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Auszug - Resolution: Kein Ausstieg aus dem Atomausstieg! (Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen vom 10.09.2010)  

 
 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Rates der Hansestadt Lüneburg
TOP: Ö 7.1
Gremium: Rat der Hansestadt Lüneburg Beschlussart: geändert beschlossen
Datum: Do, 28.10.2010    
Zeit: 17:00 - 20:10 Anlass: Sitzung
Raum: Huldigungssaal
Ort: Rathaus
VO/3794/10 Resolution: Kein Ausstieg aus dem Atomausstieg! (Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen vom 10.09.2010)
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Antrag d. Fraktion Bündnis90/Die Grünen
Federführend:01 - Büro der Oberbürgermeisterin   
 
Wortprotokoll
Beschluss

Beratungsinhalt:

 

Beratungsinhalt:

 

Ratsherr MEIHSIES führt aus, dass der Bundestag am heutigen Tage ein Atomgesetz gegen die massive Kritik der Bevölkerung beschlossen habe. Ebenfalls gravierend sei, dass der entscheidende Minister für Umwelt bei den Beratungen zur Verlängerung der Laufzeiten der AKWs nicht beteiligt wurde. Somit habe die derzeitige Bundesregierung gezeigt, dass Geld vor Sicherheit gehe und sich wenige Monopolisten gegen verantwortungsvolles Handeln durchgesetzt hätten. Derzeit produziert Deutschland soviel Strom, dass die Leistung von fast 7 Atomkraftwerken pro Jahr exportiert würde. Durch den heute verabschiedeten Atomkonsenz würden wiederholt Arbeitsplätze im regenerativen Energiesektor verloren gehen. Hinzu komme, dass das Atommüllendlager Gorleben sich als nicht sicher herausgestellt und weiterhin an einer Erkundung festgehalten werde, was einer politischen Entscheidung gegen die Menschen in diesem Land sei. Der Widerstand gegen die Atompolitik der Bundesregierung sei begründet und er hoffe, dass bei den kommenden Veranstaltungen zum Castor-Transport ein Zeichen gesetzt werde.

 

Beigeordnete LOTZE verweist auf einen Resolutionstext, der verteilt werde, in dem alle derzeit vorliegenden Resolutionen und Änderungsanträge zusammengefasst wurden. Mit der Aufkündigung des Atomausstieges durch die derzeitige Bundesregierung habe man ohne Not einen gesellschaftlichen Großkonflikt neu entfacht.

Verschiedenste Untersuchungen hätten gezeigt, dass eine Energieversorgung zu 100 % auch aus regenerativer Energie möglich sei. In den vergangenen Jahren seien auf diesem Sektor ca. 300.000 Arbeitsplätze entstanden, die nun auf dem Spiel stünden. Durch den verabschiedeten Atomkonsens könne der Pannenreaktor Krümmel, der seit seiner Inbetriebnahme mehr als 300 Störfälle aufzuweisen hat, nun 14 Jahre länger am Netz bleiben. Sie zitiert eine Untersuchung von Greenpeace, wonach der Bereich des Landkreises Lüneburg bei einer Atomreaktorkatastrophe in Krümmel extrem stark betroffen wäre, eine sofortige Umsiedlung stattfinden müsse und die Gebiete auf sehr lange Zeit als unnutzbare Gebiete verloren gehen würden.

Ebenfalls schließe sie Gorleben als Standort für ein Atommüllendlager aus, da dort bereits zuviel Vertrauen zerstört sei und durch verschiedenste Untersuchungen die Eignung bezweifelt werden dürfe.

Sie spricht sich dafür aus, einen alternativen Standort ergebnisoffen deutschlandweit zu suchen. Sie bemängelt, dass der örtliche Bundestagsabgeordnete mit der Zustimmung zum Atomgesetz am heutigen Tage nicht die Interessen der Region und ihrer Bevölkerung vertreten habe.

Beigeordnete LOTZE ruft dazu auf, den neu verteilten Resolutionsentwurf, der alle Resolutionen und Änderungsanträge zusammenfasst, in breiter Zustimmung anzunehmen.

 

Ratsherr RIECHEY kritisiert, dass bei der heutigen Verabschiedung des Atomgesetzes im Bundestag kein demokratischer Stil zugrunde gelegt wurde. Es wurde im Eilverfahren teilweise unter Geheimhaltung sowie ohne Zustimmung des Bundesrates dieses Gesetz noch vor den anstehenden Castortransporten durch die Gremien geschleust. Selbst die Nds. Staatskanzlei, damals noch unter dem Ministerpräsidenten Christian Wulff, habe eine Zustimmungsbedürftigkeit des Bundesrates in diesem Falle gesehen.

Gegen große Proteste im Land habe der Bundestag trotzdem am heutigen Tage dieses Gesetz verabschiedet. Doch spätestens mit der nächsten Bundestagswahl würde sich zeigen, dass eine Regierung nicht auf Dauer gegen den immensen Widerstand der Bevölkerung regieren könne. Es wurde ausgehandelt, dass die großen Stromkonzerne verschiedenste Abgaben in einem extra ausgelagerten Fonds einzahlen, der jedoch nicht unter dem Zugriff des Bundestages stünde. Über den gesamten Zeitraum rechne man mit Abgaben in Höhe von 18 Milliarden EUR, wovon bereits 12 Milliarden EUR sofort durch die Konzerne absetzbar seien.

 

Ebenfalls 1,8 Milliarden EUR können dann von den Zahlungen der Gewerbe- und Körperschaftssteuern abgezogen werden. So verbleibe ein Nettoabgaberest in Höhe von 4,2 Milliarden EUR, die in diesen Fonds fließen. Offizielle Zahlen haben einen Gewinn für die Energiekonzerne in Höhe von 76 Milliarden EUR bis ca. 127 Milliarden EUR über den gesamten Zeitraum errechnet.

 

Ratsherr RIECHEY weist darauf hin, dass die Themen Krümmel und Gorleben in der heutigen Bundestagsdiskussion keine Rolle gespielt hätten und entsprechende Resolutionen hierzu bereits vom Rat auch verabschiedet wurden. Die Fraktion DIE LINKE kündigte an, sowohl dem Grundantrag der Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Fraktion sowie dem heute vorgelegten Alternativ-Resolutionstext zustimmen zu können.

 

Ratsherr LUTHS zeigt sich erschrocken über den blindwütigen Eifer der Atomdiskussion beider Seiten und spricht sich für eine Versachlichung der Diskussion aus. Dass Unterstellungen durch die Worte „käuflich“, geheim und undemokratisch ausgesprochen würden, wäre ungeheuerlich.

Der Deutsche Bundestag habe ein Konzept über die Energiesicherstellung in Deutschland verabschiedet, mit dem eine moderne Energieversorgung gefördert werde, um die Atomenergie auf absehbarer Zeit entbehrlich werden zu lassen. Nebenbei werden der Netzausbau und Speichermedien gefördert, die Steigerung der Energieeffizienz und die Gebäudedämmung vorangetrieben und der Ausbau der regenerativen Energie europaweit angestrebt.

 

Die Frage, die sich stelle ist, wie der Betrieb der deutschen Atomkraftwerke sicher gestaltet werden könne und eine Lösung für die Atommülllagerung gefunden werde. Würde man eine sofortige Abschaltung der deutschen Atomkraftwerke vornehmen, müsste Atomstrom aus dem Ausland eingekauft werden. Man könne berechtigterweise die Frage stellen, ob die dortigen Atomanlagen den hohen deutschen Anforderungen entsprechen.

 

Ratsherr LUTHS spricht sich dafür aus, dass die Einrichtung eines unabhängigen Atom-TÜVs zur Optimierung der Überwachung der Atomanlagen geprüft werde. Sofern ein Betrieb nicht sicher durchgeführt werden könne oder der Betreiber sich nicht als zuverlässig erweise, sei die Erlaubnis zur Betreibung von Atomanlagen zu untersagen. Vor einigen Jahren wurde ein Erkundungsstopp zur Suche eines atomaren Endlagers ausgesprochen, was völlig unerklärlich gewesen sei. Er betont, dass man im nun vorgelegten Änderungsantrag, der alle Resolutionen vereinen solle, einen Großteil der Punkte mittragen könne, jedoch man aus Sicht der CDU-Fraktion die Atomaufsicht in Schleswig-Holstein auffordern müsse, ohne eine intensive Zuverlässigkeitsprüfung des Betreibers und ohne Gewähr für die Sicherheit des Betriebs ein Wiederanfahren des AKW Krümmels nicht zu genehmigen.

 

Auch Ratsherr SOLDAN spricht sich für die Versachlichung der Debatte aus und weist auf den verantwortungsbewussten Umgang mit Ressourcen hin. Zweifelsohne benötige Deutschland ein sicheres Lager für die nicht mehr benötigten Anteile an den benutzten Brennelementen, da dies der Rohstoff von morgen sei. Er zitiert Patrick Moore als Mitbegründer von Greenpeace, der heute den so genannten Atommüll als eine der wichtigsten Ressourcen für die Zukunft bezeichne. Ebenfalls bemängele er, dass man die Wissenschaft benutze, um Positionen zu rechtfertigen, die in Wahrheit jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehren.

 

Ratsherr SOLDAN erinnert, dass Gorleben erst seit Kurzem wieder ergebnisoffen untersucht werde und eine grundsätzliche Ungeeignetheit durch das verhängte Moratorium nie bestätigt wurde, stattdessen die Verantwortung an die nachfolgende Generation weitergeschoben wurde. Die Diskussion um die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke sei aus seiner Sicht eine Ablenkung vom elementaren Thema der Endlagerung der Reste. Eine sofortige Abschaltung der Atomkraftwerke halte wiederum Patrick Moore mit Blick auf die Energieversorgung als unverantwortlich und für die CO2-Bilanz fatal. Nach einer repräsentativen Umfrage der FORSA aus dem aktuellen Tagesspiegel glauben 70 % der Befragten nicht an eine 100-prozentige Energiedeckung aus regenerativen Energien und immerhin über 50 % der Grünen. Hierbei würden lediglich ideologische Positionen verteidigt und verkannt, dass durch die jetzige Beschlussfassung des Bundestages eine Energiespeisungsvorrang für Strom aus regenerativen Energien bestehe.

 

Ratsherr MEIHSIES möchte sich den getätigten Vorwürfen stellen und erklärt, dass noch während der Zeit des Moratoriums zur Endlagersuche in Deutschland ein „Arbeitskreis Endlager“ eingerichtet wurde. Dieses Gremium war u. a. besetzt mit Umweltverbänden, Kirchen, Wissenschaftlern und Bürgern und sollte mit hoher gesellschaftlicher Akzeptanz einen neuen demokratischen Prozess starten und Kriterien aufstellen, die eine verantwortungsbewusste Endlagersuche möglich mache. Die GRÜNEN waren bereit, bei einer Endlagersuche auch Gorleben ins Verfahren mit aufzunehmen, da die aufgestellten Kriterien in Gorleben nicht erfüllt worden wären.

Er weist darauf hin, dass der EU-Atom-Kommissar Herr Oettinger eine Schweizer Atommüllendlagersuche blockiert habe, um dort ein demokratisches Verfahren zu fordern. Die derzeitige Forderung der CDU-Fraktion im Rat der Hansestadt Lüneburg nach einer Einrichtung eines Atom-TÜVs zeige, dass anscheinend Kritik an der bestehenden Überwachung bestünde. Dieses werde mit Zustimmung zur Kenntnis genommen.

 

Beigeordneter DÖRBAUM fasst zusammen, dass im Mittelpunkt der Diskussionen stets der Schutz der Bürgerinnen und Bürger der Region vor den bekannten Risiken der Nutzung der Atomkraft im Vordergrund stünde. Die Region Lüneburg sei durch die unmittelbare Nähe zu den Atomkraftwerken Brockdorf, Krümmel und Brunsbüttel betroffen. In der heute vorgelegten Resolution seien alle Gedanken der Fraktionen aufgenommen. Er appelliert an alle Ratsmitglieder, dieser gemeinsamen Resolution breit zuzustimmen und bittet für eine Abstimmung zunächst um eine Sitzungsunterbrechung, die mehrheitlich angenommen wird.

 

Ratsvorsitzende THIELBÖRGER unterbricht die Ratssitzung für 10 Minuten.

 

Nach Wiedereröffnung der Ratssitzung führt Ratsherr RIECHEY aus, dass am Ende der Laufzeit einige Atomkraftwerke bereits 70 Jahre am Netz seien und dann bezweifelt werden könne, dass diese noch auf dem neuesten Stand der Technik seien. Er berichtet aus einer Sitzung des Umweltausschusses im Bundestag, wonach in einer Diskussion klargestellt wurde, dass keine Versicherung Atomkraftwerke und ihre Risiken versichern werde. In Deutschland herrsche eine massive Stromüberproduktion, so dass mindestens 7 Atomkraftwerke abgeschaltet werden könnten, ohne eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit befürchten zu müssen. Diese Aussagen decken sich mit dem Sachverständigenrat der Bundesregierung. Aus Berichten des Untersuchungsausschusses zu Gorleben im Bundestag sei ersichtlich, dass unter dem Salzstock ein Erdgasvorkommen entdeckt wurde, was nun endgültig die totale Ungeeignetheit dieses Endlagers bescheinige. Er spricht sich dafür aus, ein nationales Suchraster mit klaren Standards festzulegen, um ein objektiv sicheres Endlager in Deutschland zu finden.

 

Bürgermeister Dr. SCHARF erklärt, dass seit längerer Zeit mit dem Gruppenpartner SPD über eine Resolution zu dieser Thematik gesprochen wurde und der nun gestellte gesonderte Antrag nicht das gegenseitige Vertrauen erschüttern werde. Er bedankt sich für die überwiegende Sachlichkeit der Diskussion, was zu diesem Thema nur angemessen erscheine.

Vor Ort seien die Fragen zum Atommülllager Gorleben und dem Atomkraftwerk Krümmel in der Diskussion und man müsse sich dieser Problematik mit Sachlichkeit und Sachverstand stellen.

Es sei schade, dass im Falle von Gorleben leider nicht immer sachlich informiert werde, so sei z. B. ein Vergleich zwischen Asse und Gorleben nicht statthaft.

Er spreche sich für eine ergebnisoffene Prüfung mit allen daraus folgenden Konsequenzen aus.

Beim Atomkraftwerk Krümmel müsste zunächst einmal der Betrieb und die Technik intensiv geprüft und die Einrichtung eines Atom-TÜVs diskutiert werden.

Für einen begrenzten Zeitraum sei man noch auf Atomenergie angewiesen mit dem erklärten gemeinsamen Ziel, aus der Energiegewinnung aus Atomkraft auszusteigen.

 

Zum Verfahren erklärt Beigeordneter DÖRBAUM, dass die SPD-Fraktion ihren Änderungsantrag vom 28.09.2010 zurückziehe. Stattdessen werde der heute eingereichte Änderungsantrag als persönlicher Änderungsantrag unter eigenem Namen eingereicht und zur Abstimmung gestellt. Die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN haben im Vorwege zugestimmt, dieser Resolution ebenfalls zu folgen.

Beschluss:

Beschluss:

 

Der Rat der Hansestadt Lüneburg verabschiedet mehrheitlich bei 13 Gegenstimmen folgende Resolution:

 

Kein Ausstieg aus dem Atomausstieg!

Atomkraftwerk (AKW)-Krümmel nicht wieder ans Netz nehmen!

Ergebnisoffene Suche nach atomarem Endlager!

 

1.        Der Rat der Hansestadt Lüneburg protestiert gegen die jetzt beabsichtigte Wiederinbetriebnahme des AKW Krümmel und fordert die zuständigen Behörden auf, das AKW Krümmel aus Sicherheitsgründen zum Schutz der Bevölkerung endgültig stillzulegen. Auf gar keinen Fall soll die Laufzeit, wie vorgesehen, für das AKW Krümmel um 14 Jahre (von 2019 auf 2033) verlängert werden.

 

2.        Der Rat der Hansestadt Lüneburg spricht sich gegen die von der Bundesregierung beschlossene Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke um durchschnittlich zwölf Jahre aus. Die Laufzeitverlängerung verlängert die Gefahr von Stör- und Unfällen im „Normalbetrieb“ und gefährdet damit die Bevölkerung. Gleichzeit werden Arbeitsplätze im Bereich der Erneuerbaren Energie in der Region und den norddeutschen Bundesländern gefährdet sowie Chancen zur Strukturentwicklung für Werften, Häfen und im ländlichen Raum reduziert. Darüber hinaus halten wir die Entscheidung, die Laufzeiten zu verlängern, für zustimmungspflichtig im Bundesrat und sehen in dem angekündigten Verzicht einen Verstoß gegen verfassungsrechtliche Vorgaben.

 

3.        Der Rat der Hansestadt Lüneburg fordert die Bundesregierung auf, die ergebnisoffene und deutschlandweite Suche nach einem atomaren Endlager auf der Grundlage einer atomrechtlichen Prüfung zu forcieren. Der Salzstock Gorleben ist, wie Fachleute bestätigen, geologisch nicht geeignet.

 

4.        Der Rat der Hansestadt Lüneburg fordert alle Verantwortlichen in Politik, Verwaltung und Atomwirtschaft auf, die Sorgen der Menschen, die mit der Nutzung und den Risiken der Atomenergie einhergehen, ebenso ernst zu nehmen wie ihre Bedürfnisse nach verfügbarer, klimaneutraler und bezahlbarer Energie.

 

5.        Der Rat der Hansestadt Lüneburg fordert deshalb die Landtags- und Bundestagsabgeordneten in unserer Region auf, sich für die Umsetzung dieser Forderungen einzusetzen und damit einen erheblichen Beitrag zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger zu leisten.

 

6.        Der Rat der Hansestadt Lüneburg stärkt zusätzlich den Oberbürgermeister, sich bei der Niedersächsischen Landesregierung und den zuständigen Gremien für die geforderten Maßnahmen einzusetzen.

 

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