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Beratungsinhalt: Erster
Stadtrat KOCH führt
aus, dass ähnliche Anträge in vielen Kommunen gestellt worden seien, woraufhin
das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport im Mai in einem
Schreiben darauf hingewiesen habe, wie das Asylbewerberleistungsgesetz
umzusetzen sei. In diesem Rundschreiben sei nochmals ausdrücklich der Vorrang
des Sachleistungsprinzips betont worden. Andere Leistungen als Wertgutscheine
seien zulässig, jedoch keine Geldleistungen. Das Rundschreiben bekräftige die
vorliegende Stellungnahme der Verwaltung. Ratsherr
RIECHEY drückt
seine Hoffnung aus, dass man es auch in diesem Fall schaffe, eine gemeinsame
Resolution zu verabschieden. Da dies im Rahmen einer Ratssitzung schwierig sei,
habe man die Überweisung in den Sozial- und Gesundheitsausschuss vorgeschlagen.
Die Verwaltung argumentiere mit Zwängen und Vorgaben seitens des Ministeriums,
dennoch könne man sich mit einem Appell für eine Sache einsetzen, darum gehe es
primär im vorliegenden Antrag. Es sei gängige Praxis, dass Asylbewerber
Leistungen zum überwiegenden Teil in Form von Gutscheinen erhielten, die auf
ganz bestimmte Waren beschränkt seien. Die Zuordnung einzelner Produkte zu
diesen Waren sei oft Auslegungssache, wobei die Kunden auf die Gutmütigkeit der
Verkäufer angewiesen seien. Dies könne schon mal zu entwürdigenden Situationen
an der Kasse führen. Viele andere Dinge des täglichen Lebens wie
Telefongebühren und Fahrtkosten müssten aus dem Taschengeld von etwa vierzig
Euro monatlich bestritten werden. Mit der Gutscheinregelung entstünden der
Stadt Kosten für den Druck der Gutscheine und für den Verwaltungsaufwand bei
der Abrechnung mit den Händlern. Insgesamt sei es eine untragbare Situation. Es
habe sich bereits ein Schwarzmarkthandel entwickelt, indem einige Händler
Gutscheine zu einem geringeren Preis als dem Nennwert aufkauften und damit aus
der persönlichen Not der Menschen Profit machten. Es gebe eine Umtauschinitiative,
die die Gutscheine zu gleichem Wert in Bargeld umtausche, diese arbeite aber in
einer Grauzone, da die Gutscheine formal nicht übertragbar seien. Andere Städte
in Niedersachsen, die den gleichen Gesetzen unterlägen, hätten eine solche
Resolution mit großem appellativen Charakter im Rat verabschiedet. Ratsfrau
GÜNTNER zeigt sich
verwundert über den Antrag, da es nicht Aufgabe der Politik sei, die
Gesetzmäßigkeit des Handelns der Verwaltung und die Auslegung von
Bundesgesetzen zu überprüfen. Der Bundesgesetzgeber habe seinen Willen zur
Gewährung von Sachleistungen durch das Asylbewerberleistungsgesetz klar zum
Ausdruck gebracht. Der höhere Verwaltungsaufwand sei dabei ganz bewusst in Kauf
genommen worden um zu verhindern, dass ausschließlich wirtschaftliche Aspekte
bei der Entscheidung, nach Deutschland zu kommen, eine Rolle spielten. Eine
Änderung sei vom Gesetzgeber auch nicht beabsichtigt, wie das Bundeskabinett im
März mit einem Gesetzesentwurf im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes gezeigt habe.
Das Niedersächsische Innenministerium habe durch Rundschreiben ausdrücklich auf
die Sachleistungsgewährung als vorrangigem Leistungsprinzip hingewiesen. Der
Rat der Stadt Lüneburg sei nicht die richtige Bühne für populistische
Schauspiele, da man die Änderung von Bundesgesetzen nicht beschließen könne.
Wenn die Antragsteller den juristischen Stellenwert von Erlassen des
Niedersächsischen Innenministeriums prüfen wollten, werde man ihnen dabei nicht
folgen. Wo bleibe die Menschenwürde der Asylbewerber, wenn Schlepperorganisationen
sie unter Druck setzten und ihnen das Geld abnehmen, welches sie eigentlich zur
Bestreitung ihres Lebensunterhaltes benötigten. Wer nicht wisse, wie er seine
Familie satt bekomme, könne kein menschenwürdiges Leben führen. Das
Gutscheinsystem habe sich in Lüneburg bewährt, die Geschäfte seien seit Jahren
mit der Einlösung der Wertgutscheine vertraut und nähmen diese problemlos
entgegen. Da die Gutscheine nicht empfängerbezogen seien, sei keine besondere
Vertretungsregelung erforderlich. Die von Herrn Riechey beschriebenen Probleme
seien ihrer Fraktion für den Bereich der Stadt Lüneburg nicht bekannt, daher
sehe man auch keinen Grund für eine Änderung. Ratsfrau
RUDOLPH erläutert,
dass es in Lüneburg in allen Geschäften möglich sei, die Wertgutscheine
einzulösen, nicht nur in einigen ausgewählten. Nach eigener Erfahrung und nach
Gesprächen mit Betroffenen habe sie eine offene Anfeindung von Asylbewerbern,
wie in der Resolution dargestellt, nicht wahrnehmen können. In Lüneburg habe
sich das Gutscheinsystem im Laufe der Jahre als völlig normale
Bezahlmöglichkeit eingespielt. Neben den Wertgutscheinen erhielten die
Asylbewerber Bargeld, in der Resolution sei ausgeführt, dass der sonstige
Lebensbedarf davon nicht gedeckt werden könne. Man dürfe aber nicht übersehen,
dass es daneben noch eine Vielzahl von Sachleistungen gebe. Ferner gebe es
kostenlose Rechtsberatung, wie überhaupt das gesamte Asylverfahren kostenfrei
sei. Es sei bekannt, dass bei Bargeldauszahlung eben nicht nur der
Lebensunterhalt bestritten werde, sondern das Geld vielfach zweckfremd
verwendet werde. Das Asylbewerberleistungsgesetz könne nach einer Anfrage der
Uni Konstanz beim Innenministerium grundsätzlich als ausreichend angesehen
werden, um Lebensunterhalt und Gesundheit zu gewährleisten. Es bestehe daher
keine Notwendigkeit, am Sachleistungsprinzip zu rütteln. Ratsfrau
MAHLKE-VOß macht
deutlich, dass man die Aufgabe habe, den Lebensunterhalt jener Menschen zu
sichern, die nicht arbeiten können oder dürfen. Der Gesetzgeber sehe für die
Bedarfsdeckung unbare Leistungen vor, da dies nicht immer möglich gewesen sei,
wurden die Wertgutscheine in Lüneburg entsprechend erweitert. Die Behauptung
sei nachweislich falsch, es solle keine Probleme beim Einlösen der Gutscheine
geben, wenn das gekauft werde, was auf den Gutscheinen stehe. Zahlreiche
Geschäfte gingen mit den recht schwammigen Artikelbeschreibungen willkürlich
um, in einigen Fällen werde die Annahme der Wertgutscheine gar verweigert.
Daher werde ein Einkauf mit Gutscheinen von den Betroffenen häufig als
Diskriminierung und Bevormundung empfunden. Sie fordere alle, die für
Wertgutscheine seien, auf, sich selbst einmal mit Wertgutscheinen an eine Kasse
zu stellen um zu erfahren, wovon die Rede sei. Falsch sei auch die Behauptung,
dass durch eine Bargeldausgabe neue Notlagen geschaffen werden könnten, da bei
Geldleistungen nicht die prekäre Lage entstehe, das Wechselgeld einbehalten
oder Gutscheine unter ihrem Nennwert aufgekauft würden. Die Verwaltung
kaschiere mit dieser unlauteren Argumentation die Rechtslage. Bereits in der
frühen Zeit des Asylbewerberleistungsgesetzes habe sich gezeigt, dass
Wertgutscheine diverse Nachteile mit sich brächten, worauf der Gesetzgeber
schon 1997 reagiert habe. Seither bedürfe es keiner besonderen Umstände mehr,
um Geldleistungen zahlen zu dürfen. In den Kommentaren der Fachjuristen würden
Sachleistungen, Wertgutscheine und Geldleistungen als gleichwertig angesehen.
Bei der Betrachtung der höherrangigen Grundrechte müssten die Geldleistungen
als vorrangig angesehen werden, da durch die Gewährung von Gutscheinen dem
Recht auf ein soziokulturelles Existenzminimum nur sehr begrenzt Rechnung
getragen werde. Auch die Grundrechte auf Wahrung der Menschenwürde, auf freie
Entfaltung der Persönlichkeit, der Informations- und Religionsfreiheit sowie
der Gleichheitsgrundsatz seien zu berücksichtigen. Letztlich sei mittelbar auch
der Grundsatz der Gewährung effektiven Rechtsschutzes betroffen, da der
vorhandene Beratungsschein zwar formellen Rechtsschutz garantiere, um diesen
jedoch auch umzusetzen seien Asylbewerber auf die Vertretung durch im Regelfall
selbst zu bezahlende Rechtsanwälte angewiesen. Auch fielen Kosten etwa für die
Übersetzung fremdsprachlicher Urkunden an. Daneben gebe es auch pragmatische
Gründe für die Abschaffung der Wertgutscheine, da das System für die
betroffenen Behörden erhebliche Mehrkosten durch den hohen Verwaltungsaufwand
bedeute. Aus diesem Grund habe man das Gutscheinsystem bei der Stadt Münster
abgeschafft. Die Entscheidung über die Form der Leistungsgewährung obliege nach
einem neuen Schreiben des Niedersächsischen Innenministeriums an die Stadt
Göttingen den kommunalen Behörden. In vielen Bundesländern werde die
Bargeldauszahlung bereits flächendeckend praktiziert. Da es noch viele Fragen
zu klären gebe, befürworte sie die Überweisung in den Sozial- und
Gesundheitsausschuss. Beigeordnete
SCHELLMANN erklärt,
man müsse immer ganz besonders vorsichtig sein, wenn die Menschenwürde ins
Spiel gebracht werde und deren Gefährdung genau prüfen. Sie erinnere daran,
dass es auch in Lüneburg große Schwierigkeiten gegeben habe, das Geld dort
ankommen zu lassen, wohin es sollte. Nicht selten mussten Frauen betteln gehen,
da deren Männer das Geld behalten und vertrunken hätten. Oftmals mussten Betroffene
sich auch unter Drohungen verpflichten, ihr Geld Schlepperbanden zu geben. Dies
sei tägliche Praxis und die Erfahrung der Verwaltung Ende der achtziger Jahre
gewesen. Sie bevorzuge ansonsten auch praktische Lösungen ohne teuren
Verwaltungsaufwand, dies sei aber nicht immer die richtige Lösung. Sie habe in
Gesprächen mit Verkäufern und mit Asylbewerbern erfahren, dass es die
angeführten Probleme anfänglich gegeben habe, mit zunehmender Erfahrung der
Beteiligten seien sie aber zurückgegangen. Man dürfe nicht eine Situation
herbeiführen, die die Existenzsicherung - die als vorrangige Aufgabe anzusehen
sei - gefährde. Die jetzige Praxis sei zugegebenermaßen nicht immer der
bequemste Weg, es werde dadurch aber sichergestellt, dass die Familien auch zu
dem kämen, was sie brauchten. Wenn dabei einzelne Fälle von Diskriminierung
aufträten, müsse man diesen natürlich nachgehen. Oberbürgermeister
MÄDGE bemerkt, dass
die Verwaltung gescholten und unlauten Verhaltens bezichtigt werde, weil sie
sich an geltende Gesetze halte. Es könne doch niemand abstreiten, dass das
Schlepperproblem vorhanden sei. Dem müsse man entgegentreten, da im Grundgesetz
auch stehe, dass Ehe, Familie und Kinder dem besondern Schutz des Staates
unterstünden. Es könne nicht sein, dass man diejenigen nicht schütze, die durch
Schlepper abkassiert würden. Es dürften auch nicht Asylbewerber und Empfänger
von ALGII-Leistungen, die Wertgutscheine erhielten, in einen Topf geworfen
werden. Man müsse sehen, dass etliche Leistungsempfänger mit ihrem Geld nicht
umgehen könnten und man die Kinder solcher Familien davor schützen müsse, dass
die Eltern das Geld auf zweckfremde Art und Weise verbrauchten. Es müsse durch
die Verwaltung sichergestellt werden, dass die Kinder auch tatsächlich mit
Nahrungsmitteln versorgt werden um solche Fälle der Vernachlässigung zu
verhindern, wie sie zuletzt in Bremen geschehen seien. Es könne nicht angehen,
dass die Verwaltung von Mitgliedern des Rates mit der Forderung nach Umstellung
auf Geldleistungen zum Rechtsbruch aufgefordert werde. Beschluss: Der
Rat der Stadt Lüneburg lehnt die Resolution zur Abschaffung des
Gutscheinsystems mehrheitlich mit den Stimmen der Gruppe SPD/CDU und der
FDP-Fraktion bei 8 Ja-Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der
Fraktion DIE LINKE sowie 1 Enthaltung ab. (52) |
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