Bürgerinformationssystem
Beratungsinhalt: Ratsherr RIECHEY verweist darauf, dass der Antrag zur Zurückgewinnung des
Kalkbruchs als öffentlicher Badesee bereits seit einem halben Jahr vorliege.
Seither haben viele Bürgerinnen und Bürger ihre Sympathie zur Lösung des
Problems zum Ausdruck gebracht. Es sei eine Interessengemeinschaft Kalkbruchsee
gegründet und ein Nutzungskonzept entwickelt worden, dass die Interessen aller
Nutzer sowie der Natur berücksichtige. Im Nutzungskonzept werde der Eigentümer
in einer Ausschlusserklärung von allen Haftungsansprüchen freigestellt. Die
Interessengemeinschaft sei sogar bereit, einen finanziellen Beitrag zum
Unterhalt zu zahlen, sich aktiv an der Müllbeseitigung zu beteiligen, den
Badebereich auf ein enges Gebiet zu begrenzen, Einstiegsmöglichkeiten zu bauen
und die Badenutzung auf bestimmte Tage und Zeiten zu begrenzen, damit alle
Interessen berücksichtigt würden. Der Anglerverein habe darauf mit einem
anwaltlichen Schreiben und mit der Absperrung des Geländes mit Stacheldraht
reagiert. Daraus werde deutlich, dass kein Interesse an weiteren Gesprächen,
geschweige denn einer Einigung bestehe. Eine
einvernehmliche Lösung mit dem Anglerverein und dem VfL sei nicht mehr
möglich, nun müsse der Stadtrat im Sinne des Allgemeinwohls handeln. Bis 1983 habe sich der Badesee in öffentlicher Hand
befunden und dort gehöre er auch wieder hin. Seine Fraktion beantrage, dass die
Stadt den Kalkbruch auch gegen den Willen des Eigentümers erwerbe und diesen
angemessen entschädige. Gehe es beispielsweise um den Bau neuer Autobahnen, wie
der A39, dann sei ein solches Verfahren eine Selbstverständlichkeit. Nach
Artikel 14 II des Grundgesetzes verpflichte Eigentum, sein Gebrauch solle
zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Hiergegen werde fundamental
verstoßen. Ein paar Angler hinderten alle Lüneburger Badegäste daran, den
jahrzehntelang als Badesee genutzten Kalkbruch zu betreten. Das öffentliche
Interesse werde vom Grundgesetz aber höherrangig bewertet als das
Privatinteresse.
Für einen angemessenen Kaufpreis und geringe Ausbaumaßnahmen
könnten Ziel-1-Fördermittel beantragt werden, im niedersächsischen
EFRE-Förderprogramm stehe, dass ein
Schwerpunkt der geplanten Fördermaßnahmen in der Schaffung von neuen
erlebnisorientierten Infrastruktureinrichtungen insbesondere im Bereich Kultur
und Naturtourismus liege. Die Angler und Taucher könnten den See gegen eine
angemessene Nutzungsgebühr weiternutzen, die Feuerwehr unentgeltlich. Der
Ausbau des Kalkbruchsees als öffentlicher Badesee steigere die touristische
Attraktivität der Region Lüneburg und habe zudem Sekundäreffekte auf das Hotel-
und Gaststättengewerbe sowie den Einzelhandel. Ratsfrau EBELING schlägt vor, das Thema etwas herunter zu spielen und
weniger populistisch als bisher zu behandeln. Der Kalkbruchsee sei niemals ein
öffentlicher Badesee gewesen, wie aus der ausführlichen Stellungnahme der
Verwaltung hervorgehe. Solange der Angelsportverein als Eigentümer das Baden im
Kalkbruchsee verbiete, werde man das akzeptieren, dies wurde auch bereits
seinerzeit am runden Tisch so vermittelt. Die hauptsächlichen Gründe der
Sauberhaltung, des Naturschutzes, der Sicherheit und der Haftung seien bereits
angesprochen und bekannt. Nachdem sich die Angler über Jahre mit den ungebetenen
Badegästen arrangiert hätten, haben Vandalismus und Müll immer mehr zugenommen.
Wenngleich dieses Problem, welches man auch in anderen Gebieten, wie dem
Kurpark und der Ilmenau sehe, nur von einer Minderheit verursacht werde und die
Falschen treffe, sei es nun einmal vorhanden. Sie widerspreche der Aussage,
dass es in Lüneburg und Umgebung keine Bademöglichkeiten gebe. Gerade Kinder
sollten nicht im Kalkbruchsee, sondern unter einer sachkundigen Aufsicht im
Schwimmbad schwimmen gehen. Ratsherr POLSTER möchte nochmals in aller Ruhe die Ausgangslage darstellen.
Der Kalkbruchsee sei über viele Jahre hinweg mehr oder minder geheimes
Badeparadies gewesen. Badeunfälle seien nur sehr selten vorgekommen. Ein
Anwachsen der Stadt gerade durch Studenten führte natürlich auch zu einer
erhöhten Badebelegung am Kalkbruchsee, wodurch Probleme mit Abfällen und
Konflikte mit Tauchenden zugenommen hätten. Rechtlich gesehen sei der
Kalkbruchsee Außenbereich, daher fordere seine Fraktion das freie
Betretungsrecht der Landschaft, wie es in den §§ 2 und 23 des Niedersächsischen
Waldgesetzes ausdrücklich geregelt sei. Bestandteile der dort genannten freien
Landschaft seien auch die zugehörigen Wege und Gewässer, jeder habe das Recht,
diese zu betreten. Durch eine Verfügung der Stadt seien die Besitzer im Jahre
2006 dazu angehalten worden, zur Gefahrenabwehr einen Zaun von 1,40 m Höhe zu
errichten. Dies habe der Eigentümer trotz gleichzeitiger Klageerhebung
umgesetzt, so dass das freie Betreten nun nicht mehr möglich sei. Die Verfügung
sei aus seiner Sicht überzogen, einfache Hinweise mit Schildern auf die
Gefahren des Badens im See - wie sie auch am Kreidebergsee stünden - hätten
ausgereicht. Ein Zaun von 60 cm Höhe reiche zudem aus, um zu verhindern, dass
kleine Kinder auf das Gelände liefen, Erwachsenen aber das freie Betreten zu
ermöglichen. Nach Auskunft der unteren Naturschutzbehörde sei das Betreten von
Biotopflächen sogar von Vorteil, um aufwändige Pflegemaßnahmen wie das Mähen am
Steilhang einzudämmen. Eine mäßige Nutzung schade dem Biotop nicht. Ohne die
überzogenen Ordnungsmaßnahmen der Verwaltung könnte man heute in einer
gemeinsamen Aktion von Badewilligen, Anglerverein, Tauchsportabteilung sowie
Naturschutz, Jugendpflege und Lüneburger Assistenz die einzige Naturbadefläche
auf städtischem Boden nutzen. Daher fordere seine Fraktion die
Wiederherstellung des Betretungsrechtes der freien Landschaft durch Änderung
der Verfügung gegenüber dem Angelverein, die Einrichtung eines runden Tisches
mit allen Beteiligten unter Moderation des Fachdezernenten der Stadt auf der
Basis des Vorschlages der Interessengemeinschaft Kalkbruchsee vom 27. Juni
2006, die Einrichtung einer temporären Stelle für einen aufsuchenden
Sozialarbeiter und die regelmäßige Pflege des Geländes durch die Lüneburger
Assistenz. Erster Stadtrat KOCH führt zur sachlichen und rechtlichen Aufklärung aus, dass
es durchaus das gute Recht des Anglervereins sei, das Gespräch mit der
Interessengemeinschaft abzulehnen. Er selbst habe im Jahre 2006 Gesprächsrunden
moderiert, bei denen die Angelsportler die Runde nach Darlegung ihres
Standpunktes wieder verlassen hätten. Niemand könne zu einem Gespräch gezwungen
werden, an dem er nicht teilnehmen wolle. Zum Betretungsrecht der freien
Landschaft sei zu beachten, dass private Flächen, die - aus welchem Grunde auch
immer - rechtmäßig eingezäunt seien, gerade nicht zur freien Landschaft
gehörten. Das Recht zur Einzäunung könne man an rechtlichen Kriterien messen,
im vorliegenden Fall habe die Ordnungsbehörde dem Eigentümer aufgegeben, das
Gelände einzuzäunen. Beigeordneter DÖRBAUM findet es erstaunlich, mit welchen Themen man sich im Rat
stundenlang auseinander setzen müsse. Es sei als Tatsache festzuhalten, dass
der See nicht im Eigentum der Stadt stehe und niemals öffentlicher Badesee, das
Baden daher immer illegal gewesen sei. Weiterhin handle es sich um einen sehr
wichtigen Bereich im naturschutzrechtlichen Sinne. Generell würden Biotope so
hoch geschätzt, dass sie nicht betreten werden sollen, nun plötzlich gelte das alles
nicht mehr und das Betreten werde von Ratsherrn Polster geradezu gefordert. Man
sollte keinesfalls die durch das Grundgesetz geschützten Eigentumsrechte
aufgrund des Interesses einer kleinen Gruppe aufheben. Hier werde mit Kanonen
auf Spatzen geschossen. Beigeordnete SCHELLMANN betont, dass das Eigentum dem Anglerverein zustehe.
Dieses Recht könne man mit den angeführten Gründen nicht derart verletzen. Eine
Enteignung sei nicht gerechtfertigt, so sehr auch die Nutzung aller Gewässer
als Badeseen wünschenswert sei. Der See sei der Stadt in der Vergangenheit zum
Kauf angeboten worden, diese habe den Kauf aber ganz bewusst abgelehnt. Wie der
Name sage, handle es sich um einen Kalkbruch, also um einen industriell
genutzten See, der durchaus Gefahren für die dort schwimmenden Menschen berge.
Dies sei das Hauptargument, welches leider erst in der jetzigen Stellungnahme
der Verwaltung einmal in aller Deutlichkeit angesprochen werde. Wer dort bade,
begebe sich in Gefahr, bekanntlich habe es dort bereits Tote gegeben. Man könne
die sehr weitreichende Haftung des Eigentümers auch nicht durch eine
Vereinbarung einfach ausschließen. Dieses juristische Problem sei ein viel
größeres, als es hier hingestellt werde. Ratsherr RIECHEY möchte klarstellen, dass er sich aufgrund der bekannten
Bedenken explizit beim Bürgermeister von Scharnebeck nach der Haftung erkundigt
habe. Er habe die Auskunft erhalten, dass am Wochenende eine Badeaufsicht durch
die DLRG gestellt werde, ansonsten stünden dort Schilder, wonach das Baden auf
eigene Gefahr erfolge. Dies sei vom Kommunalen Schadenausgleich als Versicherer
ausdrücklich nicht beanstandet worden. Es sei also möglich, sonst würde es dort
nicht zugelassen. In Scharnebeck bestehe die gleiche Situation wie in Lüneburg.
Bei der Forderung nach der Enteignung beziehe man sich bewusst nicht allein auf
das Grundgesetz, sondern zusätzlich auf ein Landesgesetz, welches diese
Möglichkeit ausdrücklich vorsehe. Man habe die haftungsrechtlichen Bedenken
ausgeräumt und für die rechtlichen und finanziellen Probleme Lösungen sowie die
fehlenden Alternativen zum Baden aufgezeigt.
Beschluss: Der
Rat der Stadt Lüneburg lehnt den Antrag mehrheitlich bei 2 Ja-Stimmen der
Fraktion DIE LINKE und 5 Enthaltungen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen
die Stimmen der Gruppe SPD/CDU und der FDP-Fraktion ab. (V,
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