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Auszug - Resolution "Hamburger Modell zu Studiengebühren zum nächsten Wintersemester übernehmen" (Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 08.04.2008 mit Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE vom 14.05.2008, eingegangen am 15.05.2008)  

 
 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Rates der Hansestadt Lüneburg
TOP: Ö 6.2
Gremium: Rat der Hansestadt Lüneburg Beschlussart: abgelehnt
Datum: Do, 29.05.2008    
Zeit: 17:00 - 20:00 Anlass: Sitzung
Raum: Huldigungssaal
Ort: Rathaus
VO/2819/08 Resolution "Hamburger Modell zu Studiengebühren zum nächsten Wintersemester übernehmen" (Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 08.04.2008 mit Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE vom 14.05.2008, eingegangen am 15.05.2008)
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Antrag d. Fraktion Bündnis90/Die Grünen
Federführend:01 - Büro der Oberbürgermeisterin Bearbeiter/-in: Gieseking, Stefan
 
Wortprotokoll
Beschluss

Beratungsinhalt:

 

Beratungsinhalt:

 

Ratsherr POLSTER stellt für seine Fraktion fest, dass jede Form von Studiengebühren sozial ungerecht sei, da junge Menschen aus sozial schwachen Familien durch Studiengebühren abgeschreckt würden. In Niedersachsen werden 500 Euro pro Semester erhoben, die über einen Kredit bei der N-Bank finanziert werden können, dies werde aber nur wenig in Anspruch genommen. Das liege an den dafür erforderlichen Zinsen in nicht geringer Höhe von etwa sechs Prozent. Wer keine Schulden machen wolle, müsse sich andere Wege überlegen. Bei manchen Studierenden übernehmen die Eltern die Gebühren, dies belaste bei sozial schwachen Familien jedoch das Familieneinkommen erheblich. Andere arbeiteten zusätzlich nebenher, was aber im allgemeinen dazu führe, dass weniger Seminare belegt werden können mit der Folge einer verlängerten Studienzeit. Das Modell in Niedersachsen sei daher in jeder Hinsicht unsozial.

In Hamburg werden die Gebühren künftig nachgelagert, in geringerer Höhe und erst ab einem Jahreseinkommen von 30.00 Euro erhoben. Dies sei nicht mehr und nicht weniger als ein Kompromiss, da die Positionen der Parteien sehr unterschiedlich waren. Dennoch sei es eine klare Verbesserung für die dort Studierenden, da sie während des Studiums kleine Gebühren mehr zahlen müssen. Aus diesem Grund wünsche seine Fraktion eine Resolution an den Landtag zur Übernahme des Hamburger Modells. Die Studierenden bildeten einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor für die Lüneburger Gastronomie, viele Geschäfte richteten ihr Sortiment auf diese Zielgruppe aus, ferner werde das kulturelle Leben durch die Studentinnen und Studenten bereichert. Habe jemand die Wahl zwischen einem Studiengang in Hamburg oder in Lüneburg, so könne es ein entscheidendes Kriterium sein, dass man in Hamburg zunächst keine Studiengebühren zahlen müsse. Lüneburg habe dadurch einen Wettbewerbsnachteil innerhalb der Metropolregion Hamburg, der nur durch die Übernahme des Hamburger Modells ausgeglichen werden könne, da es für die Abschaffung der Studiengebühren keine Mehrheit im Landtag gebe. Studiengebühren seien Ländersache, daher nütze die von den Linken angeführte Mehrheit im Bundestag nichts. Eine Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf die Hochschulen ändere nichts. Da es keinen finanziellen Ausgleich für die Einnahmeausfälle gebe, werde keine Universität auf die Studiengebühren verzichten können. Seine Fraktion sei im übrigen keineswegs der Steigbügelhalter der Studiengebühren, vielmehr sei der Hamburger Kompromiss der Einstieg zum Ausstieg aus den Gebühren.

 

Beigeordnete LOTZE glaubt sehr wohl, dass sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit diesem Antrag zum Retter der Studiengebühren mache. Sie erinnere an das Landtagswahlprogramm der Grünen vor nicht einmal vier Monaten, dort sei den Wählern noch ein gebührenfreies Erststudium für Bachelor und Master in Niedersachsen versprochen worden. Inzwischen sei man offenbar zu der Erkenntnis gekommen, nun doch an einer Studiengebühr festhalten zu wollen, da auch eine nachgelagerte Gebühr eben trotzdem eine Gebühr bleibe. Es mache wenig Unterschied, ob sich Studierende während eines Studiums belasteten oder unmittelbar beim Einstieg in das Berufsleben, zu einer Zeit also, in der für junge Menschen noch andere persönliche Kostenfaktoren anfallen. Nach der Idee der Grünen müssten diese jungen Leute dann mit einem Haufen Schulden für Studiengebühren und regelmäßig auch für BAFöG-Leistungen in das Berufsleben starten. Ihre Fraktion bleibe bei der felsenfesten Überzeugung, dass nur ein gebührenfreies Erststudium Sinn mache, dafür setze sich auch ihre Landtagsfraktion ein.

 

Beigeordnete SCHELLMANN verweist darauf, dass der Antrag zu spät komme. Man habe miterlebt, dass die Universität Lüneburg zu einer Stiftungsuniversität wurde und als solche die Kompetenz der Entscheidung über Studiengebühren erhalten habe. Daher könne das Land Niedersachsen beschließen was es wolle, die Universität sei auch in diesem Falle völlig autark. Das müssten alle Befürworter der damaligen Fusion nun akzeptieren.

 

Ratsherr RIECHEY widerspricht Beigeordneter Schellmann, die Aussage zur Entscheidungskompetenz über Studiengebühren sei sachlich nicht richtig. Dagegen sei er mit den Aussagen von Frau Lotze bis kurz vor Ende des Beitrages völlig einer Meinung, leider sei nicht begründet worden, warum der Änderungsantrag der Linken abgelehnt werden solle, da er sich doch inhaltlich mit ihren Aussagen decke.

Er sei tief erschüttert, dass die Grünen ohne Not ihre Position zu Studiengebühren aus dem Wahlprogramm aufgegeben haben, dazu bestehe in Niedersachsen keinerlei Anlass, dies bringe nichts und sei vorauseilender Gehorsam. Im Stadtrat habe man mit Grünen und SPD eine Mehrheit, wenn man sich für ein gebührenfreies Studium einsetzen wolle. Natürlich sei das Hamburger Modell weniger schlimm für die Studierenden, weil die Gebühr nicht gleich gezahlt werden müsse. Dafür müssten sie allerdings auf Pump studieren und säßen später auf einem großen Schuldenberg. Wirklich besser sei das Hamburger Modell also nicht. Er habe dem Antrag eine Stellungnahme des AStA beigefügt, der sich dazu klar geäußert und eine Abschaffung der Studiengebühren gefordert habe, nicht nur eine Veränderung von Höhe und Zeitpunkt der Zahlungen. Er schlage die einzelne Abstimmung der Absätze des Antrages vor, da beide eine eigene Akzentuierung besäßen. Im ersten Absatz bekenne sich der Stadtrat ohne Wenn und Aber zu einem gebührenfreien Studium aus den dort genannten Gründen. Im zweiten Absatz hingegen beziehe sich seine Fraktion auf den Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP, in dem beide eine Überprüfung der Übertragung der Kompetenz für die eigene Gestaltung der Studiengebühren an die Hochschulen ankündigten. Werde diese Aussage ernst genommen, müssten CDU und FDP dem zweiten Absatz des Änderungsantrages zustimmen. Bekäme man hier eine Mehrheit, könne der Stadtrat die Universität auffordern, auf die Erhebung der Studiengebühren zu verzichten und gleichzeitig die Landesregierung auffordern, die Ausfälle zu kompensieren. Dadurch würden der Stadt auch keinerlei Kosten entstehen. Die Universität sei jahrelang ohne Studiengebühren ausgekommen, da könne man nicht verkaufen, dass es ohne Studiengebühren nun gar nicht mehr gehe.

 

Ratsherr DR. ALTHUSMANN betont, dass man heute unterschiedlichste Anträge und Änderungsanträge mit unterschiedlichsten Begründungen am Ende mit Mehrheit ablehnen werde. Kaum ein Thema sei – nicht zuletzt im zurückliegenden Landtagswahlkampf – so strittig diskutiert worden wie Studiengebühren, alle Parteien haben sich hier klar positioniert. Die Position der CDU dürfte hier am Ende die ehrlichere Variante sein, da man ganz klar sagen müsse, dass Bildung viel Geld koste und das Hochschulwesen unabhängig von der jeweiligen Regierung seit Jahren chronisch unterfinanziert sei. Daher erwarte man heute von den jungen Menschen einen Beitrag, wenn sie dafür ein Studium mit auf den Weg bekommen, das in der Regel den Steuerzahler zwischen 30.000 und 70.000 Euro koste.

Er wolle auf eine seltsame Wandlung in der Haltung der Grünen hinweisen, die ihn eher erfreue als überrasche. Offenbar habe dort ein Lernprozess eingesetzt, der von der grundsätzlichen Ablehnung zu einer nachgelagerten Erhebung von Studiengebühren geführt habe. Allerdings glaube er, dass die Haltung der Grünen hier nicht so ganz ehrlich sei, da mit dem früheren Außenminister Fischer einer ihrer Fahrensleute durch die Welt reise, um an einer privaten Eliteuniversität mit circa 30.000 bis 60.000 Dollar Studiengebühren zu lehren. Er könne sich auch nicht verkneifen, die SPD darauf aufmerksam zu machen, dass seine Fraktion die generelle Ablehnung einer Studiengebühr für falsch halte. Eine Sozialerhebung  des Deutschen Studentenwerkes im Juni 2007 habe die These widerlegt, dass die Erhebung von Studiengebühren zwangsläufig zu einer Nichtaufnahme eines Studiums und damit quasi zu einer sozialen Selektion führte. Gleichwohl zeige diese Studie, dass die soziale Herkunft nach wie vor maßgeblich über den Bildungsweg entscheide. Gerade deswegen habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 26.01.2005 entschieden, dass die Einführung der Studienbeiträge dann nicht verfassungswidrig sei, wenn sie sozial verträglich ausgestaltet und in ein leistungsfähiges Darlehenssystem zum Stipendium integriert werde. Außerdem sei sicher zu stellen, dass die daraus resultierenden Mittel tatsächlich zur Verbesserung von Lehre und Forschung an den niedersächsischen Universitäten eingesetzt werden. Genau das sei in Niedersachsen im Jahre 2006 im Rahmen des Hochschulgesetzes beschlossen worden. Hier müsse er Frau Schellmann korrigieren, in Niedersachsen sei ein Studienbeitrag von 500 Euro generell für alle Universitäten eingeführt worden, auch für Stiftungsuniversitäten.

Alle Studierenden in Niedersachsen haben nach dem Gesetz einen Anspruch auf ein einkommensunabhängiges und zinsgünstiges Studiendarlehen, dessen Rückzahlung – dies sei neben Vergünstigungen für Erziehende oder Pflegepersonen eine Komponente der Sozialverträglichkeit – erst verlangt werden könne, wenn der Studierende ein ausreichendes Einkommen erziele. Zudem sei eine Verschuldungsobergrenze von 15.000 Euro einschließlich des BAFöG-Darlehens gesetzlich festgeschrieben worden. Daher halte er das niedersächsische Studienbeitragsmodell für ein ausgesprochen sozialverträgliches und gut ausgestattetes Modell, während das nachgelagerte Hamburger Modell dazu führe, dass die derzeitigen Einnahmen aus Studiengebühren in Niedersachsen von ca. 85 Millionen Euro auf etwa 64 Millionen Euro sinken würden. Ferner würde sich ein völlig neues Erhebungssystem ergeben, in welchem man den Studierenden nach Abschluss ihres Studiums hinterherlaufen müsste, um die Studienbeiträge einzutreiben. Daher werde man in Niedersachsen das Hamburger Modell nicht einführen, sondern im Jahre 2010 überprüfen, ob das Modell funktioniere und gerecht sei.

 

Ratsherr MEIHSIES konstatiert, dass das Hamburger Modell einen hohen Verwaltungsaufwand produzieren werde. Man habe aber herausfinden wollen, ob die CDU, die die Studiengebühren in Niedersachsen eingeführt habe, insbesondere vor dem Hintergrund einer Standortkonkurrenz der Lüneburger Universität lernfähig sei. Die Frage sei daher, ob man den Standortnachteil durch die Übernahme des Hamburger Modells ausgleichen und zudem eine andere soziale Gerechtigkeit schaffen wolle. Man könne nicht wegdiskutieren, dass sich immer mehr Studierende überlegen werden, ob nicht das Hamburger Modell für sie das Bessere gegenüber der Situation in Niedersachsen sei. Man habe durch die neuen Mehrheiten in Hamburg einen Wettbewerb bekommen, der für Niedersachsen zu einem Nachteil geführt habe. Es gehe darum, eine Veränderung auf Landesebene in Gang zu setzen, damit mehr Menschen studieren können und mehr Chancengleichheit auch für finanziell weniger gut Ausgestattete bestehe. Diese Resolution sei eine Herausforderung, leider müsse man feststellen, dass die CDU nicht bereit sei, diesen Weg mitzugehen.

 

Beschluss:

Beschluss:

 

Der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE wird bei einzelner Abstimmung der beiden Absätze mehrheitlich abgelehnt bei 2 Ja-.Stimmen der Fraktion DIE LINKE gegen die Stimmen der Gruppe SPD/CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der FDP-Fraktion.

 

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird mehrheitlich abgelehnt bei 6 Ja-Stimmen aus den Reihen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und 1 Enthaltung aus den Reihen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Gruppe SPD/CDU, der FDP-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE.

 

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