Bürgerinformationssystem
Beratungsinhalt: Beigeordnete LOTZE stellt dar, dass in anderen Ländern, auch in der
unmittelbaren europäischen Nachbarschaft, Schulen automatisch Ganztagsschulen
seien. Lernen brauche Zeit, ein halber Tag reiche nicht aus, um Kindern die
Welt zu erklären und alles beizubringen, was wichtig ist. Vor allem soziale
Kompetenzen und Verantwortungsgefühl könnten in einer Ganztagsschule besser
vermittelt werden. Für viele Kinder sei das Mittagessen in der ÜMI die einzige
Mahlzeit des Tages, die gemeinsam mit anderen eingenommen werde. Für Kinder,
die so etwas von zu Hause nicht kennen, sei dies eine sehr wichtige Erfahrung.
Bildungschancen hingen in Deutschland sehr stark von der sozialen Herkunft ab,
auch das solle mit einer Ganztagsschule aufgebrochen werden. Herkömmlich werde
vormittags in der Schule Stoff vermittelt, der am Nachmittag zu Hause
nachgearbeitet und vertieft werden sollte. Nach einer Umfrage helfen 39 % der
Eltern täglich bei den Hausaufgaben, 31 % selten und 27 % nie. Die Ursache
liege entweder in der fachlichen Überforderung der Eltern oder in der fehlenden
Zeit. Zu 68 % seien es die Mütter, die die Hilfe bei den Hausaufgaben
übernehmen. Hier zeige sich mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein
weiterer Punkt, der für die Ganztagsschule spreche, da viele Mütter für die
Kinderbetreuung auf eine Berufstätigkeit verzichteten. Entsprechend situierte
Familien investierten zunehmend in die Bildung ihrer Kinder, indem sie
kompensierten, was in der Schule nicht geleistet werden könne. Familien am
unteren Ende der sozialen Skala könnten dies nicht leisten und resignierten.
Das dürfe man nicht zulassen. Jedes Kind brauche mindestens einen Menschen, der
es unterstütze und in seinen Fähigkeiten fördere. Das gehe in einer
Ganztagsschule in der offenen Form mit verschiedenen Bezugspersonen besser, als
wenn das Kind nach Hause gehe und dort sich selber überlassen sei. Zudem
lernten Kinder vielfach einfacher von anderen Kindern, als von Erwachsenen. Im
Schulausschuss wolle man weiter darüber beraten, wie die Verwaltung in
Zusammenarbeit mit den Schulen und den Schulvorständen weitere Grundschulen in
Ganztagsschulen umwandeln könne. Bürgermeister DR. SCHARF ergänzt, dass seit der Novellierung des
Niedersächsischen Schulgesetzes im Jahre 2004 eine Fülle von Ganztagsschulen in
Niedersachsen geschaffen worden seien. In Lüneburg treffe man zumeist sehr
einmütige Entscheidungen, was die Schulpolitik angehe, auch die Einrichtung von
Ganztagsschulen sei nach seiner Meinung ein Erfolgsmodell. Offene Form bedeute,
dass die Eltern sich verbindlich für einen bestimmten Zeitraum anmeldeten und
entscheiden können, an welchem Nachmittagsangebot ihre Kinder teilnehmen
sollen. Hierzu bestehe aber keine Verpflichtung. Es sei klar, dass dies manchen
Schulen Organisationsschwierigkeiten bereite, aber es gebe nun einmal auch
Eltern, die ihr Kind nachmittags gerne zu Hause behalten wollen, um es den
vielfältigen freien Angeboten zuzuführen, wie etwa Musik oder Sport. All jenen
Eltern, die ihr Kind in ein Ganztagsangebot geben möchten, solle aber die
Möglichkeit dazu eingeräumt werden. Die Stadtverwaltung solle mit den
Schulvorständen in Verhandlungen treten, um solche Angebote vorzubereiten. Herausstellen wolle er die Erfahrungen aus einem Besuch und
einem gemeinsamen Mittagessen in der Heiligengeistschule, bei dem eine
entspannte und zwanglose Atmosphäre geherrscht habe. Bekanntlich schaffe das
gemeinsame Essen seit jeher einen stärkeren Sozialisierungsprozess, als etwa
der gemeinsame Vormittagsunterricht, dieser Prozess setze sich bei der
zwangslosen Nachmittagsbetreuung fort. Es dürfe dabei nicht verschwiegen
werden, dass man sich wünsche, dass das Land die Qualität der
Nachmittagsbetreuung durch die Bereitstellung einer erhöhten Zahl von
Lehrerstunden erweitern möge. Dies sei natürlich ein ganz wichtiger Punkt,
damit die Kinder am Nachmittag nicht einfach nur beschäftigt würden. Das gelte
ganz besonders für den Hauptschulbereich. Ein gutes Beispiel für eine qualifizierte Betreuung biete
die Zusammenarbeit zwischen der Schule Im Roten Feld und dem MTV Treubund. In
Lüne werde gerade die Kooperation zwischen den Kitas Brandheider Weg und Lüner
Weg zusammen mit der Grundschule Lüne für ein qualifiziertes Angebot
ausgearbeitet. Doch auch dort richte sich die Forderung an die Landesregierung,
mehr Lehrerstunden für die Nachmittagsbetreuung zur Verfügung zu stellen. Ratsherr RIECHEY sieht bei diesem Thema eine breite Zustimmung, da niemand
ernsthaft gegen eine Ganztagsbetreuung sein könne. Bereitgestellt werden müsse
aber eine ausreichende Finanzierung solcher Maßnahmen. Eine
‚Light-Variante’ mit Freiwilligen und kostenlosen Hilfskräften ohne
pädagogisches Gesamtkonzept sei nicht ausreichend. Möglicherweise könne man den
Teil der hochwertigen Nachmittagsbetreuung dadurch erhöhen, indem eine stärkere
Vermischung stattfinde, also Stunden aus dem eigentlichen Nachmittagsangebot in
den Vormittag gelegt würden. Gewährleistet sein müsse auch die weitere
Bezuschussung des Mittagsangebotes, um auch Kindern aus sozial schwächeren
Familien die Teilnahme am Mittagessen zu garantieren. Gleichzeitig gelte es
dabei auch, auf die Qualität zu achten und die Ernährungsgewohnheiten der
Kinder auf eine gesunde Ernährung auszurichten. Im übrigen könne man auch
Gesamtschulen als Ganztagsschulen betreiben. Ratsherr NOWAK verdeutlicht die Problematik, dass der Weg zu einer
Ganztagsschule durch das umfangreiche Prozedere heutzutage lang geworden sei.
Vielfach seien Schulleiter und Lehrer auch keineswegs begeistert von einer
Ganztagsschule weil sie bemängelten, dass es sich nicht wirklich um eine
Ganztagsschule handelte, sondern am Nachmittag eher um ein nettes Freizeitangebot, da man mit
zusätzlichem Personal nicht aufwarten könne. Wolle man das erbringen, was eine
Ganztagsschule eigentlich erbringen sollte, nämlich eine qualifizierte
Betreuung, bedeute es eine Doppelbelastung für die Lehrer. Dies sei ein
durchaus berechtigter Widerstand und man sei in der Verpflichtung, hierfür
einvernehmliche Lösungen zu finden. Der vorliegende Antrag sei sicherlich
richtig, es müssten aber noch einige Hürden genommen werden. Eine
Ganztagsschule ohne eine qualifizierte Betreuung am Nachmittag verdiene nicht
den Namen Ganztagsschule und fände nicht die Unterstützung der Lehrer und
Eltern. Ratsherr SOLDAN wirft ein, dass der Antrag ohne Aussprache direkt in den
Ausschuss hätte verwiesen werden können, da die Selbstverständlichkeiten angesichts
der übereinstimmenden Meinungen hier nicht noch einmal hätten vorgetragen
werden müssen. Oberbürgermeister MÄDGE ergänzt, dass die Mehrheit des Rates in der letzten
Haushaltsdebatte beschlossen habe, jeder Schule bis zu 50.000 Euro zur
Verfügung zu stellen, um eben die von Ratsherrn Nowak geforderte pädagogische
Unterstützung zu finanzieren. Dieses Geld stehe bereit und könne abgerufen
werden, wenngleich die Grünen gegen den Haushalt gestimmt haben. Beschluss: Der Rat
der Hansestadt Lüneburg überweist den Antrag einstimmig zur weiteren Beratung
in den Schulausschuss. (56a) |
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