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Auszug - Kündigung der Mitgliedschaft im Nordland-Autobahn-Verein (Dringlichkeitsantrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen vom 07.06.2007)  

 
 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Rates der Stadt Lüneburg
TOP: Ö 6.1
Gremium: Rat der Hansestadt Lüneburg Beschlussart: abgelehnt
Datum: Do, 29.11.2007    
Zeit: 17:00 - 21:30 Anlass: Sitzung
Raum: Huldigungssaal
Ort: Rathaus
VO/2452/07 Kündigung der Mitgliedschaft im Nordland-Autobahn-Verein (Dringlichkeitsantrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen vom 07.06.2007)
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Antrag d. Fraktion Bündnis90/Die Grünen
Federführend:01 - Büro der Oberbürgermeisterin Beteiligt:Fachbereich 3b - Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Umwelt und Mobilität
Bearbeiter/-in: Gieseking, Stefan  DEZERNAT V
 
Wortprotokoll
Beschluss

Beratungsinhalt:

 

Beratungsinhalt:

 

Ratsherr MEIHSIES erläutert, dass der Nordlandautobahnverein gemäß seiner Satzung das Ziel habe, den Ausbau des überregionalen Straßennetzes zu forcieren und zu beschleunigen. In Zeiten, in denen über Klimaschutz gesprochen werde, seien die Argumente seiner Fraktion für einen Austritt aus dem Verein sehr einleuchtend. Eine Stadt, die sich dem Klimaschutz verpflichtet habe, könne nicht Mitglied sein in einer Institution, die mehr Zerstörung der Umwelt zum Ziel habe. Zum Thema Klimaschutz habe man in den letzten zwei Wochen zwei neue gravierende Nachrichten erhalten: Zum einen eine Neuauflage des IPCC-Berichtes, der in nochmals verschärfter Form auf die Beschleunigung des Klimawandels durch die CO2-Problematik hinweise. Die zweite Meldung sei im SPIEGEL nachzulesen, wonach die Erdölförderung spätestens im Jahre 2020 zurückgehen werde. In beiden Fällen habe man rund zehn bis fünfzehn Jahre Zeit, um klimapolitisch gegenzusteuern. Es sei ein Anachronismus, überhaupt noch über eine Autobahn zu reden. Wenn in einigen Jahren die Benzinpreise in’s Unermessliche gestiegen seien, werde man sich umorientieren und der ÖPNV als Daseinsvorsorge stärker ausgebaut werden müssen. Mit einer Kündigung der Mitgliedschaft setze man ein Signal, dass man eine andere Verkehrspolitik und nicht die Fortsetzung der rückwärtsgewandten alten Politik aus den sechziger Jahren wolle. Seine Fraktion fordere an dieser Stelle Nachhaltigkeit ein aus der Konsequenz des Vereinsaustrittes, bezogen auf die Beitritte zum Klimaschutzbündnis und als Agenda21-Stadt. Das Licht auszuschalten, wie es eine Aktion in den nächsten Tagen vorsehe, sei nichts im Vergleich dazu, was durch die Autobahn an Klimaveränderung mit produziert werde. Mit der Unterstützung dieser Aktion bei gleichzeitiger Forcierung der Autobahn widerspreche sich der Oberbürgermeister. Ohnehin widerspreche sich die SPD in der Frage des Umweltschutzes ständig selbst, der Bundesumweltminister als oberster Klimaschützer habe beim Bundesparteitag der SPD gesagt, Umweltschutz sei ‚ursozialdemokratisches Thema’. Das müsse man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Seine Fraktion bitte um Unterstützung bei der Kündigung der Mitgliedschaft im Nordlandautobahnverein im Sinne des Klimaschutzes in der Region und für künftige Generationen.

 

Beigeordnete BAUMGARTEN würde viele der von Ratsherrn Meihsies gesagten Dinge als gut und nachahmenswert empfinden, wenn denn die Hansestadt Lüneburg alleine auf diesem Planeten wäre und alleine entscheiden könnte. Als sozusagen kleine Stadt Lüneburg im großen Gesamtgefüge werde man mit der Umsetzung von Klima- und Umweltschutz alleine nicht weit kommen. Die Mitgliedschaft im Nordlandautobahnverein sei wichtig, um bei Planungen und bei Ausbauten bereits im Vorfeld über das zu diskutieren, was man nicht wolle und um Klima- und Umweltschutzbelange mit einbringen zu können. Für einen Jahresbeitrag von 102 Euro sitze die Stadt Lüneburg mit am Tisch und erhalte Informationen, die sie sonst nirgendwo für diesen Betrag bekommen würde. Daher müsse die Stadt Lüneburg Mitglied des Vereins bleiben und ihre Fraktion werde den Antrag ablehnen.

 

Ratsherr SOLDAN schließt sich den Ausführungen von Beigeordneter Baumgarten an. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen versuche einmal mehr den Mythos als einzige Partei, die sich für Umwelt- und Klimaschutz einsetze, aufrecht zu erhalten. Mit dem großen Schild in der Hand, auf dem immer nur ‚dagegen’ stehe, komme man jedoch nicht weiter.

 

Beigeordneter DÖRBAUM bekräftigt, dass das Thema Umweltschutz in der Tat ein ureigenes Thema der SPD sei, daran werde sich auch künftig nichts ändern. Zum Plädoyer für den Austritt aus dem Autobahnverein stelle er fest, dass ihm nicht bekannt sei, dass dieser Verein jemals eine Autobahn beschlossen habe. Der Verein sei kein Beschlussgremium, in ihm werde vielmehr über Fragen der überregionalen Verkehrsführung gesprochen und beraten. Es sei sinnvoll und richtig, dort mit am Tisch zu sitzen und mitreden zu können. Es gebe derzeit eine sehr intensive und dennoch redliche und aufrichtige Diskussion zur A39. Diese Autobahn sei notwendig, er wünsche aber derzeit auch keine Debatte über weitere Autobahnen. Aus dem Autobahnverein auszutreten, nur um eine Debatte zu vermeiden, sei der falsche Weg. Richtig sei es, dem Verein weiterhin anzugehören und sich dort konstruktiv einzubringen, wo es möglich sei. Ohne das überregionale Verkehrskonzept der letzten dreißig Jahre gäbe es die Stadt in ihrer heutigen Größe nicht, die Entwicklung spreche deutlich dafür, dass man damit auf dem richtigen Weg sei.

 

Ratsherr RIECHEY merkt an, dass Autobahnbefürworter genügend Lobbyvereinigungen haben, in denen sie ihre Stellungnahmen austauschen könnten. Man benötige den Autobahnverein nicht, um die Interessen der Hansestadt Lüneburg zu vertreten, daher könne man dem Antrag zustimmen. Wenn man über Klimaschutz rede, würde man mit dem Austritt endlich einmal Konsequenzen ergreifen.

 

Beigeordneter BLANCK ist erstaunt, dass dem Beigeordneten Dörbaum angesichts seiner langjährigen Mitgliedschaft in der SPD gewisse Entwicklungen offenbar nicht aufgefallen seien. Neue Parteien entstünden aus den Reihen der SPD, weil Themen dort eben nicht so bearbeitet würden, wie die SPD es für sich in Anspruch nehme. Die ursprüngliche Aufgabe des Nordlandautobahnvereins, die Diskussion zu fördern, sei doch erfüllt, da man die gewünschte Autobahn doch nun habe. Mit der Trasse durch die Stadt werde man jedoch die Geister nicht mehr los, die man gerufen habe. Nun habe man die Probleme, die sich mit offenkundig nicht umsetzbaren Vorschlägen, wie der Deckelung der Trasse, nicht beheben ließen. Konsequent wäre es, heute dem Antrag zuzustimmen.

 

Ratsherr MEIHSIES begrüßt es, dass den Bürgerinnen und Bürgern vor der Wahl im Januar nochmals eine umweltpolitische Orientierung gegeben werde. Ihm sei wichtig, deutlich zu machen, welche Partei in Lüneburg für Umweltschutz stehe. Angesichts der vielfältigen Probleme müsse man wegkommen vom Straßenbau und Geld in andere Bereiche hineingeben, wie für Bildungspolitik und für die Finanzierung von sozial und wirtschaftlich schlechter gestellten Menschen.

 

Beigeordnete LOTZE spricht der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Interpretationshoheit über die Umweltpolitik der SPD-Fraktion ebenso ab wie über die Aussagen des Bundesumweltministers. Fakt sei, dass jedermann Mobilität wolle, dies gelte auch für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. In einem Land wie Niedersachsen, in dem Autos unverzichtbar seien, müsse man auf zukunftsorientierte und moderne Antriebstechnologie setzen, die einen von der Abhängigkeit von Öl wegbringe. Dies sei die richtige Vision, sie könne nur empfehlen, sich an der Umweltpolitik der SPD zu orientieren.

 

Oberbürgermeister MÄDGE verweist auf einen kürzlich erschienenen Artikel in der taz, in der die hervorragende Umweltpolitik der Stadt Lüneburg gelobt worden sei. Die Parteien dürften einander nicht den Willen zum Umweltschutz absprechen, vielmehr müsse man versuchen, die Gesellschaft in dieser Frage gemeinsam nach vorne zu bringen. Er erinnere an die heutige Einwohnerfrage, in welcher nach der Linderung der materiellen Not der Menschen gefragt wurde. Diese könne man nicht lindern, indem man die Wirtschaft blockiere. Er werde in Lüneburg die Politik der kleinen Schritte fortsetzen, wie zuvor mit dem erfolgreichen Verkehrsentwicklungsplan und der Umgestaltung des Bahnhofes. Hier habe man, beispielsweise beim Bau der Brücken, bereits mit weiser Voraussicht auf die Förderung und Steigerung des Busverkehrs geachtet.

Im Haushalt seien viele Umweltprojekte wie die Förderung der Solarenergie verankert. Der Haushaltsplan für das Jahr 2007 sei jedoch von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt worden, hier klafften Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Man müsse aber gemeinsam für die Stadt Schritt für Schritt vorangehen. Betrachte man die Folgen, wenn sich die Grünen mit der Ablehnung der Autobahn durchsetzten, käme man zu dem Ergebnis, dass angesichts der Prognosen künftig bis zu 60.000 PKW und LKW über die Umgehungsstraße geführt würden und zwar ohne Lärmschutzmaßnahmen. Er hätte die Trasse lieber im Westen gehabt, wenn der Bund aber die Trassenführung über die Umgehungsstraße fordere, müsse man eben für die Bewohner Lärmschutzmaßnahmen erkämpfen. Man könne sich nicht hinstellen und sagen, die Verkehrszunahme komme nicht, wenn die A39 nicht komme. Es gehöre zur Wahrheit und Glaubwürdigkeit, dies den Menschen auch zu sagen.

 

Ratsherr ALTHUSMANN möchte nicht der Versuchung erliegen, in einem Landtagswahlkampf auf Provokationen der Grünen zu antworten. Er wolle jedoch an den früheren Bundesumweltminister Töpfer erinnern, der gesagt habe, dass die Themen Energie, Ernährung und Klima die alles entscheidenden Themen für die Zukunft sein würden. Dieser Meinung schließe er sich an. Er halte es für eine heuchlerische Position, auf kommunaler Ebene den Eindruck zu erwecken, man sei gegen eine Autobahn, wenn man gleichzeitig auf allen anderen Ebenen, auf denen die Grünen auch Verantwortung trügen, dafür gestimmt habe. Dies sei unglaubwürdig, man solle den Menschen nicht weismachen, dass die Grünen die Entscheidung für die Autobahn nicht mitgetragen haben. Umweltschutz sei kein grundsätzliches Thema einer einzelnen Partei, sondern ein lebenswichtiges Thema aller demokratischen Parteien in Deutschland, mit dem man sich ernsthaft und nicht ideologisch auseinander setzen müsse.

 

Beigeordnete SCHELLMANN erinnert daran, dass Umweltschutz nur realisiert werden könne, wenn man die wirtschaftlichen Mittel dazu habe. Sie weise darauf hin, dass die heutigen Wahlkampfdiskussionen bereits wieder fünfundzwanzig Minuten gekostet haben, das sei in diesem Zusammenhang lächerlich.

Beschluss:

Beschluss:

 

Der Rat der Stadt Lüneburg lehnt den Antrag mehrheitlich bei 8 Ja-Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion DIE LINKE gegen die Stimmen der Gruppe SPD/CDU und der FDP-Fraktion ab.

 

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