(56a)