Bürgerinformationssystem
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Beratungsinhalt: Ratsherr
RIECHEY führt aus,
dass die Einrichtung einer Armenküche leider aufgrund der Politik der großen
Koalition nötig geworden sei. Lüneburg habe, im Gegensatz zu vielen anderen
Städten, keine Essenausgabe für Bedürftige. Er wundere sich über die
Stellungnahme der Verwaltung, in der darauf verwiesen werde, dass es zweimal
eine ähnliche Einrichtung gegeben habe, nämlich in den Jahren 1856 und 1919, in
denen kein großer Bedarf festgestellt worden sei. Es könne doch wohl
unterstellt werden, dass sich die Situation der Bedürftigkeit seither etwas
gewandelt habe. Eine Armenküche werde zu Zeiten von Agenda 2010 und Hartz IV
dringend benötigt. Dies betreffe insbesondere die Stadtteile Kaltenmoor und
Neu-Hagen. Es gebe bisher nur eine Nahrungsmittelausgabestelle der Lüneburger
Tafel, es werde jedoch nirgendwo ein warmes Essen angeboten, außer für einige
Schulkinder, bei denen der Bedarf an einem warmen Essen allerdings auch am
größten sei. Es sei gut, dass die Stadt hier einen ersten Schritt unternommen
habe, dieser reiche allerdings nicht aus, das Problem müsse grundsätzlich
angegangen werden. Die steigenden Lebensmittelpreise insbesondere für Milchprodukte
und Fleisch und die nicht adäquat angepassten Regelsätze unterstrichen die
Bedeutung einer Armenküche. Es sei perfide von der Verwaltung, es als schlicht
systemwidrig zu bezeichnen, wenn ‚unzureichende staatliche Leistungen
durch freiwillige Leistungen einer Kommune aufgestockt werden’. Dies
solle man einmal den freien Trägern der Wohlfahrtsverbände erzählen, mit einer
solchen Argumentation und mit solchen bürokratischen Ausflüchten auf die
Zuständigkeit anderer zu verweisen, löse das Problem der Betroffenen in keiner
Weise. Die Forderung sei auch keineswegs utopisch, man müsse sich nur einmal in
der näheren Umgebung umschauen. In der Stadt Bleckede sei eine solche
Armenküche eingerichtet worden, diese werde von über hundert Menschen in der
Woche in Anspruch genommen. Da die Stadt Lüneburg siebenmal so viele Einwohner
wie Bleckede habe sei nicht davon auszugehen, dass es hier weniger Bedürftige
gebe. Zusammensetzung und soziales Milieu seien in Lüneburg sogar noch
dramatischer als in einer kleinen Stadt wie Bleckede. Die Kriterien für die
Empfangsberechtigung der Essenausgabe könne analog zu denen der Lüneburger
Tafel gestaltet werden. Als Preis für ein Essen schlage man maximal 1,57 Euro
vor, dies entspreche dem Anteil, der einem Hartz IV-Empfänger aus dem Regelsatz
für ein warmes Mittagessen zur Verfügung stehe. Es sei skandalös, dass
angesichts ständiger Teuerungen die kleinen Verbesserungsvorschläge für die
Menschen, die in der Gesellschaft am allerwenigsten haben, immer wieder
reflexartig abgelehnt würden. Hier müsse man zu einer anderen Diskussionskultur
übergehen, daher bitte er darum, den Antrag in den Sozial- und
Gesundheitsausschuss zu überweisen, um dort gemeinsam mit den
Wohlfahrtsverbänden zu beraten, wie man eine solche Armenküche organisieren und
finanzieren und wo sie entstehen könnte. Ratsherr
POLS verweist auf
einen Artikel im Hamburger Abendblatt mit der Frage über die Notwendigkeit
einer Armenküche. Die CDU verneine diese Frage. Eine Armenküche sei eine
Einrichtung aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise, in der die Menschen wirklich
hätten hungern müssen. Im Lüneburg des 21. Jahrhunderts aber habe man keine
Hungersnot. Da helfe auch das Szenario der Haushaltsberatungen nicht, dass von
den Tellern der Lokale in der Schröderstraße das Essen geklaut werde. Das sei
ein Populismus der gerade stattgefundenen Landtagswahl. Aus Sicht seiner
Fraktion seien die Regelsätze von ALG II und Hartz IV auskömmlich, um das
Primärbedürfnis nach Nahrung zu befriedigen. Natürlich müssten die Regelsätze von
Zeit zu Zeit angepasst werden. Sollten Lüneburger Bürger trotzdem auf die
Angebote der Lüneburger Tafel zurückgreifen müssen, so sei es zumutbar, diese
Speisen selbst zuzubereiten. Man müsse auch bedenken, dass soziale
Einrichtungen wie Armenküchen ihr Klientel selbst erst entstehen ließen.
Menschen, die selbst nicht kochen wollen, machten es sich einfach und würden
dieses Angebot nutzen. Hier sei bei der betroffenen Bevölkerung eine gewisse
Eigeninitiative zu fordern. In den angesprochenen Stadtteilen Kaltenmoor und
Neu-Hagen gebe es einige soziale Einrichtungen, die sich dieses Problems
bereits annähmen, in der Stellungnahme der Verwaltung sei dies nachzulesen. Es
müsse nicht extra hervorgehoben werden, dass hier bereits hervorragende Arbeit
geleistet werde, er erinnere nur an die Kindertafel in der
Paul-Gerhardt-Gemeinde. Es sei allgemein bekannt, dass Kaltenmoor und Neu-Hagen
Probleme haben, daraus jedoch eine Art Verelendung abzuleiten, sei fahrlässig
und diesen Stadtteilen nicht dienlich. Ratsfrau
GÜNTNER bestätigt
die Schwierigkeit mancher Menschen, sich regelmäßig gesund und vollwertig zu
ernähren, der Antrag suggeriere jedoch, dass Lüneburg das Armenviertel
Deutschlands sei. Die Verwaltung habe in ihrer Stellungnahme dargelegt, dass es
bereits heute ein umfangreiches Angebot für preisgünstiges Essen insbesondere
für Kinder und Jugendliche in der Stadt gebe. Dies gelte auch für sechs
Grundschulen – für die der Rat zudem beschlossen habe, das Mittagessen
mit einem Euro zu bezuschussen – und für die Horte der Kitas. Die
Lüneburger Tafel biete zwar kein warmes Essen an, man erhalte dort aber sehr
preisgünstig Lebensmittel, die für die Zubereitung einer gesunden Mahlzeit
geeignet seien. Den Vorschlag für einen Standort in Kaltenmoor halte ihre
Fraktion aufgrund der Fokussierung und Stigmatisierung des Stadtteiles für
falsch. Gespräche mit der AWO hätten ergeben, dass man dort noch immer keine
Kenntnis von den Plänen der Linken habe, ansonsten hätte die Linke auch
erfahren, dass die AWO bereits ein anderes Konzept für das Kaffeehaus plane.
Jüngste Gespräche mit der Diakonie und der Caritas zeigten, dass auch die
Institutionen den Antrag so nicht unterstützen würden. Beide hätten aber im
Falle einer anderen Konzeption ihr Mitwirken angeboten. Die Gruppe SPD/CDU
schlage daher vor, die Verwaltung möge prüfen, von welchem Bedarf für eine
solche Essenausgabe auszugehen sei und ob als mögliche Standorte die Mensen der
Schulzentren Kreideberg und Kaltenmoor
in Anlehnung an das Modell in Bleckede in Frage kämen. In Betracht käme
auch die Lehrküche der Gewerkschaft im Unibereich. An diesen Standorten hätte
man die Logistik, die für die heute geltenden Hygienevorschriften benötigt
werde. Zu klären wäre auch noch die Frage nach der Zielgruppe und die Prüfung,
ob es dezentrale Angebote geben solle, vorstellbar wäre hier eine Essenausgabe
mittags im Anschluss an die Schülerverpflegung. Ratsfrau
MAHLKE-VOß ist
erfreut über die weitgehende Übereinstimmung mit der SPD-Fraktion. Etwas
enttäuscht sei sie von der Stellungnahme der Verwaltung, die außer der
Bezugnahme auf die glücklicherweise bereits vorhandene Kinder- und
Jugendunterstützung wenig aktuelle Informationen biete. Es gebe jedoch leider
auch andere Menschen in Lüneburg, die nicht über die Mittel verfügten, um sich jeden
Tag ein warmes Mittagessen leisten zu können. Schwierig sei es beispielsweise
für Menschen, denen der Strom abgestellt worden sei, sich ein Essen zu kochen,
selbst wenn sie Lebensmittel von der Lüneburger Tafel erhielten. Sie halte
beide Pauschalisierungen, es gebe hier keine armen Menschen oder es gebe hier
besonders viele arme Menschen, für schwierig, man solle besser den
tatsächlichen Bedarf feststellen, worum sie die Stadtverwaltung in Absprache
mit den Sozialverbänden nochmals bitte. Die Ergebnisse könnten im
Sozialausschuss vorgestellt werden, dort könnten die Fachleute alle Fragen im
Zusammenhang mit einer solchen Einrichtung diskutieren. Beigeordnete
SCHELLMANN möchte
vorausstellen, dass es in Zeiten nach dem ersten Weltkrieg und während der Weltwirtschaftskrise
noch keine mit der heutigen Zeit vergleichbare Sozialgesetzgebung gegeben habe,
daher sei damals die Einrichtung von Armenküchen zur Bekämpfung des Hungers in
der Tat notwendig gewesen. Der Begriff Armenküche passe heutzutage nicht mehr,
wenngleich es richtig sei, dass es in diesem Bereich Probleme gebe. Der
vorgesehene Regelsatz sei an dieser Stelle eindeutig zu knapp bemessen und
müsse nachgebessert werden, das sei aber eine Bundesangelegenheit und könne vor
Ort in Lüneburg nicht geändert werden, insofern habe die Verwaltung recht, wenn
sie dies schlicht so feststelle. Nicht alles, was der Bund versäume, könne die
Stadt mit ihren noch knapperen Geldern erreichen. Sie habe mit einem Professor
in Nürnberg telefoniert, der gesagt habe, dass es ein ganz großes Problem sei,
eine Armenküche einzurichten, weil dies zu einer passiven Nutzung führte. Viel
wichtiger sei es, in die Brennpunkte zu gehen und dort mit den Betroffenen
überhaupt erst wieder die Fähigkeiten zu entwickeln, sich selbständig ein
ausreichendes Essen auch mit knappen finanziellen Mitteln zuzubereiten. Diese
verloren gegangene Fähigkeit müsse erst wieder erlernt werden, hier gelte es,
Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten. Die Familienhilfe habe solche Angebote in der
Vergangenheit bereitgestellt, sie seien aber nicht hinreichend angenommen
worden, da sie bei der Familienhilfe schwellenmäßig etwas zu hoch angesetzt
seien. Sie wünsche sich im Sozialausschuss eine in diese Richtung gehende
Diskussion. Erster
Stadtrat KOCH
ergänzt, dass auch die Verwaltung selbstverständlich befürworte, sich der
Problematik mit Sorgfalt und unter Hinzuziehung der Sozialverbände im
Sozialausschuss anzunehmen. Die Verwaltung sei für ihre Stellungnahme
kritisiert worden, da sie auf den geschichtlichen Hintergrund der Armenküchen
im 19. und 20. Jahrhundert hingewiesen habe. Er sei der Überzeugung, dass der
Vergleich der sozialen Hintergründe von einst und jetzt durchaus in eine solche
Stellungnahme gehöre, wenn man alte Begriffe wie Armenküche benutze. Man selbst
und andere Kommunen würden derartige Einrichtungen im Hinblick auf das heutige
Verständnis von Armut mit Recht nicht so benennen. Man habe eine umfassende
Diskussion geführt, ob Lüneburg eine kommunale Armutsberichterstattung brauche.
Es sei durchaus ein Unterschied, ob man eine weitreichende Verelendung der
Bevölkerung wie in den zwanziger Jahren betrachte, oder ob Gerichte sich heute
damit befassten, ob ein Farb- oder ein Schwarzweißfernseher oder welcher
Schultornister die angemessene Ausstattung sei. Diese Fragen hätten nicht
unbedingt etwas mit Armut zu tun, sondern mit Bedarfslagen. Aus diesem Grunde
sei der historische Bezug in der Stellungnahme gerechtfertigt. Zur
Gesamtthematik ließe sich ein Fülle weiterer Fakten hinzufügen, so gebe es für
Senioren eine Vielzahl von Angeboten freier Träger, etwa ‚Essen auf
Rädern’, welches durch die Lieferung nach Hause den Vorteil biete, nicht
zu stigmatisieren. Wichtiger noch sei es, dass in den vergangenen Jahren das
bürgernahe System der Stadtteilhäuser und -treffs verbreitert werden konnte. In
vielen dieser Häuser gebe es die Möglichkeit, gemeinsam Essen zuzubereiten und
einzunehmen. Man müsse auch respektieren, dass die zahlreichen und vielfältig
aktiven Wohlfahrtsverbände durchaus Eigeninitiative hätten und oft in noch
höherem Maße als die Kommune Bedarfslagen erkennen und auf Missstände
hinwiesen. Ganz
außer Acht lassen dürfe man bei der Diskussion aber auch nicht die Situation
des Gastronomiegewerbes. Wenn das Angebot einer so genannten Armenküche über Gebühr
angenommen werde, sei das eine bedenkliche Sache. Oft genug werde die Stadt vom
Gaststättengewerbe kritisiert, dass in den Stadtteilhäusern gekocht werde, dass
dort Selbstverpflegung stattfinde und Essen angeboten werde. Dies
beeinträchtige die normalen Erwerbschancen der Gastronomen, die preiswertes
Essen anbieten. Zu ihnen dürfe die Stadt nicht in eine wettbewerbliche
Konkurrenz treten, es sei denn, es läge eine Legitimation vor, daher müsse sehr
genau geprüft werden, ob die Inanspruchnahme tatsächlich von Bedürftigen
erfolge. Wenn in Bleckede tatsächlich wöchentlich über einhundert Personen das
dortige Angebot nutzten, seien durchaus Zweifel angebracht, ob es sich
ausschließlich um Bedürftige handle. Beschluss: Der
Rat der Hansestadt Lüneburg beschließt einstimmig, den Antrag der Fraktion DIE
LINKE sowie die Änderungsanträge der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen und der Gruppe SPD/CDU zur weiteren Beratung in den
Sozial- und Gesundheitsausschuss zu überweisen. (501) |
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