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Auszug - Kalkbruchsee als öffentlichen Badesee zurückgewinnen (Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 11.06.2007, eingegangen am 12.06.2007)  

 
 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Rates der Stadt Lüneburg
TOP: Ö 6.2
Gremium: Rat der Hansestadt Lüneburg Beschlussart: abgelehnt
Datum: Do, 29.11.2007    
Zeit: 17:00 - 21:30 Anlass: Sitzung
Raum: Huldigungssaal
Ort: Rathaus
VO/2454/07 Kalkbruchsee als öffentlichen Badesee zurückgewinnen (Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 11.06.2007, eingegangen am 12.06.2007)
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Antrag der Fraktion DIE LINKE
Federführend:01 - Büro der Oberbürgermeisterin Beteiligt:Bereich 31 - Umwelt
Bearbeiter/-in: Gieseking, Stefan  Bereich 32 - Ordnung und Verkehr
 
Wortprotokoll
Beschluss

Beratungsinhalt:

 

Beratungsinhalt:

 

Ratsherr RIECHEY verweist darauf, dass der Antrag zur Zurückgewinnung des Kalkbruchs als öffentlicher Badesee bereits seit einem halben Jahr vorliege. Seither haben viele Bürgerinnen und Bürger ihre Sympathie zur Lösung des Problems zum Ausdruck gebracht. Es sei eine Interessengemeinschaft Kalkbruchsee gegründet und ein Nutzungskonzept entwickelt worden, dass die Interessen aller Nutzer sowie der Natur berücksichtige. Im Nutzungskonzept werde der Eigentümer in einer Ausschlusserklärung von allen Haftungsansprüchen freigestellt. Die Interessengemeinschaft sei sogar bereit, einen finanziellen Beitrag zum Unterhalt zu zahlen, sich aktiv an der Müllbeseitigung zu beteiligen, den Badebereich auf ein enges Gebiet zu begrenzen, Einstiegsmöglichkeiten zu bauen und die Badenutzung auf bestimmte Tage und Zeiten zu begrenzen, damit alle Interessen berücksichtigt würden. Der Anglerverein habe darauf mit einem anwaltlichen Schreiben und mit der Absperrung des Geländes mit Stacheldraht reagiert. Daraus werde deutlich, dass kein Interesse an weiteren Gesprächen, geschweige denn einer Einigung bestehe. Eine  einvernehmliche Lösung mit dem Anglerverein und dem VfL sei nicht mehr möglich, nun müsse der Stadtrat im Sinne des Allgemeinwohls handeln.

 

Bis 1983 habe sich der Badesee in öffentlicher Hand befunden und dort gehöre er auch wieder hin. Seine Fraktion beantrage, dass die Stadt den Kalkbruch auch gegen den Willen des Eigentümers erwerbe und diesen angemessen entschädige. Gehe es beispielsweise um den Bau neuer Autobahnen, wie der A39, dann sei ein solches Verfahren eine Selbstverständlichkeit. Nach Artikel 14 II des Grundgesetzes verpflichte Eigentum, sein Gebrauch solle zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Hiergegen werde fundamental verstoßen. Ein paar Angler hinderten alle Lüneburger Badegäste daran, den jahrzehntelang als Badesee genutzten Kalkbruch zu betreten. Das öffentliche Interesse werde vom Grundgesetz aber höherrangig bewertet als das Privatinteresse.
Nach Artikel 15 sei eine Vergesellschaftung mit angemessener Entschädigung möglich. Weiter enthalte § 129 Absatz 1  des Niedersächsisches Wassergesetzes Bestimmungen für den Unterhalt und Ausbau oberirdischer Gewässer. Diene der Ausbau dem Wohl der Allgemeinheit, so sei danach die Enteignung zulässig. Eine Enteignung sei somit ein politisches, aber kein rechtliches Problem.


In der Presse wurde zitiert, es gäbe reichlich andere attraktive Bademöglichkeiten in Lüneburg. In einem Leserbrief wurde zu Recht gefragt, wo diese denn seien ? Im Kreidebergsee sei das Baden laut Schildern verboten und die Wasserqualität zum Baden nicht geeignet. Die Ilmenau habe eine starke Strömung und sei daher sehr gefährlich, außerdem gebe es dort keinen öffentlichen Badesteg und der Zugang führe häufig über Privatgelände. Das Freibad Hagen liege ganz außerhalb im Osten der Stadt und habe einen sehr hohen Chlorgehalt. Es sei nicht mit einer Naturbademöglichkeit zu vergleichen. Das Hallenbad sei im Sommer geschlossen und das SaLü könnten sich viele nicht leisten. Es bleibe festzuhalten, dass es im Stadtgebiet Lüneburgs keine angemessene, natürliche Bademöglichkeit außer dem Kalkbruchsee gebe. Dies sei wohl auch der Grund, warum er seit Jahrzehnten von den Bürgerinnen und Bürgern genutzt werde.


Er habe sich bei dem Bürgermeister von Scharnebeck nach dem Inselsee erkundigt: Dort gebe es ebenfalls einen Förderkreis, vergleichbar mit der in Lüneburg gegründeten Interessensgemeinschaft, der sich an den Kosten beteilige und den Aufwand für die Gemeinde gering halte. Die DLRG biete dort von Mai bis September am Wochenende eine Badeaufsicht an, in der übrigen Zeit erfolge das Baden auf eigene Gefahr. Dort gebe es kein dramatisches Haftungsproblem und auch der Haftpflichtversicherer zum kommunalen Schadensausgleich habe die Regelung nicht beanstandet. Für den Unterhalt der Toiletten und der Müllbeseitigung fielen dort für die Gemeinde etwa 6.000 Euro pro Jahr an, die DLRG erhalte eine Pauschale von 1.000 Euro. Es gebe einen kleinen Kiosk, der privat und ohne Standgebühr betrieben werde, dafür sorge der Betreiber ein wenig für Ordnung. Er frage, warum dies in Lüneburg nicht möglich sein solle.

 

Für einen angemessenen Kaufpreis und geringe Ausbaumaßnahmen könnten Ziel-1-Fördermittel beantragt werden, im niedersächsischen EFRE-Förderprogramm stehe, dass  ein Schwerpunkt der geplanten Fördermaßnahmen in der Schaffung von neuen erlebnisorientierten Infrastruktureinrichtungen insbesondere im Bereich Kultur und Naturtourismus liege. Die Angler und Taucher könnten den See gegen eine angemessene Nutzungsgebühr weiternutzen, die Feuerwehr unentgeltlich. Der Ausbau des Kalkbruchsees als öffentlicher Badesee steigere die touristische Attraktivität der Region Lüneburg und habe zudem Sekundäreffekte auf das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie den Einzelhandel.

 

Ratsfrau EBELING schlägt vor, das Thema etwas herunter zu spielen und weniger populistisch als bisher zu behandeln. Der Kalkbruchsee sei niemals ein öffentlicher Badesee gewesen, wie aus der ausführlichen Stellungnahme der Verwaltung hervorgehe. Solange der Angelsportverein als Eigentümer das Baden im Kalkbruchsee verbiete, werde man das akzeptieren, dies wurde auch bereits seinerzeit am runden Tisch so vermittelt. Die hauptsächlichen Gründe der Sauberhaltung, des Naturschutzes, der Sicherheit und der Haftung seien bereits angesprochen und bekannt. Nachdem sich die Angler über Jahre mit den ungebetenen Badegästen arrangiert hätten, haben Vandalismus und Müll immer mehr zugenommen. Wenngleich dieses Problem, welches man auch in anderen Gebieten, wie dem Kurpark und der Ilmenau sehe, nur von einer Minderheit verursacht werde und die Falschen treffe, sei es nun einmal vorhanden. Sie widerspreche der Aussage, dass es in Lüneburg und Umgebung keine Bademöglichkeiten gebe. Gerade Kinder sollten nicht im Kalkbruchsee, sondern unter einer sachkundigen Aufsicht im Schwimmbad schwimmen gehen.

 

Ratsherr POLSTER möchte nochmals in aller Ruhe die Ausgangslage darstellen. Der Kalkbruchsee sei über viele Jahre hinweg mehr oder minder geheimes Badeparadies gewesen. Badeunfälle seien nur sehr selten vorgekommen. Ein Anwachsen der Stadt gerade durch Studenten führte natürlich auch zu einer erhöhten Badebelegung am Kalkbruchsee, wodurch Probleme mit Abfällen und Konflikte mit Tauchenden zugenommen hätten. Rechtlich gesehen sei der Kalkbruchsee Außenbereich, daher fordere seine Fraktion das freie Betretungsrecht der Landschaft, wie es in den §§ 2 und 23 des Niedersächsischen Waldgesetzes ausdrücklich geregelt sei. Bestandteile der dort genannten freien Landschaft seien auch die zugehörigen Wege und Gewässer, jeder habe das Recht, diese zu betreten. Durch eine Verfügung der Stadt seien die Besitzer im Jahre 2006 dazu angehalten worden, zur Gefahrenabwehr einen Zaun von 1,40 m Höhe zu errichten. Dies habe der Eigentümer trotz gleichzeitiger Klageerhebung umgesetzt, so dass das freie Betreten nun nicht mehr möglich sei. Die Verfügung sei aus seiner Sicht überzogen, einfache Hinweise mit Schildern auf die Gefahren des Badens im See - wie sie auch am Kreidebergsee stünden - hätten ausgereicht. Ein Zaun von 60 cm Höhe reiche zudem aus, um zu verhindern, dass kleine Kinder auf das Gelände liefen, Erwachsenen aber das freie Betreten zu ermöglichen. Nach Auskunft der unteren Naturschutzbehörde sei das Betreten von Biotopflächen sogar von Vorteil, um aufwändige Pflegemaßnahmen wie das Mähen am Steilhang einzudämmen. Eine mäßige Nutzung schade dem Biotop nicht. Ohne die überzogenen Ordnungsmaßnahmen der Verwaltung könnte man heute in einer gemeinsamen Aktion von Badewilligen, Anglerverein, Tauchsportabteilung sowie Naturschutz, Jugendpflege und Lüneburger Assistenz die einzige Naturbadefläche auf städtischem Boden nutzen. Daher fordere seine Fraktion die Wiederherstellung des Betretungsrechtes der freien Landschaft durch Änderung der Verfügung gegenüber dem Angelverein, die Einrichtung eines runden Tisches mit allen Beteiligten unter Moderation des Fachdezernenten der Stadt auf der Basis des Vorschlages der Interessengemeinschaft Kalkbruchsee vom 27. Juni 2006, die Einrichtung einer temporären Stelle für einen aufsuchenden Sozialarbeiter und die regelmäßige Pflege des Geländes durch die Lüneburger Assistenz.

 

Erster Stadtrat KOCH führt zur sachlichen und rechtlichen Aufklärung aus, dass es durchaus das gute Recht des Anglervereins sei, das Gespräch mit der Interessengemeinschaft abzulehnen. Er selbst habe im Jahre 2006 Gesprächsrunden moderiert, bei denen die Angelsportler die Runde nach Darlegung ihres Standpunktes wieder verlassen hätten. Niemand könne zu einem Gespräch gezwungen werden, an dem er nicht teilnehmen wolle. Zum Betretungsrecht der freien Landschaft sei zu beachten, dass private Flächen, die - aus welchem Grunde auch immer - rechtmäßig eingezäunt seien, gerade nicht zur freien Landschaft gehörten. Das Recht zur Einzäunung könne man an rechtlichen Kriterien messen, im vorliegenden Fall habe die Ordnungsbehörde dem Eigentümer aufgegeben, das Gelände einzuzäunen.

 

Beigeordneter DÖRBAUM findet es erstaunlich, mit welchen Themen man sich im Rat stundenlang auseinander setzen müsse. Es sei als Tatsache festzuhalten, dass der See nicht im Eigentum der Stadt stehe und niemals öffentlicher Badesee, das Baden daher immer illegal gewesen sei. Weiterhin handle es sich um einen sehr wichtigen Bereich im naturschutzrechtlichen Sinne. Generell würden Biotope so hoch geschätzt, dass sie nicht betreten werden sollen, nun plötzlich gelte das alles nicht mehr und das Betreten werde von Ratsherrn Polster geradezu gefordert. Man sollte keinesfalls die durch das Grundgesetz geschützten Eigentumsrechte aufgrund des Interesses einer kleinen Gruppe aufheben. Hier werde mit Kanonen auf Spatzen geschossen.

 

Beigeordnete SCHELLMANN betont, dass das Eigentum dem Anglerverein zustehe. Dieses Recht könne man mit den angeführten Gründen nicht derart verletzen. Eine Enteignung sei nicht gerechtfertigt, so sehr auch die Nutzung aller Gewässer als Badeseen wünschenswert sei. Der See sei der Stadt in der Vergangenheit zum Kauf angeboten worden, diese habe den Kauf aber ganz bewusst abgelehnt. Wie der Name sage, handle es sich um einen Kalkbruch, also um einen industriell genutzten See, der durchaus Gefahren für die dort schwimmenden Menschen berge. Dies sei das Hauptargument, welches leider erst in der jetzigen Stellungnahme der Verwaltung einmal in aller Deutlichkeit angesprochen werde. Wer dort bade, begebe sich in Gefahr, bekanntlich habe es dort bereits Tote gegeben. Man könne die sehr weitreichende Haftung des Eigentümers auch nicht durch eine Vereinbarung einfach ausschließen. Dieses juristische Problem sei ein viel größeres, als es hier hingestellt werde.

 

Ratsherr RIECHEY möchte klarstellen, dass er sich aufgrund der bekannten Bedenken explizit beim Bürgermeister von Scharnebeck nach der Haftung erkundigt habe. Er habe die Auskunft erhalten, dass am Wochenende eine Badeaufsicht durch die DLRG gestellt werde, ansonsten stünden dort Schilder, wonach das Baden auf eigene Gefahr erfolge. Dies sei vom Kommunalen Schadenausgleich als Versicherer ausdrücklich nicht beanstandet worden. Es sei also möglich, sonst würde es dort nicht zugelassen. In Scharnebeck bestehe die gleiche Situation wie in Lüneburg. Bei der Forderung nach der Enteignung beziehe man sich bewusst nicht allein auf das Grundgesetz, sondern zusätzlich auf ein Landesgesetz, welches diese Möglichkeit ausdrücklich vorsehe. Man habe die haftungsrechtlichen Bedenken ausgeräumt und für die rechtlichen und finanziellen Probleme Lösungen sowie die fehlenden Alternativen zum Baden aufgezeigt. 

 

Beschluss:

Beschluss:

 

Der Rat der Stadt Lüneburg lehnt den Antrag mehrheitlich bei 2 Ja-Stimmen der Fraktion DIE LINKE und 5 Enthaltungen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Gruppe SPD/CDU und der FDP-Fraktion ab.

 

(V, 3)