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Beratungsinhalt: Ratsherr
NEUBAUER macht
deutlich, dass der Gauleiter Otto Telschow und die Verleihung der
Ehrenbürgerschaft an ihn Teil der Geschichte seien, ebenso wie der
Nationalsozialismus. Es zeige sich immer wieder, dass der Umgang mit der
NS-Zeit in Deutschland sehr sensibel vonstatten zu gehen habe. Die
vorgeschlagene Erklärung zeichne sich genau durch diese Sensibilität aus und
belege das Engagement für Menschenwürde und für die freiheitlich demokratische
Grundordnung. Dem Ergänzungsantrag hingegen fehle mitunter gerade diese notwendige
Sensibilität. Die Forderung nach einer Ausstellung lehne seine Fraktion
grundsätzlich ab. Nicht aufgrund der Wortwahl, die Bezeichnung „zum Wirken des
Gauleiters Telschow“ sei viel zu positiv, sondern aufgrund der Tatsache, dass
man keine Pilgerstätte für ewig gestrige und für Neonazis in Lüneburg wolle. Er
hätte sich gewünscht, dass die Grünen auf ihren Fraktionsvorsitzenden gehört
hätten, der in der Landeszeitung völlig zu recht erklärt habe, dass eine zu
intensive Beschäftigung mit der Materie eine Nazigröße nur unnötig aufwerte.
Weiterhin sei die Forderung nach einer aktiven Auseinandersetzung mit der Zeit
des Nationalsozialismus wenig sensibel, da sie unterstelle, dass hier in
Lüneburg bisher deutliche Defizite zu erkennen seien. Dies sei eindeutig nicht
der Fall, vielmehr gebe es in Lüneburg eine außerordentlich zu lobende
Geschichtswerkstatt, man habe jahrelang gestritten für ein Mahnmal in der
Lindenstraße und vieles mehr. Lüneburg müsse sich nicht verstecken vor der
eigenen Vergangenheit. Der Antrag auf Überprüfung aller Ratsbeschlüsse aus der
NS-Zeit sei abzulehnen, nicht jedoch, weil es kein wichtiges Thema sei, sondern
vor allem aus Zeitgründen. Er vermöge sich nicht vorzustellen, sich in den
Ratssitzungen mit allen Ratsbeschlüssen auseinander zu setzen. Es biete sich
jedoch als sinnvolles Thema für die Zusammenarbeit zwischen Stadt, Landkreis
und Universität an, indem die Universität dies in einem konkreten Projekt
aufarbeite. Bürgermeister
DR. SCHARF erinnert
daran, dass das Thema Otto Telschow bereits durch den früheren Chefredakteur
Helmut C. Pleß in seinem Buch „Lüneburg `45“ weitgehend aufgearbeitet worden
sei, die Person und das Wirken seien darin ausführlich dargestellt. Er zitiere
aus dem Rheinischen Merkur, wonach jeder ein kommunikatives Wagnis eingehe, der
sich mit der Autorität eines öffentlichen Amtes in Deutschland zu Vorgängen und
Personen der NS-Vergangenheit äußere. Er wolle der Legendenbildung vorbeugen,
indem er einige Fakten aus dem Buch „Lüneburg `45“ zusammengetragen habe. Otto
Telschow sei 1932 Gauleiter geworden, habe aber letztlich eine untergeordnete
Rolle gespielt. Graue Eminenz sei in Lüneburg ein Sonderbeauftragter namens
Hoffmann gewesen, der großen Einfluss insbesondere auf die Justiz genommen
habe. Telschow sei eher als mittelmäßige und beschränkte Person mit Hang zum
Alkohol bekannt gewesen. In der Tat habe er jedoch im April 1945 angeordnet,
jedes Haus zu zerstören, das eine weiße Flagge zeige. Dieser Befehl sei zum
Glück nicht ausgeführt worden. Zur Rolle des Rates sei anzumerken, dass bei der
Reichstagswahl am 5. März 1939 die NSDAP in Lüneburg 8.448 Stimmen bekommen
habe, bei der letzten demokratischen Wahl eines Lüneburger Rates am 12. März
1939 hingegen nur noch 6.828 Stimmen. Man dürfe sich die Tätigkeit des Rates in
der Zeit von 1933 bis 1945 nicht so vorstellen wie in der heutigen Zeit, da die
Räte seinerzeit gleichgeschaltet gewesen seien. Es sei zweifelhaft, ob der Rat
noch eigene Entscheidungen getroffen habe, im Regelfall seien Weisungen der damaligen
Reichsführung umgesetzt worden. Die Überprüfung der Ratsbeschlüsse dürfte vor
diesem Hintergrund wenig ergiebig sein. Einen Eisenbahnwaggon für eine solche
Ausstellung zu nutzen habe eine besondere Bedeutung, da ein solcher für viele
Menschen mit Ängsten und Nöten in Verbindung stehe. Er könne aus eigener
Erfahrung berichten, dass Eisenbahnwaggons für den Abtransport von Flüchtlingen
aus ihrer Heimat benutzt worden seien. Ratsherr
POLSTER weist
darauf hin, dass seine Fraktion den Antrag der Gruppe SPD/CDU positiv
aufgenommen habe, da mit dem Antrag auf die derzeit in der Öffentlichkeit
geführte Diskussion reagiert werde. Es sei in der Tat in der Stadt bereits viel
zur Aufarbeitung der Geschichte getan worden, er würdige die Arbeit der
Geschichtswerkstatt und aller, die sich darum bemühten. Man wolle jedoch noch
einen Schritt weiter gehen. Das Aufstellen eines Eisenbahnwaggons sei keine
neue Idee, sondern eine langjährige Forderung der Geschichtswerkstatt nach
einem Raum für verschiedene Ausstellungen. Die Ausstellung zu Telschow solle
keinesfalls dazu dienen, ihn zu einer Kultfigur für Rechte zu machen. Es sei
immer eine gewisse Gratwanderung, entscheidend sei dabei, wie man eine solche
Ausstellung aufmache. Die Ausstellung des Deutschen Salzmuseums sei nun schon einige Zeit her, sie habe die
letzten Kriegsjahre in Lüneburg zum Thema gehabt, möglicherweise könnten Teile
davon verwendet werden für eine angemessene neue Ausstellung. Zur Überprüfung
der Ratsbeschlüsse sei anzumerken, dass es natürlich nicht gewollt sei, alle
damaligen Ratsbeschlüsse erneut im Rat zu diskutieren. Der Vorschlag sei gut,
die Überprüfung einer Studentengruppe zu übertragen, die prüfen könne, welche
Beschlüsse gefasst worden und wie diese zustande gekommen seien. Es gebe aus dieser
Zeit sicherlich Beschlüsse, die man heute nicht mehr mittragen könne, sich
diese bewusst zu machen sei aber nur möglich, wenn man wisse, welche Beschlüsse
gefasst worden seien. Beigeordnete
SCHELLMANN
berichtet, dass ihre Fraktion sich die Frage gestellt habe, was der Rat der
Stadt Lüneburg objektiv tun könne, um sich von dem zweifellos minderen
Charakter Otto Telschows posthum zu distanzieren. Dass Telschow die
Ehrenbürgerschaft nicht verdient hatte, sei unstrittig und dieser Umstand müsse
Lüneburg damals wie heute zutiefst peinlich sein. Man könne dieses Thema rein
juristisch oder rein emotional angehen. Was geschehen sei, könne nicht durch
nachträgliche Beschlüsse ungeschehen gemacht werden. Aus der Aberkennung der
Ehrenbürgerschaft könnten leider keine sachlichen Konsequenzen mehr folgen. Mit
dem Tode Telschows sei die Ehrenbürgerschaft erloschen, rein juristisch sei da
nichts mehr zu machen. Diese rationale Sicht trage aber den emotionalen
Aspekten nicht ausreichend Rechnung. Als Rat müsse man Stellung beziehen,
obwohl man dieses in der Vergangenheit bereits ausführlich getan habe. Für sehr
wichtig halte sie, dass durch den heutigen Beschluss dem Gauleiter Telschow
nicht ungewollt Ehre verschafft werde, indem man sich schon wieder intensiv mit
ihm beschäftige. Genau das habe er nicht verdient. Die Verachtung, die solche
Figuren verdient hätten, müsse man auch dadurch zum Ausdruck bringen können,
dass man sie nach vollständiger Aufarbeitung nicht mehr beachten müsste. Ratsherr
KUNATH unterstützt
den Antrag, seine Fraktion würde sich aber zusätzlich eine generelle
Aufarbeitung der NS-Zeit in Lüneburg unter Einbeziehung der verfolgten Gruppen
wünschen. Das Geld für die beantragte Ausstellung könne man jedoch besser in
die Arbeit der Geschichtswerkstatt stecken, die sich mit dieser Zeit befasse. Erster
Stadtrat KOCH
möchte auf das Stichwort „generelle Aufarbeitung“ eingehen. Es sei richtig,
dass die Aufarbeitung der dunklen Seiten der Geschichte eine dauerhafte und
ständig wiederkehrende Aufgabe sei. Er sei der Auffassung, dass die
Kultureinrichtungen in Lüneburg ebenso wie Stadtrat und Verwaltung dieser
Aufgabe seit langer Zeit nachkämen. Dies beginne bei den entsprechenden
Publikationen und führe zu den großen Ausstellungen zum fünfzigjährigen und zum
sechzigjährigen Kriegsende, in denen mit großer Sorgfalt und Genauigkeit diese
Periode aufgearbeitet worden sei. Die Ausstellung im Deutschen Salzmuseum habe
auch die Person Otto Telschow zum Inhalt gehabt. Die Aufarbeitung geschehe
bereits und werde auch weiterhin geschehen. Bereits seit vielen Jahren habe die
Stadt Lüneburg den 27. Januar, den Gedenktag für die Opfer des
Nationalsozialismus, durch eigene Veranstaltungen und in Zusammenarbeit mit
anderen Organisationen mitgestaltet. Selbst in den Räumlichkeiten des Rathauses
habe man in Ausstellungen an das Schicksal vieler Verfolgter, so jüdischer
Familien sowie Sinti und Roma und weiterer Personengruppen, erinnert. Dies sei
eine solche Selbstverständlichkeit, dass man es nicht noch gesondert
beschließen müsse. Beschluss: Der
Rat der Stadt Lüneburg gibt einstimmig die im Antrag vorgeschlagene Erklärung
ab. (01;
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